Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 20.03.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 9.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 Abs 2 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 4 AufenthG, § 55 Abs 1 AufenthG, § 7 Abs 1 AufenthV, § 8 Abs 2 S 1 AufenthV, § 5 Abs 3 AufenthV, Art 6 GG, Art 8 MRK |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger erstrebt im Hinblick auf seine beim Verwaltungsgericht Berlin anhängige Visumklage (VG 12 V 59.07) die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine Ausnahme von der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 2 AufenthG zu erteilen und ihm einen Reiseausweis für Ausländer gemäß § 5 AufenthV auszustellen.
Der am 22. Dezember 1948 geborene Kläger ist ruandischer Staatsangehöriger. Er ist mit dem am 6. April 1994 durch Abschuss seines Hubschraubers getöteten ruandischen Präsidenten Habyarimana verwandt. Bis September 1992 war er Präfekt der im Norden Ruandas gelegenen Präfektur R... und anschließend bis April 1994 Kabinettschef des ruandischen Ministers für Transport und Kommunikation.
Am 7. Mai 1997 beantragte der Kläger in Belgien die Gewährung von Asyl. Der Antrag wurde im Juli 1998 abgelehnt, da gewichtige Gründe für die Annahme bestünden, der Kläger hätte Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Hiergegen eingelegte Rechtsmittel blieben erfolglos. Einen im Januar 2000 gestellten Antrag des Klägers auf einen Aufenthaltstitel lehnte das belgische Innenministerium am 12. Juli 2002 ab; auf Rechtsmittel des Klägers hat der Conseil d‘ Etat diese Entscheidung am 7. Januar 2010 mit der Begründung aufgehoben, das Innenministerium habe nicht - wie erforderlich - konkret erklärt, inwiefern der Umstand, dass der Kläger in die in Ruanda begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt sei, die Annahme einer aktuellen Gefahr für den ordre public oder die nationale Sicherheit rechtfertige.
Im Dezember 2001 beantragte der Kläger bei der Botschaft der Beklagten in Brüssel die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung mit seiner in Deutschland lebenden Ehefrau Marguerite M... und zwei Kindern. Frau M... war am 20. September 1996 nach Deutschland eingereist und hatte einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 6. November 2000 wurde sie als Asylberechtigte anerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt. Frau M... hat am 21. Oktober 2004 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.
Anfang September 2002 reiste der Kläger ohne Visum nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. Januar 2003 wegen Zuständigkeit Belgiens ablehnte. Auf Rückübernahmeersuchen des Bundesamts wurde der Kläger im Februar 2003 nach Belgien zurücküberstellt.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 teilte die Botschaft der Beklagten in Brüssel mit, der Kläger könne dort unter Vorlage u.a. eines gültigen nationalen Reisepasses und einer gültigen belgischen Aufenthaltserlaubnis einen Antrag auf Visumerteilung stellen. Die vom Kläger daraufhin am 31. Dezember 2003 erhobene Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzugs und Neubescheidung seines im November 2003 gestellten Antrags auf Ausstellung eines Reisepasses für Ausländer wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 27. April 2006 (VG 26 V 8.04) unter Hinweis auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht befristete Sperrwirkung der Abschiebung ab. Mit Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Essen vom 27. März 2007 wurde die Sperrwirkung der Abschiebung nachträglich auf den Tag der Zustellung dieser Ordnungsverfügung befristet.
Nachdem er mit an das Auswärtige Amt gerichtetem Schreiben vom 3. April 2007 zunächst die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer beantragt hatte, stellte der Kläger am 25. April 2007 einen weiteren Visumantrag zum Zwecke der Familienzusammenführung bei der Botschaft der Beklagten in Brüssel. Diese lehnte den Antrag mit Schreiben vom 23. August 2007 mit der Begründung ab, der Nachweis der rechtlichen Verbundenheit zur Bezugsperson (Eheschließung mit Frau M...) sei nicht erbracht worden.
Daraufhin hat der Kläger am 30. August 2007 beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Reiseausweis und ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung mit Frau M... zu erteilen (VG 12 V 59.07). Nachdem er in diesem Verfahren eine Entscheidung des Obersten Gerichts der Republik Ruanda - Tribunal de Base von J... - vom 8. Februar 2008 vorgelegt hatte, mit der festgestellt wurde, dass er rechtmäßig die Ehe mit Frau M... geschlossen habe, teilte das Auswärtige Amt mit Schriftsatz vom 27. Mai 2008 mit, aus Sicht der Beklagten sei damit die Eheschließung nachgewiesen. Eine Inaugenscheinnahme durch den Vertrauensanwalt der Botschaft Kigali habe in formeller Hinsicht keine Bedenken ergeben. Die Beklagte sei nunmehr bereit, dem Kläger ein Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen, sofern das Bundesministerium des Innern einem Antrag auf Ausnahme von der Passpflicht zustimme. Mit Zeugnis vom 27. Mai 2008 bestätigte das Goethe-Institut Brüssel, dass der Kläger den Sprachtest „Start Deutsch 1“ mit „gut“ bestanden habe.
Unter dem 16. Juni 2008 unterzeichnete der Kläger einen an das Bundesministerium des Innern über das Auswärtige Amt gerichteten Antrag auf Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 4. Februar 2009 lehnte das Bundesministerium des Innern den Antrag des Klägers auf Ausnahme von der Passpflicht ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor, da der Aufenthalt des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtige. Gegen den Kläger liege ein internationaler Haftbefehl der Republik Ruanda vom 2. Mai 1996 vor, der unter anderem mit der Organisation von Massakern an der Tutsi-Bevölkerung in den Jahren 1991 und 1992 begründet werde. Auf der offiziellen Homepage der Regierung von Ruanda werde der Name des Klägers auf einer Liste der Hauptverantwortlichen des Völkermordes geführt. In der Anklageschrift des Internationalen Strafgerichtshofes für Ruanda gegen Herrn B... vom 1. Dezember 2006 sei er als weitere tatverdächtige Person in Bezug auf eine Völkermordtat im Jahr 1993 genannt. Mit Schreiben an das Auswärtige Amt vom gleichen Tag erklärte das Bundesministerium des Innern, aus den in dem Bescheid aufgeführten Gründen sowie dem Umstand, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er nicht auf zumutbare Weise einen Pass seines Herkunftsstaates erlangen konnte, werde auch der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer im Ausland nicht zugestimmt.
