Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 26.08.2011 | |
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Aktenzeichen | L 3 R 142/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 75 AMG |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.
Die Klägerin erhielt nach ihrem Pharmaziestudium die Approbation als Apothekerin und war aufgrund Bescheides der Beklagten vom 28. November 1996 ab 14. Oktober 1996 für eine Beschäftigung als Apothekerin von der Versicherungspflicht befreit. Seit dem 01. April 1999 ist sie aufgrund Arbeitsvertrags vom 09./ 10. Februar 1999 im pharmazeutischen Außendienst der N GmbH (N) beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit informiert und berät sie Ärzte über Insuline und Diabetespräparate sowie bei diabetologischen Fragestellungen. Nach Auskunft von N war für die Einstellung der Klägerin ihr abgeschlossenes Pharmaziestudium und ihre Approbation als Apothekerin entscheidend. Laut Schreiben der Apothekerversorgung Berlin vom 19. Oktober 2004 ist die Klägerin aufgrund ihrer Kammerangehörigkeit in Berlin Pflichtmitglied der Apothekerversorgung Berlin und bei Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit zur einkommensgerechten Beitragsentrichtung verpflichtet. Aufgrund ihrer Tätigkeit bei N entrichte sie seit dem 01. April 1999 die freiwillige Mindestversorgungsabgabe von 1/10 der allgemeinen Versorgungsabgabe.
Nachdem der gegen die Barmer Ersatzkasse gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Klägerin aufgrund ihrer seit dem 01. April 1999 bestehenden Beschäftigung bei N der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliege, abgelehnt und die hiergegen gerichtete Klage im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin S 87 KR 826/04 bzw. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 164/05 rechtskräftig abgewiesen worden war, beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 23. Juni 2006, sie für die vorgenannte Tätigkeit von der Versicherungspflicht zu befreien. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. August 2006 mit der Begründung ab, eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei beschäftigungs- und nicht personengebunden. Bei der am 01. April 1999 aufgenommenen Beschäftigung als Pharmaberaterin handele es sich indes nicht um eine berufsspezifische Beschäftigung als Apothekerin, weshalb eine Befreiung von der Versicherungspflicht für diese Tätigkeit nicht in Betracht komme. Die Beklagte wies den hiergegen gerichteten, am 25. August 2006 erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurück. Sie führte zur Begründung aus, es sei entscheidend, ob die Beschäftigung bei N zur Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer und im Versorgungswerke führe, was vorliegend nicht der Fall sei. Pharmaberater seien Außendienst- bzw. Vertriebsmitarbeiter pharmazeutischer Unternehmen, deren Tätigkeit dadurch geprägt sei, dass sie die Angehörigen der Heilberufe über Produkte ihres eigenen Unternehmens informierten und berieten. Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit sei eine entsprechende Fortbildung zum Pharmaberater, für die lediglich eine abgeschlossene Ausbildung und entsprechende Berufspraxis in einschlägigen Tätigkeiten, wie z.B. pharmazeutisch-kaufmännischer Angestellter, Drogist, Chemielaborant, Krankenpfleger vorausgesetzt werde. Hieran werde deutlich, dass es sich nicht um eine berufsspezifische, d.h. nur von einem Apotheker auszuübende Beschäftigung handele, auch wenn diese besonders gute Voraussetzungen für eine solche Tätigkeit mitbrächten. Auch liege nichts für eine Befreiung von der Versicherungspflicht für eine befristete berufsfremde Beschäftigung vor, weil die seit dem 01. April 1999 ausgeübte Beschäftigung der Klägerin unbefristet sei.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 18. Dezember 2006 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass sich aus § 2 Abs. 3 der Bundesapothekerverordnung und aus §§ 14 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 1 S. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ergebe, dass der Begriff der pharmazeutischen Tätigkeit weiter zu fassen sei, zumal auch der Pharmaberater nach § 75 Abs. 1 AMG – so wie die Klägerin - hauptberuflich Angehörige der Heilberufe aufsuche und diese über Arzneimittel fachlich zu informieren habe und deshalb die erforderliche Sachkenntnis haben müsse.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09. Dezember 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nicht vorlägen. Es bestehe keine Pflichtmitgliedschaft in der öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung der Apothekerversorgung, wofür auf § 9 der Satzung der Apothekerversorgung (AVB) zu verweisen sei. Aus dem Schreiben der Apothekerversorgung Berlin vom 19. Oktober 2004 ergebe sich, dass die Versorgungseinrichtung selbst auch nicht von einer Pflichtmitgliedschaft bzw. einer pharmazeutischen Tätigkeit ausgehe. Ferner erstrecke sich die vormalige Befreiung nicht auf die ab 01. November 1999 ausgenommene Beschäftigung.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Januar 2009 zugestellte Urteil am 18. Februar 2009 Berufung eingelegt. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin ab dem 01. April 1999 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Der Berichterstatter kann anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht.
