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Strafbarkeit des Anbaus von Cannabis zur Eigennutzung bei Schmerzpatienten


Metadaten

Gericht LG Potsdam 7. Kleine Strafkammer Entscheidungsdatum 06.01.2016
Aktenzeichen 27 Ns 46/15 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG

Tenor

1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 3. Februar 2015 im Strafausspruch abgeändert.

2. Der Angeklagte wird wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,00 Euro verurteilt.

3. Er darf die Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 30,00 Euro, beginnend mit dem 15. des Monats nach Rechtskraft des Urteils, erbringen.

4. Die weitergehende Berufung wird verworfen.

5. Die Berufungsgebühr, die der Angeklagte trägt, wird auf die Hälfte ermäßigt.

6. Der Angeklagte trägt seine notwendigen Auslagen und die gerichtlichen Auslagen zur Hälfte.

7. Die andere Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der gerichtlichen Auslagen wird der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 3. Februar 2015 schuldig gesprochen, er habe Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besessen, ohne sie aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erlangt zu haben. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt. Die sichergestellten 22 Cannabispflanzen, eine Tüte mit Cannabiskraut, Wasserpfeifen und Behältnisse mit Cannabiskraut wurden eingezogen und dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Der Angeklagte hat mit Schriftsatz, der am 10. Februar 2015 eingegangen ist, Rechtsmittel eingelegt.

Das statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel, das als Berufung anzusehen ist, erzielte den im Tenor aufgeführten Teilerfolg.

II.

Zur Person des Angeklagten hat die Kammer Folgendes festgestellt:

Der 36-jährige Angeklagte lebt in R., wo er geboren ist. Wegen der Alkoholabhängigkeit seiner Eltern verließ er bereits mit 12 Jahren das Elternhaus und lebte mehrere Jahre lang bei verschiedenen Bekannten, auf der Straße, in einem Heim und für einige Zeit in einem betreuten Wohnen. Zeitweise hatte er einen Freund, bei dem er in Berlin wohnte. Vor einigen Jahren kehrte der Angeklagte nach R. zurück. Die Schule hatte er bis zum Abschluss der neunten Klasse besucht und eine Ausbildung zum Maler und Lackierer begonnen, sie jedoch nicht beendet. Für kurze Zeit hat er dann in einer Tischlerei in R. gearbeitet. Bereits als junger Erwachsener war der Angeklagte nicht mehr erwerbstätig. Seit sechs Jahren erhält er eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 106,00 Euro und lebt im Übrigen von der Grundsicherung in Höhe von 286,00 Euro. Seine Miete zahlt das Jobcenter. Der Angeklagte lebt allein. Seine Eltern und sein Bruder sind bereits verstorben. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen.

Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Angeklagte mit dem Konsum größerer Mengen alkoholischer Getränke. Es entwickelte sich eine Alkoholabhängigkeit, die weiterhin besteht. Hinzu kam der Genuss von Cannabis, das der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr rauchte.

Der Angeklagte ist in seiner Gesundheit eingeschränkt. Seit etwas mehr als zehn Jahren leidet er an Diabetes mellitus, der jetzt insulinpflichtig ist. Bereits in der Jugendzeit waren eine Magenschleimhautentzündung und eine Entzündung der Pankreas entstanden. Aufgrund der langjährigen Alkoholabhängigkeit des Angeklagten ist die Pankreatitis seit einigen Jahren in ein chronisches Stadium übergetreten. Diese Erkrankung führt zu häufigen Schmerzen, die seit Jahren mit verschiedenen Schmerzmitteln, Opioiden und auch zeitweise Morphinen bekämpft und gedämpft werden. Es liegt eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln vor.

Derzeit leidet der Angeklagte unter Schmerzen und Schwäche. Er ist leicht untergewichtig. Die Stadt R. stellt ihm seit einem halben Jahr einen Helfer zur Seite, der mit ihm Einkäufe erledigt.

Der Angeklagte gibt einen täglichen Konsum von sechs Flaschen Bier á 0,5 Liter an. Zu einem eventuellen Genuss von Cannabis schweigt er.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

III.

