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Entscheidung 7 U 135/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 18.07.2012
Aktenzeichen 7 U 135/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 387 BGB, § 389 BGB, § 390 BGB, § 394 BGB, § 103 ZPO

Leitsatz

Die Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch ist auch dann zulässig, wenn die Kostengrundentscheidung lediglich gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist und die Sicherheitsleistung nicht erbracht wurde.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Juli 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten und beansprucht die Herausgabe der Vollstreckungstitel.

Die Beklagte betreibt gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus folgenden Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Neuruppin in dem Verfahren 3 O 62/04:

Beschluss 05.04.2005 i.d.F.v.19.03.2007, Kosten I. Instanz

3.853,76 €,

Bl. 18

Zinsen bis 22.09.2009 =

1.339,26 €

        

Beschluss vom 19.03.2007, Kosten II. Instanz

3.023,40 €,

Bl. 11

Zinsen bis 13.04.2007 =

   105,65 €

        

insgesamt

6.877,16 €.

        

Der Kläger hat geltend gemacht, die Fa. B… mbH (fortan: B…) habe Ansprüche an ihn abgetreten (Bl. 16, 26, 84, 86 d.A.), mit denen er gegen die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten aufgerechnet habe.

1. Aufrechnung vom 13.04.2007

Der Kläger rechnete auf mit dem Kostenerstattungsanspruch der B… gegen die Beklagte, LG Berlin, 23 O 313/04, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.07.2005, über 2.827,50 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz vom 30.06.2005 (Bl. 14 d. A.) = 337,73 €, insgesamt € 3.165,23, gegen den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.03.2007 über die Kosten II. Instanz in Höhe von 3.023,40 € zzgl. Zinsen in Höhe von 105,65 € (Bl. 13, 15 d. A.), insgesamt € 3.129,05.

2. Aufrechnung vom 22.09.2009

Am 22.09.2009 rechnete der Kläger ferner auf mit festgesetzten Kosten der B… gegen die Beklagte aus den Verfahren LG Berlin, 23 O 313/04, Kosten zweite Instanz, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.09.2008 (Bl. 22 d. A.) über 3.164,40 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2008 bis 22.09.2009 von 247,63 €, insgesamt 3.412,03 €, gegen den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für die erste Instanz vom 05.04.2005 in der Fassung vom 19.03.2007 über 3.853,76 € zzgl. Zinsen in Höhe von 1.339,26 €, insgesamt 5.193,02 € (Bl. 20 d. A.).

3. Aufrechnungserklärung vom 07.05.2009

Schließlich rechnete der Kläger am 07.05.2009 auf mit einer erstrangigen Forderung der B… in Höhe von 1.780,99 € aus dem Urteil des LG Berlin vom 07.05.2009, 7 O 207/08 (Bl. 24 d. A.) gegen die Restforderung der Beklagten in dieser Höhe aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.03.2007 für die II. Instanz.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 05.04.2005 (geändert am 19.03.2007) für die erste Instanz und vom 19.03.2007 für die zweite Instanz des LG Neuruppin zur Gesch.-Nr.: 3 O 62/04 wird für unzulässig erklärt,

2. die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen der vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Abtretung sowie die Wirksamkeit der Aufrechnung.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W… M…, Geschäftsführer der B… (Bl. 82 d. A.).

Durch Urteil vom 07.07.2011 hat das Landgericht die Aufrechnungen zu 1.) bis 3.) für wirksam erachtet und der Klage stattgegeben. Gegen das am 18.07.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.08.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 19.10.2011 begründet.

Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen der B… gegen die Beklagte nicht wirksam aufrechnen können, weil das den Beschlüssen zugrunde liegende Urteil des LG Berlin zum Zeitpunkt der Aufrechnung lediglich vorläufig vollstreckbar gewesen sei und die B… die zur Vollstreckung notwendige Sicherheitsleistung nicht erbracht habe. Erst mit der Entscheidung des Kammergerichts vom 05.08.2008 sei die Entscheidung rechtskräftig geworden. Danach habe die B… die Ansprüche nicht mehr abtreten können, da andere Gläubiger sie gepfändet hätten.

Die Abtretung zu 3., die Teilforderung aus dem Urteil des LG Berlin in dem Verfahren 7 O 207/08, sei darüber hinaus unwirksam, da unbestimmt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 07.07.2011 - 3 O 222/09 - abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache unbegründet. Die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 05.04.2005 in der Fassung vom 19.03.2007 und vom 19.03.2007 ist unzulässig, da die Forderungen der Beklagten nach § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen sind.

Die Aufrechnungen des Klägers mit den Forderungen der B… aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen sind wirksam, obwohl zu diesem Zeitpunkt das den Kostenfestsetzungsbeschlüssen zugrunde liegende Verfahren vor dem Landgericht Berlin - 23 O 313/04 - noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war und die B… die für die vorläufige Vollstreckbarkeit erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht hatte. Ungeachtet dessen war der Anspruch auf Kostenerstattung bereits entstanden und fällig und damit nach § 387 BGB zur Aufrechnung geeignet.