Die Klägerin hat aus § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI keinen Befreiungsanspruch.
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind, wenn die aus § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 und S. 2 bis 5 SGB VI folgenden weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Es kann dahin stehen, ob die aus § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 und S. 2 bis 5 SGB VI folgenden weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Denn das für die Klägerin maßgebliche Berliner Landesrecht sieht für sie in ihrer Tätigkeit als Pharmaberaterin bereits keine Pflichtmitgliedschaft in der Apothekerversorgung vor.
Die Mitgliedschaft muss entweder unmittelbar durch ein Gesetz im formellen Sinn angeordnet sein oder auf einer Verpflichtung beruhen, die sich auf einer in einem solchen Gesetz enthaltenen Ermächtigung gründet (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 70. Erg.-Lfg. 2011, § 6 SGB VI Rn. 7 unter Bezugnahme auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 07. Dezember 1962 – 1 RA 4/61 -, zitiert nach juris Rn. 10, zur Vorgängervorschrift des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes <AVG>). Ein Befreiungsrecht besteht nicht, wenn die Pflichtmitgliedschaft etwa auf Antrag herbeigeführt werden könnte oder wenn in der jeweiligen kammerrechtlichen Regelung die freiwillige Mitgliedschaft im Wege der Fiktion der Pflichtmitgliedschaft gleichgestellt sein sollte (Gürtner, a.a.O., Rn. 9).
Es besteht zwar in Berlin grundsätzlich die Möglichkeit einer auf förmlichem Gesetz beruhenden Pflichtmitgliedschaft in der Apothekerversorgung. Die Klägerin fällt jedoch nicht darunter.
Für die Frage der berufsständischen Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung ist zunächst vom Berliner Kammergesetz (BlnKG) in der Fassung vom 04. September 1978 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2007) als förmlichem Gesetz auszugehen. Nach § 1 Nr. 4 BlnKG wird im Land Berlin als Berufsvertretung der Apotheker die Apothekerkammer errichtet. Nach § 2 Abs. 1 BlnKG gehören der Kammer alle Apotheker an, die im Land Berlin ihren Beruf ausüben oder ihren Wohnsitz haben, ohne in einem anderen Bundesland kammerangehörig zu sein. Nach § 4b Abs. 2 S. 1 BlnKG können die Kammern unselbständige Versorgungseinrichtungen zur Sicherung ihrer Kammermitglieder im Alter, bei Berufsunfähigkeit und für deren Hinerbliebenen schaffen, wobei sie gemäß § 4b Abs. 3 BlnKG per Satzung ihre Mitglieder verpflichten können, Mitglieder in den Versorgungseinrichtungen zu werden. Hiervon ausgehend bestimmen die Vorschriften der Satzung der Apothekerversorgung (AVB), wer Mitglied ist. Dies sind nach § 8 AVB grundsätzlich die Kammermitglieder. Nach § 9 AVB sind diejenigen Kammermitglieder ausgenommen, die keine pharmazeutische Tätigkeit (jede Berufstätigkeit, zu deren Ausübung die pharmazeutische Ausbildung ganz oder teilweise Voraussetzung ist) im Kammerbereich ausüben, es sei denn, sie beziehen Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder besitzen eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI.
