Gericht | FG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 24.03.2010 | |
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Aktenzeichen | 3 K 6251/06 B | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger für Teile seines Arbeitslohns die Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge gemäß § 3b Einkommensteuergesetz - EStG - zusteht.
Der mittlerweile geschiedene Kläger wurde im Streitjahr 2004 gemeinsam mit seiner Ehefrau vom Beklagten zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als angestellter Oberarzt in der … Abteilung des … Krankenhauses in ... tätig. Mit Bescheid vom … setzte der Beklagte die Einkommensteuer für den Kläger und seine Ehefrau für das Jahr 2004 unter Berücksichtigung der erklärten Besteuerungsgrundlagen (erklärungsgemäß) auf … € fest (Bl. 22 der Streitakte). Dabei übernahm der Beklagte u.a. die in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2004 vom Arbeitgeber bescheinigten Werte, also insbesondere den dort ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn in Höhe von … € sowie die darauf entfallende einbehaltene Lohnsteuer in Höhe von … € und den Solidaritätszuschlag in Höhe von … €.
Der Einkommensteuerbescheid vom … wurde durch einfachen Brief bekannt gegeben. Mit Schreiben vom …, welches laut dem angebrachten Eingangsstempel am … beim Beklagten einging, legte der Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 ein. Er machte geltend, dass er als … seit Jahren außerhalb der regulären Dienstzeiten im Rufdienst (Nacht- und Wochenenddienste) tätig sei. Das Entgelt hierfür sei bisher voll versteuert worden, was nach seinen - des Klägers - Erkundigungen "nicht erforderlich" sei.
In einem weiteren Schreiben vom … begründete der Kläger seinen Einspruch wie folgt: Er sei verpflichtet, Rufdienste abzuleisten. Dies bedeute, dass er an diesen Bereitschaftstagen werktags von 16:00 Uhr bis 8:00 Uhr und an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 8:00 Uhr bis 8:00 Uhr des nächsten Tages auf Abruf zur Krankenversorgung zur Verfügung zu stehen habe. Sein Arbeitgeber vergüte diese Rufbereitschaft mit einem pauschalen Stundensatz von 40% von … € bis … €; die Entgelte für die Rufbereitschaft würden auf den Gehaltsabrechnungen gesondert aufgeführt. Leider habe es der Arbeitgeber versäumt, diese Zuschläge steuerfrei auszuzahlen.
Der Kläger beantragte dementsprechend beim Beklagten, dieser möge ihm die zu viel gezahlte Steuer erstatten. Einer dem Schreiben beigefügten Aufstellung des Klägers war zu entnehmen, dass er nach seinen Berechnungen im Streitjahr 2004 einen als steuerfrei zu behandelnden Arbeitslohn in Höhe von … € für insgesamt … geleistete Rufbereitschaftsstunden erzielt hatte. Der Kläger erläuterte hierzu, dass er an Werktagen lediglich die Stunden zwischen 20:00 Uhr abends und 6:00 Uhr am nächsten Morgen, an Samstagen nur die Stunden von 20:00 Uhr bis 0:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen sämtliche geleisteten Stunden (also in der Regel 24 Stunden) bei seiner Berechnung berücksichtigt habe.
Des Weiteren wies der Kläger darauf hin, dass nach seinem Arbeitsvertrag mit dem Krankenhaus der Grundlohn für die volle reguläre Arbeitszeit bezahlt werde und die Bereitschaftsdienste bzw. Rufdienste zusätzlich anfielen und zusätzlich zum Grundlohn bezahlt würden.
Mit seiner Einspruchsentscheidung vom … wies der Beklagte den Einspruch, den er als rechtzeitig erhoben ansah, als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Zuschlägen nach § 3 b EStG sei im Falle des Klägers nicht erfüllt, da in Bezug auf die Rufbereitschaftsdienste kein Zuschlag neben dem Grundlohn bezahlt worden sei. Tatsächlich sei den vorgelegten Unterlagen sowie einer beim Arbeitgeber des Klägers eingeholten Auskunft zu entnehmen, dass es sich bei der Entlohnung für die Rufbereitschaftsdienste nicht um Zuschläge zum Grundlohn für die im Gesetz definierten begünstigten Zeiten handele, sondern um eine eigenständige Vergütung des Rufbereitschaftsdienstes.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig erhobene Klage.
Der Kläger wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und trägt ergänzend vor, nach zutreffender rechtlicher Würdigung handele es sich bei den arbeitgeberseits geleisteten Lohnzahlungen für die Rufbereitschaftsdienste des Klägers nicht um Grundlohn, welcher gemäß der Definition des Bundesfinanzhofs - BFH - "dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem jeweiligen Lohnzahlungszeitraum an laufenden Geld- und laufenden Sachbezügen zusteht", sondern um Zuschläge für tatsächlich geleistete angeordnete Bereitschaftsdienste zu den begünstigten Zeiten des § 3 b EStG, welche neben dem Grundlohn gezahlt worden seien. Der Kläger verweist insoweit auf das Urteil des BFH vom 27. August 2002, VI R 64/96, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 883.
