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Entscheidung 12 Sa 35/20


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 12. Berufungskammer Entscheidungsdatum 28.08.2020
Aktenzeichen 12 Sa 35/20 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2020:0828.12SA35.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Hinsichtlich der jeweils vorausgesetzten Fertigkeiten und Kenntnisse bauen die Entgeltgruppen der Anlage 1 zu den AVR-DD aufeinander auf. Kennzeichnend für die Entgeltgruppen bis EG 3 ist dabei, dass eine Einarbeitung zur Erlangung der Fertigkeiten und Kenntnisse ausreichend sein kann.

2. Die EG 4 Anlage AVR-DD ist die Einstiegsgruppe für Tätigkeiten, die nicht mehr allein aufgrund einer Einarbeitung ausgeführt werden können, sondern regelmäßig eine anderweitige berufsbezogene Ausbildung für die Tätigkeitsaufnahme voraussetzen.

3. Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung bilden eine hervorgehobene Teilgruppe der für eine Eingruppierung in die EG 4 Anlage AVR-DD erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse. Das Vorliegen von Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung kann zu einer Eingruppierung in die EG 5 führen.

Dementsprechend knüpfen diese Tätigkeiten an die erforderliche Vorbildung weitergehende Anforderungen, als allgemein von der EG 4 vorausgesetzt. Während für die EG 4 bereits die Erforderlichkeit einer anderweitigen berufsbezogenen Ausbildung überhaupt ausreicht, folgt aus der einschlägigen Anmerkung 4, dass für Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung die vorausgesetzte berufsbezogene Ausbildung in der Regel die Dauer eines Jahres haben muss.

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06. November 2019 – 48 Ca 6385/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und über einen Anspruch auf Vergütung nach der geltend gemachten Entgeltgruppe aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. dem Maßregelungsverbot.

Der Beklagte unterhält eine Hausnotrufzentrale für ca. 25.000 Hausnotrufkunden. Dort beschäftigt er die Klägerin, die ausgebildete Krankenpflegehelferin ist und den Grundlagenkurs zur Ausbildung für Rettungssanitäter (Modul M 1) absolviert hat. Unter § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags aus Mai 1996 ist vereinbart, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Bund/Länder (im Folgenden: AVR-DD) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

Die seitens der Beklagten erstellte Stellenbeschreibung „Mitarbeiter der Hausnotrufzentrale“ aus Dezember 2017 nennt als erforderliche Mindestqualifikation die „erfolgreich abgeschlossene M 1-Schulung (theoretischer Teil der Rettungssanitäter-Ausbildung)“. Als Regelaufgaben zählt die Stellenbeschreibung unter anderem auf:
- Notrufannahme und selbständige Maßnahmeneinleitung für interne und externe Kunden,
- telefonische Betreuung und selbständige Maßnahmeneinleitung für die Kunden der Pflegerufbereitschaft.

Von den Mitarbeitern in der Hausnotrufzentrale bearbeiten einige wenige Mitarbeiter keine Alarme. Die übrigen, darunter die Klägerin, nehmen insbesondere Notrufe von Kunden an, Anrufe der Pflegerufbereitschaft sowie Anrufe in anderen Angelegenheiten. Wegen einer Auflistung der im Einzelnen ausgeübten Tätigkeiten wird auf Seite 4 des erstinstanzlichen Tatbestands verwiesen.

In einer Rundmail (Anlage K 15 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29. Juli 2019) führte die Beklagte aus, es werde verpflichtend, alle Mitarbeiter der Hausnotrufzentrale „mit einem Mindeststandard auszubilden. Grundlage hierfür ist der M 1-Kurs (Theorie des Rettungssanitäters). … Die Teilnahme an der Schulung ist verpflichtend, um auch ab 2020 in der Alarmbearbeitung tätig zu sein.“

Der Beklagte vergütet die Klägerin nach der Entgeltgruppe 4 AVR-DD.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 machte die Klägerin Ansprüche auf Vergütung nach der EG 5 geltend „rückwirkend im Rahmen der tariflichen Ausschlussfrist von 12 Monaten.“

Mit Schreiben an die Klägerin vom 8. Januar 2019 bot der Beklagte eine Regelung an, wonach alle Mitarbeitenden der Hausnotrufzentrale, die in die EG 4 eingruppiert sind, ab Juli 2019 in die EG 5 eingruppiert und mit der Abrechnung für Januar 2020 die Differenz zwischen EG 5 und EG 4 für die Monate Januar bis Juni 2019 ausgezahlt würde.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin führte der Beklagte aus, es bestehe kein Anspruch auf Eingruppierung in die EG 5. Allein zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit in der Hausnotrufzentrale habe man sich entschieden, allen Mitarbeitenden die Höhergruppierung in die EG 5 anzubieten. Dabei handele es sich um ein übertarifliches Angebot. Das Angebot werde bis zum 18. Februar 2019 verlängert. Sollte die Klägerin das Angebot nicht annehmen, verbleibe es bei der derzeitigen Eingruppierung.

