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Entscheidung 1 U 11/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 02.06.2014
Aktenzeichen 1 U 11/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. August 2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.322,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2012 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 554,42 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anleihen der H… Bank in Anspruch.

Der Kläger ist eine Teilkörperschaft der Universität … und unter anderem an dem Betrieb der Universitätsbibliothek beteiligt. Zur Finanzierung zusätzlicher Öffnungszeiten dieser Bibliothek bewilligte ihm das Bildungsministerium im Jahr 2006 eine Förderung über 100.000,00 €.

Der Kläger beabsichtigte dieses Geld bis zur zweckentsprechenden Verwendung bei einer Bank anzulegen. Mit dieser Zielsetzung nahm er unter anderem mit der Beklagten Kontakt auf. Bei einem Anlagegespräch in den Räumen der Filiale der Beklagten in … im März 2006 unterbreitete diese dem Kläger durch ihre Anlageberaterin, die Zeugin M…, verschiedene Angebote. Im Rahmen der Konto- und Depoteröffnung füllte der Kläger einen von der Beklagten vorgelegten Analysebogen aus, in der er angab, eine sicherheitsorientierte Anlagestrategie zu verfolgen. Unter dem Abschnitt „Anlageverständnis“ kreuzte er die Vorgabe „Sicherheitsorientiert“: „Geringe Risikobereitschaft/weitgehende Absicherung der Kapitalbasis; die Sicherheit der Anlage steht gegenüber den Ertragserwartungen im Vordergrund.“ an. Dabei handelte es sich bei den drei vorgegebenen Alternativen - zur Verfügung standen auch „Begrenzt risikobereit“ und „Spekulativ“ - um das konservativste Anlageverständnis. Im Ergebnis dieses Gespräches kaufte der Kläger Anteile einer N… und einer P… für 98.851,83 €.

Die mit dieser Anlage verbundenen Erwartungen erfüllten sich in der Folgezeit nicht. Am 18. März 2008 rief die Zeugin M… bei dem Kläger an und teilte diesem mit, dass der Wert der in 2006 erworbenen Anlagepapiere gefallen war und weitere Verluste aufgrund der Kapitalmarktentwicklung nicht auszuschließen seien. Am 19. März 2008 verkaufte der Kläger daraufhin die Wettpapiere mit einem Verlust in Höhe von 8.214,54 €.

Am 20. März 2008 kam es in den Räumen der Filiale der Beklagten in … zu einem weiteren Gespräch, bei dem über die Neuanlage der dem Kläger zur Verfügung stehenden Gelder gesprochen wurde. Seitens des Klägers nahmen an diesem Gespräch die Zeugen W… und A… - nach den Behauptungen des Klägers zusätzlich auch der Zeuge N… - teil. Die Beklagte war dabei wiederum durch die Zeugin M… und durch den Leiter ihrer Filiale …, den Zeugen G… vertreten.

Auch bei diesem Gespräch stellte die Beklagte dem Kläger Produkte für eine Neuanlage des Geldes vor. Eines dieser Angebote war der Erwerb von Anleihen der „H… AG“. Die Beklagte wies dabei vor allem darauf hin, dass für dieses Produkt zum Ende der Laufzeit eine Kapitalgarantie bestehe. Daraufhin kaufte der Kläger diese Anleihen für 94.000,00 €.

Im Januar 2008 gab die H… AG eine außerordentliche Abschreibung über 390 Mio Euro bekannt, woraufhin der Börsenwert ihrer Aktie an Wert verlor. In einem Bericht der BaFin wurde im August 2008 auf die Möglichkeit einer Insolvenz der H… hingewiesen. In der Folgezeit häuften sich auch Pressemitteilungen, in denen über die schwierige finanzielle Lage der H… berichtet wurde. Gleichzeitig sank der Kurs ihrer Aktien weiter. Daraufhin befasste sich das Studentenparlament der Universität … mit der von dem Kläger getätigten Anlage und Beschloss am 21. Oktober 2008 den Verkauf der Anleihen. Aufgrund der daraufhin veranlassten Veräußerung der Wertpapiere wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 70.575,21 € gutgeschrieben, der so entstandene Verlust beziffert sich auf die Klagesumme 23.322,28 €.

Der Kläger begehrte mit der vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage von der Beklagten den Ausgleich des Verlustes aufgrund der zweiten Anlage vom März 2008.

