Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 21.12.2018 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 157/16 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2018:1221.13UF157.16.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Taschengeldanspruch eines wiederverheirateten Ehegatten (§ 1360 BGB) stellt tatsächliches unterhaltsrelevantes Einkommen dar, und dessen volljährigem Kind aus vorheriger Ehe kann es obliegen, diesen zur Darlegung der Haftungsanteile seiner Eltern (§ 1606 Abs. 3 S 1 BGB) vorzutragen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners für eine Abänderungsklage entfällt grundsätzlich erst, wenn der Unterhaltsgläubiger den Vollstreckungstitel zurückgibt, da dieser bis dahin einer Vollstreckung zugänglich ist.
3. Ist eine Rückgabe nicht möglich, weil der Titel für die Vollstreckung noch fälliger Leistungen benötigt wird, kann das Rechtsschutzinteresse des Schuldners ausnahmsweise dann zu ver-neinen sein, wenn eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht (vgl. BGH, Urteil vom 08. Februar 1984 – IVb ZR 52/82 –, Rn. 21, juris). Dies ist der Fall, wenn der Unterhaltsgläubiger einen entsprechenden Hinweis mit seinem weitergehenden Vollstreckungsverzicht verbindet (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 10 Verfahrensrecht Rn. 181 m.w.N.), also bei einer Erklärung des Gläubigers, für die Zukunft auf die Rechte aus dem Titel und auf dessen Vollstreckung zu verzichten (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 238 Rn. 19 m.w.N.).
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 18.06.2016 – 20 F 90/16 – abgeändert:
Die Anträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
2. Auf den Widerantrag des Antragsgegners wird der Teilanerkenntnisbeschluss des Amtsgericht Erdingen vom 21.09.2011 – 1 F 492/11 – dahin abgeändert, dass der Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 01.08.2017 keinen Unterhalt mehr schuldet.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
4. Wert der Beschwerde: bis 9.000 €
5. Der Verfahrenswert für die I. Instanz wird in Abänderung der Wertfestsetzung des Amtsgerichts vom 19.08.2016 auf bis zu 4000 € festgesetzt.
I.
Die am …1997 geborene Antragstellerin verlangt in Abänderung eines Teilanerkenntnisbeschlusses noch rückständigen Volljährigenunterhalt für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.07.2017 vom beschwerdeführenden Antragsgegner, ihrem Vater, der widerklagend zuletzt die Streichung seiner Unterhaltspflicht verfolgt.
Der Antragsgegner erkannte durch Teilanerkenntnisbeschluss vom 21.09.2011 eine Kindesunterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin i.H.v. 115 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle an (vgl 13).
Die Antragstellerin lebte einkommens- und vermögenslos in der noch verfahrensgegenständlichen Zeit bei ihrer Mutter. Diese war wiederverheiratet mit einem Berufssoldaten, der in Sizilien stationiert war, wo die Antragstellerin die Schule besuchte.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners hätten sich seit Titulierung im Jahre 2011 wesentlich verbessert und ihre Mutter sei mangels Leistungsfähigkeit für die Bemessung des Volljährigenunterhalts nicht heranzuziehen.
Sie hat beantragt,
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, in Abänderung des Teilanerkenntnisbeschlusses vom 21.09.2011 des Amtsgerichts Erding (1 F 492/11) an sie ab dem 01.05.2016 Unterhalt i.H.v. 152 % des Mindestunterhalts abzüglich staatlichen Kindergelds (derzeit 785 € - 190 € = 595 €) zuzüglich Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 43,83 € zu bezahlen;
2. der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum Januar bis April 2016 als rückständigen Unterhalt einen Betrag i.H.v. 312 € zu bezahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge der Antragstellerin abzuweisen
sowie widerantragend,
die Antragstellerin wird verpflichtet, dem Antragsgegner Auskunft über Ihre derzeitige Schulausbildung sowie Auskunft über die Einkünfte Ihrer Mutter … im Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 sowie über die Einkünfte des Ehemanns ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 und darüber, ob dieser von seiner Arbeitgeberin weitere Leistungen, wie verbilligten Wohnraum, erhält, zu erteilen.
