Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 13.04.2018 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 624/17.A | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2018:0413.8K624.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 AsylVfG 1992, § 25 AsylVfG 1992, § 25 AsylVfG 1992, § 3 AsylVfG 1992, § 3a AsylVfG 1992, § 3b AsylVfG 1992, § 3c AsylVfG 1992, § 3e AsylVfG 1992, § 34 AsylVfG 1992, § 38 AsylVfG 1992, § 4 AsylVfG 1992, § 11 AufenthG, § 59 AufenthG, § 60 AufenthG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der am 26. Juni in der Region Sour geborene Kläger ist libanesischer Staatsangehöriger, arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens. Er ist mit der Klägerin des Verfahrens VG 8 K 694/17.A verheiratet.
Der Kläger reiste am 30. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Mai 2016 gab er an, dass er bei einem früheren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eine Beziehung zu einem Mann unterhalten habe. In den Libanon sei er nur wegen der Krankheit seines Vaters zurückgekehrt. Dort habe er seine Homosexualität im Geheimen gelebt, der Staat habe sich darum nicht gekümmert. Um von seiner Homosexualität abzulenken, sei er gezwungen gewesen zu heiraten. Seine gesamte Familie lebe im Libanon, er habe dort schwere Transport- und Baumaschinen geführt. In einer ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Bundesamt erklärte er, dass er mit 16 Jahren nach Deutschland gekommen sei und hier seine Homosexualität festgestellt habe. Seine Mutter habe gewollt, dass er heirate. Erst nach der Hochzeit habe seine Ehefrau durch Fotos auf dem Handy herausgefunden, dass er homosexuell sei. Er habe sich nicht ändern können, so dass seine Probleme mit Verwandten und Bekannten angefangen hätten. Er habe daraufhin beschlossen, wie jeder andere zu leben und auch Kinder zu bekommen. Seine Frau sei drei Mal schwanger gewesen und habe jedes Mal das Kind verloren, weil sie wegen seiner Homosexualität belästigt worden sei. Er sei mit seiner Ehefrau nach Deutschland gekommen, weil hier Homosexuelle berücksichtigt würden; zudem spreche er die deutsche Sprache. Er könne im Libanon nicht leben, er werde unterdrückt. Er möchte in Deutschland eine Familie gründen und Kinder zur Welt bringen.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlägen. Das Bundesamt forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte es aus, dass eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung wegen der vorgetragenen Homosexualität nicht ersichtlich sei; der Kläger habe mit staatlichen Stellen keinerlei Problem gehabt; gegen eine Verfolgung spreche auch, dass der Kläger aus Deutschland in den Libanon zurückgekehrt sei, obwohl er von seiner Homosexualität bereits gewusst habe. Die Voraussetzungen für subsidiären Schutz bzw. ein Abschiebungsverbot seien ebenso wenig gegeben.
Am 31. Januar 2017 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 sowie der Ziffern 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, ihn als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch des Verfahrens der Ehefrau (VG 8 K 694/17.A), sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, nachdem in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin, welcher der Rechtsstreit durch Beschluss vom 5. April 2017 gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen worden ist.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter (2.) oder auf die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote (3.). Auch im Übrigen begegnet der Bescheid keinen rechtlichen Bedenken (4.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juni 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2).
Eine bestimmte soziale Gruppe liegt nach der Vorschrift des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere dann vor, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (lit. a), und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (lit. b).
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG sowohl vom Staat oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, ausgehen als auch von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Für die Frage der Verfolgungswahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dies setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (siehe BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris, Rn. 32 m.w.N.). Im Falle einer Vorverfolgung greift insoweit die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
Mit Blick auf die in § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelten Mitwirkungspflichten ist es dabei zunächst Sache des Asylsuchenden, seine guten Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss also unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass es ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder nach dort zurückzukehren (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983 - 9 C 473.82 -, juris, Rn. 8).
Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger den Libanon aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat bzw. ihm bei seiner Rückkehr eine solche Verfolgung droht. Der Kläger vermochte eine Vorverfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung nicht darzulegen.
Das Gericht ist nach der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Angaben im Asylverfahren nicht davon überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger mit seiner ebenfalls aus dem Libanon ausgereisten Ehefrau in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt, die von dem Wunsch geprägt ist, gemeinsame Kinder zu haben. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er sich eine gemeinsame Zukunft mit seiner Ehefrau vorstelle. Die Ehefrau des Klägers hat im Rahmen ihrer mündlichen Verhandlung im Verfahren VG 8 K 694/17.A auf Nachfrage des Gerichts zudem bestätigt, dass es intime Kontakte zwischen den Eheleuten gebe und sie versuchten, ein gemeinsames Kind zu bekommen. Weil dies allerdings schwierig sei, seien sie in einer Kinderwunschpraxis in Behandlung.
