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Entscheidung 16 S 230/12


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 15.04.2013
Aktenzeichen 16 S 230/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 7.11.2012 - 23 C 278/11 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Vergleichs vom 24.10.2012 werden gegeneinander aufgehoben. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert 2. Instanz: 775,65 €

Gründe

I.

Der Kläger vermietete an die Beklagte eine in xxx gelegene Wohnung. Nachdem die Beklagte dem Kläger einen Feuchtigkeitsmangel angezeigt hatte, begab sich der Kläger nach Vorankündigung zusammen mit einem Handwerker am 26.8.2011 zu der Wohnung. Nachdem die vorgenannten Personen eine Remise geöffnet hatten, ohne zuvor die Zustimmung der Klägerin hierzu einzuholen, kam es zwischen den Streitparteien zu einem Wortgefecht. In der Folge rief die Beklagte die Polizei und erstattete gegen den Kläger Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch und übler Nachrede. Bei einem späteren Aufeinandertreffen der Parteien am 29.9.2011 erklärte die Beklagte, dass sie die Strafanzeige nicht zurücknehmen werde.

Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30.9.2011 und führte zur Begründung an, dass die Beklagte gegen ihn eine Strafanzeige ohne sachlichen Grund erstattet habe und diese Strafanzeige auch trotz Aufforderung nicht zurückgenommen habe.

Mit der Klage hat der Kläger die Herausgabe der Wohnung sowie die Zahlung außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten verlangt. In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2012 haben sich die Parteien über die Herausgabe der Wohnung verglichen. Darüber hinaus enthält der Vergleich folgende Regelung:

“Über die weiteren Ansprüche und Kosten des Rechtsstreits soll das Gericht entscheiden.“

Der Kläger meint, er sei zur außerordentlichen Kündigung, hilfsweise zur fristgerechten Kündigung aufgrund der Strafanzeige der Beklagten bzw. ihrer Weigerung zur Rücknahme berechtigt gewesen. Die Beklagte habe diese Strafanzeige leichtfertig erstattet und damit das mietvertragliche Vertrauensverhältnis zerstört.

Die Beklagte behauptet, sie habe den Kläger zum Verlassen des Grundstücks aufgefordert, woraufhin dieser geäußert habe: “Ich verfluche den Tag, an dem ich sie hereingenommen habe, sie Betrügerin, sie wollten ein Haus kaufen und hatten gar kein Geld.“

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie der Zahlung der Kosten des Rechtsstreits (ohne Kosten des Vergleichs) verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger aufgrund der Strafanzeige der Beklagten bzw. der Weigerung der Rücknahme derselben jedenfalls zur ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen sei. Die Beklagte habe gegen ihre mietvertragliche Treuepflicht verstoßen, was jedenfalls eine Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertige. Die Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs sei unberechtigt erfolgt, weil der Vermieter jedenfalls aufgrund der vorherigen Mängelanzeige ein Recht zur Betretung gehabt habe. Auch die Strafanzeige wegen übler Nachrede sei unberechtigt gewesen, die von der Beklagten behauptete Äußerung des Klägers habe denunziatorischen Charakter gehabt, so dass es auf ihren Wahrheitsgehalt nicht ankomme. Im Übrigen sei die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet für die Äußerung geblieben.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung einschließlich der Auferlegung der Kosten des Rechtsstreits. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, dass der Kläger, selbst wenn ihm ein Betretungsrecht grundsätzlich zugestanden hätte, zunächst nicht verbotene Eigenmacht habe ausüben dürfen, sondern gegebenenfalls einstweiligen Rechtsstreits hätte beantragen müssen. Die Strafanzeige der Beklagten habe auch keinen denunziatorischen Charakter gehabt. Das Verhalten der Beklagten habe die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht unzumutbar gemacht.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und verweist insbesondere auf die ständige Rechtsprechung, wonach eine Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter eine Kündigung rechtfertigen könne.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1.

Der Kläger von kann von der Beklagten den Ausgleich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die er im Hinblick auf die Kündigung des Mietverhältnisses aufgewandt hatte, nicht verlangen. Denn der Kläger war weder zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung berechtigt. Weder lagen die Voraussetzung des § 543 Abs. 1 BGB noch diejenigen des § 573 BGB vor. Die Strafanzeige der Beklagten stellte weder einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 BGB dar, noch handelte es sich um eine schuldhafte und erheblich Verletzung vertraglicher Pflichten.

a)

Zutreffend ist zunächst der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts, dass eine vorsätzlich falsche oder leichtfertig erhobene Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter eine Kündigung des Mietvertrages rechtfertigen kann.