In dem genannten internationalen Haftbefehl der Republik Ruanda vom 2. Mai 2006 heißt es u.a., der Kläger werde des Völkermords und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Er habe als Präfekt von R... in den Jahren 1991 bis 1992 die Tötung von über hundert Tutsis organisiert, deren Massengräber sich im Zentrum von K... befänden; ein entsprechendes Massaker habe er in den Kommunen M... und N... der Präfektur R... im Jahr 1992 organisiert. Als Präfekt von R... habe er dem Bürgermeister von M..., K..., befohlen, sich zweier Kinder zu bemächtigen, die sich zuvor beim Roten Kreuz versteckt hätten, und die von diesem Bürgermeister getötet worden seien. Als Mitglied der (Regierungspartei) MRND habe er zu den Aktionären und dem „comité d’initiative“ des Hetzradiosenders RTLM gehört, und sei Gründungsmitglied der Miliz „Interahamwe“.
Zum Verwaltungsrechtsstreit VG 12 V 59.07 teilte das Auswärtige Amt mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 mit, angesichts des von den ruandischen Behörden gegen den Kläger erlassenen internationalen Haftbefehls wegen Verdachts des Völkermords, von dem die Beklagte Ende Dezember 2008 Kenntnis erhalten habe, könne die Zusicherung der Visumserteilung nicht aufrecht erhalten werden. Ein Aufenthalt des Klägers in Deutschland würde erhebliche, insbesondere außenpolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen. Aufgrund von Defiziten im ruandischen Strafprozess sei fraglich, ob einem Auslieferungsersuchen Ruandas entsprochen werden könnte. Die Verweigerung der Auslieferung könnte sich negativ auf die Beziehungen zu Ruanda auswirken. Zudem wäre eine Strafverfolgung des Klägers in Deutschland nicht sichergestellt, da sie von der Übermittlung ausreichenden Beweismaterials und davon abhinge, ob die überwiegend in Ruanda lebenden Zeugen zur Verfügung stünden. Es bestehe somit ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 1 AufenthG, der einer Visumserteilung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehe. In Anbetracht der Schwere der dem Kläger angelasteten Straftat überwiege das öffentliche Interesse an der Nichteinreise dessen Interesse an der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Die Beklagte übe ihr Ermessen daher zu Ungunsten des Klägers aus.
Daraufhin hat der Kläger am 21. Februar 2009 den weiteren Antrag angekündigt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2009 zu verpflichten, ihm ein Passersatzpapier auszustellen. Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 23. Februar 2009 das Verfahren insoweit abgetrennt und an die zuständige Kammer abgegeben. Anschließend hat es mit Beschluss vom 18. März 2009 das Verfahren VG 12 V 59.07 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des (abgetrennten) Verfahrens VG 15 K 77.09 - des hiesigen Verfahrens - ausgesetzt, weil letzteres für die Visumklage vorgreiflich sei. Ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht komme nicht in Betracht, wenn - wie hier - der Heimatstaat die Ausstellung eines Passes wegen eines dem deutschen Passrecht entsprechenden Versagungsgrunds ablehne.
Zur Begründung der vorliegenden Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, ihm werde unter Missachtung der Unschuldsvermutung des Art. 6 EMRK das Zusammenleben mit seiner Ehefrau verweigert. Die belgische Justiz habe trotz jahrelanger Ermittlungen keine Anklage gegen ihn erhoben, sich aber unter dem Druck Ruandas gescheut, das Verfahren einzustellen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, auf die die Beklagte sich beziehe, seien lange bekannt, die Quellen seien nicht zuverlässig. Während des Völkermords habe er sich in Deutschland und Belgien aufgehalten. Er sei kein Planer des Völkermords gewesen, habe weder als Präfekt von R... noch unter anderer Amtsbezeichnung ein Massaker organisiert oder jemand zu einer Tötung angewiesen. Er kenne auch keinen ihm unterstehenden Bürgermeister, der das getan hätte. Er habe nicht an der Gründung der Jugendbewegung Interahamwe mitgewirkt; am Radiosender RTLM habe er lediglich Aktien im Werte von ca. 60 EUR gehalten, sei aber nie Mitglied eines Komitees gewesen. Auf der von der ruandischen Regierung aufgestellten Liste der Verdächtigen stehe er nur deshalb, weil das Regime ihn als Gegner betrachte. Bereits beim Angriff auf R... am 23. Januar 1991 habe die FPR versucht, ihn und seine Familie zu töten.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, nach ihrer Ermessenspraxis werde eine Ausnahme von der Passpflicht nach § 3 Abs. 2 AufenthG nur gewährt, wenn ein Anspruch oder sehr gewichtiger Grund für die Begründung des Aufenthalts bestehe und u.a. keine Gründe dafür ersichtlich seien, dass in naher oder mittlerer Zukunft mit einer Aufenthaltsbeendigung oder Verwirklichung von Ausweisungstatbeständen im Sinne des § 55 AufenthG zu rechnen sei. Vorliegend sei der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 1 AufenthG gegeben, weil ein Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigen würde. Eine Einreise des Klägers würde zu tiefgreifenden außenpolitischen Problemen führen und die ohnehin schon angespannten Beziehungen zu Ruanda erneut belasten. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland zum sicheren Zufluchtsort eines mit internationalem Haftbefehl gesuchten Völkermordverdächtigen und damit dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schwerer Schaden zugefügt werden würde. Angesichts der erheblichen Vorwürfe gegen den Kläger und der daraus resultierenden Gefährdung erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland müsse das Schutzinteresse der Eheleute zurücktreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2010 abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung.