Das Angebot nahm die Klägerin nicht an.

Mit der am 4. Juni 2019 zugestellten Klage hat die Klägerin die Feststellung einer Vergütungspflicht nach der EG 5 Erfahrungsstufe 2 AVR-DD ab Mai 2019 geltend gemacht und zusätzlich die Nachzahlung des bezifferten monatlichen Differenzbetrages nebst Zinsen seit November 2017. Vor dem Arbeitsgericht hat sie vorgetragen, prägend im Sinne der tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften sei für ihre Tätigkeit die Entgegennahme von Alarmrufen und sonstigen Anrufen. Aus der Bandbreite der Aufgaben ergäben sich komplexe Tätigkeiten im Sinne der maßgebenden Eingruppierungsvorschriften. Die Rundmail aber auch eine Werbung seitens des Beklagten, wonach alle Mitarbeiter über eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium im medizinischen Bereich verfügten, dokumentiere, dass für die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Alarmannahme die Kenntnisse und Fertigkeiten als Rettungssanitäter inhaltlich nötig seien. Dies müsse im Hinblick auf das entsprechende Richtbeispiel aus den Eingruppierungsvorschriften zu einer Eingruppierung in die EG 5 führen.


Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.553,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 353,87 EUR brutto seit dem 15.11.2017, 15.12.2017, 15.01.2018 und 15.02.2018, aus jeweils 363,87 EUR brutto seit dem 15.03.2018, 15.04.2018, 15.05.2018, 15.06.2018, 15.07.2018, 15.08.2018, 15.09.2018, 15.10.2018, 15.11.2018 sowie aus jeweils 372,80 EUR brutto seit dem 15.12.2018, 15.01.2019, 15.02.2019, 15.03.2019 und 15.04.2019 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 01.05.2019 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Erfahrungsstufe 2 AVR-DD zu zahlen.

Der Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klage sei unschlüssig. Die Klägerin erfülle die Tätigkeitsmerkmale der EG 5 nicht bzw. nicht hinreichend. Die Mitarbeitenden im Hausnotruf seien geschult, mögliche gesundheits-/lebensgefährdende Situationen in der Regel durch Schlagworte zu erkennen und je nach Fall den Rettungsdienst, Angehörige, den Pflege- oder Schlüsseldienst zu informieren. Der Fertigkeiten und Kenntnisse eines Rettungssanitäters bedürfe es nicht. Die Bearbeitung der technischen Störungsmeldungen und des Pflegenotrufs beschränkten sich auf Entgegennahme des Anrufs und dessen Weitergabe an Bereitschaftsdienst bzw. Pflegedienst.

Mit Urteil vom 6. November 2019 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die EG 5. Prägende Tätigkeit iSv. § 12 AVR-DD und damit für die Eingruppierung maßgeblich sei die Tätigkeit der Klägerin in der Annahme von Notrufen von Kunden oder deren Angehörigen über den Hausnotruf. Diese Tätigkeit erfülle zwar die Voraussetzung zu den Fertigkeiten und Kenntnissen, wie sie eine Eingruppierung in die EG 4 voraussetze, nicht dagegen die Voraussetzungen für die EG 5. Die Klägerin übe keine der für die EG 5 genannten Regel- oder Richtbeispiele entsprechende Tätigkeit aus. Insbesondere sei sie nicht als Rettungssanitäterin für die Beklagte tätig. Auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der EG 5 erfülle die Klägerin nicht. Die Aufgaben im Hausnotruf beinhalteten keine vielschichtigen Tätigkeiten mit einer Verknüpfung aus Wissen und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen, wie sie als komplexe Aufgaben zu einer Eingruppierung in die EG 5 führen könnten. Es gehe bei der Tätigkeit im Hausnotruf nicht darum, in der Notfallrettung zu assistieren und ggf. bis zum Eintreffen des höher qualifizierten medizinischen Personals selbst lebensrettende Notfallmaßnahmen durchzuführen oder Patienten, die keine Notfallpatienten seien, eigenständig oder unterstützend zu betreuen. Gegenstand sei vielmehr, anhand der von den Anrufern geschilderten und ggf. zu erfragenden gesundheitlichen Symptomen die medizinische Versorgung durch ärztliches und nichtärztliches Personal bzw. eine sonstige nicht medizinische Betreuung oder Versorgung in die Wege zu leiten. Eine einer Rettungssanitäterin vergleichbare Qualifikation sei zur Aufgabenerfüllung nicht erforderlich.