Er ist der Ansicht, die Beklagte habe bei dem dieser Neuanlage zu Grunde liegenden Beratungsgespräch am 20. März 2008 ihre Aufklärungspflichten aus einem mit ihm eingegangenen Beratungsvertrag verletzt. Dazu behauptet er insbesondere, er sei nicht auf das Insolvenzrisiko hinsichtlich der H… hingewiesen worden, auch sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass die getätigte Anlage nicht der Einlagensicherung unterliege.

Er, der Kläger, habe die Beklagte bereits im Rahmen der im Jahr 2006 getätigten Wertpapiergeschäfte darauf hingewiesen, dass die Anlage des ihm zugewendeten Geldes ohne jedes Risiko sein müsse. Nach dem Verkauf der zunächst erworbenen Papiere im März 2008 habe seine Rechtsaufsicht die Beklagte telefonisch erneut darauf hingewiesen, dass er nur völlig risikolose Anlagen tätigen dürfe. Schließlich habe er die Beklagte auch bei dem Gespräch am 20. März 2008 nochmals darauf hingewiesen, dass er aus haushaltsrechtlichen Gründen nur Anlagen tätigen dürfe, bei denen ein Verlust definitiv ausgeschlossen sei. Bei der Beratung über die Anleihen der H… Bank sei er weder über das Emittentenrisiko aufgeklärt, noch auf etwaige Kursschwankungen oder die fehlende Einlagensicherung hingewiesen worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.322,28 € nebst Zinsen in Höhe von 2,5 p. a. vom 25. März 2008 bis 12. Mai 2009 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2009 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 554,42 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet mit näheren Ausführungen, sie habe den Kläger im Vorfeld der im März 2008 getätigten Anlage und insbesondere auch bei dem Anlagegespräch am 20. März 2008 umfassend und anlegergerecht beraten. So habe sie dem Kläger auch eine Investition in Spar- bzw. Festgeldanlagen vorgestellt. Im Vordergrund haben für diesen jedoch die Renditemöglichkeiten gestanden, so dass solche noch sicheren Anlagen für diesen kein Thema gewesen seien. Hinsichtlich der so letztlich vom Kläger ausgewählten Anlage in Papiere der H… habe sie diesen anhand der dazu vorliegenden Produktunterlagen umfassend über die Funktionsweise und Risikostruktur der Anlage sowie über alle maßgeblichen Risiken und Chancen aufgeklärt. Insbesondere habe sie auch auf das der Anlage innewohnende Ausfallrisiko und die möglichen Kursschwankungen während der Laufzeit hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage durch das am 9. August 2013 verkündete Urteil nach Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen abgewiesen. Dem Kläger stehe wegen des Verkaufs der Anleihen der H… Bank kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil diese ihre Pflichten aus dem geschlossenen Beratungsvertrag nicht verletzt habe. Das Landgericht ist im Wesentlichen davon ausgegangen, dass die Beklagte den Kläger anlegergerecht beraten, insbesondere auch über das Emittentenrisiko aufgeklärt habe. Soweit die von dem Kläger benannten und zu den maßgeblichen Vorgängen gehörten Zeugen bei ihren Vernehmungen ausgesagt haben, sie hätten die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Anlage risikolos seine müsse und es ihnen nicht auf eine höhere Rendite ankomme, seien die Aussagen der Zeugen unglaubhaft.

Hinsichtlich der vor dem Landgericht erhobenen Beweise, der Vernehmung der Zeugen We…, W…, A…, N…, G… und M… wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen am 25. Januar 2013, Bl. 129 d. A., 22. Februar 2013, Bl. 176 d. A., und 19. Juli 2013, Bl. 188 d. A., Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er in erster Linie die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift. Zunächst ist der Kläger der Ansicht, bei der Beratung durch die Beklagte im März 2008 sei aus dem Gesichtspunkt der „Ingerenz“ ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen, weil die bereits zuvor durch ihn im Jahr 2006 getätigte Anlage zu Verlusten geführt habe und die Beklagte aufgrund dieses Umstandes und der durch ihn behaupteten Hinweise auf das Erfordernis einer hohen Sicherheit verpflichtet gewesen wäre, nun noch weitergehendes Augenmerk auf die Sicherheit der Anlage zu legen. Im Übrigen habe das Landgericht die erhobenen Beweise falsch gewürdigt. Es habe die Glaubhaftigkeit der Aussagen der von ihm benannten Zeugen zu Unrecht verneint und nicht erkannt, dass die von der Beklagten gestellten und gehörten Zeugen tatsächlich keine Erinnerung mehr an die konkreten Beratungsgespräche gehabt hätten. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass auf seiner Seite, auf der des Klägers, am 20. März 2008 tatsächlich drei Vertreter an diesem Gespräch beteiligt gewesen seien, neben den Zeugen W… und A… eben auch der Zeuge N…. Die beiden von der Beklagten genannten Zeugen hätten dagegen stets bekundet, dass auf Seiten des Klägers nur zwei Vertreter anwesend gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das am 9. August 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.322,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2012 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 554,42 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und ist der Ansicht, dass bei dem Gespräch am 20. März 2008 aus dem Gedanken der Ingerenz keine erhöhte Aufklärungspflicht bestanden habe. Die Aussagen der von ihr benannten Zeugen M… und G… hinsichtlich etwaiger Kursschwankungen während der Laufzeit und hinsichtlich der Aufklärung auch über das Risiko eines Totalverlustes seien nachvollziehbar und in sich stimmig. Insoweit sei der Kläger umfassend und anlegergerecht beraten worden.