Angesichts dieser Umstände kann dem Vortrag des Klägers, seine Ehe sei im Libanon lediglich zur Ablenkung von seiner Homosexualität geschlossen worden, kein Glauben geschenkt werden. Denn träfe dies zu, wäre es für jemanden, der – wie er – wegen seiner sexuellen Orientierung ausgereist sein will, nahezu widersinnig, an einer nur zum Schein geschlossenen Ehe auch nach der Flucht in der hier geschilderten Weise festzuhalten. Die Einlassung des Klägers, er bleibe mit seiner Ehefrau zusammen, weil sie ein guter Mensch sei und ihn geschützt habe, vermag diesen Widerspruch nicht aufzulösen.
Auch im Übrigen blieben die Schilderungen des Klägers zu seiner angeblichen Homosexualität vage und schematisch. Das Bemerken und Ausleben der eigenen sexuellen Veranlagung, die nach Aussage des Klägers im Widerspruch zu den Vorstellungen seiner Religion, seiner Familie und des libanesischen Staates stehe, wobei er sich auch schon vor seiner Ehe Beziehungen zu Frauen habe vorstellen können, müssen den Kläger belastet und bewegt haben. Derartige Gefühlsregungen eines „Hin- und Hergerissenseins“ zwischen den Geschlechtern und seinen Bedürfnissen hat der Kläger nicht ansatzweise beschrieben. Der Kläger hat sich vielmehr weitgehend darauf beschränkt, die Nachfragen des Gerichts zu seiner angeblichen homosexuellen Veranlagung knapp und oberflächlich zu beantworten. So sind etwa seine Angaben zu den Orten, an denen er seine Partner kennengelernt bzw. getroffen haben will – er nannte den Park, Fahrten an das Meer sowie verlassene Gegenden – nicht mehr als inhaltsleere Allgemeinplätze. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass andere Einlassungen des Klägers, etwa die Schilderung seiner Tätigkeit in einem Eisenwarenhandel im Libanon nach seiner Rückkehr aus Deutschland, umfassend und detailgenau waren, kommen erhebliche Zweifel daran auf, ob die geschilderten Gegebenheiten in Bezug auf seine sexuelle Orientierung auf tatsächlich Erlebtem beruhen.
Selbst wenn es zuträfe, dass der Kläger homosexuelle Neigungen hätte, droht ihm deshalb bei seiner Rückkehr in den Libanon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung.
Zwar existiert im Libanon mit Artikel 534 des Strafgesetzbuches, wonach jeder Geschlechtsverkehr gegen die natürliche Ordnung mit bis zu einem Jahr Haft bedroht ist, eine strafrechtliche Bestimmung, die an eine bestimmte sexuelle Orientierung anknüpft. Allerdings stellt der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, noch keine Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 AsylG dar. Dagegen kann eine Freiheitsstrafe, mit der eine Rechtsvorschrift bewehrt ist, eine Verfolgungshandlung darstellen, sofern sie im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-199/12 bis 201/12 -, juris, Rn. 55 f.). Ausgehend davon ist eine Verfolgungshandlung vorliegend nicht gegeben.
Den Erkenntnismitteln ist nicht zu entnehmen, dass im Libanon (allein) wegen homosexueller Handlungen Freiheitsstrafen verhängt werden. Zwar soll es gelegentlich – insbesondere in Verbindung mit anderen Delikten (z.B. Prostitution) – zur Verurteilung und Haft von Homosexuellen kommen (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon, Stand: Dezember 2017 [Lagebericht], Seite 15). Es ist allerdings nicht bekannt, dass es in den letzten Jahren zu Inhaftierungen aufgrund der Verletzung des Art. 534 des Strafgesetzbuches kam (siehe United States Department of State, Lebanon 2016 Human Rights Report, Stand: 3. März 2017, S. 37; Lebanon 2015 Human Rights Report, Stand: 13. April 2016, S. 34; Lebanon 2015 Human Rights Report, Stand: 25. Juni 2015, S. 35; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Leipzig zur Situation der Homosexuellen im Libanon vom 22. August 2013, Antwort 2), wonach es in den vergangenen zwei Jahren zu keinen strafrechtlichen Verurteilungen wegen Homosexualität gekommen sei). Es werden diesbezüglich auch keine polizeilichen Ermittlungen von Amts wegen eingeleitet (siehe Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.; United States Department of State, Lebanon 2016 Human Rights Report, a.a.O., S. 37). Hinzu kommt, dass es gerichtliche Entscheidungen aus 2009, 2014 und 2017 gibt, wonach homosexuelle Handlungen schon nicht dem Anwendungsbereich des Art. 534 unterfallen (siehe Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.). Der Verweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf den Wikipedia-Eintrag zu Homosexualität im Libanon, wonach Artikel 534 des Strafgesetzbuches der Polizei immer noch zur Einschüchterung und zur Registrierung der Betroffenen diene, ist insoweit nicht ergiebig. Zwar geht auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes davon aus, dass es bei Personen, die der Homosexualität verdächtig sind, gelegentlich zu Schikanen durch Sicherheitskräfte komme (siehe Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.). Es bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Maßnahmen den Grad einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AsylG erreichen.
