Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 22.06.2020 | |
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Aktenzeichen | 15 UF 15/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0622.15UF15.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Der Senat entscheidet, wie den Beteiligten zuvor angekündigt, ohne erneute mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, ihre tatsächlichen Behauptungen und Rechtsansichten schriftlich darzulegen. Es ist nicht ersichtlich, zu welchen weiteren Erkenntnissen eine erneute mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren führen könnte.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§§ 117, 58 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 117, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG). In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung, mit der das Amtsgericht dem Antrag ganz überwiegend entsprochen und den Antragsgegner zur Zahlung von Nutzungsentschädigung für die alleinige Nutzung der im Miteigentum der geschiedenen Beteiligten stehenden Immobilie in Potsdam OT Groß G P... OT... ab Mai 2019 verpflichtet hat, ist nicht zu beanstanden.
Die Voraussetzungen des § 745 Abs. 2 BGB für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung an die Antragstellerin liegen vor.
Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu (§ 741 BGB), kann jeder Teilhaber, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, gem. § 745 Abs. 2 BGB eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen und notfalls gerichtlich durchsetzen. Dem Fehlen einer Vereinbarung oder eines Mehrheitsbeschlusses über die Verwaltung und Benutzung steht gleich, wenn nach einer Regelung tatsächliche Veränderungen eingetreten sind, die ein Festhalten an der bisherigen Verwaltungsvereinbarung unerträglich erscheinen lassen. Auch in diesem Falle ist jeder Teilhaber berechtigt, eine Änderung der bisherigen Verwaltungsregelung zu fordern. Dies gilt auch in den Fällen, in denen – wie hier - die während intakter Ehe als Ehewohnung genutzte Immobilie im Miteigentum der Eheleute steht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann deshalb demjenigen Ehegatten, der nach endgültiger Trennung aus der im Eigentum beider Ehegatten stehenden Immobilie ausgezogen ist, ein Zahlungsanspruch gem. § 745 Abs. 2 BGB gegenüber dem anderen, die Immobilie allein nutzenden Ehegatten, zustehen (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1630), weil nach Scheitern der Ehe eine Fortsetzung der kostenlosen Nutzung des Miteigentums durch den allein nutzenden Ehegatten dem anderen nicht mehr zuzumuten ist.
Allerdings ist der Ehegatte gehindert, eine Neuregelung i.S.v. § 745 Abs. 2 BGB zu verlangen und einen hierauf gestützten Zahlungsanspruch geltend zu machen, solange die Ehe nicht rechtskräftig geschieden ist, da bis zur Ehescheidung die Vergütungsregelung des § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB als speziellere Regelung den Anspruch aus § 745 Abs. 2 BGB verdrängt (BGH, FamRZ 2017, 693).
Da eine Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB frühestens vom Zeitpunkt des Neuregelungsverlangens eines Teilhabers beansprucht werden kann (BGH FamRZ, 1995, 216), kommt es für ihre Geltendmachung darauf an, ob und zu welchem Zeitpunkt nach Rechtskraft der Ehescheidung der aus der vormaligen Ehewohnung gewichene Miteigentümer mit hinreichender Deutlichkeit die Neuregelung der Verwaltung und Benutzung von dem die Immobile allein nutzenden Miteigentümer verlangt.
Hierfür genügt es, dass dem allein nutzenden Miteigentümer unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls die Forderung des anderen nach einer Neuregelung der Verwaltung und Nutzung hinreichend erkennbar war (BGH, NJW-RR 2008, 1674). Da das Neuregelungsverlangen auf eine den Interessen aller Teilhaber gerecht werdende Verwaltung und Benutzung gerichtet sein muss und der ausgezogene Ehegatte, dem nach dem Scheitern der Ehe regelmäßig eine Fortsetzung der gemeinsamen Immobiliennutzung nicht mehr zumutbar ist, es aber auch nicht seinen Interessen entspricht, dass aus dem Vermögenswert, den die Immobilie darstellt, weder Erträge noch Gebrauchsvorteile gezogen werden, kommt es entgegen der von dem Antragsgegner zitierten, der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehenden Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte für die Wirksamkeit des Neuregelungsverlangens nicht darauf an, dass der bislang allein nutzende Teilhaber darin vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt wird (BeckOGK/Fehrenbacher, Stand: 15.02.2020, § 745 BGB, Rn. 31; OLG Stuttgart, FamRZ 2019, 830, Rn. 34). Den Anforderungen an ein hinreichend deutliches Neuregelungsverlangen genügt es, wenn der die Immobilie allein nutzende Ehegatte, der hierfür entweder aufgrund einer Vereinbarung oder – wie hier - aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts für die Trennungszeit gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB zur Zahlung einer Nutzungsvergütung an den anderen Ehegatten verpflichtet war, nach Rechtskraft der Ehescheidung aufgefordert wird, die bisherige Regelung der Benutzung und Verwaltung fortzusetzen. Denn in diesem Fall ist die Art und der Umfang der künftig verlangten Verwaltung und Benutzung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
So liegt der Fall hier.
