Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 6 L 131/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 VwGO, § 6 VwVG BB, § 767 ZPO, § 769 ZPO |
Nichtigkeit eines Abgabenbescheides gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 125 AO wegen mangelnder Bestimmtheit im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 119 Abs. 1 AO kommt nur in Betracht, wenn etwaige Zweifel am Regelungsinhalt des Bescheids nicht durch Auslegung behoben werden können.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 1.319,63 Euro festgesetzt.
Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, aus dem an Frau G. A. gerichteten Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes „SB260075“ vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren VG 6 K 510/10 nicht in sein Vermögen zu vollstrecken,
hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag des Antragstellers ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu qualifizieren, da vorläufiger Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 769 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt werden kann, wenn in der Hauptsache zulässigerweise eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 767 ZPO erhoben wird (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2004 – 3 B 147/03 -, S. 2 des E.A.; Hessischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 1988 - 4 TH 3493/86 -, juris Rn. 18; Beschlusss der Kammer vom 25. Januar 2011 – VG 6 L 90/10 -, S. 2 des E.A.; VG Potsdam, Beschluss vom 26. März 2004 – 8 L 178/04 -, S. 3 des E.A.). Mit der (u.a.) vom Antragsteller erhobenen Klage mit dem Aktenzeichen VG 6 K 510/10 begehren die dortigen Kläger aber die Feststellung der Nichtigkeit des an die mittlerweile verstorbene Frau G. A. gerichteten Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheides des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006. Im Übrigen wäre im Hauptsachverfahren eine Vollstreckungsgegenklage auch gar nicht zulässig. Von der Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO kann in der Verwaltungsvollstreckung jedenfalls dann kein Gebrauch gemacht werden, wenn der Pflichtige – wie hier - seine Rechte durch Klagen nach den §§ 42 oder 43 VwGO wahren kann; ein Bedürfnis für die Anwendung der §§ 767, 769 ZPO besteht in diesen Fällen nicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 26. Mai 1967 - VII C 69.65 -, juris Rn. 21 und NJW 1967, S. 1976-1978 [1977 linke Spalte]; Oberverwaltungsgericht [OVG] Münster, Beschluss vom 27. Mai 1992, NVwZ 1993, S. 74 f; VGH Kassel, a.a.O.; OVG Koblenz, Beschluss vom 17. November 1981 - 1 B 60/81 -, NJW 1982, S. 2276 f.; für die Vollstreckung abgabenrechtlicher Forderungen: BFH, Urteil vom 23. Juli 1996 – VII R 88/94 -, juris Rn. 11-13).
Dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers steht auch nicht entgegen, dass dieser mit seinem Antrag insoweit der Sache nach möglicherweise vorbeugenden vorläufigen Rechtschutz begehrt, um lediglich künftige Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren. Die insoweit gebotene besondere Qualifizierung des Rechtsschutzbedürfnisses, das gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtet sein muss und für das kein Raum ist, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz – einschließlich der Verfahren nach §§ 80 Abs. 5 und 123 VwGO - verwiesen werden kann (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1993 – 5 S 1112/93 – NVwZ 1994, 801; BayVGH, Beschluss vom 28. April 1992 – 21 CE 92.949 – NVwZ-RR 1993, 54), liegt vor. Denn der Antragsgegner hat vorliegend zu erkennen gegeben, aus dem an die verstorbene Frau A. gerichteten Beitragsbescheid in das Vermögen des Antragstellers vollstrecken zu wollen. In der Antragserwiderung führt er sogar aus, lediglich bis zum 30. November 2011 von einer Vollstreckung absehen zu wollen. Bei dieser Sachlage ist es dem Antragsteller mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht zumutbar, das Einleiten konkreter Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. §§ 281 ff. AO i.V.m. § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg - VwVG BB) als ggf. der Anfechtung und Aussetzung nach § 80 Abs. 5 VwGO zugängliche Verwaltungsakte abzuwarten, sich sodann gegen diese zur Wehr zu setzen und so ggf. auch den – wenn auch nur vorübergehenden – Verlust von Vermögenswerten hinzunehmen.
Der hiernach zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. An die Glaubhaftmachung - erforderlich ist überwiegende Wahrscheinlichkeit - sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Sie kann auch durch eidesstattliche Versicherung oder durch substantiierte, plausible, schlichte Erklärungen des Antragstellers erfolgen.