Der Senat hat die bereits durch das Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme teilweise wiederholt und die Zeugen W…, N…, G… und M… erneut gehört. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2014, Bl. 362 d. A., Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB aufgrund von Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anleihen der H… im März 2008. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte aus dem mit dem Kläger geschlossenen Beratungsvertrag verpflichtet war, diesen über das Totalverlustrisiko der getätigten Anlagen aufzuklären. Diese Verpflichtung ergibt sich in der hier vorliegenden Konstellation zum einen daraus, weil es sich bei anzulegenden Geldern um von der Studentenschaft treuhänderisch verwaltete zweckgebundene öffentliche Mittel handelte und zum anderen, weil - was nach der erneuten Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat zur Überzeugung des Gerichts feststeht - der Kläger die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass es ihm ganz vorrangig um eine sichere Geldanlage ging. Nach der Beweisaufnahme steht auch fest, dass die Beklagte dieser erhöhten Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien jedenfalls bei der hier maßgeblichen Anlage im März 2008 ein Beratungsvertrag bestanden hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, ist die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (BGHZ 123, 126; 191, 119). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben (BGHZ 123, 126; 178, 149; 191, 119; WM 2000, 1441; WM 2009, 1647). In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt grundsätzlich der Anleger.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung nicht verletzt hat. Zwar ist auf ein Totalverlustrisiko nicht generell hinzuweisen, die Aufklärungspflicht in Bezug auf dieses Risiko hängt vielmehr davon ab, aufgrund welcher Umstände des jeweiligen konkreten Anlageproduktes ein solches Risiko eintreten könnte und zum anderen von dem individuellen Beratungsbedarf des Anlegers. Unter den hier maßgeblichen Umständen hätte die Beklagte den Kläger bei dem Beratungsgespräch am 20. März 2008 über die generelle Abhängigkeit der Rückzahlung der empfohlenen Anlage von der Bonität der Emittentin (sog. allgemeines Emittentenrisiko) aufklären müssen. Der Anleger muss informiert sein, dass er im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Emittentin das angelegte Kapital vollständig verliert (BGHZ 191, 119).

1.) Schon aufgrund der der Beklagten bekannten Konstellation hinsichtlich der auf Seiten des Klägers handelnden Personen und des Charakter des anzulegenden Geldes bestand für die Beklagte aufgrund des besonderen individuellen Beratungsbedarfs des Klägers eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Totalverlustrisikos der Anlage.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich bereits im Ausgangspunkt von einem „normalen“ Anlagevertrag im Geschäftsverkehr der Filiale einer Bank. Den Mitarbeitern der Beklagten musste hier bereits im Jahr 2006 wie auch bei dem maßgeblichen Beratungsgespräch im März 2008 bewusst gewesen sein, dass ihnen nicht durchschnittliche - private Anleger oder solche im Geschäftsverkehr - gegenüber stehen, um Anlagemöglichkeiten für ihr gegenwärtig nicht anderweitig benötigtes Geld, wie etwa für eine Alterssicherung, zu erfragen. Ihr gegenüber traten 22 bis 25 Jahre junge Studenten auf, die offenkundig nicht für eigenes Geld eine mit dem bei solchen Geschäften üblichen Risiko verbundene Anlage suchten, sondern für ihnen in ihrer Funktion als Studentenvertreter anvertraute zweckgebundene öffentliche Mittel in nicht unbeträchtlicher Größenordnung. Dass der Beklagten dies bewusst war, ist nicht bestritten, ergibt sich im Übrigen auch aus den wenigen Vertragsunterlagen die den Studentenausschuss als Anleger bezeichnen und den Aussagen der Zeugen M… und G…. In diesem Fall musste die Bank davon ausgehen, dass es sich nicht um privat zur Verfügung stehendes Kapital handelt, gegebenenfalls hätte sie sich über die Herkunft und den Zweck des Geldes, der letztlich öffentlich-rechtlich gebunden war, näher erkundigen müssen.