Gegen das ihr am 19. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 2020 Berufung eingelegt, die sie – nach Fristverlängerung bis zum 19. März 2020 – an diesem Tag begründet hat. Sie macht geltend: Wie eine Stellenausschreibung aus November 2017 belege, verlange die Beklagte die Qualifikation als Rettungssanitäter. Als Tätigkeit, deren Gepräge im tarifrechtlichen Sinne durch erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten als Rettungssanitäter bestimmt werde, sei ihre Tätigkeit im Hinblick auf das der EG 5 beigegebene Richtbeispiel dieser Entgeltgruppe zuzuordnen. Dies gelte vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Mitarbeiter in der Hausnotrufzentrale, die Alarme bearbeiteten, über die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Rettungssanitäters verfügen müssten. Ebenso folge die begehrte Eingruppierung aus den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen. Mit der Alarmbearbeitung lägen Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung im Sinne der EG 4 vor. Wie die einschlägige Anmerkung ausführe, könne der Erwerb der Fertigkeiten und Kenntnisse auch anderweitig erfolgen, etwa durch praktische Ausbildung bei der Beklagten. Jedenfalls habe die Klägerin mit der Ausbildung zur Krankenpflegehelferin eine solche Ausbildung absolviert. Die für die Eingruppierung nach EG 5 weiter vorauszusetzenden komplexen Aufgaben ergäben sich insoweit daraus, dass verschiedene Berufsbilder betroffen seien. Notwendig, um den Alarmruf von der Annahme über die Sachverhaltsermittlung und Entscheidung zum Rettungsmittel bis hin zur Dokumentation und Nachbearbeitung ordnungsgemäß bearbeiten zu können, seien Kenntnisse aus dem medizinischen Bereich sowie technische Kenntnisse hinsichtlich des Verständnisses der Hausnotrufgeräte und der gesamten EDV einschließlich der verschiedenen Programme, Datenbanken und ihrer Bedienung. Bereits die Alarmbearbeitung erfordere Wissen und Fähigkeiten aus den verschiedenen in der EG 5 aufgeführten Bereichen, nämlich Teile der Bereiche Pflege, nichtärztlicher medizinischer Dienst und Technik. Erst recht gelte dies, wenn als prägende Tätigkeit nicht nur die Alarmbearbeitung, sondern die Gesamtheit der zu erfüllenden Aufgaben betrachtet werde. Außerdem tauche in den maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften der nichtärztliche medizinische Dienst erstmals in der Entgeltgruppe 5 auf. Bereits aus diesem Grunde könne eine geringere Vergütung als nach der EG 5 nicht zutreffend sein. Mit der Berufungsbegründung stützt die Klägerin die Ansprüche wegen Zahlung und Feststellung zusätzlich auf das Maßregelungsverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe nur Mitarbeiter, die auf der Differenzzahlung für die Ausschlussfrist bestanden hätten, von der angebotenen Höhergruppierung und Nachzahlung ausgenommen. Die Geltendmachung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs dürfe aber kein Differenzierungskriterium für eine Ungleichbehandlung bei der Entgeltzahlung sein.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.11.2019 – 48 Ca 6385/19 – abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, ihr 6.553,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 353,87 EUR brutto seit dem 15.11.2017, 15.12.2017, 15.01.2018 und 15.02.2018, aus jeweils 363,87 EUR brutto seit dem 15.03.2018, 15.04.2018, 15.05.2018, 15.06.2018, 15.07.2018, 15.08.2018, 15.09.2018, 15.10.2018, 15.11.2018 sowie aus jeweils 372,80 EUR brutto seit dem 15.12.2018, 15.01.2019, 15.02.2019, 15.03.2019 und 15.04.2019 zu zahlen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 01.05.2019 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Erfahrungsstufe 2 AVR-DD zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte hat die Berufung beantwortet. Er erneuert Vorbringen aus dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Er weist darauf hin, in der von der Klägerin herangezogenen Stellenausschreibung finde sich der Hinweis auf die Ausbildung zum Rettungssanitäter unter der Überschrift „Was wir uns wünschen“. Hieraus seien keine sogenannten konstitutiven Bewerbungsvoraussetzungen herzuleiten. Das Berufen auf das Richtbeispiel hält er mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des Urteils des Arbeitsgerichts für unstatthaft, den Vortrag zum Gleichbehandlungsgrundsatz und zum Maßregelungsverbot für offenkundig unschlüssig. Er weist darauf hin, dass die Klägerin von dem Angebot einer übertariflichen Vergütung ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht habe.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin kann unter keinem der geltend gemachten Gesichtspunkte eine Vergütung nach EG 5 beanspruchen. Deshalb sind Zahlungsantrag und Feststellungsantrag unbegründet und es hat bei der Zurückweisung der Klage durch das Arbeitsgericht zu verbleiben.

I.