Zu ihrer Begründung trägt der Kläger vor, zwingende staatspolitische Interessen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht für den passrechtlichen Begriff der erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland fordere, könne er jedenfalls nicht gefährden. Was das Ansehen im Ausland betreffe, so müsse die Bundesrepublik Deutschland Konflikte mit einigen ausländischen Regierungen aushalten, etwa in Sachen Guantanamo auch mit der befreundeten US-Regierung. Zur Wahrung der deutschen Interessen im Ausland gehöre auch eine geradlinige und deutliche Vertretung eigener Interessen und Wertvorstellungen, wie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Interessen der eigenen Bürger. Das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass die Aushändigung eines Passes oder die Befreiung von der Passpflicht die einzige Möglichkeit für ihn sei, zu seiner Ehefrau, einer deutschen Staatsangehörigen, zu reisen. Jahrelange verschleppte Verfahren, aus denen kein konkreter belastbarer Vorwurf gegen ihn habe destilliert werden können, könnten es nicht rechtfertigen, dass dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Rechtspflichten aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK verstoße. Insofern gehöre es auch zur Wahrnehmung der auswärtigen Interessen, der ruandischen Regierung klar zu machen, dass die Wahrung dieser Grundrechte zur rechtsstaatlichen Ordnung in Deutschland gehöre. Eine solche klare Haltung gegenüber Ruanda würde das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland fördern. Im Übrigen sei festzuhalten, dass er sich einer Strafverfolgung nicht entziehen wolle; bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sei sowohl ein Ermittlungsverfahren gegen ihn in Deutschland als auch eine Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda möglich. Er verweigere sich allein der ruandischen Siegerjustiz. Alle Rechtsstaaten weigerten sich, nach Ruanda auszuliefern, weil Verdächtige dort kein faires Gerichtsverfahren zu erwarten hätten. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass nach der ruandischen Strafprozessordnung (Art. 52 des Gesetzes Nr. 13/2004 vom 17. Mai 2004) ein internationaler Haftbefehl eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten habe, die verlängerbar sei. In Ermangelung neuer Erkenntnisse sei daher davon auszugehen, dass gegen ihn kein ruandischer Haftbefehl mehr vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Januar 2010 zu ändern und
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums des Innern vom 4. Februar 2009 zu verpflichten, für ihn eine Ausnahme von der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 2 AufenthG zuzulassen,
hilfsweise,
seinen Antrag auf Ausnahme von der Passpflicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden,
2. die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Reiseausweis für Ausländer gemäß § 7 Abs. 1 AufenthV zu erteilen,
hilfsweise,
seinen Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 7 Abs. 1 AufenthV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil sie keinen bestimmten Antrag enthalte und sich nicht hinreichend mit den Gründen des angegriffenen Urteils auseinandersetze. In der Sache verteidigt sie das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, bei der im Rahmen des § 3 Abs. 2 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung sei besonders der Umstand zu gewichten gewesen, dass eine Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland zu tiefgreifenden außenpolitischen Problemen führen und die ohnehin angespannten Beziehungen zu Ruanda erneut belasten würde. Zudem bestünde bei einer Einreise des Klägers die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland zum Zufluchtsort eines mit internationalem Haftbefehl gesuchten Völkermordverdächtigen und dadurch ihrem internationalen Ansehen schwerer Schaden zugefügt würde. In ihrer Ermessensentscheidung habe sie auch den Schutz des Art. 6 GG hinreichend berücksichtigt und sei in der Abwägung zum Ergebnis gelangt, dass das Schutzinteresse der Eheleute angesichts der erheblichen Vorwürfe gegen den Kläger und der daraus resultierenden Gefährdung erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland zurücktreten müsse. Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich auch gewichtige familiäre Belange nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzten und Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewähre.
Im Berufungsverfahren hat das Bundesministerium des Innern auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 30. Mai 2012 mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung des ruandischen Haftbefehls vom 2. Mai 2006 vor. Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda habe seine Tätigkeit noch nicht beendet, aber inzwischen begonnen, einen Teil der Fälle an die ruandischen Justizbehörden abzugeben. Auch seien in jüngerer Zeit des Völkermords in Ruanda verdächtigte Personen an Ruanda ausgeliefert worden. Da die dem Kläger zur Last gelegten Straftaten keinen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder zu deutschen Staatsangehörigen hätten und der Kläger sich in Belgien aufhalte, bestehe zur Zeit kein Ermittlungsgrund für deutsche Behörden. Es bestehe aber auf Grund des ruandischen Haftbefehls nach wie vor ein dringender Tatverdacht gegen den Kläger, so dass er weiterhin zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sei. Das Auswärtige Amt hat mit Schreiben vom 22. August 2012 mitgeteilt, nach Erkenntnissen der Botschaft Kigali habe Ruanda am 18. August 2008 ein Ersuchen um Festnahme des Klägers an Belgien gestellt; mangels anderweitiger Informationen gehe die Botschaft davon aus, dass das Ersuchen noch Bestand habe. Am 13. März 2013 hat das Bundesministerium des Innern ergänzend mitgeteilt, nach aktuellen Erkenntnissen der Botschaften der Beklagten in Brüssel und Kigali bestehe der ruandische Haftbefehl gegen den Kläger fort, eine internationale Fahndung werde vorbereitet. Die ruandische Regierung unternehme zunehmend Anstrengungen, im Ausland befindliche Genozidverdächtige rechtlich zu belangen. Auch in Belgien werde das dortige Vorermittlungsverfahren gegen den Kläger weitergeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Gerichtsakten der Verfahren VG 26 V 8.04, VG 12 V 59.07, VG 15 K 347.09 des Verwaltungsgerichts Berlin sowie der zu den genannten Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesministerium des Innern (ein Aktenordner), des Auswärtigen Amts (drei Hefte Visavorgänge) und der Stadt Essen (ein Aktenordner sowie je ein Heft Ausländerakte und Einbürgerungsakte der Frau M...) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist allerdings zulässig. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2010 die Berufung zugelassen (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 VwGO). Angesichts dieses eindeutigen Entscheidungsausspruchs, an den das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO gebunden ist, kommt es nicht darauf an, dass die Zulassung der Berufung in den Entscheidungsgründen auf den Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützt wird, obwohl § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nur wegen Vorliegens der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO (grundsätzliche Bedeutung bzw. Divergenz) vorsieht.
Die Berufung ist auch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden. Die am 26. März 2010 bei Gericht eingegangene Berufungsbegründung erfüllt - anders als die Beklagte meint - die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, wonach die Begründung der Berufung neben den im Einzelnen anzuführenden Gründen einen bestimmten Antrag enthalten muss. Zwar hat der Kläger in dem Schriftsatz vom 26. März 2010 keinen Antrag formuliert. Die Anforderung des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO ist aber bereits dann erfüllt, wenn das Ziel der Berufung aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. September 1979, - 7 C 7.78 - BVerwGE 58, 299, zit. nach juris, Rn. 10; s.a. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124a Rn. 30 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, denn die Berufungsschrift des Klägers und der Schriftsatz zur Berufungsbegründung lassen hinreichend deutlich erkennen, dass der Kläger sein vom Verwaltungsgericht abgewiesenes Klagebegehren mit der Berufung weiterverfolgt.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung der beantragten Ausnahme von der Passpflicht durch das Bundesministerium des Innern (dazu 1.) und die Nichterteilung eines Reiseausweises für Ausländer durch das Auswärtige Amt (dazu 2.) sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht.