Die Beklagte konnte in der gegebenen Konstellation auch nicht davon ausgehen, dass die für den Kläger handelnden Studenten bereits in irgendeiner Art Vorkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit solchen Geldbeträgen und deren Anlage hatten. Insoweit ist hier schon die Empfehlung einer mit einem Ausfallrisiko verbundenen Kapitalanlage in Anleihen der H… nicht anleger- oder objektgerecht. Jedenfalls aber traf die Beklagte aufgrund dieser Umstände eine erhöhte Nachfrage- und Aufklärungspflicht hinsichtlich der Risikobereitschaft der Studenten.

Demnach hätte die Beklagte den Kläger auch dann über sämtliche Risiken, insbesondere auch über das Emittentenrisiko eindringlich belehren müssen, wenn es - wie hier - im Zeitpunkt der Beratungsleistungen keine konkreten Anzeichen dafür gab, dass der Emittent in absehbarer Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnte. Denn unter den gegebenen Umständen konnte die beratende Bank gerade nicht davon ausgehen, dass das theoretisch immer bestehende Insolvenzrisiko eines Schuldners allgemein bekannt und daher in der Regel nicht aufklärungsbedürftig ist (so Hannöver in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 110 Rdnr. 38; OLG Schleswig, WM 1996, 1487) oder für die Anlageentscheidung keine wesentliche Rolle spielt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass dem durchschnittlichen Anleger allgemein bewusst ist, dass Unternehmen - auch Banken - zahlungsunfähig werden können, gilt im vorliegenden Fall etwas anderes, gerade weil es sich bei den Vertretern des Klägers nicht um durchschnittliche Anleger, sondern um unerfahrene Studenten handelte, die nicht eigenes Kapital vertreten.

2.) Darüber hinaus steht jedoch auch aufgrund der erneut durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass bei dem Kläger ein besonderer individueller Beratungsbedarf hinsichtlich der Frage eines Totalverlustes bestand und die Beratung durch die Beklagte daher nicht anlegergerecht war. Es steht fest, dass die Vertreter des Klägers die Mitarbeiter der Beklagten jedenfalls bei dem maßgeblichen Beratungsgespräch am 20. März 2008 ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass es ihnen in erster Linie auf eine sichere Anlage ankommt.

Der Zeuge W… hat dazu bereits vor dem Landgericht und nochmals bei seiner Vernehmung vor dem Senat bekundet, dass die Mitarbeiter der Beklagten bei dem Beratungsgespräch darauf hingewiesen wurden, dass es dem Kläger in erster Linie um eine risikolose Anlage gehe. Die Beklagte habe darauf auch reagiert und hinsichtlich der Anleihen der H… auf die 100-%ige Kapitalgarantie zum Ende der vertraglichen Laufzeit und etwaige Kursschwankungen während der Laufzeit hingewiesen.

Der Zeuge N… hat dazu ebenfalls ausgesagt, dass es ihm, handelnd für den Kläger, darum ging, dass Geld absolut sicher mit einer Kapitalgarantie anzulegen. Dies habe er so auch den Mitarbeitern der Beklagten mitgeteilt. Auch dieser Zeuge berichtete, dass die Beklagte daraufhin auf die 100-%ige Kapitalgarantie zum Ende der vertraglichen Laufzeit und etwaige Kursschwankungen hingewiesen habe.

Dies hat so auch die nur vor dem Landgericht gehörte Zeugin A… bestätigt. Diese Zeugin bekundete, den Mitarbeitern der Beklagten sei mitgeteilt worden, dass man eine Anlage benötige, die 100 % sicher sei, die Zinsen seien nicht so wichtig gewesen.

Im Kern wurden die von drei Zeugen getätigten Aussagen auch durch die Zeugin M… bestätigt. Auch diese Zeugin sagte aus, die Vertreter des Klägers hätten nach einer sicheren Anlage verlangt. Dass es diesen daneben auch um einen gewissen Ertrag gegangen sei, relativiert die so an die beabsichtigte Anlage gestellte Anforderung der Sicherheit nicht.