Die Berufung ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Abs. 2 Buchst. b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,00 Euro. Die Klägerin hat die Berufung innerhalb der Fristen aus § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und in einer den Anforderungen aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519f Zivilprozessordnung (ZPO) genügenden Weise eingelegt und begründet. Hierfür genügt bereits die Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen. Damit zeigt die Berufung eine mögliche Rechtsverletzung durch die angefochtene Entscheidung iSv. § 520 Abs. 3 Ziffer 2 ZPO auf. Folge der deshalb zulässigen Berufung ist es, dass – entgegen der Meinung des Beklagten – auch die Frage nach der Erfüllung des Richtbeispiels infolge der zulässigen Berufungseinlegung zum Prüfungsumfang des Berufungsgerichts gehört, ohne dass es auf die Frage nach deren Thematisierung in der Berufungsbegründung ankäme, vgl. § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Im Übrigen enthält die Berufungsbegründung auch hinsichtlich der Erfüllung des Richtbeispiels einen hinreichenden Angriff.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht darin, dass die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die EG 5 vorliegend nicht erfüllt sind, so dass die geltend gemachte Feststellung einer entsprechenden Vergütungspflicht bzw. Nachzahlungen von der Klägerin nicht unter dem Gesichtspunkt der Eingruppierungsvorschriften aus den AVR-DD beansprucht werden können. Aus dem in der Berufung zulässig klageerweiternd geltend gemachten Gleichbehandlungsgrundsatz iVm. dem Maßregelungsverbot kann die Klägerin Vergütung nach der EG 5 ebenfalls nicht beanspruchen.

1. Die Klägerin kann die geltend gemachte Vergütung nicht nach den einschlägigen Vorschriften zur Eingruppierung aus den AVR-DD beanspruchen.

a. Die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind, beschlossen von der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland Stand 1. September 2017, bestimmen zur Eingruppierung wie folgt:

„§ 12 Eingruppierung

(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Die Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z. B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die sie bzw. er eingruppiert ist. …

(2) Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale sie bzw. er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

(3) Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters.

(4) Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters richtet sich nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. Den Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.

…..

Überleitungsregelung zu § 12:

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am 30. Juni 2007 in einem Dienstverhältnis stehen, das am 1. Juli 2007 fortbesteht und die nach den Vorschriften des bis zum 30. Juni 2007 geltenden § 12 eingruppiert sind, sind mit Wirkung ab 1. Juli 2007 in den Eingruppierungskatalog gemäß der Anlage 1 einzugruppieren.

Anlage 1 EINGRUPPIERUNGSKATALOG

Entgeltgruppe 3 (Anm. 2, 3, 12,13)

A.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraussetzen.

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit

1) einfachen Tätigkeiten (Anm. 3) ...

Entgeltgruppe 4 (Anm. 3, 4, 12, 13)

A.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fertigkeiten und Kenntnisse voraussetzen Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung (Anm. 4) in den Tätigkeitsbereichen

Pflege/Betreuung/Erziehung/Integration;

Hauswirtschaft/Handwerk/Technik;

Verwaltung mit verschiedenen oder umfangreichen Tätigkeiten.
Richtbeispiele:
Altenpflegehelferin,
Krankenpflegehelferin,
Heilerziehungshelferin,

Entgeltgruppe 5 (Anm. 4, 12, 13, 15)

A.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die spezielle Fertigkeiten und erweiterte Kenntnisse voraussetzen

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit komplexen Aufgaben (Anm. 15) unter fachlicher Anleitung (Anm. 4) mit unterschiedlichen Anforderungen in den Tätigkeitsbereichen

Pflege/Betreuung/Erziehung/Integration bei der Durchführung aktivierender oder tagestrukturierender Aufgaben;

Nichtärztlicher medizinischer Dienst;

Hauswirtschaft/Handwerk/Technik (bei Hausmeisterinnen ohne fachliche Anleitung);
Verwaltung.
Richtbeispiele: …
Rettungssanitäterin …
Anmerkungen:

(3) Einfache Tätigkeiten setzen Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraus. Fertigkeiten und einfache Kenntnisse werden in erweiterter fachlicher Einarbeitung über einen längeren Zeitraum, in Schulungen oder durch einschlägige Tätigkeitserfahrungen erlangt. Durch das so erlangte Wissen kann auf unterschiedliche Arbeitssituationen und -anforderungen angemessen reagiert werden.

(4) Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung setzen Fertigkeiten und Kenntnisse voraus, die i. d. R. durch eine einjährige Ausbildung, aber auch anderweitig erworben werden können. Fachliche Anleitung bedeutet eine enge Anbindung an fachlich höher qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(15) Komplexe Aufgaben beinhalten vielschichtige und verschiedene Tätigkeiten, in denen Wissen und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen miteinander verknüpft werden müssen.

b. In Anwendung dieser Vorschriften besteht keine Vergütungspflicht nach der EG 5.

aa. Welche Tätigkeit der Klägerin von dem Beklagten übertragen ist, ergibt sich aus der Stellenbeschreibung. Von den danach übertragenen Tätigkeiten prägen ganz vorrangig die Telefontätigkeiten insbesondere im Bereich der Hausnotrufen und der Pflegenotrufe die Tätigkeit der Klägerin im Sinne von § 12 AVR-DD. Deshalb müsste diese Tätigkeit die in der Anlage 1 für die EG 5 genannten Merkmale erfüllen, damit die Klägerin eine entsprechende Vergütung aufgrund der AVR-DD beanspruchen könnte. Daraus, dass die Klägerin bereits vor Inkraftsetzung des Eingruppierungskatalogs beschäftigt war, ergeben sich keine Besonderheiten. Gemäß der Überleitungsregelung zu § 12 sind Altbeschäftigte mit Wirkung ab 1. Juli 2007 in den Eingruppierungskatalog gemäß der Anlage 1 einzugruppieren.