Zur Sache hat die Kammer die folgenden Feststellungen getroffen:

Im Oktober 2011 baute der Angeklagte in der von ihm gepachteten Gartenlaube in der Gartensparte „W.“ im ...weg in R. Cannabis an. Die Cannabispflanzen wuchsen in seinem Bungalow, wo sie der Angeklagte pflegte. Er hatte vor, das Cannabis selbst zu konsumieren, und wollte mit dem Eigenbau die Kosten für seinen Cannabiskonsum so gering wie möglich halten. Der Anbau blieb in der Gartensparte jedoch nicht unbemerkt.

Am 9. November 2011 teilte ein anonymer Anrufer dem Polizeirevier Brandenburg/Havel mit, dass in einer Gartenlaube in der Gartensparte „W.“ im ...weg in R. im fünften Garten Cannabis angebaut werde. Gartenbesitzer solle ein gewisser Kr. sein. Diese Nachricht wurde dem Polizeibeamten Sch. mitgeteilt, der den Polizeibeamten M. in Kenntnis setzte. Der Zeuge M. fuhr mit einem Kollegen zu der am Stadtrand liegenden Gartensparte, um einen Überblick zu gewinnen. Als er von außen nichts Konkretes erkennen konnte, nahm er Kontakt mit dem Vorsitzenden der Gartensparte auf und bat ihn, mit Polizeibeamten („operativen Kräften“) die Gartensparte zu besichtigen, um festzustellen, ob es Hinweise auf einen Anbau von Cannabis gebe. Die Polizeibeamten wurden vom Vorsitzenden der Gartensparte zur Parzelle geführt, die der Angeklagte gepachtet hatte. Die Polizeibeamten nahmen dabei Geräusche eines laufenden elektrischen Gerätes aus dem Inneren des Bungalows wahr. Auf der frei begehbaren Terrasse fanden sie eine Feinwaage sowie ein hölzernes Schneidebrett mit Messern und Resten einer pflanzlichen Substanz sowie handschriftliche Aufzeichnungen und fotografierten die Gegenstände. Sie teilten das Ergebnis ihrer Besichtigung dem Zeugen Sch. mit, der bei der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung des Gartengrundstücks des Angeklagten sowie dessen Wohnung anregte. Unter dem 23. Dezember 2011 erließ das Amtsgericht Potsdam einen Durchsuchungsbeschluss betreffend die Gartensparte „W.“, ...weg in R., fünftes Grundstück von hinten und betreffend die Wohnung des Angeklagten in der … in R., da der Angeklagte des Vergehens nach § 29 BtMG verdächtig sei. Aufgrund eines anonymen Anrufes sowie der nachfolgenden Ermittlungen der Polizei bestehe der Verdacht, dass der Angeklagte in der Gartensparte Cannabispflanzen anbaue. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung der Beweismittel führen werde.

Bei der am 9. Januar 2012 durchgeführten Durchsuchung der Gartenlaube fanden die Polizeibeamten Sch. und M. 22 Cannabispflanzen, die der Angeklagte vorsätzlich zum Eigenkonsum angebaut hatte, und in der Wohnung eine weiße Plastikdose mit etwa 200 Gramm Cannabiskraut, zwei benutzte Wasserpfeifen und eine Plastiktüte mit Cannabiskraut. Die aufgefundenen Gegenstände wurden sichergestellt und an das Kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamtes des Landes Brandenburg übergeben. Der Sachverständige für Gerichtschemie Dr. L. untersuchte die sichergestellte getrocknete grüne pflanzliche Substanz mit Blütenständen mit einem Gewicht von 235,60 Gramm und 695,80 Gramm eines getrockneten grünen pflanzlichen Materials, das überwiegend aus Blättern bestand. Die Gegenstände wurden nach Standardverfahren aufgearbeitet. Die Bestimmung der Art der Wirkstoffe erfolgte durch nasschemische Untersuchung und mittels Dünnschichtchromatografie. Zur Substanzidentifizierung wurde nach gaschromatografischer Trennung von Substanzextrakt die massenspektrometrische Detektion eingesetzt. Der Sachverständige ermittelte eine Wirkstoffmenge von insgesamt 51,41 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Der Grenzwert für die nicht geringe Menge gemäß § 29 a BtMG beträgt 7,5 Gramm.