Nach § 3 Abs. 2 AufenthG kann das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger unter dem 16. Juni 2008 gestellt, und zwar, wie in Nr. 3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (AVwV AufenthG) vorgesehen, über die Botschaft der Beklagten in Brüssel als zuständige Auslandsvertretung und das Auswärtige Amt.
Der Senat unterstellt, dass der Kläger - was ungeschriebene Voraussetzung für die Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht ist (vgl. dazu Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 3 Rn. 41) - einen gültigen Pass oder Passersatz nicht in zumutbarer Weise erlangen kann. Der Kläger, dessen in Kopie vorgelegter ruandischer Nationalpass zuletzt am 21. März 1994 - vor dem Tod Habyarimanas am 6. April 1994 - für fünf Jahre, bis zum 20. März 1999, verlängert worden war, und der einen Einzahlungsbeleg des Office Rwandais des Recettes vom 31. März 2004 über 75 EUR für Pass und Porto als Nachweis für einen für ihn bei der ruandischen Botschaft in Deutschland gestellten Passantrag vorgelegt hat, hat im Verfahren VG 12 V 59.07 vorgetragen, er habe mehrfach bei der Botschaft Ruandas nachgefragt und zur Antwort erhalten, das Passbüro in Ruanda habe noch keinen Reisepass ausgestellt; zuletzt hat er in jenem Verfahren mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009 mitgeteilt, es sei keine Reaktion auf seinen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses erfolgt, weitere Bemühungen seien offenkundig sinnlos. Nachfragen der Botschaft der Beklagten in Brüssel bei der dortigen Botschaft Ruandas vom 25. April 2007 und vom 7. August 2008 wurden - soweit ersichtlich - ebenfalls nicht beantwortet. Unabhängig von der Frage, ob bereits aus dem Vorliegen eines internationalen Haftbefehls des Generalstaatsanwalts der Republik Ruanda wegen des Vorwurfs des Völkermords und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit gegen den Kläger geschlossen werden kann, dass weitere Bemühungen um die Ausstellung eines ruandischen Reisepasses erfolglos wären, spricht vorliegend alles dafür, dass der Kläger der im ruandischen Recht - nach Auskunft des dortigen Direktors Immigration und Emigration - geltenden „Passbeschränkung“ unterliegen dürfte, wonach etwa flüchtigen Straftätern kein Pass ausgestellt werden kann, sondern nur ein Laissez-Passer (Ziffer 3 der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Informationen der Botschaft der Beklagten in Kigali zum ruandischen Passrecht), das indessen die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht erfüllt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es dem Kläger nicht möglich sein dürfte, wie in Art. 40 des ruandischen Passgesetzes für die Beantragung eines Passes vorgesehen, ein Leumundszeugnis der Gemeinde vorzulegen.
Nach § 3 Abs. 2 AufenthG kann die Ausnahme von der Passpflicht vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten zugelassen werden. Ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung ist bereits zweifelhaft, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für eine solche Ausnahme von der Passpflicht vorliegen, wenn der Ausländer - wie hier der Kläger, dessen Klage auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung Gegenstand der ausgesetzten Ausgangsverfahrens VG 12 V 59.07 ist - einen Daueraufenthalt anstrebt, oder ob die Vorschrift - entsprechend der von den Vertretern des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschilderten Verfahrensweise - lediglich eine zeitliche Begrenzung der vom Bundesministerium des Innern auszusprechenden Ausnahme zugunsten der dann für die Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zuständigen Ausländerbehörde regelt. Diese Frage bedarf indessen vorliegend nicht der Entscheidung. Auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 AufenthG für den hier vom Kläger angestrebten Daueraufenthalt ist die Ablehnung der Ausnahme von der Passpflicht durch das Bundesministerium des Innern rechtmäßig, weil ermessensfehlerfrei erfolgt.
Nach § 3 Abs. 2 AufenthG kann in begründeten Einzelfällen eine Ausnahme von der Passpflicht zugelassen werden. Die Vorschrift eröffnet Ermessen. Eine solche Ermessensentscheidung hat das Bundesministerium des Innern getroffen. Zwar heißt es in der Begründung des Bescheids vom 4. Februar 2009, die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Passpflicht lägen nicht vor. Der sich hieran unmittelbar anschließenden Begründung - weil der Aufenthalt des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigen würde - in Verbindung mit den Ausführungen in der Klageerwiderung des Bundesministeriums des Innern vom 16. April 2009, wonach die Entscheidung über die Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht im Ermessen des BMI liege und in diesem Rahmen auch geprüft worden sei, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorlägen, lässt sich aber (noch) hinreichend deutlich entnehmen, dass die Beklagte ihr Ermessen gesehen und im streitigen Bescheid auch ausgeübt hat. Die Formulierung, die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Passpflicht lägen nicht vor, ist danach so zu verstehen, dass auf Grund der angenommenen Beeinträchtigung erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine Ermessensausübung zu Gunsten des Klägers nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern nicht in Betracht komme.
Die vom Bundesministerium des Innern getroffene Ermessensentscheidung, die beantragte Ausnahme von der Passpflicht abzulehnen, ist fehlerfrei. Sie verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Die im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots bedeutsame Ermessenspraxis des Bundesministeriums der Innern geht, wie im Verfahren unwidersprochen vorgetragen, dahin, eine Ausnahme von der Passpflicht nur zu gewähren, wenn ein Anspruch oder sehr gewichtiger Grund für die Begründung des Aufenthalts besteht und unter anderem keine Gründe dafür ersichtlich sind, dass in naher oder mittlerer Zukunft mit einer Aufenthaltsbeendigung oder Verwirklichung von Ausweisungstatbeständen im Sinne des § 55 AufenthG zu rechnen ist (vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 5. Februar 2008 - OVG 3 N 91.07 -). Dies erscheint im Hinblick auf die Funktion der Ausnahme von der Passpflicht, eine Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, sachgerecht. An dieser Praxis gemessen ist die Ablehnung der Ausnahme von der Passpflicht durch das Bundesministerium der Innern fehlerfrei erfolgt. Die diesbezüglichen Ermessenserwägungen im Bescheid vom 4. Februar 2009 konnte das Bundesministerium des Innern - wie mit Schriftsatz vom 16. April 2009 und vom 16. November 2009 geschehen - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO).