bb. Eine Vergütungspflicht nach der EG 5 folgt nicht aus dem Richtbeispiel „Rettungssanitäter“.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Entgeltgruppe genannten Tätigkeits-, Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG, 20. Juni 2012 - 4 AZR 438/10, juris Rn. 16 mwN.). Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Entgeltgruppe fest zuordnen können (BAG, 12. Juni 2019 - 4 AZR 363/18, juris Rn 17).

(2) Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf die in Rede stehenden Eingruppierungsvorschriften aus den AVR-DD begründet die geltend gemachte Eingruppierung nicht. Die Klägerin übt für den Beklagten nicht die Tätigkeit einer Rettungssanitäterin aus.

(a) Als Rettungssanitäterin tätig ist, wer eine Arbeitsaufgabe ausübt, zu der die entsprechende Ausbildung befähigen soll. Die Ausbildung zur Rettungssanitäter ist durch länderspezifische Vorschriften geregelt. Für deren Inhalt kann auf die von dem Bund-Länder-Ausschuss Rettungswesen erarbeitete „Empfehlung für eine Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern (RettSan-APrV) Stand: 11./12. Februar 2019“ (abrufbar auf den Internetseiten der Bundesagentur für Arbeit, Berufenet, Rettungssanitäter/in, rechtliche Regelungen) zurückgegriffen werden, dort § 1 Abs. 1. Danach soll: „die Ausbildung zur Rettungssanitäterin beziehungsweise zum Rettungssanitäter die Absolventin und den Absolventen zum Einsatz in unterschiedlichen Funktionen in allen Bereichen des Patiententransportes, des qualifizierten Krankentransportes sowie der Notfallrettung und des Bevölkerungsschutzes befähigen.“ Ähnlich formuliert beispielsweise § 1 Abs. 1 Rettungssanitäter-Ausbildungs- und Prüfungsordnung Nordrhein-Westfalen: „Die Ausbildung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern ist ausgerichtet auf die Patientinnen- und Patientenbetreuung beim Krankentransport und auf die Unterstützung der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten oder der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters in der Notfallrettung.“

(b) Unter Berücksichtigung dieses Ausbildungsinhalts kann die Tätigkeit der Klägerin nicht als Tätigkeit einer Rettungssanitäterin im Sinne der Eingruppierungsvorschrift verstanden werden. Zwar bestehen Entsprechungen zwischen der Ausbildung und den Tätigkeitsinhalten. Erhebliche Anteile der Ausbildung zur Rettungssanitäterin bestehen in dem Erkennen und Beurteilen von Hilfebedarf, wie es auch zu den Arbeitsaufgaben der Klägerin gehört. Eine Tätigkeit wie die der Klägerin, die auf diese Aufgaben beschränkt bleibt, ist aber keine Tätigkeit als Rettungsassistent. Es fehlen die dafür erforderlichen ausübenden Teile in der Patientenbetreuung, beim Krankentransport, in der Notfallrettung oder beim Bevölkerungsschutz. Anders als die Berufung meint, ist es für die Eingruppierung nach dem Richtbeispiel nicht ausreichend, dass die Tätigkeit Kenntnissen und Fertigkeiten aus der Ausbildung zur Rettungssanitäterin erfordert. Richtbeispiele sind tätigkeitsbezogen. Die Tätigkeit eines Rettungssanitäters aber umfasst eine Beteiligung an Krankentransport, Notfallrettung oder Bevölkerungsschutz.

(3) Entgegen dem Verständnis der Klägerin folgt aus der herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (11. Mai 2017 - III ZR 92/16, juris) nichts Anderes. Die Entscheidung hat die Reichweite der Verpflichtungen eines Hausnotrufdienstes im Verhältnis zu seinen Kunden zum Gegenstand. Der BGH legt den Vertrag zwischen Hausnotrufdienst und Kunden dahin aus, dass der Betreiber verpflichtet sei, im Falle eines Notrufes unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung (z.B. Schlüsseldienst, Hausarzt, Rettungsdienst, Notarzt) zu vermitteln. Tätigkeit oder Ausbildung der Rettungssanitäterin oder des Rettungssanitäters sind in den veröffentlichten Entscheidungsgründen nicht angesprochen.

cc. Eine Vergütungspflicht nach der EG 5 folgt nicht aus den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen. Die prägende Tätigkeit der Klägerin ist keine Tätigkeit, die – wie für eine Eingruppierung in die EG 5 erforderlich – spezielle Fertigkeiten und erweiterte Kenntnisse voraussetzt.