Die prozessrechtlich geregelte Kostenerstattung hat ihren Grund im Allgemeinen darin, dass eine Partei durch ihre erfolglose Prozessführung die Gegenpartei zu Aufwendungen genötigt hat. Der Kostenerstattungsanspruch entsteht deshalb nach verbreiteter Meinung - aufschiebend bedingt - schon mit der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien, d. h. mit Rechtshängigkeit. Spätestens aber entsteht er und wird fällig mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung. Ab diesen Zeitpunkt ist die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf Grund der gesetzlichen Vorschriften bestimmbar. Demzufolge kann der Schuldner jedenfalls dann aufrechnen, wenn entweder die Höhe der zu erstattenden Kosten zwischen den Parteien unstreitig ist oder die Kosten in einem Kostenfestsetzungsbeschluss rechtskräftig festgestellt sind (vgl. BGH v. 08.01.1976, III ZR 146/73, Juris, Rn. 19 ff, 25). Im Übrigen setzt eine Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB lediglich eine bestehende und fällige Forderung voraus. Sie muss nicht darüber hinaus rechtskräftig festgestellt sein, ansonsten wäre eine außergerichtliche Aufrechnung von vorne herein unmöglich. Eine solche Einschränkung ergibt sich nicht aus dem Gesetz.

Allerdings entsteht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch zunächst auflösend bedingt und wird erst mit der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung unbedingt. Dies aber schließt eine Aufrechnung nicht aus (vgl. BGH a.a.O.). Materiell-rechtlich kann der Schuldner grundsätzlich auch mit einer auflösend bedingten Forderung aufrechnen (vgl. OLG Hamm v. 02.06.1987, 7 UF 33/87, Juris, Rn. 15).

Der Aufrechnung steht ferner nicht entgegen, dass die Gläubigerin die zur vorläufigen Vollstreckung der Kostengrundentscheidung notwendige Sicherheitsleistung nicht erbracht hat. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten kann nach § 103 Abs. 1 ZPO bereits aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil eignet sich zur Zwangvollstreckung unabhängig davon, ob der Gläubiger die Vollstreckung bereits betreibt oder im Hinblick auf die Sicherheitsleistung betreiben kann. Die Aufrechnung kann nicht zusätzlich durch die Leistung einer Sicherheit erschwert werden (vgl. OLG Karlsruhe v. 03.03.1993, 13 U 193/92, Juris, Rn. 15; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 104, Rn. 21 „Aufrechnung“). Für eine solche Differenzierung im Verhältnis zur Aufrechnung mit anderen auflösend bedingten Forderungen gibt es keinen sachlichen Grund.

Der Kostenerstattungsanspruch ist aus diesem Grunde auch nicht als einredebehaftet anzusehen. Die Aufrechnung mit Forderungen, denen eine Einrede entgegensteht, ist zwar nach § 390 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Einreden im Sinne dieser Vorschrift sind allein materielle Einreden, nicht aber Prozesseinreden (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl, § 390, Rn. 1). Die fehlende Sicherheitsleistung ist dagegen einem bloßen Vollstreckungshindernis und deshalb den Prozesseinreden gleichzustellen. Abgesehen davon bleibt die Aufrechnung auch dann materiell-rechtlich möglich, wenn die Vollstreckung unzulässig wäre, da die Aufrechenbarkeit einer Forderung abgesehen von den Fällen des § 394 BGB von den Schutzvorschriften des Vollstreckungsrechts für eine zwangsweise Beitreibung nicht berührt wird. Mit der Möglichkeit zur Aufrechnung kommt in diesem Zusammenhang das Privileg der rechtsgeschäftlichen Selbstvollstreckung gegenüber der staatlichen Vollstreckung zugute (vgl. OLG Frankfurt v. 09.06.1983, 1 U 245/82, Juris, Rn. 4 ff; OLG Hamm v. 02.06.1987, 7 UF 33/87, Juris, Rn. 16 f; OLG Düsseldorf v. 19.05.1988, 2 W 25/88, Juris, Rn. 16; OLG Karlsruhe v. 03.03.1993, 13 U 193/92, Juris, Rn. 14 ff.).

Gleiches gilt für die Aufrechnung mit einer Teilforderung aus dem gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des Landgerichts Berlin vom 07.05.2009, 7 O 207/08 (Bl. 24 d. A.). Auch diese Forderung ist festgestellt und fällig. Das Risiko der durch eine abweichende Berufungsentscheidung ist insoweit nicht größer als bei einer Aufrechnung mit einer Forderung, die sich später als nicht oder nicht in diesem Umfang werthaltig erweist.

Die Abtretungen der Forderungen der B… an den Kläger sind zudem wirksam. Der Geschäftsführer der B…, Herr W… M…, hat die Forderungen mündlich am Telefon an den Kläger abgetreten und die Abtretungen später sowohl schriftlich (Bl. 16, 83, 26, 86 d. A.) als auch in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht (Bl. 82 d. A.) bestätigt. Die Gründe des Herrn M… für eine Abtretung können dahingestellt bleiben. Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Abtretung sind jedenfalls nicht ersichtlich.

Die Abtretung einer erstrangigen Teilforderung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 07.05.2009 ist zudem hinreichend bestimmt. Die Bestimmbarkeit ergibt sich aus der Höhe des Betrages sowie dem Hinweis auf das Urteil des Landgerichts Berlin mit Datum und Aktenzeichen (Bl. 26 d. A.).

Ist die Vollstreckungsabwehrklage begründet und hat der Schuldner, wie hier, die Forderung durch Aufrechnung erfüllt, so hat der Gläubiger in entsprechender Anwendung des § 371 BGB den Schuldtitel herauszugeben (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 767, Rn. 2 „Herausgabe des Vollstreckungstitels“).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen auf Grund einer für gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Kostengrundentscheidung, wenn die Sicherheitsleistung noch nicht erbracht wurde, ist bisher nicht ergangen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 6.877,16 festgesetzt.