Angaben zum Zeitpunkt des Zugangs des Einkommensteuerbescheids konnte der Kläger im Verhandlungstermin nicht machen. Auf Befragen durch das Gericht bestätigte er, dass für die Zeiten der Rufbereitschaft neben der Entlohnung in Höhe von 40% des Grundlohns kein weiterer (Grund-)Lohn von seinem Arbeitgeber gezahlt wurde. Ergänzend wies der Kläger darauf hin, dass er sehr häufig während der Rufbereitschaftszeiten zu Noteinsätzen ins Krankenhaus gerufen worden sei; diese Noteinsätze seien nicht extra vergütet worden, sondern durch die Vergütung in Höhe von 40% des Grundlohns abgegolten gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Einkommensteuer für 2004 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von … € als steuerfrei gemäß § 3 b EStG behandelt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung neben der Streitakte zwei Bände Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten zur Steuernummer … vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Kläger durch den angegriffenen Einkommensteuerbescheid nicht in seinen Rechten verletzt wird, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist daher abzuweisen.
I. Es bestehen schon Zweifel daran, ob der Kläger rechtzeitig Einspruch gegen den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abgabenordnung -AO- stand, eingelegt hat. Da der Einkommen-steuerbescheid am …, einem Donnerstag, ergangen und mit einfachem Brief zur Post aufgegeben worden ist, gilt der Bescheid nach der Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugegangen. Da es sich hierbei um einen Sonntag handelt, verlängert sich der Dreitageszeitraum gemäß § 108 Abs. 3 AO bis zum darauf folgenden Werktag, also bis Montag, den …. Die einmonatige Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 AO lief somit am …, einem Donnerstag, ab. Das Einspruchsschreiben des Klägers vom … ging ausweislich des darauf angebrachten Eingangsstempels des Beklagten bei diesem erst am … und damit verspätet ein. Somit dürfte die Einspruchsfrist nicht gewahrt sein, zumal es keine Hinweise darauf gibt, dass der Bescheid dem Kläger tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen wäre (vgl. § 122 Abs. 2 AO). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gestellt; Gründe für eine Wiedereinsetzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Was den Beklagten trotz der eindeutigen Fristüberschreitung dazu bewogen hat, in seiner Verfügung vom … die Rechtzeitigkeit des Einspruchs festzustellen, lässt sich nicht ergründen (vgl. Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte ohne Seitenzahl).
II. Letztlich kann diese Frage indes dahinstehen, weil der Einkommensteuerbescheid jedenfalls auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden ist. Insbesondere hat der Beklagte es zutreffend abgelehnt, Teile des Arbeitslohns des Klägers als steuerfrei zu behandeln.
Gemäß § 3 b Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn bezahlt werden, unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen steuerfrei. Nach der Intention des Gesetzgebers und dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt die Steuerfreiheit nur für Zuschläge, welche über den an sich geschuldeten Grundlohn hinaus wegen der Tätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten bezahlt wird, in Betracht.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Nach der auch vom Kläger zitierten Entscheidung des BFH (Urteil vom 27. August 2002, VI R 64/96, BStBl II 2002, 883) handelt es sich bei den für die Rufbereitschaft gezahlten Entschädigungen um Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, denn diese Vergütungen sind im weitesten Sinne Ertrag der Arbeit, nämlich Entgelte dafür, dass sich der Arbeitnehmer - wie arbeitsvertraglich geschuldet – bereit gehalten hat. Folglich hat der Arbeitnehmer durch die Wahrnehmung des Bereitschaftsdienstes auch tatsächlich eine Arbeitsleistung im Sinne des § 3 b Abs. 1 EStG erbracht, zumal der Kläger sich – wie unwidersprochen im Verhandlungstermin dargelegt wurde – tatsächlich häufig während der Rufbereitschaftszeiten zu Noteinsätzen in das Krankenhaus begeben musste.
Allerdings hat im Streitfall der Kläger für die in den Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzeiten erbrachten Bereitschaftsdienste von seinem Arbeitgeber keine Zuschläge, welche allein als steuerfrei behandelt werden könnten, erhalten. Vielmehr wurde - unstreitig - für alle Stunden des Bereitschaftsdienstes, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb der durch § 3 b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 i.V.m. Abs. 2 EStG begünstigten Zeiten lagen, vom Arbeitgeber dieselbe Vergütung in Höhe von 40% des Grundlohns gezahlt. Eine Steuerfreiheit käme aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber des Klägers für die Bereitschaftsdienste in den gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 i.V.m. Abs. 2 EStG begünstigten Zeiten einen Zuschlag gegenüber der Entlohnung, welche außerhalb der begünstigten Zeiten für diese Tätigkeit vereinbart war, gezahlt hätte. Nach der vom Kläger selbst eingereichten Aufstellung, seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie dem Inhalt des vorliegenden Vertrags zwischen dem Arbeitgeber und dem Kläger vom … wurde aber für sämtliche Stunden des Rufbereitschaftsdienstes ein einheitlicher Stundensatz in Höhe von 40% des Grundlohns gezahlt, unabhängig davon, ob der Bereitschaftsdienst werktags vor oder nach 20:00 Uhr oder aber an Sonn- bzw. Feiertagen erbracht wurde; diese tatsächliche Handhabung wird auch durch die schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers des Klägers vom …, welche der Beklagte eingeholt hat, bestätigt (vgl. Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte ohne Seitenzahl).
Nach alledem konnte die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben, zumal eine Überprüfung des Einkommensteuerbescheides im Übrigen keine Fehler in rechtlicher oder rechnerischer Hinsicht erkennen ließ.
Die Revision gegen diese Entscheidung hat der Senat nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich ist; insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17. August 2002 a.a.O.) ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.