(1) Hinsichtlich der jeweils vorausgesetzten Fertigkeiten und Kenntnisse bauen die Entgeltgruppen der Anlage 1 zu den AVR-DD aufeinander auf. Kennzeichnend für die Entgeltgruppen bis EG 3 ist dabei, dass eine Einarbeitung zur Erlangung der erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse ausreichend sein kann. Die EG 2 setzt im Obersatz Tätigkeiten voraus, die nach einer fachlichen Einarbeitung vorausgesetzt werden können. Zu den für die EG 3 vorausgesetzten Fertigkeiten und einfachen Kenntnisse führt für die dort erfassten einfachen Tätigkeiten die einschlägige Anmerkung 3 aus, diese könnten unter anderem in erweiterter fachlicher Einarbeitung über einen längeren Zeitraum erlangt werden.

Zu den bei der EG 4 vorausgesetzten Fertigkeiten und Kenntnisse findet sich dagegen kein Hinweis darauf, dass sie noch durch eine Einarbeitung vermittelt werden könnten. Für die Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung, wie sie zur EG 4 gehören, verlangt die einschlägige Anmerkung 4 vielmehr Fertigkeiten und Kenntnisse, die in der Regel durch eine einjährige Ausbildung erworben werden. Nach dem Verständnis der Kammer kennzeichnet das Erfordernis einer externen Ausbildung die EG 4 generell auch außerhalb der Teilgruppe der Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung. Die EG 4 ist die Einstiegsgruppe für Tätigkeiten, die nicht mehr allein aufgrund einer Einarbeitung ausgeführt werden können, sondern regelmäßig eine anderweitige berufsbezogene Ausbildung für die Tätigkeitsaufnahme voraussetzen.

Vorliegend macht die Beklagte ausweislich der Rundmail und der Stellenbeschreibung aus 2017 die Absolvierung des Theorieteils der Ausbildung zur Rettungssanitäterin zur Voraussetzung der Ausübung der Tätigkeit der Klägerin. Damit verlangt sie Fertigkeiten und Kenntnisse, die nicht mehr durch eine Einarbeitung erworben werden können, sondern die Absolvierung eines Bildungsangebots mit einem vorgegebenen Inhalt erfordern. Somit erfordert die Tätigkeit in der Hausnotrufzentrale – wie es zwischen den Parteien unstreitig ist – Fertigkeiten und Kenntnisse im Sinne der EG 4.

(2) Anders als die Klägerin meint, ist die Tätigkeit in der Hausnotrufzentrale nicht den Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung zuzuordnen, wie sie bei Hinzutreten komplexer Aufgaben spezielle Fertigkeiten und erweiterte Kenntnisse im Sinne der EG 5 begründen.

(a) Die Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung sind eine Teilgruppe der Tätigkeiten nach der EG 4. Indem die Vorschrift Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung den Tätigkeiten zuweist, die Fertigkeiten und Kenntnisse voraussetzen, leistet sie als Untersatz im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 1 AVR eine nähere Beschreibung der im Obersatz geforderten Fertigkeiten und Kenntnisse. Diese nähere Beschreibung betrifft aber nicht alle der EG 4 zuzuordnenden Tätigkeiten. Vielmehr formuliert die Vorschrift: „hierzu gehören“. Die Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung sind demnach nicht die einzigen von der EG 4 erfassten Tätigkeiten. Allein aus der Erfüllung der Voraussetzungen der EG 4 kann daher nicht auf das Vorliegen von Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung geschlossen werden.

(b) Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung bilden eine hervorgehobene Teilgruppe der für eine Eingruppierung in die EG 4 erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse. Das Vorliegen von Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung kann zu einer Eingruppierung in die EG 5 führen. Dementsprechend knüpfen diese Tätigkeiten an die erforderliche Vorbildung weitergehende Anforderungen, als allgemein von der EG 4 vorausgesetzt. Während für die EG 4 bereits die Erforderlichkeit einer anderweitigen berufsbezogenen Ausbildung überhaupt ausreicht, folgt aus der einschlägigen Anmerkung 4, dass für Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung die vorausgesetzte berufsbezogene Ausbildung in der Regel die Dauer eines Jahres haben muss.

(c) Eine einjährige Ausbildung ist der von der Beklagten vorausgesetzte Theorieteil der Ausbildung zum Rettungssanitäter nicht. Nach der RettSan-APrV umfasst die theoretisch-praktische Ausbildung an einer staatlich anerkannten Ausbildungsstelle als Einstieg zu der Ausbildung zum Rettungssanitäter 240 Stunden. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 Rettungssanitäter-Ausbildungs- und Prüfungsordnung Nordrhein-Westfalen verlangt eine theoretische Ausbildung von mindestens 160 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten. Das Erfordernis eines solchen Vorbildung macht die Tätigkeit in der Hausnotrufzentrale daher nicht zu einer Tätigkeit unter fachlicher Anleitung.