Hieran gemessen vermittelt der Beruf der Klägerin als Pharmaberaterin keine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der Apothekerversorgung. Denn die Klägerin übt seit 01. April 1999 als Pharmaberaterin keine pharmazeutische Tätigkeit im Sinne von § 9 Abs. 1 AVB mehr aus. Nach der in § 75 Abs. 1 AMG (in der ab 11. September 1998 gültigen, im Wesentlichen unveränderten Fassung) enthaltenen Legaldefinition sind Pharmaberater Personen, die die in § 75 Abs. 2 AMG bezeichnete Sachkenntnis besitzen und hauptberuflich Angehörige von Heilberufen aufsuchen, um diese über Arzneimittel fachlich zu informieren. Die Sachkenntnis besitzen gemäß § 75 Abs. 2 AMG 1. Apotheker oder Personen mit einem Zeugnis über eine nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder der Veterinärmedizin abgelegte Prüfung, 2. Apothekerassistenten sowie Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung als technische Assistenten in der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder Veterinärmedizin und 3. Pharmareferenten. Nach § 75 Abs. 3 AMG kann die zuständige Behörde eine abgelegte Prüfung oder abgeschlossene Ausbildung als ausreichend anerkennen, die einer der Ausbildungen der in Absatz 2 genannten Personen mindestens gleichwertig ist. Hieraus folgt, dass die Ausbildung als Apothekerin weder ganz noch teilweise Voraussetzung für die Tätigkeit als Pharmaberaterin ist; sie ist, wie sich aus § 75 Abs. 2 AMG ergibt und das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, durch jeweils andere – nicht pharmazeutische - Ausbildungen (zumindest Human-, Veterinärmedizin, Chemie, Biologie bzw. technische Assistenten der Chemie, Biologie, Human-, Veterinärmedizin) ersetzbar (so auch Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteile 01. März 2011 – L 11 R 4872/09 -, zitiert nach juris Rn. 76 und 78, unter Bezugnahme auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2009 – L 4 R 738/06 -, zitiert nach juris Rn. 29).
Ferner ist die für die frühere Tätigkeit als Apothekerin erteilte Befreiung auch nicht auf die ab 01. April 1999 aufgenommene Beschäftigung zu erstrecken. Eine entsprechende Feststellung bzw. Verpflichtung der Beklagten, soweit vom klägerischen Begehren mitumfasst, steht der Klägerin nicht zu.
Die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI ist dahin zu verstehen, dass die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen ist (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998 – B 5/4 RA 80/97 R, zitiert nach juris Rn. 19 f.). Hiervon anhebend ist eine berufsgruppenspezifische Tätigkeit zu fordern, für welche die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 SGB VI vorliegen. Hierfür genügt es nicht, dass die berufsständische Versorgungseinrichtung (weiterhin) eine Pflichtmitgliedschaft des Betroffenen annimmt. Die von der Versorgungseinrichtung vorgenommene Bewertung bindet weder den Rentenversicherungsträger noch die Gerichte (Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 01. März 2011 – L 11 R 4872/09 -, zitiert nach juris Rn. 74).
Dies zugrunde gelegt erfasst die vormalige Befreiung für die frühere Tätigkeit als Apothekerin die jetzige Tätigkeit als Pharmaberaterin von vornherein nicht. Dass mit der Tätigkeit einer Pharmaberaterin keine Tätigkeit als Apothekerin vorliegt, ist offenkundig und bedarf keines weiteren Beweises (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Die Beschäftigung ist aus den vorgenannten Gründen wegen der Austauschbarkeit der für die Ausübung der Tätigkeit als Pharmaberaterin erforderlichen Ausbildung auch nicht berufsgruppenspezifisch (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Bei alldem kann dahinstehen, ob die Apothekerversorgung Berlin selbst die frühere Pflichtmitgliedschaft als fortbestehend erachtet oder nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.