Für das auf vorläufige Einstellung der Vollstreckung gerichtete Begehren ist die Glaubhaftmachung erforderlich, dass dem Antragsteller aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch ein Abwehrrecht dahingehend zusteht, dass der Antragsgegner einstweilen bis zu einer abschließenden Entscheidung in einem ggf. noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren aus den genannten Abgabenbescheid nicht vollstreckt. Dabei mag dahinstehen, welches die Rechtsgrundlage eines solchen Abwehrbegehrens ist: Die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion, eine analoge Anwendung des § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder die Verpflichtung des Staates aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), rechtswidriges Verwaltungshandeln zu unterlassen. Denn jedenfalls im Ergebnis ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass der Staat rechtswidrige hoheitliche Eingriffe in subjektive Rechte unterlassen muss (vgl. etwa BVerwG, Urt. vom 19. Januar 1989 - 7 C 77/87 - DVBl. 1989, 463, 464; Urt. vom 29. April 1988 - 7 C 33/87 - DVBl. 1988, 967, 968). Dieses Abwehrrecht ist gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Vollstreckung nach § 6 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVG Bbg) nicht vorliegen.
Es ist aber nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens unter Zugrundelegung des Vortrags des Antragstellers sowie des gesamten Inhaltes der Akten einschließlich der des beigezogenen Verfahrens VG 6 K 510/10 nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die angekündigte Vollstreckung rechtswidrig wäre.
Infolge des Beitritts des Wasser- und Abwasserverbandes zum Abwasser- und Wasserzweckverband zum 1. Oktober 2008 ist der Antragsgegner anstelle des Verbandsvorstehers des Wasser– und Abwasserverbandes Abgabengläubiger geworden da der Wasser- und Abwasserverband mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eingliederung als aufgelöst gilt (vgl. § 22 b Satz 2 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg – GKG -) und der Abwasser- und Wasserzweckverband gemäß § 22 b Satz 3 GKG Rechtsnachfolger des Wasser- und Abwasserverband geworden ist (vgl. Urteil der Kammer vom 19. Februar 2009 – 6 K 716/07 -, S. 4 des E.A.). Der Antragsgegner ist auch selbst Vollstreckungsbehörde gemäß § 2 Abs. 7 Satz 1 VwVG Bbg und somit befugt, ausstehende eigene Abgabenforderungen zu vollstrecken.
Auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG Bbg für die Vollstreckung liegen vor. Danach ist der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, Vollstreckungsvoraussetzung, wobei dieser auch dann erforderlich ist, wenn er gegen den Schuldner wirkt, ohne im bekanntgegeben worden zu sein. Ursprünglicher Leistungsbescheid, der vorliegend gegen den Antragsteller wirkt, ohne ihm bekanntgegeben worden zu sein, ist der an G. A. gerichtete, bestandskräftige Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006, der sowohl die Abgabenfestsetzung als auch ein mit dieser verbundenes Leistungsgebot, d.h. die behördliche Aufforderung zur Leistung, enthielt. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Frau G. A., die gemäß § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) deren Gesamtrechtsnachfolgerin sind, treten nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) KAG i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO materiell- und verfahrensrechtlich in deren abgabenrechtliche Stellung ein. Als Mitglied der Erbengemeinschaft nach Frau G. A. ist der Antragsteller gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) KAG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO auch Gesamtschuldner für deren Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Ratschow in Klein, AO Kommentar, 10. Auflage 2009, § 44 Rn. 5). Die Beitragsschuld ist Nachlassverbindlichkeit, da G. A. Abgabenschuldnerin des zu vollstreckenden Beitragsbescheides war.
Der an die Erblasserin Frau G. A. gerichtete Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 ist auch gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 124 AO wirksam und insbesondere nicht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 125 AO nichtig. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 AO sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (vgl. BFH, Urteil vom 19. August 1999 - IV R 34/98 -, juris Rn. 11 ff.). Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit eines Verwaltungsakts gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 118 Satz 1 AO betrifft dessen Regelungsinhalt (Ausspruch, Tenor, Verfügungs- oder Entscheidungssatz; vgl. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 119 Rn. 4 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist danach ein Einkommensteuerbescheid wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein wirksamer Einkommensteuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne dass er das Verhältnis zu diesem Bescheid klarstellt (vgl. BFH, Urteil vom 23. August 2000 – X R 27/98 -, juris Rn. 24 ff.). Eine Nichtigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit kommt aber nur in Betracht, wenn etwaige Zweifel am Regelungsinhalt des Bescheids nicht durch Auslegung behoben werden können. Der Regelungsinhalt ist unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen - nach seinem „objektiven Verständnishorizont“ - den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Juli 2010 – 7 K 14/07 -, juris Rn. 20 m.w.N.) Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Tenor des Bescheides abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung.