Lediglich der Zeuge G… konnte sich an bestimmte Sicherheitserwartungen der Vertreter des Klägers nicht erinnern, dazu hätten sich diese nicht erklärt. Er selbst habe die Sicherheit der H… ins Gespräch gebracht.

Der Senat hat keinen Grund an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der am Anfang ihres beruflichen Werdeganges stehenden Zeugen W… und N… zu zweifeln. Auch an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen haben sich keine Zweifel ergeben. Im Ergebnis konnte auch das Landgericht Zweifel an der Glaubhaftigkeit der nicht erneut vernommenen Zeugin A… in seinem Urteil nicht nachvollziehbar aufzeigen. Die Zeugen haben offen und frei bekundet, an was sie sich nach so langer Zeit bezüglich der maßgeblichen Geschehnisse noch erinnern können. Darüber hinaus sprechen auch die Umstände des Vertragverhältnisses und des Beratungsgesprächs dafür, dass sich die Ereignisse im März 2008 so abgespielt haben, wie die beiden Zeugen es bekundet haben. Denn den Studenten muss es auch in ihrer Unerfahrenheit mit dem Umgang von Geld in solchen Größenordnungen bewusst gewesen sein, dass sie dieses nur verwalten und für Verluste der Studentenschaft und den Aufsichtsgremien gegebenenfalls zumindest rechenschaftspflichtig sind. Ihnen war auch bewusst, dass aufgrund der in 2006 getätigten Anlagen bereits Verluste entstanden waren. In dieser Konstellation spricht nichts gegen die übereinstimmende Schilderung der beiden Zeugen, dass es ihnen nun bei der Neuanlage in erster Linie auf die Sicherheit und den Erhalt des noch vorhandenen Geldes angekommen war und sie dies auch gegenüber der Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht haben.

Eher für und jedenfalls nicht, wie das Landgericht es angenommen hat, gegen die Schilderungen der beiden Zeugen spricht auch der im Jahre 2006 für den Kläger aufgestellte und in 2008 für das Anlagegeschäft noch geltende Analysebogen. Der Kläger hat dabei unter Anlageverständnis die höchste ihm vorgegebene Sicherheitsstufe „Sicherheitsorientiert“ mit geringer Risikobereitschaft angegeben. Dies entspricht genau dem, was die beiden Zeugen auch für das Beratungsgespräch im März 2008 als Grundlage genannt haben und was für die Beklagte Hinweis gewesen sein musste, auch über das Risiko eines Totalverlustes aufzuklären. Eine höhere Sicherheitserwatung konnte der Kläger in dem ihm zur Verfügung gestellten Formular, was sich im Übrigen erkennbar auf Anlagegeschäfte mit Privatkunden und Privatgelder bezieht, nicht benennen. Dass dieser Analysebogen für das hier getätigte Anlagegeschäft ohnehin völlig ungeeignet ist, ergibt sich auch daraus, dass die abgefragten für eine Beratung und eine Anlageentscheidung maßgeblichen Faktoren, wie „persönliche Daten (Angaben zum Familienstand, zu Kindern, Haushalt und Beruf)“, „bisheriges Anlageverhalten“, „Liquiditätsplanung“ und „Vermögens- und Einkommensverhältnisse“ auf den Kläger und die beabsichtigte Anlage überhaupt nicht zutreffen und dementsprechend auch nicht abgefragt und nicht ausgefüllt wurden.

Der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden Zeugen stehen schließlich auch nicht die Bekundungen der Zeugen G… und M… entgegen. Zutreffend weist der Kläger vor allem mit der Berufung daraufhin, dass es in der Natur der Sache liegt, dass die Erinnerungen der für die Beklagten tätigen Bankmitarbeiter an ein jetzt bereits vor etwa sechs Jahren zurückliegendes einzelnes Beratungsgespräch eher eingeschränkter sein dürften, als die der anlegenden Personen, zumal die Anlage von 100.000,00 € für diese ein ganz besonders Geschehen dargestellt haben dürfte. So hat etwa die Zeugin M… bei ihrer Vernehmung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass sie bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht noch davon ausgegangen ist, dass seitens des Klägers zwei Personen bei dem Gespräch am 20. März 2008 anwesend waren; jetzt, im April 2014, habe sie daran jedoch keine Erinnerung mehr. Der Zeuge G… konnte sich an das Beratungsgespräch noch deshalb erinnern, weil er aufgrund der Höhe der Anlagesumme, welche die Zuständigkeit der Zeugin M… überstieg, hinzugezogen wurde. Aufgrund des Zeitablaufs und der Anzahl der von diesem zwischenzeitlich getätigten weiteren Kundengespräche erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich dieser Zeuge an die von den Vertretern des Klägers gemachten Angaben hinsichtlich der Sicherheit der Anlage nicht mehr in allen Einzelheiten erinnern konnte. Dies gilt insbesondere auch, weil die getätigte Anlage für die Bank nach den Angaben der Zeugen G… und M… tatsächlich in der niedrigsten Risikostufe geführt wurde sowie dass es seinerzeit keine konkreten Anzeichen dafür gab, dass der Emittent in absehbarer Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten werde und den Beratern daher möglicherweise die Sensibilität bei der Anlage zweckgebundener faktisch öffentlicher Gelder in Bezug auf eine besondere Sicherheit gefehlt haben könnte.