(3) Ein anderes Ergebnis folgt nicht daraus, dass die Fertigkeiten und Kenntnisse, wie sie für Tätigkeiten unter fachlicher Anleitung nach der Anmerkung 4 erforderlich sind, nach dem Wortlaut der Anmerkung auch anderweitig erworben werden können. Der anderweitige Erwerb betrifft die Art und Weise, wie die Kenntnisse angeeignet werden. Der Umfang von Fertigkeiten und Kenntnissen soll weiterhin den Inhalten einer einjährigen Ausbildung entsprechen. Vorliegend ist nicht ersichtlich oder von der Klägerin unter Bezugnahme auf einjährige Ausbildungsgänge erläutert, dass ihre Tätigkeit entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt.

(4) Die Kammer hat erwogen, ob die Ausbildung zur Rettungssanitäterin Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt, wie sie zu einer Einordnung als Tätigkeit unter fachlicher Anleitung führen können.

Hierfür spricht, dass die in Rede stehenden Eingruppierungsvorschriften die Tätigkeit als Rettungssanitäterin als Richtbeispiel in der EG 5 nennen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind aber bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen Tätigkeitsbeispiele als Richtlinie für die Bewertung mit zu berücksichtigen (BAG, 13. November 2019 - 4 ABR 3/19, juris Rn 25 mwN).

Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen. Die Tätigkeit der Klägerin hat die Ausbildung zur Rettungssanitäterin nicht zur Voraussetzung. Stellenbeschreibung und Rundmail beschränken das Ausbildungserfordernis auf die Absolvierung nur des Theorieteils der Ausbildung.

Die von der Klägerin außerdem herangezogene Stellenausschreibung nennt die Ausbildung nur als wünschenswert. Als wünschenswert werden in Stellenausschreibungen üblicherweise Qualifikationen bezeichnet, die der Ausschreibende anstrebt und die somit die Einstellungsaussichten erhöhen können, die aber keine unabdingbare Voraussetzung für die Einstellung sind. So differenziert zB die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Auslegung von Stellenausschreibungen zwischen Voraussetzungen, die zwingend erfüllt sein müssen, und solchen Kriterien, deren Erfüllung wünschenswert ist, und die gerade nicht zum Anlass für den Ausschluss eines Bewerbers genommen werden dürfen (vgl. OVG Lüneburg, 6. August 2019 - 5 ME 116/19, juris Rn 16). Entsprechend legt die Kammer auch die Stellenausschreibung aus November 2017 aus. Durchgreifende anderweitige Gesichtspunkte sind aus der Ausschreibung nicht ersichtlich. Sie kann so verstanden werden, dass sie keine unabdingbaren Voraussetzungen aufstellt und eine Einstellung etwa auch ohne die ebenfalls als wünschenswert bezeichnete Beherrschung der deutschen Sprache oder die Bereitschaft zum Dreischichtendienst nicht ausgeschlossen ist. Dementsprechend schließt die Ausschreibung eine Einstellung ohne Ausbildung zur Rettungssanitäterin oder zum Rettungssanitäter nicht aus. Ein entsprechendes Erfordernis für die Tätigkeitsausübung kann aus der Ausschreibung nicht hergeleitet werden.

(5) Schließlich begründet der Abschluss der Klägerin als Krankenpflegehelferin kein anderweitiges Ergebnis. Nach § 12 Abs. 3 AVR ist für die Eingruppierung nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend soll nicht die formale Qualifikation der Mitarbeiterin sein, sondern die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation. Dafür, dass vorliegend der Beklagte die Absolvierung einer Ausbildung zur Krankenpflegehelferin zur Voraussetzung der Tätigkeit gemacht hätte, finden sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Allein aus der von der Klägerin herangezogenen Kundenwerbung seitens des Beklagten mit einer bei den Mitarbeitern vorhandenen „Ausbildung“ folgt nicht, dass der Beklagte eine einschlägige Ausbildung mit dem erforderlichen Umfang zur Tätigkeitsvoraussetzung machen würde.

dd. Mangels der für die Einordnung als Tätigkeit unter fachlicher Anleitung vorauszusetzenden Fertigkeiten und Kenntnisse scheidet eine Eingruppierung in die EG 5 unter dem Gesichtspunkt der komplexen Aufgaben aus. Den diesbezüglichen Überlegungen des Arbeitsgerichts oder den Ausführungen seitens der Parteien ist daher nicht weiter nachzugehen.

ee. Der Hinweis der Klägerin auf die Nennung des nichtärztlichen medizinischen Dienstes erstmalig in der EG 5 begründet nicht die Eingruppierung in diese Entgeltgruppe. Die jeweils bei den Entgeltgruppen verwandte Formulierung „hierzu gehören“ macht deutlich, dass die aufgeführten Tätigkeitsbereiche nicht abschließend sind. Deshalb kann eine Tätigkeit im Hausnotruf in die EG 4 gehören, auch wenn dort der nichtärztliche medizinische Dienst nicht ausdrücklich aufgeführt ist.