Nach § 55 Abs. 1 AufenthG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt. Ein Interesse der Bundesrepublik Deutschland ist erheblich, wenn es gewichtig und wegen seiner Bedeutung besonders schutzwürdig ist; Gewicht und Schutzwürdigkeit dürfen nicht hinter dem durch § 55 Abs. 2 AufenthG gesetzten Maß zurückbleiben (vgl. Discher, GK-AufenthG, § 55 Rn. 201 f.; Hailbronner, AuslR, § 55 AufenthG Rn. 10). Dagegen ist die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, wonach es sich um Belange handeln muss, die so erheblich sind, dass sie der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik aus zwingenden staatspolitischen Gründen vorangestellt werden müssen (BVerwG, Beschluss vom 17. September 1998 - 1 B 28.98 -, juris, Rn. 9), nicht auf den Begriff der erheblichen Belange im Sinne des § 55 Abs. 1 AufenthG übertragbar. Bereits der Regelungsbereich ist ein anderer, denn es geht nicht um die Möglichkeit der Ausweisung ausländischer Staatsangehöriger, sondern um die Versagung des Passes (und damit der Ausreisemöglichkeit) für deutsche Staatsangehörige. Dementsprechend sieht § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vor, dass der Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiernach muss es sich also bei den erheblichen Belangen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG um Belange handeln, deren Gewicht der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik vergleichbar ist, und nicht, wie nach § 55 Abs. 1 AufenthG, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder den Regelbeispielen des § 55 Abs. 2 AufenthG.
Zu Recht ist das Bundesministerium des Innern davon ausgegangen, dass ein Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet im Sinne von § 55 Abs. 1 AufenthG erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen würde, weil bei Einreise des Klägers die Gefahr bestünde, dass Deutschland zum sicheren Zufluchtsort eines mit internationalem Haftbefehl gesuchten Völkermordverdächtigen und damit dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik schwerer Schaden zugefügt würde. Die Gefahr einer Schädigung des internationalen Ansehens der Bundesrepublik ist grundsätzlich ein hinreichend schwerwiegender Belang, um den Tatbestand des § 55 Abs. 1 AufenthG zu erfüllen. Gleiches gilt für die Gefährdung außenpolitischer Interessen, wobei es insoweit für die Frage, ob der Tatbestand des § 55 Abs. 1 AufenthG zu bejahen ist, in besonderem Maße auf die Umstände des Einzelfalls, mithin die im konkreten Fall betroffenen außenpolitischen Interessen, ankommen mag.
Der Beklagten liegt ein internationaler Haftbefehl des Generalstaatsanwalts beim Obersten Gerichtshof in Kigali vom 2. Mai 2006 gegen den Kläger wegen Verdachts des Völkermords und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit vor. Ihm wird darin unter anderem vorgeworfen, er habe als Präfekt von R... in den Jahren 1991 bis 1992 in mehreren Gemeinden die Tötung von jeweils über hundert Angehörigen der Bevölkerungsgruppe der Tutsi organisiert. Zudem habe er als Mitglied der damaligen Regierungspartei MRND zu den Aktionären und dem „comité d’initiative“ des Hetzradiosenders RTLM gehört und sei Gründungsmitglied der Miliz „Interahamwe“. Nach der Auskunft des Bundesministeriums des Innern vom 30. Mai 2012, das sich insoweit auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts stützt, bestehen keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung dieses Haftbefehls. Vom Fortbestehen des Haftbefehls ist auch in Ansehung des Gesetzes Nr. 13/2004 vom 17. Mai 2004 (wiedergegeben im Internet bei , Refworld) über die Strafprozessordnung auszugehen, nach dessen Art. 52 ein internationaler Haftbefehl (der vom Generalstaatsanwalt gegen eine sich im Ausland aufhaltende Person. die eines Verbrechens beschuldigt ist, erlassen werden kann) für sechs Monate gültig bleibt, denn die Bestimmung sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Verlängerung des internationalen Haftbefehls vor. In seinem Schriftsatz vom 13. März 2013 hat das Bundesministerium der Innern noch einmal bekräftigt, dass nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts und der Botschaft der Beklagten in Kigali der ruandische Haftbefehl fortbestehe, und weiter ausgeführt, die belgischen Behörden seien auf der Grundlage dieses Haftbefehls im August 2008 um die Festnahme des Klägers ersucht worden. Zudem verstärke die ruandische Regierung derzeit ihre Anstrengungen, im Ausland befindliche Genozidverdächtige - auch den Kläger - rechtlich zu belangen; ein internationaler Haftbefehl gegen den Kläger als Grundlage für eine internationale Fahndung über Interpol sei in Vorbereitung.
Danach ist zunächst die Annahme der Beklagten berechtigt, eine Einreise des Klägers nach Deutschland werde die Beziehungen zu Ruanda (erneut) erheblich belasten. Das Bundesministerium des Innern hatte bereits in seinem Schreiben an das Auswärtige Amt vom 4. Dezember 2008 - also vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 4. Februar 2009 - zutreffend darauf hingewiesen, dass das Verhältnis zu Ruanda Ende 2008 wegen verschiedener zuvor in Deutschland getroffener Entscheidungen stark belastet war. Zum einen hatten das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschlüsse vom 6. November 2008 - 2 Ausl A 175/07 und 2 Ausl A 106/08 - beide juris) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 1 AK 68/08 - juris) die Zulässigkeit der Auslieferung nach Ruanda - unter Hinweis auf entsprechende Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda - verneint, weil die Rechtsstaatlichkeit eines in Ruanda geführten Strafverfahrens nicht gewährleistet sei (OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 6. November 2008, a.a.O., Rn. 2 bzw. Rn. 2 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Dezember 2008, a.a.O., Rn. 7 f.). Zudem war im November 2008 die Protokollchefin des ruandischen Präsidenten Paul Kagame, Rose Kabuye, am Flughafen Frankfurt auf Grund eines von den französischen Behörden ausgestellten internationalen Haftbefehls festgenommen worden, was dazu führte, dass Ruanda den deutschen Botschafter in Kigali aufforderte, vorübergehend das Land zu verlassen, und seinen eigenen Botschafter in Berlin zu Konsultationen zurückrief. Auch wenn seither einige Zeit vergangen ist, behält die Erwägung des Bundesministerium des Innern, die durch Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht ermöglichte Einreise des der Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit verdächtigen Klägers würde die internationalen Beziehungen zu Ruanda - erneut - belasten, ihre Gültigkeit. Das Bestreben der Bundesrepublik, dies zu vermeiden, ist unabhängig davon legitim, ob namentlich der ruandische Präsident, wie der Kläger geltend macht, seinerseits erheblichen Vorwürfen ausgesetzt ist.