Die Antragstellerin wird verpflichtet, diese Auskunft zu belegen durch
- Vorlage einer aktuellen Schulbescheinigung sowie
- Vorlage der Verdienstabrechnungen ihrer Mutter … von Oktober 2013 bis September 2014
- Vorlage einer Aufstellung über die monatlichen Einkünfte des Ehemannes ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 mit Angaben weiterer Arbeitgeberleistungen wie verbilligten Wohnraum, Verpflegungszuschüsse, Auslandszulagen, Familienzuschläge etc.
die Antragstellerin hat beantragt,
die Wideranträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat die Mutter der Antragstellerin für leistungsfähig sowie das Antragsvorbringen mangels Darstellung einer Haftungsquote für unschlüssig erachtet. Er ist darüber hinaus dem Vorbringen der Antragstellerin zu seinen Einkommensverhältnissen entgegengetreten.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (105 ff), hat das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, und seine Wideranträge zurückgewiesen. Die unterhaltsrechtlich relevanten Verhältnisse hätten sich gegenüber dem Zeitpunkt der Titulierung im Jahr 2011 bei ihm durch Wegfall zweier Unterhaltsverpflichtungen und geänderte Beschäftigungsverhältnisse wesentlich verändert. Die Mutter der Antragstellerin sei mangels Leistungsfähigkeit für die Unterhaltsbemessung nicht heranzuziehen. Für die Wideranträge des Antragsgegners fehle es vor dem Hintergrund des § 1360a Abs. 1 BGB an einer Anspruchsgrundlage.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren uneingeschränkt und sein erstinstanzliches Auskunftsbegehren im Wesentlichen unverändert weiter. Er beanstandet die Verfahrensführung des Amtsgerichts, das ihm trotz Antragserweiterung in der mündlichen Verhandlung keine Schriftsatznachlassfrist eingeräumt und weiteres Verteidigungsvorbringen hierzu unberücksichtigt gelassen habe. Das Amtsgericht habe die Leistungsunfähigkeit der Kindesmutter rechtsfehlerhaft bejaht, sein Einkommen unzutreffend ermittelt und ihn fälschlich innerhalb der Düsseldorfer Tabelle höhergruppiert. Es habe den Elementarbedarf der Antragstellerin und ihren Sonderbedarf für Krankenversicherungskosten nicht tragfähig festgestellt.
Nachdem die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch bis Juli 2017 begrenzt hat, erstrebt der Antragsgegner wiederantragend die Streichung seiner Unterhaltsverpflichtung aus dem Teilanerkenntnisbeschluss vom 21.09.2011.
Er beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 18.08.2016 – 20 F 90/16 – die Anträge der Antragstellerin abzuweisen;
widerantragend,
den Teilanerkenntnisbeschluss vom 21.09.2011 des Amtsgerichts Erding in – 1 F 492/11 – dahingehend ab dem 01.08.2017 abzuändern, dass der Antragsgegner keine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin hat;
sowie hilfsweise für den Fall einer fehlenden Abweisung der Anträge der Antragstellerin,
diese zu verpflichten, dem Antragsgegner Auskunft zu erteilen über die Einkünfte Ihrer Mutter … im Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 sowie über die Einkünfte des Ehemannes ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 und darüber, ob dieser von seiner Arbeitgeberin weitere Leistungen, die verbilligten Wohnraum, erhält, zu erteilen;
die Antragstellerin zu verpflichten, diese Auskunft zu belegen durch
- Vorlage eines in die deutsche Sprache übersetzten aktuellen Schulzeugnisses
- Vorlage der Verdienstabrechnung Ihrer Mutter … vom Oktober 2013 bis September 2014
- Vorlage einer Aufstellung über die monatlichen Einkünfte des Ehemannes ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 mit Angaben weiterer Arbeitgeberleistungen wie verbilligten Wohnraum, Verpflegungszuschüsse, Auslandszulagen, Familienzuschläge etc.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und den zweitinstanzlich erweiterten Widerantrag abzuweisen.
Sie beschränkt ihr Unterhaltsverlangen auf die Zeit bis einschließlich Juli 2017 (250), verteidigt im Übrigen den angefochtenen Beschluss und hält den zweitinstanzlich erweiterten Widerantrag für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug sowie aus seinen Hinweis vom 22.11.2018 (270). Er entscheidet, wie angekündigt (209, 270), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Die Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (§ 238 Abs. 4 FamFG) sind in Ansehung einer Heraufsetzung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners nicht feststellbar. Das Amtsgericht hat ein tatsächliches Einkommen der Kindesmutter zu Unrecht verneint. Ihr Anspruch auf Familienunterhalt (§ 1360 BGB) beinhaltet einen Taschengeldanspruch; dieser richtet sich auf eine Geldleistung und stellt tatsächliches unterhaltsrelevantes Einkommen dar. Seine Höhe bestimmt sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen, nach Lebensstil und Zukunftsplanung der Ehegatten (vgl. Wendel/Wönne, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2 Rn. 1005; Wendel/Bömmelburg aaO § 3 Rn. 67, jew. m.w.N.). Das Einkommen des zweiten Ehemanns der Mutter der Antragstellerin lag in den erhöhungsbetroffenen Monaten nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragsgegners deutlich über seinem (vgl. 72). Die Antragstellerin hat das Einkommen ihrer Mutter und damit die für ihr Erhöhungsverlangen darzulegenden und ggfs. zu beweisenden Haftungsanteile ihrer Eltern (§ 1606 Abs. 3 S 1 BGB) auch nach richterlichem Hinweis vom 22.11.2018 nicht beurteilbar dargetan.