Dabei ist jedoch zunächst vorauszuschicken, dass die Anzeige einer Straftat bei der Staatsanwaltschaft grundsätzlich weder als schuldhafte Vertragsverletzung noch sonst als verwerflich anzusehen ist. Denn jeder Bürger ist grundsätzlich berechtigt, bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde solche Taten zur Anzeige zu bringen, die er selbst als Straftaten qualifiziert. Es handelt sich insoweit zunächst um die schlichte Wahrnehmung eigener strafprozessualer Verfahrensrechte. Als Verstoß gegen die mietvertragliche Treueverpflichtung ist eine Strafanzeige nur dann anzusehen, wenn mit ihr vorsätzlich falsche Angaben gemacht werden oder leichtfertig Behauptungen ins Blaue hinein erhoben werden, die den Vermieter in ungerechtfertigter Weise belasten können. Es ist auch danach zu differenzieren, ob der Mieter bewusst oder nachweislich falsche Tatsachen behauptet, oder ob er lediglich eine unzutreffende rechtliche Würdigung vornimmt. Zu berücksichtigen ist schließlich, ob der Mieter mit der Strafanzeige eigene Interessen wahrnimmt, insbesondere weil er sich selbst als Opfer einer Straftat ansieht, oder ob es ihm primär darauf ankommt, den Vermieter zu schädigen.

b)

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im Hinblick auf den Vorwurf eines Hausfriedensbruchs gegenüber der Staatsanwaltschaft falsche tatsächliche Angaben nicht gemacht. Ob das Eindringen des Klägers in die Remise bereits den Tatbestand des § 123 StGB erfüllt, ist eine Frage der rechtlichen Würdigung. Es erscheint jedenfalls nicht schuldhaft, wenn ein juristischer Laie bereits eine solche Tat als Hausfriedensbruch ansieht. Entgegenzutreten ist der Ansicht des Amtsgerichts, der Kläger sei auch ohne Zustimmung der Beklagten berechtigt gewesen, ihre Wohnung zu betreten. Zwar trifft es zu, dass der Vermieter in Situationen wie der vorliegenden, ein Betretungsrecht hat und die Verweigerung eine Verletzung mietvertraglicher Pflichten darstellen kann. Das Betretungsrecht darf jedoch nicht einfach erzwungen werden, sondern muss sich gegebenenfalls der Hilfe der Gerichte durch Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes bedienen.

c)

Was die Strafanzeige wegen übler Nachrede angeht, verkennt das Amtsgericht zunächst die Darlegungs- und Beweislast. Denn grundsätzlich hat der Vermieter die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes zu beweisen und nicht der Mieter. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger jedenfalls der Behauptung der Beklagten substantiiert entgegengetreten müssen. Es reicht nicht aus, wenn der Kläger die ihm zugeschriebene Äußerung schlicht bestreitet. Denn es ist unstreitig, dass es jedenfalls zu einem Wortgefecht zwischen den Streitparteien gekommen war. Der Kläger hat keinerlei Angaben dazu gemacht, welchen Inhalt dieses Wortgefecht nach seiner Wahrnehmung gehabt hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Behauptung der Beklagten über die Äußerung des Klägers vorsätzlich falsch erfolgt sei.

Unzutreffend ist auch die Wertung des Amtsgerichts, die Behauptung der Beklagten habe denunziatorischen Charakter gehabt. Denn es ist nicht zu beanstanden - wie bereits ausgeführt -, wenn ein Bürger sich mit einer Strafanzeige gegen Taten zur Wehr setzt, die unmittelbar gegen ihn als Opfer gerichtet sind. Denunziatorischen Charakter hat demgegenüber eine Anzeige nur dann, wenn es dem Mieter primär darum geht, den Vermieter zu schädigen, ohne das eigene Interessen des Mieters betroffen sind.

d)

Nach den vorstehenden Ausführungen kann der Beklagten auch nicht als Pflichtverletzung vorgehalten werden, dass sie die Strafanzeige trotz Aufforderung nicht zurückgenommen hat.

2.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten des Vergleichs folgt aus § 98 S. 1 ZPO.

Hinsichtlich der Verfahrenskosten des in 1. Instanz zunächst noch streitgegenständlichen Räumungsanspruchs folgt die Kostenentscheidung aus § 91a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien in dem Prozessvergleich die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits dem Gericht überlassen haben, war durch Auslegung der Prozesserklärung zu klären, ob diese zur Anwendung des § 98 S. 2 ZPO oder des § 91a ZPO führen musste (vgl. Zöller/Herget, § 98 Rn. 2 f.). Bei verständiger Würdigung des Vergleichstextes muss davon ausgegangen werden, dass die Parteien sich im Hinblick auf die Kosten nicht hatten einigen können, so dass eine entsprechende Entscheidung durch das Gericht gefällt werden sollte. Diese Intention der Parteien schließt eine Anwendung des § 98 S. 2 ZPO aus, der jedenfalls dann nicht greifen soll, wenn die Parteien eine streitige Entscheidung des Gerichts über die Kosten des Rechtsstreits wünschen. Insoweit war die Kostenentscheidung hier nach § 91a Abs. 1 ZPO zu treffen, so dass im Ergebnis der Kläger die entsprechenden Kosten zu tragen hatte. Denn mangels Berechtigung zur Kündigung war auch der Herausgabeanspruch des Klägers zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht begründet.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.