Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.04.2014 | |
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Aktenzeichen | 1 (Z) Sa 13/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Zuständig ist das Landgericht Cottbus.
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1.) die Löschungsbewilligung hinsichtlich der zu ihren Gunsten auf verschiedenen in Grundbüchern des Amtsgerichts Cottbus verzeichneten Grundstücken eingetragenen Briefgrundschulden und die Herausgabe der Grundschuldbriefe. Die Beklagten zu 2.) bis 6.) sollten ursprünglich die Beklagte zu 1.) zu entsprechenden die Löschung und Herausgabe betreffenden Erklärungen anweisen. Die Klage wurde gegen die Beklagten zu 3.), 4.) und 6.) zwischenzeitlich zurückgenommen.
Gegenstand der Schuldnerin war die Errichtung eines Immobilienfonds mit Englischen Investoren. Die Beklagte zu 1.) war mit der Bestellung und Verwaltung der Kreditsicherheiten beauftragt, die Beklagte zu 2.) hat der Schuldnerin ein Darlehen über 35.900.000,00 € gewährt. Zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtungen aus diesem Darlehen hat die Schuldnerin der Beklagten zu 1.) eine Gesamtbriefgrundschuld über 38.000.000,00 € bewilligt. Nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt worden war, hat der Kläger die Bewilligung der Gesamtbriefgrundschuld angefochten und verlangt nunmehr die Löschungsbewilligung sowie die Herausgabe des Briefes.
Der Kläger hat die Klage am 28. Dezember 2012 vor dem Landgericht Cottbus erhoben. Mit der am 16. Mai 2013 bei Gericht eingegangenen Klageerwiderung haben die Beklagten zu 1.), 2.) und 5.) erstmals die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus gerügt, weil keine der Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Cottbus hat. Einen am 26. September 2013 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht auf Antrag der Beklagten zu 1.), 2.) und 5.) aufgehoben und den Parteien mitgeteilt, dass es sich bemüht habe, „die Zuständigkeitsfrage abzuklären“, die von dem Beklagtenvertreter vertretende Rechtsauffassung dürfte zutreffend sein.
Der Kläger hat daraufhin mit näheren Ausführungen und Hinweisen auf einschlägige Kommentarstellen und entsprechende Rechtsprechung die Auffassung vertreten, die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus ergebe sich aus § 24 Abs. 1 ZPO. Hilfsweise hat er die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht beantragt, ohne dieses zu bezeichnen.
Daraufhin hat sich das Landgericht Cottbus mit Beschluss vom 10. Dezember 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das „nach §§ 12 ff ZPO zuständige Landgericht Berlin“ verwiesen. Das Landgericht Berlin hat eine Übernahme der Sache abgelehnt und sich mit Beschluss vom 27. März 2014 selbst für örtlich unzuständig erklärt sowie den Rechtsstreit dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Cottbus sei nicht bindend, da er zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit keine Begründung enthalte und sich das Landgericht mit dieser Frage auch nicht hinreichend auseinander gesetzt habe.
II.
1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil von den am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichten das zum Bezirk des Brandenburgischen Oberlandesgerichts gehörende Landgericht Cottbus zuerst mit der Sache befasst war.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Cottbus als auch das Landgericht Berlin haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 10. Dezember 2013, letzteres durch seine Zuständigkeit verneinenden Beschluss vom 27. März 2014, der als solcher den Anforderungen genügt, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler Senat NJW 2004, 780; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 36 Rdnr. 24 f.).
3. Als zuständiges Gericht ist das Landgericht Cottbus zu bestimmen.
Dem Verweisungsbeschluss dieses Gerichts vom 10. Dezember 2013 kommt eine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht zu, weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und damit willkürlich ist. Die einem Verweisungsbeschluss grundsätzlich zukommende Bindungswirkung entfällt ausnahmsweise, wenn dieser höherrangiges (Verfassungs-) Recht verletzt, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Interesse einer baldigen Klärung und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-) Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, Rdnr. 9, zitiert nach juris; Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).
Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Cottbus nicht stand. Die Bindungswirkung entfällt hier insbesondere, weil das Landgericht Cottbus den Rechtsstreit unter Übergehung einer eindeutigen Zuständigkeitsvorschrift an ein anderes Gericht verwiesen hat, ohne sich mit den damit zusammenhängenden Rechtsfragen im Beschluss auseinanderzusetzen, obwohl diese von den Parteien angesprochen worden sind.
a) Das Landgericht Cottbus ist örtlich zuständig.
