Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 10 WF 65/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 23.06.2015
Aktenzeichen 10 WF 65/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 121 ZPO

Leitsatz

Zur Beiordnung einer Berliner Rechtsanwältin in einer vor einem beim Amtsgericht Bernau bei Berlin geführten Familienstreitsache unter Beachtung des Mehrkostenverbots

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 568 Satz 2 ZPO in der im GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu den Bedingungen einer im Bezirk des Amtsgerichts Bernau bei Berlin niedergelassenen Rechtsanwältin beigeordnet. Denn die Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Beiordnung liegen nicht vor.

1.

Allerdings hat das Amtsgericht eine unzutreffende Rechtsgrundlage für seine Entscheidung herangezogen, indem es ausgeführt hat, die Beiordnung eines Rechtsanwalts beruhe auf § 78 FamFG. Der Antragsgegnerin ist Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und die Folgesachen über den nachehelichen Unterhalt und den Zugewinnausgleich bewilligt worden. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG sind somit die Vorschriften der §§ 76 ff. FamFG und damit auch § 78 FamFG nicht anwendbar. Vielmehr gelten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Vorschriften der ZPO entsprechend. Somit ist Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts die Vorschrift des § 121 ZPO, die mit derjenigen des § 78 FamFG allerdings wörtlich übereinstimmt.

2.

Die Voraussetzungen für die uneingeschränkte Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin liegen nicht vor.

Im vorliegenden Verfahren besteht Anwaltszwang, § 114 Abs. 1 FamFG. Mithin ist gemäß § 121 Abs. 1 ZPO dem beteiligten Ehegatten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen. Dabei ist aber das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO zu beachten (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 5 Rn. 64).

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Voraussetzungen für eine eingeschränkte Beiordnung eines nicht im Bezirk des zuständigen Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts sind somit nur erfüllt, wenn dadurch höhere Fahrtkosten als durch Beiordnung eines dort niedergelassenen Rechtsanwalts anfallen (Senat, Beschluss vom 28.7.2010 - 10 WF 145/10, BeckRS 2014, 03294; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 22.2.2013 - 3 WF 13/13, BeckRS 2013, 14974; OLG München, FamRZ 2007, 489; OLG Koblenz, FamRZ 2007, 1754). Daher kann ein nicht im Bezirk des Familiengerichts niedergelassener Rechtsanwalt uneingeschränkt beigeordnet werden, wenn seine Fahrtkosten niedriger sind als diejenigen eines im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwalts, etwa mit Kanzleisitz im „hintersten Winkel“ des Gerichtsbezirks (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 198). So liegt es hier aber nicht.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat ihren Kanzleisitz in B…, …, während sich das Amtsgericht in Bernau bei Berlin, Breitscheidstraße 50, befindet. Unter Heranziehung des Falk-Routenplaners (www.falk.de), der auch abrufbar ist über JustiNe (Justizinformationssystem des Landes Brandenburg), beträgt die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz der Verfahrensbevollmächtigten und dem Amtsgericht selbst bei kürzester Entfernung 30 km, während es bei weitergehender Inanspruchnahme der Autobahn (B 100), sogar 46,7 km sind. Im Amtsgerichtsbezirk Bernau bei Berlin sind die Ortsteile von Gemeinden, die am weitesten vom Amtsgericht entfernt liegen, Ortsteile der Gemeinden Werneuchen, Marienwerda, Wandlitz und Breydin. Die Entfernung vom Amtsgericht nach We… beträgt 22,3 km, nach Ma… 28,4 km, nach W…, L… Straße, 26,6 km und nach T… in der Gemeinde Br… 20,3 km. Vor diesem Hintergrund ist es ersichtlich, dass bei uneingeschränkter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin höhere Kosten entständen, als wenn ein Rechtsanwalt aus dem Amtsgerichtsbezirk Bernau bei Berlin - sei es auch ein solcher mit Niederlassung in einem entfernt gelegenen Ortsteil - beigeordnet würde.

Allerdings ist bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein nicht bei dem Verfahrensgericht niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist, stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden (BGH, NJW 2004, 2749; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, a.a.O.). Dabei ist eine Vergleichsberechnung geboten, bei der die Kosten, die durch Beiordnung des auswärtigen Anwalts als Verkehrsanwalt und gleichzeitige Beiordnung eines ortsansässigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten entständen, den Kosten gegenübergestellt werden, die bei uneingeschränkter Beiordnung allein des auswärtigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten erwüchsen (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 398).

Hier kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts gemäß § 121 Abs. 4 ZPO gegeben waren (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 121 Rn. 20 ff.; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 202 ff.). Vorliegend ist die Antragsgegnerin nämlich auf die Inanspruchnahme eines Verkehrsanwalts nicht angewiesen. Denn sie wohnt am Sitz des Amtsgerichts in Bernau bei Berlin, hätte also wohnortnah einen Verfahrensbevollmächtigten mit Niederlassung am Amtsgerichtsbezirk Bernau bei Berlin wählen können. Dass ihr dies nicht möglich wäre, hat die Antragsgegnerin, worauf das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 22.5.2015 zutreffend hingewiesen hat, nicht substanziiert dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.