Anders als der Antragsgegner meint, erschöpft sich der Inhalt des vorgerichtlichen Schreibens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 30.04.2019 nicht in der Geltendmachung (irgend-) eines Nutzungsentschädigungsbetrages. Vielmehr hat die Antragstellerin in dem Schreiben ausdrücklich auf den am 09.04.2018 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – 44 F 24/17 AG Potsdam – verwiesen, mit dem der Antragsgegner verpflichtet worden ist, der Antragstellerin bis zur Rechtskraft der Ehescheidung für die Nutzung der im Miteigentum stehenden Ehewohnung monatlich eine Nutzungsvergütung gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB in Höhe von monatlich 907,00 € zu zahlen, und den Antragsgegner aufgefordert, diesen Betrag nunmehr, nach Rechtskraft der Ehescheidung, als Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB weiter zu zahlen. Damit hat die Antragstellerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie an der bisherigen Verwaltungsregelung festhalten und mit ihrer Aufforderung lediglich dem formalen rechtlichen Erfordernis eines Neuordnungsverlangens gem. § 745 Abs. 2 BGB für die Fortsetzung des Bezuges eines Geldbetrages für die Alleinnutzung der Immobilie durch den Antragsgegner nach Rechtskraft der Ehescheidung genügen will.
Dafür, dass die geltend gemachte Verwaltungsregelung nicht der Billigkeit entspricht, hat der Antragsgegner nichts vorgetragen; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere kommt eine teilweise Untervermietung der Immobilie angesichts des Zuschnitts der Räumlichkeiten nicht in Betracht, worauf sich der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel ausdrücklich berufen hat.
Auch die vom Amtsgericht für die Höhe der Nutzungsentschädigung gewählte Bemessungsgrundlage des marktüblichen Kaltmietzinses ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hiergegen erinnert auch die Beschwerde nichts. Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, den Wohnraum tatsächlich nur teilweise zu nutzen, ist er damit nicht zu hören. Für die Bemessung der Nutzungsentschädigung kommt es auf die Art und den Umfang der tatsächlichen Nutzung nicht an, sondern allein auf die durch die tatsächliche Sachherrschaft vermittelte Nutzungsmöglichkeit. Schließlich ist der Antragsgegner jederzeit berechtigt, die Nutzung einer vermeintlich zu großen Wohnung durch seinen Auszug zu beenden. Eine Ausnahme kann allenfalls für die Trennungszeit (BGH, FamRZ 2013, 191) oder etwa dann gelten, wenn bestimmte Bereiche der Wohnung aus objektiven Gründen (z.B. wegen Unbewohnbarkeit) nicht genutzt werden können und diese Gründe nicht bereits bei der Mietwertermittlung Berücksichtigung gefunden haben, oder auch, wenn die Nutzung eines Teiles der Wohnung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich und die Aufgabe der Alleinnutzung nicht zumutbar ist (OLG Brandenburg, B. v. 31.05.2019 – 9 UF 68/19 -, BeckRS 2019, 16708). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
III.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 97 ZPO.
2.
Die angefochtene Entscheidung ist allerdings gem. § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG von Amts wegen abzuändern, soweit sie die Wertfestsetzung betrifft.
Sind – wie hier - Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB Gegenstand einer Familienstreitsache, richtet sich deren Bewertung nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, nach §§ 35, 42 Abs. 1 FamGKG (OLG Braunschweig, NZFam 2017, 37; OLG Frankfurt a. M., AGS 2013, 341; Klüsener, JurBüro 2016, 57; Schneider, AGS 2018, 437; NZFam 2016, 543; 2016, 1029; 2014, 41 und 521; Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 3. Aufl. 2014, § 35, Rn. 70 u. § 42, Rn. 133; Thiel AGS 2015, 37; BeckOK KostR/Neumann, 29. Ed., § 48 FamGKG, Rn. 22).