Es kann auch nicht - wie der Kläger meint - davon ausgegangen werden, dass die ruandischen Behörden seiner lediglich deshalb habhaft werden wollten, weil er als naher Angehöriger des früheren Präsidenten vom derzeitigen Regime als Gegner betrachtet werde. Unabhängig davon, ob die Annahme plausibel erscheint, dass die ruandischen Behörden eines zum damaligen Zeitpunkt seit etwa zehn Jahren in Europa lebenden Regimegegners so dringend habhaft werden wollen, dass sie ihn per Haftbefehl suchen, bestehen über den ruandischen Haftbefehl vom 2. Mai 2006 hinaus weitere gewichtige Verdachtsmomente für eine Verwicklung des Klägers in Völkermordtaten bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 6, 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl. 2000 II S. 1394).
Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass seitens des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda gegen den Kläger ermittelt würde. In der Verfahrensübersicht auf der Homepage des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda () erscheint der Name des Klägers nicht. Dies erklärt sich allerdings schon dadurch, dass der Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda sich auf schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Hoheitsgebiet Ruandas zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1994 beschränkt (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 843, geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2144), der Kläger sich aber nach seinem eigenen Vorbringen jedenfalls zum Zeitpunkt des Todes Habyarimanas am 6. April 1994 und auch in der Folgezeit nicht in Ruanda aufgehalten hat, und auch die Vorwürfe im ruandischen Haftbefehl gegen ihn sich im Wesentlichen auf seine Zeit als Präfekt R... bis September 1992 beziehen. Erwähnung findet der Kläger allerdings, wie das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, in der Anklageschrift gegen Michel Bagaragaza (ICTR-2005-86-I) und in dem Urteil vom 1. Dezember 2003 gegen Juvénal Kajelijeli (ICTR-98-44A-T). In der Anklageschrift gegen Michel Bagaragaza findet der Kläger Erwähnung als einer der Mitverschwörer beim Vorwurf der Verschwörung zum Völkermord (Conspiracy to Commit Genocide). Der Angeklagte Bagaragaza habe u.a. mit dem Kläger vereinbart, Mitglieder der Tutsi-Bevölkerung zu töten oder ihnen ernsthaften körperlichen oder seelischen Schaden zuzufügen, in der Absicht die ethnische Gruppe des Tutsi ganz oder teilweise zu zerstören, und - zwischen dem 22. November 1992 und dem 17. Juli 1994 - Taten begangen, um diese Vereinbarung zu erfüllen (Punkt 9); im Januar 1993 habe er (u.a.) mit dem Kläger vereinbart, der Interahamwe paramilitärisches Training zukommen zu lassen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre politischen Feinde, insbesondere Mitglieder der ethnischen Minderheit der Tutsi, anzugreifen und zu töten (Punkt 13). In dem Urteil gegen Bagaragaza vom 17. November 2009 findet der Kläger keine Erwähnung; dies erklärt sich jedoch dadurch, dass das Urteil darauf gestützt ist, dass der Angeklagte sich hinsichtlich des Vorwurfs der Beteiligung am Völkermord (Complicity in Genocide) schuldig erklärt hat (Ziffer 15 des Urteils); im Hinblick auf diesen Vorwurf war der Kläger in der Anklageschrift - soweit ersichtlich - nicht genannt worden. Im Urteil gegen Kajelijeli wird der Name des Klägers als Präfekt Ruhengeris bis 1992 erwähnt; dort heißt es (in der Aussage von Entlastungszeugen), der Kläger habe bei einer Versammlung am 15. November 1992, in der Präsident Habyarimana die Interahamwe und deren Aktivitäten erklärt habe, eine Rede gehalten (Rn. 344, Erwähnung des Namens des Klägers auch in Rn. 258, 343).
Belastet wird der Kläger zudem in zwei auszugsweise beim Verwaltungsvorgang des Bundesministeriums des Innern befindlichen Berichten von Nichtregierungsorganisationen. Der im Internet veröffentlichte Bericht „Broadcasting Genocide: Censorship, Propaganda & state-sponsored violence in Rwanda 1990-1994“ der Gruppe „Article 19“ nennt den Kläger als führendes Mitglied der Todesschwadron „Network Zero“ (S. 9, 39); an anderer Stelle heißt es, das als Vergeltung für den Überfall der damaligen Rebellenorganisation RPF des heutigen Staatspräsidenten Kagames auf die Stadt R... Ende Januar 1991 verübte Massaker an 300 bis 1000 Ruandern der Bevölkerungsgruppe der Bagogwe habe begonnen, kurz nachdem der Innenminister und der Kläger als Präfekt R... die Region besucht und ein Flugblatt verbreitet hätten, in dem zu einer besonderen „Gemeinschaftsarbeit“ („Umuganda“) aufgerufen worden sei, bei dem alle Büsche und RPF-Kämpfer vernichtet werden und die Wurzeln nicht vergessen werden sollten; der Begriff „Umuganda“ sei als Euphemismus für Morde verwendet worden (S. 15). Ferner wird der Kläger als einer der Hintermänner der Zeitung Kangura, berüchtigt für ihre Hetze gegen die Bevölkerungsgruppe der Tutsi genannt (Seite 36, 39). Der ebenfalls im Internet veröffentlichte, von März 1993 datierende „Abschlussbericht der internationalen Untersuchungskommission über die Menschenrechtsverletzungen in Ruanda seit dem 1. Oktober 1990“ enthält ebenfalls den Vorwurf, (unter anderem) der Kläger habe den Aufruf zu einem besonderen „Umuganda“ verbreitet (S. 33); er habe den bewaffneten Truppen befohlen ruhig zu bleiben, weil die Zeit zum Töten noch nicht gekommen sei, und er habe einem Bericht eines Journalisten zufolge an einem Treffen der Todesschwadron in den frühen Morgenstunden vor der Eroberung der Stadt R... durch die RPF teilgenommen, die nach der Befreiung der Stadt beschlossen habe, die Bagogwe zu töten, wobei der Kläger den Bürgermeistern habe auftragen sollen, hierfür vertrauenswürdige Leute zu finden (S. 37 f.).