Der Angeklagte verfügte nicht über eine Erlaubnis zum Besitz von Betäubungsmitteln.

IV.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seiner Einlassung und den Angaben, die der Angeklagte gegenüber den Sachverständigen P. und Dr. Sch. gemacht hat und von denen die Sachverständigen berichtet haben.

Zur Sache lässt sich der Angeklagte nicht ein.

Die Feststellungen zur Sache beruhen im Wesentlichen auf den Schilderungen der Zeugen Sch. und M.. Die beiden Polizeibeamten haben die anonyme Anzeige, die Besichtigung des Gartengrundstücks des Angeklagten von außen, die Anfertigung der Fotos und die Durchsuchung im Bungalow und der Wohnung des Angeklagten so geschildert, wie es die Kammer festgestellt hat. Der Zeuge Sch. hat überdies berichtet, er habe den Angeklagten bei der Durchsuchung seiner Wohnung als Beschuldigten darüber belehrt, dass es ihm freistehe, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache aussagen, jederzeit einen Verteidiger zu beauftragen, Beweisanträge zu stellen und dass er die Chance habe, gegen ihn vorliegende Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen. Der Angeklagte habe die Belehrung verstanden und sich zur Aussage entschlossen. Er habe mitgeteilt, dass das gesamte sichergestellte Cannabis zu seinem Eigenkonsum diene. Er konsumiere seit seinem 14. Lebensjahr in unregelmäßigen Abständen Cannabis und seit etwa fünf Jahren kontinuierlich. Im Oktober 2011 habe er eine kleine Aufzuchtanlage in seiner Gartenlaube aufgebaut, um die Kosten für seinen Cannabiskonsum niedrig zu halten. Das in seiner Wohnung sichergestellte Cannabis sei bereits von den Pflanzen aus seiner Aufzuchtanlage geerntet gewesen.

Der Zeuge Sch. hat zudem bekundet, er habe die aufgefundenen cannabisverdächtigen Substanzen sichergestellt und an das Landeskriminalamt zur Bestimmung weitergeleitet.

Das Ergebnis der Untersuchung der verdächtigen Substanzen ergibt sich aus dem verlesenen Gutachten des Sachverständigen Dr. L..

V.

Rechtliche Würdigung:

1.

Damit hat sich der Angeklagte, wie bereits vom Amtsgericht festgestellt, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht. Er hat vorsätzlich gehandelt und das Cannabis angebaut, um die Kosten für den Konsum zu senken.

2.

Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe stehen ihm nicht zur Seite.

a)

Die Rechtswidrigkeit des Besitzes von Cannabis entfällt nicht aufgrund rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 34 StGB.

Der Angeklagte hat nicht in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit gehandelt, als er das sichergestellte Cannabis angebaut hat.