2. Die geltend gemachte Vergütung ist nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder dem Maßregelungsverbot begründet.

a. Gegen die klageerweiternde Einführung des Anspruches aus Gleichbehandlungsgrundsatz und Maßregelungsverbot im Berufungsverfahren bestehen vor dem Hintergrund der Regelung in § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 533 ZPO keine Bedenken.

b. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies hingegen, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er lediglich aus sachlichen Gründen Arbeitnehmer ausnehmen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift jedoch nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, hingegen nicht beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug. Erbringt ein Arbeitgeber dagegen bewusst zusätzliche freiwillige Leistungen, muss er die vergleichbaren Arbeitnehmer gleichbehandeln. (vgl. BAG, 27. August 2008 - 4 AZR 484/07, juris Rn. 40). Hinsichtlich der Vergütung nach tarifvertraglichen Entgeltgruppen kann der Gleichbehandlungsgrundsatz im übertariflichen Bereich eine Rolle spielen, wo der Anspruch gerade nicht aus der Erfüllung der tarifvertraglichen Anforderungen folgt (vgl. BAG, 27. Januar 1999 - 4 AZR 52/98, juris Rn 15). Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot aus § 612a BGB verbietet es dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer deshalb bei einer Vereinbarung oder Maßnahme zu benachteiligen, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat. Im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz konkretisiert das Maßregelungsverbot die Sachfremdheit der Schlechterstellung. Eine Maßregelung kann in keinem Fall ein billigenswerter Sachgrund für den Leistungsausschluss sein.

c. Vorliegend kann mit der Hilfsbegründung der Klägerin davon ausgegangen werden, dass der Bereich der Vergütung außerhalb der Verpflichtungen nach den AVR-DD eröffnet ist. Für diesen Bereich ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur möglichen Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Vergütung „über Tarif“ übertragbar. Der Beklagte hat in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 11. Februar 2019 die Gewährung einer Vergütung nach der EG 5 ausdrücklich als ein „übertarifliches Angebot“ bezeichnet und damit klargestellt, dass er nicht im irrigen Vollzug verbindlicher Vorgaben handelte. Innerhalb der Gruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hausnotrufes kann – abgesehen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die keine Alarme bearbeiten – eine vergleichbare Lage angenommen werden. Mit den vorgerichtlichen Verhandlungen ist aber ein Grund für die Differenzierung vorhanden, der nicht in dem Sinne als sachfremd anzusehen sein würde, dass es für die unterschiedliche Behandlung keinen billigenswerten Grund geben würde.

(1) Der Beklagte hat die Gewährung der übertariflichen Vergütung davon abhängig gemacht, dass die Klägerin von einem Teil der Nachforderungen Abstand nimmt. Hierin ist keine unzulässige Maßregelung unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung einer tarifgerechten bzw. den AVR-DD entsprechenden Vergütung zu sehen. Wie dargestellt, ist die Klägerin nach der einschlägigen Eingruppierungsvorschrift gerade nicht nach der EG 5 zu vergüten.

(2) Zwar kann eine unzulässige Maßregelung bereits darin zu sehen sein, dass die nachteilige Behandlung an eine Rechtsverfolgung anknüpft. So wird die Erhebung einer nicht mutwilligen Klage gegen den Arbeitgeber wegen behaupteter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zutreffend zu den Fällen der zulässigen Ausübung einer Rechtsposition gezählt, ohne dass es auf die Erfolgsaussichten der Klage ankäme (MüKoBGB/Müller-Glöge, 8 Aufl. 2020, BGB § 612a Rn 11). Dies ist auf die vorgerichtliche nicht mutwillige Geltendmachung (vermeintlicher) Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zu übertragen.

(3) Vorliegend hat aber der Beklagte die Gewährung der übertariflichen Vergütung vergleichbar einem Vergleichsvertrag gemäß § 779 BGB angeboten, um den Streit zwischen den Parteien über die Vergütungshöhe und etwa zustehende Nachzahlungen im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen. Es ist ein Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, Auseinandersetzungen über die Vergütungshöhe durch die teilweise Gewährung des umstrittenen Vorteils zu beenden und so weitergehende auch gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Wenn Arbeitnehmer, die nicht zu dem im Gegenzug zur höheren Vergütung geforderten Verzicht auf im Ergebnis unbegründete Nachzahlungen bereit sind, jedenfalls bis zur gerichtlichen Klärung der tarifgerechten Eingruppierung von dem Vorteil ausgeschlossen bleiben, so kann das nicht als sachfremd und nicht billigenswert angesehen werden. Ob der Beklagte die Klägerin auch über die rechtskräftige Erledigung des Rechtsstreits von den Leistungen wird ausschließen können, oder dann der Gleichbehandlungsgrundsatz die Einbeziehung der Klägerin erzwingt, kann dahinstehen. Maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidungsfindung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung.

III.

Von den Nebenentscheidungen beruht die Kostenentscheidung auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Umstände, die in Anwendung von § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision begründen würden, sind nicht ersichtlich.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.