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe und unabhängig von der Frage, ob auf ihrer Grundlage gegen den Kläger ein Strafverfahren durchgeführt werden könnte, gibt es hiernach - schon wegen seiner auch von ihm nicht bestrittenen Verwandtschaft mit Präsident Habyarimana und seiner Funktion als Präfekt R... zu dieser Zeit - genug Anhaltspunkte für eine Verstrickung des Klägers (jedenfalls) in die Massaker an den Bagogwe, um ihn als der Beteiligung an Völkermordtaten bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verdächtigen anzusehen, dessen Einreise nach Deutschland die konkrete Gefahr birgt, dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schaden. Aus der vom Kläger vorgelegten Entscheidung des belgischen Staatsrats vom 7. Januar 2010, in der die Ablehnung eines Aufenthaltstitels für den Kläger mit der Begründung aufgehoben wurde, es müsse konkret erklärt werden, welche Gründe für die Annahme des Belastung des Klägers und die Annahme einer hieraus folgenden aktuellen Gefahr für den belgischen ordre public oder die nationale Sicherheit bestehen, folgt schon deshalb nichts anderes, weil es um Fragen des belgischen Rechts, betreffend die Verleihung eines Aufenthaltstitels für einen sich seit vielen Jahren im Land aufhaltenden Ausländer, nicht aber um die Ermöglichung der Einreise geht. Auch in Ansehung des Umstandes, dass diese Einreise des Klägers „nur“ im Hinblick auf Art. 6 GG zur Ermöglichung der Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau erlaubt würde, die in Deutschland als asylberechtigt anerkannt wurde und später die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, bestünde die - konkrete und schwerwiegende - Gefahr für die Beklagte, vor der Weltöffentlichkeit als ein Staat dazustehen, der einen der Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verdächtigen aufnimmt. Die Gefahr eines hieraus erwachsenden Schadens für das internationale Ansehen der Beklagten wiegt um so schwerer als eine Auslieferung des Klägers zum Zwecke der Strafverfolgung zumindest vorerst nicht in Betracht kommen dürfte und eine Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe in einem Strafverfahren in Deutschland wenig realistisch erscheint. Mit einer Auslieferung des Klägers an den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda ist schon deshalb nicht zu rechnen, weil dieser - wie ausgeführt - entsprechend der Begrenzung seines Verfolgungsauftrags auf das Jahr 1994 gegen den Kläger nicht ermittelt, einen Auslieferungsantrag daher nicht stellen würde. Ein Auslieferungsersuchen Ruandas erscheint im Fall einer Einreise des Klägers denkbar; immerhin hat Ruanda nach Erkenntnissen der Botschaft der Beklagten in Kigali im Jahr 2008 ein Ersuchen um Festnahme des Klägers an Belgien gestellt. Es spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass ein solches Auslieferungsersuchen erfolglos bliebe, was im Übrigen auch dem Wunsch des Klägers entspräche, der zwar seine Bereitschaft erklärt hat, sich einem Gerichtsverfahren zu stellen, nicht jedoch einem in Ruanda geführten. Für die Erfolglosigkeit eines ruandischen Auslieferungsersuchens sprechen zunächst die bereits zitierten, eine Auslieferung nach Ruanda für unzulässig erklärenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe. Zwar hat zwischenzeitlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 37075/09 - NJOZ 2012, 1564) unter Berufung auf eine neuere Entscheidung der Abgabekammer des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (Entscheidung Uwinkindi u.a., EGMR, Urteil vom 27. Oktober 2011, a.a.O., Rn. 121 ff.) eine Beschwerde gegen eine die Auslieferung nach Ruanda zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulassende Entscheidung des schwedischen Obersten Gerichtshof zurückgewiesen. Die Vertreterin zu 2. der Beklagten hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass auch in Ansehung der in Ruanda erzielten rechtsstaatlichen Fortschritte ein Auslieferungsersuchen jedenfalls zur Zeit wegen der dortigen Haftbedingungen abgelehnt würde. Die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Kläger in Deutschland erschiene - unabhängig von den allgemeinen Schwierigkeiten der Beweiserhebung in Deutschland bezüglich Handlungen des Klägers in Ruanda betreffender Vorwürfe - auch deshalb wenig erfolgversprechend, weil, worauf die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen haben, die ruandischen Behörden, die die Strafverfolgung des Klägers in Ruanda betreiben, wenig Interesse daran haben dürften, die deutschen Strafverfolgungsbehörden bei der Durchführung eines Strafverfahrens in Deutschland zu unterstützen.
Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, die vom Kläger beantragte Ausnahme vor der Passpflicht wegen des sich im Falle seiner Einreise verwirklichenden Ausweisungsgrundes nach § 55 Abs. 1 AufenthG abzulehnen, erweist sich auch im Hinblick auf das Grundrecht des Klägers und seiner Ehefrau aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK auf Schutz von Ehe und Familie als ermessenfehlerfrei. Dies gilt unabhängig davon, dass sich dem Wortlaut des streitigen Bescheids vom 4. Februar 2009 eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes nicht entnehmen lässt, denn das Bundesministerium des Innern hat die dortigen Ermessenserwägungen im Klageverfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt. In seinen Schriftsätzen vom 16. April 2009 und vom 16. November 2009 wird ausgeführt, die gegen die Zulassung der Einreise sprechenden Gemeinwohlinteressen seien derart gewichtig und gravierend, dass das Schutzinteresse der Eheleute dahinter zurücktrete. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, namentlich führt der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie hier nicht dazu, dass die vom Kläger erstrebte Ausnahme von der Passpflicht wegen entsprechender Ermessensreduzierung zu erteilen wäre. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 - juris, Rn. 23). Bei der gebotenen Interessenabwägung ist dem öffentlichen Interesse, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland nicht durch Aufnahme eines möglichen (Mit-)Täters von Völkermord bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Ruanda zu schädigen, ein hohes Gewicht beizumessen. Zwar sind seit dem Völkermord in Ruanda fast zwanzig Jahre vergangen. Die dem Kläger vorgeworfenen Taten liegen im Vorfeld des schlimmsten Geschehnisse, sind aber sowohl als Vorbereitung hierfür als auch für sich genommen schwerwiegend. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Völkermord in Ruanda trotz der seither vergangenen Zeit noch nicht abschließend aufgearbeitet ist. Der Internationale Strafgerichtshof hat seine Tätigkeit bislang nicht vollständig eingestellt; nach Auskunft der Beklagten werden zunehmend Verfahren nach Ruanda abgegeben, das sich (weiterhin) um die Strafverfolgung bemüht. In einem in Deutschland vor dem Oberlandesgericht Frankfurt geführten Strafverfahren wegen Völkermords wird seit Anfang 2011 verhandelt, das Verfahren ist nicht abgeschlossen. Danach sind auch die Vorwürfe gegen den Kläger nach wie vor von aktueller Bedeutung. Unter diesen Umständen geht das öffentliche Interesse, eine schwere Beeinträchtigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden, dem durch Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK geschützten Interesse des Klägers an der Führung einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, die deutsche Staatsangehörige ist, vor. Minderjährige Kinder hat der Kläger nicht; erwachsene Kinder leben in Deutschland, in Belgien und in Großbritannien. Die auf das gesetzliche Erfordernis - vom Kläger mit Zeugnis des Goethe-Instituts Brüssel vom 27. Mai 2008 nachgewiesener - einfacher deutscher Sprachkenntnisse (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) bezogenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 - (juris, Rn. 26), wonach einem deutschen Staatsangehörigen nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden könne, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können, und es für ihn in jedem Fall unzumutbar sei, sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, führen im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu einem Überwiegen des Interesses des Klägers und seiner Ehefrau an seiner Einreise. Der entgegenstehende öffentliche Belang ist nicht nur von erheblichem Gewicht, es handelt sich auch - im Unterschied zum Spracherfordernis - nicht um einen allgemeinen, alle Fälle des Ehegattennachzugs betreffenden, sondern um einen an die Vergangenheit und persönliche Verantwortung des Klägers anknüpfenden Belang. Zudem ist bei der Gewichtung der Zumutbarkeit der Führung der Ehe im Ausland für die deutsche Ehefrau des Klägers zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem Ausland um Belgien als einen Nachbarstaat der Europäischen Union handelt, in dem sie sich als Freizügigkeitsberechtigte problemlos niederlassen könnte. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12), auf die der Kläger sich ergänzend beruft, nach ihrem Art. 3 Abs. 3 auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung findet (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 4. September 2012, a.a.O., Rn. 36 f.), damit auch nicht im vorliegenden Fall.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 7 Abs. 1 AufenthV.
Nach § 7 Abs. 1 AufenthV darf im Ausland ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV ausgestellt werden, um dem Ausländer die Einreise ins Bundesgebiet zu ermöglichen, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung eines hierfür erforderlichen Aufenthaltstitels vorliegen. Die Bestimmung dient der Umsetzung eines Visumsanspruchs, indem sie die zuständige Auslandsvertretung (§ 71 Abs. 2 AufenthG) ermächtigt, im Fall der Passlosigkeit des Ausländers (vgl. § 5 Abs. 1 AufenthV) eine körperliche Grundlage für das zu erteilende Visum zu schaffen, also ein Personendokument auszustellen, in das das Visum gesetzt werden kann. Dementsprechend heißt es in der Begründung des Entwurfs der Aufenthaltsverordnung zu § 7 Abs. 1, die Ausstellung des Aufenthaltstitels müsse in jedem Fall mit Sicherheit gewährleistet sein (BR-Drs. 823/02, Seite 160). Gleiches folgt aus § 8 Abs. 2 Satz 1 AufenthV, der bestimmt, dass im Falle des § 7 Abs. 1 AufenthV der - räumlich auf die Bundesrepublik Deutschland zu beschränkende (§ 9 Abs. 4 AufenthV) - Reiseausweis für Ausländer nur für eine Gültigkeitsdauer von höchstens einem Monat ausgestellt werden darf. Da in einem derartig kurzen Zeitraum eine - ggf. gerichtliche - Klärung noch streitiger Voraussetzungen der Visumserteilung nicht möglich ist, kommt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nach § 7 Abs. 1 AufenthV nicht in Betracht, wenn - wie hier - das Bestehen des vom Kläger geltend gemachten Visumsanspruchs Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits ist, hier des vom Verwaltungsgericht ausgesetzten Verfahrens VG 12 V 59.07.
Der Kläger hätte im Übrigen auch dann keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, wenn die Inzidentprüfung des im Streit stehenden Anspruchs auf Erteilung des beantragten Visums im Rahmen des Verfahrens über die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer - trotz der damit verbundenen Gefahr divergierender Entscheidungen im Visum- und im Reiseausweisverfahren - in Betracht käme. Ein Visumanspruch des Klägers scheitert zum einen an der Nichterfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4, § 3 AufenthG). Eine Ausnahme von der Passpflicht hat das Bundesministerium des Innern - wie zu 1. ausgeführt - ermessensfehlerfrei abgelehnt; aus den zu 1. dargelegten Gründen ist auch kein atypischer Fall gegeben, der ein Absehen vom Regelerfordernis nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG rechtfertigen würde. Im Übrigen fehlt es an der für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer im Ausland nach § 11 Abs. 1 AufenthV erforderlichen Zustimmung des Bundesministerium des Innern, die dieses mit Schreiben vom 4. Februar 2009 - nach den obigen Ausführungen zu Recht - verweigert hat. Schließlich steht einem Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Reiseausweises die allgemeine Vorschrift des § 5 Abs. 3 AufenthV entgegen, wonach ein Reiseausweis für Ausländer in der Regel nicht ausgestellt wird, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes aus Gründen verweigert, auf Grund derer auch nach deutschem Passrecht, insbesondere nach § 7 PassG, der Pass versagt oder sonst die Ausstellung verweigert werden kann. Es ist - trotz Fehlens einer ausdrücklichen Entscheidung ruandischer Passbehörden - davon auszugehen, dass dem Kläger jedenfalls auch im Hinblick auf den Haftbefehl der Republik Ruanda vom 2. Mai 2006 kein ruandischer Pass ausgestellt wird. Dieser Grund entspricht § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG, wonach der Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich einer Strafverfolgung entziehen will. Liegt damit für die beantragte Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ein Regelversagungsgrund nach § 5 Abs. 3 AufenthV vor, bestehen aus den bereits genannten Gründen keinerlei Anhaltspunkte für einen atypischen Fall, in dem ein Abweichen von der Regel möglich oder geboten wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Über den Einzelfall hinaus klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen wirft der Fall nicht auf.