Im Zeitraum des Cannabisanbaus von Oktober 2011 bis zur Durchsuchung am 9. Januar 2012 war er nicht in einem gesundheitlich derart bedenklichen Zustand, dass er sich nicht anders als mit dem Anbau und Konsum von Cannabis zu helfen wusste. Wie die sachverständige Zeugin Dr. Sch. berichtet hat, war der Angeklagte in den Jahren 2010 und 2011 vor Anlage der Cannabiszucht viermal in stationärer Behandlung wegen eines generalisierten Krampfanfalls bei Alkoholkrankheit, Schmerzmittelabusus bei chronischer Pankreatitis mit pankreoprivem Diabetes mellitus (Februar 2010), chronischer Pankreatitis, akuter Pankreatitis, andauernder Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerz (März 2010), akut rezidivierender Pankreatitis, Schmerzen im Bereich des Oberbauchs, chronischen Schmerzsyndroms und Leberversagens (Januar 2011). Es erfolgte ein Choledochusstenting, also das Einsetzen eines medizinischen Implantats in den Hauptgallengang, um ihn offen zu halten. Im April 2011 wurde der Stent bei Choledochusstenose gewechselt. Es wurde weiterhin ein chronisches Schmerzsyndrom, chronischer Alkoholabusus, ein Zustand nach Leberversagen, Gastritis, Diabetes mellitus festgestellt. Im Juni 2011 wurde der Angeklagte erneut zum Stentwechsel mit den gleichen Diagnosen wie beim Voraufenthalt stationär aufgenommen. Dem Angeklagten wurden drei Stents eingesetzt. Der lebensbedrohliche Zustand, der infolge der Pankreatitis möglicherweise bestanden hatte, war spätestens mit Einsetzung der drei Stents nicht mehr vorhanden. Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte ein erneuter Stentwechsel. Nach Bericht der Sachverständigen Dr. Sch., die die Krankenunterlagen eingesehen hat, und des Sachverständigen P., der dies ebenfalls getan hat, wurde der Angeklagte im Tatzeitraum wegen seines chronischen Schmerzsyndroms mit Schmerzmitteln behandelt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus die Einnahme von Cannabis unabdingbar war, um Leben und Gesundheit des Angeklagten zu erhalten. Die Kammer stützt sich bei dieser Wertung auf das Gutachten der beiden Sachverständigen.

Entgegenstehende Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G., Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapeut mit einer Berufserfahrung von 30 Jahren. Zwar berichtet der Sachverständige, dass Cannabis mitunter einen stark schmerzlindernden Effekt erzielen könne, wenn cannabishaltige Medikamente mit Opioiden kombiniert würden. Mitunter sei eine solche Kombination wirksamer als der alleinige Konsum von Schmerzmitteln. Das habe auch beim Angeklagten möglicherweise der Fall sein können. Zudem ließen sich die durch die beiden Substanzgruppen verursachten Nebenwirkungen therapeutisch reduzieren. – Die Kammer übersieht nicht, dass der Sachverständige Dr. G. weder den Angeklagten untersucht noch Einblick in seine Krankenunterlagen genommen hat. Seine Überlegungen sind theoretischer Natur und nicht am konkreten Fall orientiert. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nicht einmal den Versuch unternommen hat, sich auf möglicherweise legalem Wege Cannabis zu verschaffen, was ihm nach Angaben des Sachverständigen Dr. G. durchaus möglich gewesen wäre. Der Angeklagte hat auch nicht wenigstens versucht, eine Erlaubnis zum Besitz von Cannabis zu erwirken.

b)

Auch ein entschuldigender Notstand im Sinne des § 35 StGB lag nicht vor. Der Angeklagte befand sich nicht in einer gegenwärtigen, nicht anders als durch den Anbau und Besitz von Cannabis abwendbaren Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit. Er war stationär wegen seiner chronischen Pankreatitis behandelt worden und durch den Einsatz von Stents den lebensbedrohlichen Folgen der chronischen Pankreatitis entronnen. Durch die Einnahme von Opioiden und zu Zeiten auch Morphinen waren seine chronischen Schmerzen behandelt worden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ausschließlich durch den Besitz und Konsum von Cannabis Gefahren für die Gesundheit des Angeklagten abgewendet werden konnten.

c)

Der Angeklagte war bei Begehung der Tat nicht erheblich im Sinne der §§ 20, 21 StGB in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt. Die beiden psychiatrischen Sachverständigen P. und Dr. Sch., die beide dem Gericht als sorgfältig arbeitende, erfahrene Gutachter bekannt sind, haben den Angeklagten exploriert und seine Krankenakte eingesehen. Die Sachverständigen sind sich darin einig, dass der Angeklagte in Folge seiner langjährigen Abhängigkeitserkrankung von Alkohol und Schmerzmitteln sowie dem langjährigen regelmäßigen Konsum von Cannabis in seiner Persönlichkeit verändert ist. Beide gehen aber auch davon aus, dass die Aufzucht von Cannabispflanzen Umsicht, Planung und Zeiteinteilung erfordere, die das Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit nicht vorstellbar erscheinen lasse. Beide Sachverständige schließen eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des Gesetzes aus. Die Kammer schließt sich dieser nachvollziehbaren Einschätzung an.