Die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus ergibt sich aus § 24 Abs. 1 ZPO. Danach ist für Klagen, durch die die Freiheit von einer dinglichen Belastung geltend gemacht wird, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. Der dingliche Gerichtsstand ist gegeben, wenn die unbewegliche Sache Gegenstand einer solchen Klage ist. So liegt hier der Fall. Mit der Klage begehrt der Kläger als Grundstückseigentümer in erster Linie die Bewilligung der Löschung der Grundschulden durch die Beklagte zu 1.) als Inhaberin dieser Rechte bzw. eine entsprechende Anweisung durch die anderen Beklagten, soweit sie noch verklagt sind.
Gleichgültig ist dabei, ob die Befreiung von der Belastung lediglich aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruches verlangt wird, wie z. B. in den Fällen der Anfechtung der Hypothek nach der Insolvenzordnung (§ 143 InsO), nach dem Anfechtungsgesetz (§ 11 AnfG) oder dem Anspruch aus § 1169 BGB (Herbert Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 24 Rdnr. 24 m. w. N.; Zöller/Vollkommer, 30. Aufl., § 24 Rdnr. 13; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 24, Rdnr. 9; Patzina in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 24 Rdnr. 11; so schon RGZ 15, 386; 20, 403; 36, 12; 52,3). Wesentlich ist nur, dass der Klageantrag auf Bewilligung der Löschung gerichtet und der Beklagte Inhaber der dinglichen Belastung ist (Herbert Roth, a. a. O., Rdnr. 24). Dies ist auch nicht (mehr) streitig, entspricht jedenfalls der ganz überwiegenden Auffassung in der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung (OLG Naumburg OLGR 2004, 336 mit weiteren Nachweisen). Die belasteten Grundstücke sind im Gerichtsbezirk des Landgerichts Cottbus gelegen. Eine andere - hier nicht einschlägige - Frage ist, inwieweit schuldrechtliche Ansprüche auf das Eigentum unter § 24 ZPO fallen. Diese Frage ist Gegenstand der in der Klageerwiderung auf Seite 9 genannten Kommentarstellen, welche den hier vorliegenden Fall jedoch nicht berühren.
Ginge man davon aus, dass der ausschließliche Gerichtsstand nach § 24 ZPO nicht begründet ist, ergebe sich die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus jedenfalls aus § 23 ZPO. Danach ist für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 ZPO sind erfüllt. Beklagte kann hier ebenfalls jede natürliche und juristische Person und passivprozessfähige Partei unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit sein, sofern sie keinen Wohnsitz und im Fall juristischer Personen oder passivparteifähiger Personenmehrheiten keinen Sitz im Inland haben. Vermögen ist jeder geldwerte Gegenstand, dem ein eigener Verkehrswert zukommt. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine Sache oder um ein Recht handelt. Ausreichend ist ein dingliches Verwertungsrecht wie die Grundschuld (Patzina, a. a. O., § 23 Rdnr. 16; BGH NJW 1990, 992; Vollkommer, a. a. O., § 23 Rdnr. 8).
b) Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin hingegen, lässt sich unter keinem Gesichtspunkt feststellen. Insbesondere hat auch insoweit keine der Beklagten dort einen allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 13, 17 ZPO. Es handelt sich auch weder um eine Klage gegen den Insolvenzverwalter, der den Gerichtsstand des § 19 a ZPO begründet, noch sind deliktische Ansprüche gemäß § 32 ZPO Klagegegenstand.
c) Im Hinblick auf die so gegebene Rechtslage stellt sich der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Cottbus vom 10. Dezember 2013 als grob rechtsfehlerhaft und willkürlich dar. Dies ergibt sich daraus, dass sich das Landgericht Cottbus mit der Frage der Anwendbarkeit des § 24 ZPO und dem entsprechenden klägerischen Sachvortrag nicht im Ansatz auseinandersetzt und eine Sachprüfung der maßgeblichen Zuständigkeitsfragen unterlassen hat. Die Klägerin hatte nach dem ersten Hinweis des Landgerichts vom 23. Oktober 2013 mit Schriftsatz vom 18. November 2013 zur Frage der örtlichen Zuständigkeit nähere Ausführungen gemacht. Indem das Landgericht weder in seiner Verfügung vom 21. November 2013 noch in dem Verweisungsbeschluss selbst auf diese Ausführungen, die im Übrigen - wie dargestellt - der Rechtslage entsprechen, auch nur im Ansatz eingeht, und auch zu der Frage einer etwaigen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin keinerlei Ausführungen macht, erweist sich die Verweisungsentscheidung vom 10. Dezember 2013 als willkürlich.