Der Widerantrag des Antragsgegners auf Streichung seiner Unterhaltspflicht hat Erfolg.
Sein Abänderungsantrag ist zulässig. Der Antragsgegner hat entgegen der Ansicht der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Streichung der titulierten Unterhaltsverpflichtung (§ 238 FamFG). Das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners für eine Abänderungsklage entfällt grundsätzlich erst, wenn der Unterhaltsgläubiger den Vollstreckungstitel zurückgibt, da dieser bis dahin einer Vollstreckung zugänglich ist. Ist eine Rückgabe nicht möglich, weil der Titel für die Vollstreckung noch fälliger Leistungen benötigt wird, kann das Rechtsschutzinteresse des Schuldners ausnahmsweise dann zu verneinen sein, wenn eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht (vgl. BGH, Urteil vom 08. Februar 1984 – IVb ZR 52/82 –, Rn. 21, juris). Dies ist der Fall, wenn der Unterhaltsgläubiger einen entsprechenden Hinweis mit seinem weitergehenden Vollstreckungsverzicht verbindet (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 10 Verfahrensrecht Rn. 181 m.w.N.), also bei einer Erklärung des Gläubigers,für die Zukunft auf die Rechte aus dem Titel und auf dessen Vollstreckung zu verzichten (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 238 Rn. 19 m.w.N.).
Derart weitgehende Erklärungen hat die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen im Verfahren nicht abgegeben (§§ 133, 157 BGB). Die Rückgabe des Vollstreckungstitels oder Rückgabehindernisse hat sie schon nicht thematisiert und der von ihr zur Unterhaltsbegrenzung herangezogene Schulabschluss im Juli 2017 läßt keinen hinreichenden Schluss zu auf das auch künftig dauerhafte Fehlen von unterhaltsbegründenden Umständen. Die Antragstellerin hat ihren künftigen Lebensweg gerade offengelassen und Ausführungen zur künftigen Erfüllung ihrer Ausbildungsobliegenheit als müßig erachtet (250). Hiernach musste der Antragsgegner das Prozessvorbringen der Antragstellerin keineswegs als Angebot auf Abschluss eines Verzichtsvertrages verstehen, und hat es auch nicht so aufgefasst (259).
Die Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (§ 238 Abs. 4 FamFG) sind in Ansehung einer Streichung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners unstreitig. Dass oder wie sie ihrer Ausbildungsobliegenheit ab 01.08.2017 nachkommt, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG.
Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1 S 1 Abs. 2, 39 Abs. 1 S 1 FamGKG. Der Verfahrenswert für einen Abänderungsantrag bestimmt sich nach § 51 FamGKG aus den Jahresbeträgen der geforderten Veränderungen zzgl. geltend gemachter Rückstände vor Anhängigkeit des Verfahrens; der Monat der Anhängigkeit zählt zu den Rückständen, § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG (vgl. Senat NZFam 2017, 320 m.w.N.; Wendl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 10, Rn. 251 m.w.N.). Der Abänderungsantrag der Antragstellerin betraf ab Mai 2016 einen Unterschiedsbetrag von monatlich 234,83 € und einen Rückstand von 312 €, der Abänderungsantrag des Antragsgegners betraf ab August 2017 einen Unterschiedsbetrag von monatlich 415 €. Beide Anträge betrafen mit unterschiedlichen Zeiträumen unterschiedliche Gegenstände und waren wirtschaftlich verschieden; ihnen hätte widerspruchsfrei stattgegeben werden können.
Den Verfahrenswert für die I. Instanz hat der Senat nach § 55 Abs. 3 S 1 Nr. 2 FamGKG abgeändert. Das Amtsgericht hat fehlerhaft mit dem Zwölffachen des Zahlbetrages gerechnet (vgl. 117), statt richtigerweise mit dem zur Abänderung gestellten Differenzbetrag. Die erstinstanzlich verfolgten Auskunftsansprüche gingen über ein Verteidigungsinteresse des Antragsgegners nicht hinaus, und waren insoweit nicht eigenständig zu berücksichtigen, § 39 Abs. 1 S 3 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.