VI.

Strafzumessung

Bei der Strafzumessung hat die Kammer, so wie auch das Amtsgericht, den Strafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, da ein minder schwerer Fall gegeben ist. Die Kammer sieht eine erhebliche Anzahl von Strafmilderungsgründen als gegeben an, die in ihrer Kumulation zum Vorliegen eines minder schweren Falles führen. Der Angeklagte hat zwar eine Menge von Cannabis besessen, die in ihrem Wirkstoffgehalt erheblich über die geringe Menge hinausgeht. Er war aber zum Zeitpunkt der Tat chronisch krank und hat sich mit dem Konsum des Cannabis Erleichterung verschafft. Außerdem befand er sich in einem durch Krankheit geschwächten Zustand. Zudem war seine persönliche und finanzielle Situation als prekär anzusehen. Seine Abhängigkeit von verschiedenen Substanzen hat zusätzlich seine Widerstandskraft herabgemindert.

Bei der konkreten Strafzumessung kam mildernd hinzu, dass die Tat bereits vor mehr als vier Jahren begangen worden ist und dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Unter weiterer Berücksichtigung der oben dargestellten Milderungsgründe konnte die Kammer auf die vom Gesetz vorgesehene Mindeststrafe erkennen. Da beim nicht vorbestraften Angeklagten, dessen strafwürdiges Verhalten mehr als vier Jahre zurückliegt, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nicht unerlässlich erschien, hat die Kammer entsprechend § 47 Abs. 2 StGB eine

Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5.-

als tat- und schuldangemessen angesehen.

Wegen des geringen Einkommens des Angeklagten sind von Amts wegen Zahlungserleichterungen im Sinne von § 42 StGB angeordnet worden.

Bei der Einziehung der sichergestellten Gegenstände, die vom Amtsgericht gem. § 33 Abs. 2 BtmG angeordnet worden ist, hatte es zu verbleiben.

VII.

Hilfsbeweisantrag

Der Angeklagte hat die Ladung und Vernehmung des Jan-Peter J. beantragt. Der Zeuge, ärztlicher Leiter des Schmerzzentrums Berlin, habe sich seit vielen Jahren mit der schmerzlindernden Wirkung von Cannabis auseinandergesetzt. Er habe den Angeklagten von 2002 bis 2004 mit Dronabinol (Cannabis-Tropfen) behandelt. Die Behandlung sei sehr erfolgreich gewesen, Aber die Kostenübernahme habe seit 2004 nicht mehr stattgefunden, so dass sich der Zustand des Angeklagten verschlechtert habe. Eines Tages habe der Angeklagte dem Zeugen J. mitgeteilt, er medikamentiere sich nunmehr selbst mit Cannabis, worauf der Zeuge ihm gesagt habe, er könne ihm „als Arzt natürlich aus rechtlichen Gründen nicht dazu raten,…sich mit einer illegalen Substanz zu medikamentieren“. Er habe ihm aber auch nicht abgeraten, weil der medizinische Erfolg deutlich sichtbar gewesen sei.

Der Antrag war abzulehnen, da die Beweisbehauptung für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, § 244 Abs. 2 S. 3 StPO. Die Frage, ob in den Jahren 2002 bis 2004 eine erfolgreiche Behandlung mit Dronabinol stattgefunden hat, berührt weder den Tat- noch den Schuldvorwurf oder die Strafzumessung. Im übrigen ergibt sich aus dem Antrag nachdrücklich, dass dem Angeklagten bewusst war, dass der Cannabisanbau illegal war. Die Kammer hat außerdem die aus der Krankheit des Angeklagten herrührenden Milderungsgründe in der Strafzumessung angemessen berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.