Jedenfalls für Fälle, in denen – wie hier – eine homosexuelle Veranlagung nach außen nicht erkennbar in Erscheinung tritt, kann von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung wegen Homosexualität im Libanon nicht ausgegangen werden. Macht ein Schutzsuchender geltend, er werde wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt, bedarf es in jedem Einzelfall einer Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose. Je mehr ein Schutzsuchender dabei mit seiner sexuellen Ausrichtung in die Öffentlichkeit tritt und je wichtiger dieses Verhalten für seine Identität ist, desto mehr erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass der Betreffende verfolgt werden wird. Bei der Würdigung sind das bisherige Leben des Schutzsuchenden in seinem Heimatland, sein Leben hier in Deutschland sowie sein zu erwartendes Leben bei einer Rückkehr in den Blick zu nehmen (siehe VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 7. März 2013 - A 9 S 1872/12 -, juris, Rn. 55 sowie - A 9 S 1873/12 -, juris, Rn. 56). In Anwendung dessen ist eine strafrechtliche Verfolgung im Libanon für den Kläger, auf dessen Homosexualität weder sein äußeres Erscheinungsbild noch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung schließen ließen, nicht zu erwarten. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau, mit der er auch in Zukunft zusammen leben möchte, in einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Intime Kontakte zu Männern pflegt er jedenfalls derzeit nicht. Mit dieser, nach außen ohne jeden Zweifel heterosexuell erscheinenden Lebensweise, die der Kläger – jedenfalls seitdem er in Deutschland ist – ohne jeden Zwang praktiziert, genügt er auch den Moralvorstellungen im Libanon. Damit ist schon nicht davon auszugehen, dass der Kläger, der vor seiner Ausreise keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt war, im Libanon überhaupt in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen wegen seiner sexuellen Orientierung gerät.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind im Übrigen auch deshalb nicht erfüllt, weil dem Kläger eine inländische Fluchtalternative nach § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung steht. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt. In Teilen Beiruts herrscht eine im Vergleich zur sonstigen arabischen Welt relativ weitgehende Toleranz gegenüber Homosexuellen (siehe Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.; Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade, DFATCountryInformation Report Lebanon vom 23. Oktober 2017 [DFAT Country Report], S. 20 Rn. 3.75). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die Lebensweise des Betroffenen unauffällig ist (vgl. Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT Country Report, S. 21 Rn. 378). Vor diesem Hintergrund ist der Kläger jedenfalls in Beirut vor Verfolgung sicher. Es kann auch vernünftigerweise von ihm erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Er hat im Libanon an schweren Baumaschinen gearbeitet und einen Verdienst von jedenfalls ca. 600 bis 700 Dollar im Monat gehabt, so dass davon auszugehen ist, dass er auch in Beirut in der Lage sein wird, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Mit einem Wohnortwechsel könnte er überdies den geschilderten Problemen mit seinem bisherigen Umfeld entgehen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des Bundesamtes und nimmt auf die Feststellungen und die Gründe des angegriffenen Bescheides Bezug.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Klägers im Sinne der beiden erstgenannten Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Zudem wäre der Kläger auch insofern auf die oben dargestellte inländische Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen ebenso wenig vor. Denn unabhängig von der Frage, ob im Libanon derzeit ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht, wovon angesichts der derzeitigen Erkenntnislage nicht auszugehen ist (siehe VG Berlin, Urteil vom 9. Februar 2018 - 34 K 466.16 A -, juris, Rn. 57; Beschluss vom 25. September 2017 - 34 L 1380.17 A -, juris, Rn. 11), ist schon nicht ersichtlich, woraus sich eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers ergeben soll.
3. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden soll, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für das Vorliegen einer derartigen Gefährdungssituation des Klägers im Libanon bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Auf die zutreffenden Feststellungen und Gründe des Bundesamtsbescheides wird auch insoweit Bezug genommen.
4. Auch im Übrigen begegnet der Bescheid keinen rechtlichen Bedenken. Die auf der Grundlage des § 38 Abs. 1 AsylG verfügte Ausreiseaufforderung sowie die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG entsprechen den gesetzlichen Vorgaben. Auch das in Ziffer 5 des Bescheides verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot und seine Befristung lassen Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO nicht erkennen. Es ist zudem rechtsfehlerfrei, wenn das Bundesamt sich in Fällen, in denen – wie hier – keine nach § 11 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden individuellen Gründe vorgebracht werden oder ersichtlich sind, generell aus Gründen der Gleichbehandlung für eine Frist von 30 Monaten entscheidet und damit das in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festgelegte Höchstmaß zur Hälfte ausschöpft (vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. November 2016 - 11 ZB 16.30463 -, juris, Rn. 4; Beschluss vom 6. April 2017 - 11 ZB 17.30317 -, juris, Rn. 16).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.