Nach diesen Grundsätzen kann nicht angenommen werden, dass der Beitragsbescheid des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dass dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (vgl. § 125 Abs. 1 AO).
Zwar sind der mittlerweile verstorbenen Frau G. A. möglicherweise der Beitragsbescheid vom 28. Juli 2006 und der „Abhilfebescheid“ des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 31. Juli 2006, mit dem dieser seinen ursprünglichen Beitragsbescheid vom 18. Dezember 2000 aufhob, nicht gleichzeitig bekanntgegeben worden, sondern nacheinander, was sich anhand der Verwaltungsvorgänge nicht sicher beurteilen lässt, so dass es möglicherweise für einen kurzen Zeitraum ein Nebeneinander des Beitragsbescheides aus dem Jahre 2006 und des ursprüngliche Bescheides gab, mit dem Frau G. A. bereits zu einem - allerdings deutlich niedrigeren - Schmutzwasseranschlussbeitrag für ihr Grundstück Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ... herangezogen worden war.
Diese Sachlage - rechtliches Fortbestehen des ursprünglichen Beitragsbescheides vom 18. Dezember 2000 zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des neuen Beitragsbescheides vom 28. Juli 2006 - führte jedoch nicht zur Nichtigkeit des neuen Bescheides wegen Unbestimmtheit, widersprüchlicher Beitragsfestsetzung bzw. verbotener Doppelveranlagung. Denn bei Auslegung der maßgeblichen Umstände konnte für Frau G. A. kein Zweifel bestehen, dass der Verbandsvorsteher den Schmutzwasseranschlussbeitrag mit dem neuen Bescheid vom 28. Juli 2006 abschließend geregelt hat und dass dieser Bescheid an die Stelle des ursprünglichen Bescheides aus dem Jahre 2000 getreten ist.
Insoweit muss im Rahmen der Auslegung nach dem objektiven Verständnishorizont berücksichtigt werden, dass Frau A. gegen den ursprünglichen Beitragsbescheid Widerspruch erhoben hatte und somit mit einer Aufhebung dieses rechtswidrigen Bescheides rechnen konnte bzw. musste. Dies unterscheidet den hiesigen Fall auch von dem vom BFH mit Urteil vom 23. August 2000 (a.a.O.) entschiedenen Fall, in dem gerade kein Rechtsbehelf gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid eingelegt worden war. Weiterhin ist maßgeblich, dass der Verbandsvorsteher in der Begründung des neuen Beitragsbescheides auf die geänderten satzungsrechtlichen Grundlagen, die eine Tiefenbegrenzung nicht mehr vorsahen, hinwies, so dass sich die anrechenbare Grundstücksfläche vorliegend fast verneunfachte. Es war für einen objektiven Empfänger erkennbar, dass der neue Bescheid auf der Grundlage neuer rückwirkender „Heilungssatzungen“ den alten Bescheid, der noch auf die ursprüngliche fehlerhafte Satzung gestützt und (daher) auch vom Heranziehungsbetrag her zu niedrig war, ersetzen sollte und somit den alten Bescheid konkludent aufhob (vgl. eine konkludente Rücknahme eines rechtswidrigen Erstbescheides durch Distanzierung hiervon im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1983 – 8 C 29/82 -, juris Rn. 23 sowie eine konkludente Rücknahme eines begünstigenden Bewilligungsbescheides durch Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Subvention betreffend: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1981 – 7 C 60/78 -, juris Rn. 15; eine konkludente Rücknahme durch Erlass eines im Widerspruch zu einer vorhergehenden Regelung stehenden Verwaltungsaktes betreffend: OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 20. August 2002 – 15 A 1031/01 -, juris Rn. 29 und 33; eine konkludente Teilrücknahme nach § 12 Abs. 1 Nr. 3. Buchst. b) KAG i.V.m. § 130 AO durch Gebührennacherhebung betreffend: Beschluss der Kammer vom 7. April 2009 – 6 L 365/08 -, juris Rn. 13; vgl. außerdem FG Baden- Württemberg, Urteil vom 15. Juli 2010, a.a.O.; Brockmeyer in Klein, AO Kommentar, a.a.O., § 119 Rn. 3). Dass der Verbandsvorsteher dennoch im Nachhinein einen förmlichen „Abhilfebescheid“ vom 31. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 erließ, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Dieser hatte lediglich noch klarstellende Funktion.
Soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG Bbg ein neues Leistungsgebot gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger eines Abgabenschuldners, der unanfechtbare Abgabenfestsetzungen gegen sich gelten lassen muss, auch dann erforderlich ist, wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Erblasser bereits begonnen hatte (vgl. Brockmeyer in Klein, AO Kommentar, a.a.O., § 254 Rn. 7) liegen diese Voraussetzungen vor. Das Leistungsgebot ist ein Verwaltungsakt, der den Vollstreckungsschuldner, Gegenstand und Grund der Leistung sowie Angaben darüber enthalten muss, wann, wo und wie die Leistung zu bewirken ist (vgl. Brockmeyer in Klein, AO Kommentar, a.a.O., Rn. 5). Eine besondere Form ist für das Leistungsgebot nicht vorgesehen; auch eine Vollstreckungsankündigung kann als Leistungsgebot ausgelegt werden, wenn sie den notwendigen Inhalt eines Leistungsgebotes enthält (vgl. Brockmeyer in Klein, AO Kommentar, a.a.O., Rn. 4 m.w.N.). Vorliegend ist das neue an den Antragsteller gerichtete Leistungsgebot im Schreiben des Antragsgegners vom 8. April 2010 enthalten, mit dem dieser (auch) den Antragsteller zur Zahlung eines offenen Betrages in Höhe von insgesamt 7.639,60 Euro bis zum 30. April 2010 auffordert, der sich aus einem Heranziehungsbetrag in Höhe von 5.278,50 Euro wegen der ausstehenden Beitragsforderung aus dem Beitragsbescheid „SB260075“ und weiteren Beträgen (damals bereits verwirkte Säumniszuschläge und Mahngebühren) zusammensetzt. Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller gegen dieses Leistungsgebot etwa mit Schreiben vom 15. April 2010 Widerspruch erhoben hat, da es gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedenfalls sofort vollziehbar ist (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Kommentar, 20. Ergänzungslieferung, Stand Mai 2010, § 80 Rn. 121 sowie dies voraussetzend: Brockmeyer in Klein, AO Kommentar, a.a.O.), was für die Vollstreckung ausreichend ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsteller diesbezüglich nicht gestellt.
Soweit die verstorbene Frau G. A. mit ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren gegen den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2007 betreffend die Frage der Festsetzungsverjährung Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Beitragsbescheides vorträgt, bleiben ihre Argumente aus Rechtsgründen in diesem Verfahren unberücksichtigt. Denn die Rechtmäßigkeit ist anders als die Rechtswirksamkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes nach den Regelungen des § 6 VwVG Bbg keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung. Der Landesgesetzgeber wollte im Bereich der Verwaltungsvollstreckung dem Gedanken der Rechtssicherheit Vorrang vor demjenigen der Einzelfallgerechtigkeit einräumen; vgl. § 7 Abs. 1 VwVG Bbg. In dieser Vorschrift ist geregelt, dass Einwendungen gegen Entstehung oder Höhe des Anspruches, dessen Erfüllung erzwungen werden soll, außerhalb des Zwangsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen sind. Derartige Einwendungen können erfolgreich (lediglich) im Erkenntnisverfahren (Widerspruchs- und Anfechtungsklageverfahren) gegen den jeweiligen Abgabenbescheid vorgebracht werden (vgl. VG Cottbus, Beschlüsse vom 8. August 2008 – 6 L 176/08 -, S. 3 des E.A. und vom 23. Dezember 2008 – 6 L 311/08 -, S. 3 des E.A.; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 16. Auflage [2009], § 167 Rn. 19a), wobei hier offenbleiben kann, ob die Argumente dort tatsächlich zum Erfolg geführt hätten. Jedenfalls hatte Frau G. A. davon abgesehen, ein Klageverfahren durchzuführen und den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid des Verbandsvorstehers des Wasser- und Abwasserverbandes vom 28. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 bestandskräftig werden lassen.
Verstöße gegen die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 3 VwVG Bbg (etwa Nichteinhaltung der Schonfristen oder fehlende Mahnung) sind weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen worden. Insbesondere ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Mahnung vom 14. Februar 2011 am 17. Februar 2011 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden Auch ist die Forderung, die nicht der Zahlungsverjährung unterlag, bis jetzt nicht erfüllt worden.
Da der Antrag auf das einstweilige Unterbinden der Vollstreckung aus dem Beitragsbescheid beschränkt ist und die einstweilige Untersagung der Vollstreckung der Säumniszuschläge und Mahngebühren nicht Gegenstand ist, unterbleiben diesbezügliche Ausführungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004 1327, Ziffer 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.