Nach der Beweisaufnahme steht auch fest, dass die erforderliche Aufklärung über ein Totalverlustrisiko hinsichtlich der Papiere der H… tatsächlich nicht in der gebotenen Deutlichkeit erfolgt ist. Die Zeugen W… und N… - auch die Zeugin A… vor dem Landgericht - haben übereinstimmend ausgesagt, dass sie von den Beratern der Beklagten nicht darüber aufgeklärt wurden, dass eine Insolvenz der H… möglich sei und hinsichtlich der Anlage in einem solchen Fall ein Totalverlust eintreten könne. Auch insoweit bestehen an der Glaubwürdigkeit der Zeugen W… und N… sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen keine Zweifel. Vielmehr passen diese Aussagen in die Beratungssituation, wie sie auch von den Zeugen G… und M… geschildert wurde. Insoweit bestand Übereinstimmung, dass bei der Risikoaufklärung insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass die Anlage am Ende der Laufzeit zu 100 % zurückerstattet werde. Dies haben vor allem die Zeugen G… und M… selbst so ausgesagt.

Dass die Berater der Beklagten den Vertretern des Klägers in der in der beschriebenen Situation erforderlichen Deutlichkeit verständlich erklärt haben, dass die Gefahr einer Insolvenz und damit des Totalverlustes des angelegten Geldes während der Laufzeit drohen könnte, haben schließlich auch die Zeugen M… und G… bei ihren Vernehmungen nicht bekundet. Jedenfalls aber konnten die beiden Zeugen sich hinsichtlich der gebotenen erhöhten Aufklärungspflicht über die Insolvenzmöglichkeit nicht mehr an konkrete Einzelheiten erinnern, inwieweit sie dieser tatsächlich nachgekommen sind. Allein die Verwendung des Begriffes Emittentenrisiko zur Erläuterung des Unterschiedes zwischen der Anlage bei der H… und einer Spareinlage, so wie die Zeugin M… dies bekundet hat, genügt der Aufklärungspflicht nicht. Auch der Zeuge G… bekundete nur ganz allgemein, dass er den Begriff Emittentenrisiko verwendet habe. Es spricht nach den Bekundungen der beiden Zeugen vieles dafür, dass diese selbst so von der Sicherheit des Wertpapiers ausgegangen sind und vor dem Hintergrund, dass die Anlage auch von der Beklagten (und anderen Banken) als sicher eingestuft wurde, die Möglichkeit einer Insolvenz der H… während der Laufzeit selbst nicht in Betracht gezogen und dementsprechend das Risiko gegenüber dem Kläger auch nicht hinreichend deutlich gemacht haben.

Nachdem eine zum Schadensersatz führende, der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung feststeht, ist der Kläger im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er die streitgegenständliche Anlage nicht gezeichnet hätte. Bei dem geschilderten Vorgeschehen ist auch der letztlich bei dem Kläger durch den vorzeitigen Verkauf der Papiere eingetretene Schaden kausal auf die Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten zurückzuführen. Die Entscheidung des Klägers, die Anlage bei einem Limit von 75 % vorzeitig zu veräußern kann ihm aufgrund der unstreitig eingetretenen massiven Schwankungen des streitgegenständlichen Wertpapiers und den hohen Kursverlusten nicht vorgeworfen werden. Der Kläger wurde bei der maßgeblichen Beratung auch auf solche massiven Kursverluste nicht hingewiesen, so dass er davon ausgehen konnte, dass sich aufgrund der bereits eingetretenen Verluste die Gefahr des Totalverlustes realisieren könnte. Er war daher - auch aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung - berechtigt, die Papiere vorzeitig mit dem eingetretenen Verlust zu verkaufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 709 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert: 23.322,28 €