Soweit Nutzungsentschädigungsansprüche geltend gemacht werden, die bei Antragseingang bereits fällig sind, erfolgt die Bewertung nach § 35 FamGKG. Dem so ermittelten Betrag ist der Wert der künftig fällig werdenden Beträge hinzuzurechnen, der gem. § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. In Rechtsprechung und Literatur bestehen allerdings unterschiedliche Ansichten über die Bemessung des Wertes der künftig fällig werdenden Beträge. Nach einer Ansicht soll es hierfür unter entsprechender Anwendung der für Unterhaltsansprüche geltenden Bewertungsvorschrift des § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG bzw. des § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG auf den Jahresbetrag der künftig fällig werdenden Beträge ankommen (so OLG Braunschweig, NZFam 2017, 37; OLG Naumburg, AGS 2015, 36; Klüsener, JurBüro 2016, 57; im Ergebnis ebenso Schneider AGS 2018, 437). Nach anderer Ansicht soll für die Wertermittlung der künftig fällig werdenden Beträge unter entsprechender Anwendung der §§ 3, 9 ZPO der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezuges maßgeblich sein (OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2014, 1732).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Die entsprechende Anwendung des § 51 Abs. 1 FamGKG führt zu einem unbillig niedrigen Wert, der das vermögensrechtliche Interesse der Beteiligten nicht hinreichend abbildet. Sie entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck dieser Norm, die gerade nicht als Regeltatbestand für die Bewertung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen in Familiensachen, sondern als Ausnahmeregelung für Unterhaltsansprüche aufzufassen ist, um die anfallenden Gebühren für Unterhaltssachen auf ein sozial verträgliches Maß zu beschränken (OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 1682; OLG München, FamRZ 1997, 762; OVG Saarl., JurBüro 2000, 421; BT-Drs. 15/1971, 154). Dass im FamGKG eine vergleichbare Regelung für sonstige wiederkehrende Leistungen fehlt, rechtfertigt es deshalb gerade nicht, die Kostenprivilegierung für Unterhaltssachen auf andere Verfahrensgegenstände zu erweitern. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB wurzelt nicht in den besonderen familienrechtlichen Rechtsbeziehungen, sondern im Recht der Bruchteilsgemeinschaft (BGH, FamRZ 2017, 693). Seinem Wesen nach handelt es sich dabei um die Zuteilung von Vermögenserträgen, die unabhängig von familienrechtlichen Grundsätzen den jeweiligen Teilhabern zuzuordnen sind. Die Zuteilung solcher Erträge mag, wie auch bei sonstigen Einkünften, Einfluss auf die Bemessung von Unterhalt haben. Dies rechtfertigt jedoch nicht eine Kostenprivilegierung für Verfahren, die die Geltendmachung solcher Vermögenserträge betreffen. Eine solche Privilegierung hätte vielmehr zur Folge, dass trotz des fehlenden unterhaltsrechtlichen Bezuges der Streit um Nutzungsentschädigungsansprüche zwischen geschiedenen Ehegatten kostenrechtlich anders behandelt würde als der in wirtschaftlicher Hinsicht und nach seinen rechtlichen Grundlagen vergleichbare Streit zwischen Miteigentümern, die zuvor nicht miteinander verheiratet waren (hierzu OLG Naumburg, B. v. 07.12.2017 – 3 W 15/17 = BeckRS 2017, 140976). Eine solche Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte erscheint nicht gerechtfertigt.
Demnach ist der Wertbemessung des Antrages der Antragstellerin auf Zahlung von Nutzungsentschädigung zum einen der bei Antragseinreichung am 12.06.2019 geltend gemachte Rückstandsbetrag von 3.481,71 € zugrunde zu legen. Hinzuzusetzen ist der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezuges der für die Zeit nach Antragseinreichung geforderten Beträge (907,00 € x 12 Monate x 3,5 = 38.094,00 €).
Somit ergibt sich ein Gesamtwert für den Antrag auf Zahlung von Nutzungsentschädigung von 41.575,71 € (3.481,71 € + 38.094,00 €).
3.
Bei der Bemessung des Wertes für das Beschwerdeverfahrens ist zu berücksichtigen, dass mit der angefochtenen Entscheidung dem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist. Hinsichtlich eines Rückstandsbetrages von 1.667,71 € (760,71 € für März 2019 und 907,00 € für April 2019) hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen, sodass sich der Wert des Beschwerdeverfahrens, in dem der Antragsgegner auf Zurückweisung des Antrages in dem der Antragstellerin zugesprochenen Umfang angetragen hat, im Verhältnis zum Wert des Verfahrens erster Instanz um diesen Betrag auf 40.815,00 € reduziert.