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Soldat; Sanitätsoffizier; Facharzt für Oralchirurgie; Leitender Krankenhausarzt; Zulage; Rettungsmediziner mit Approbation als Arzt; Rettungsarzt; Gebietsarzt; Facharzt; Gleichbehandlung; Analogiefähigkeit besoldungsrechtlicher Vorschriften


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 10.05.2011
Aktenzeichen OVG 6 N 54.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, Anl 1 Ziff II Nr 11 Abs 1 BBesG, Art 3 Abs 1 GG

Leitsatz

Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG, dass Sanitätsoffiziere mit Approbation als Arzt, die entweder über die Zusatzqualifikation Rettungsmedizin verfügen und dienstlich zur Erhaltung dieser Qualifikation verpflichtet sind oder die Weiterbildung zum Gebietsarzt (Facharzt) erfolgreich abgeschlossen haben und in diesem Fachgebiet verwendet werden, eine Zulage erhalten, die sonstigen Sanitätsoffizieren vorenthalten wird.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2010 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 14.400 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger ist Facharzt für Oralchirurgie und als Oberstarzt im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin Leitender Arzt der Abteilung Zahnmedizin, Oralmedizin und Parodontologie. Mit der Klage begehrt er die Gewährung einer Zulage nach Nummer 11 Abs. 1 der Anlage I Ziffer II des Bundesbesoldungsgesetzes für Soldatinnen und Soldaten der Besoldungsgruppen A 13 bis A 16 als Sanitätsoffiziere mit der Approbation als Arzt, die a) über die Zusatzqualifikation Rettungsmedizin verfügen und dienstlich zur Erhaltung dieser Qualifikation verpflichtet sind oder b) die Weiterbildung zum Gebietsarzt (synonym für Facharzt) absolviert haben und in diesem Fachgebiet verwendet werden. Das Verwaltungsgericht hat die hierauf gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle als Zahnarzt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erhalt der Zulage. Eine analoge Anwendung scheide ganz allgemein wegen der Spezialität der besoldungsrechtlichen Vorschriften und ihres kasuistischen Inhalts aus. Vorliegend werde dies durch die vom Gesetzgeber für die Gewährung der Zulage gegebene Begründung bestätigt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG liege hierin nicht, weil die vom Gesetzgeber genannten Gründe die Ungleichbehandlung von Zahnärzten sachlich hinreichend rechtfertigten. Im Übrigen sei nicht dargetan oder ersichtlich, dass das Ermessen des Gesetzgebers bei unterstelltem, durch das Bundesverfassungsgericht festzustellenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dahingehend reduziert wäre, dass einzig die Erstreckung der Zulage auf Zahnärzte verfassungsgemäß wäre.

Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung stützt der Kläger auf die Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sowie grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Ernstliche Richtigkeitszweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163, 1164) und nicht nur die Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung Zweifeln unterliegt. Zu ihrer Darlegung muss sich die Zulassungsbegründung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO konkret fallbezogen und hinreichend substanziiert mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und dartun, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Ob an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel bestehen, wird allein anhand der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie der vom Rechtsmittelführer zur Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes vorgetragenen Gesichtspunkte beurteilt. Vom Rechtsmittelführer nicht genannte Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie offensichtlich sind. Das Vorbringen des Klägers zeigt keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf, sie sind auch nicht offensichtlich.

Der Kläger macht insoweit geltend, das Gesetz stelle Ärzte und Zahnärzte als Sanitätsoffiziere gleich. Die Annahme, in einer Anlage zum Gesetz sei hiervon eine Ausnahme gemacht worden, sei systemwidrig. Es bedürfe einer ganz besonderen Rechtfertigung, um auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG standhalten zu können. Die Gründe, aus denen die Zulage gewährt werde, träfen in gleicher Weise auf Fachärzte und Fachärzte für Oralchirurgie zu.

Soweit er zum Ausdruck bringen will, die Anlage zum Gesetz sei systemwidrig, verkennt er, dass die Anlage Teil des Gesetzes ist. Im Übrigen erfüllt sein Vortrag schon nicht die Darlegungsanforderungen. Dass er die Voraussetzungen zur Gewährung der Zulage nach dem Wortlaut der Nr. 11 Abs. 1 der Anlage I Ziffer II zum Bundesbesoldungsgesetz nicht erfüllt, stellt er selbst nicht in Abrede. Er verfügt weder über die Zusatzqualifikation als Rettungsmediziner noch ist er Gebietsarzt im Sinne der Vorschrift. Er hätte sich daher mit der vom Verwaltungsgericht dargelegten mangelnden Analogiefähigkeit der besoldungsrechtlichen Bestimmungen auseinandersetzen müssen. Das hat er versäumt.

Soweit er die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes anführt, weil es sachlich nicht gerechtfertigt sei, Fachärzten für Oralchirurgie die streitige Zulage vorzuenthalten, beruht sein Vortrag hinsichtlich der Rettungsmediziner auf einer Verkennung der Motivlage des Gesetzgebers für die Gewährung der Zulage. Während er in den Vordergrund rückt, dass er als Facharzt für Oralchirurgie ebenfalls Erstversorgung leisten müsse, eine hohe Verantwortung gegenüber den Patienten trage und eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sicherzustellen habe, standen für den Gesetzgeber die Umstände im Vordergrund, unter denen die medizinische Versorgung stattzufinden hat. Das wird schon dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber nicht an die Eigenschaft als Arzt oder Facharzt anknüpft, sondern an die Qualifikation als Rettungsmediziner, der er für das Militär besondere Bedeutung beimisst. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der es insoweit heißt: „Die Verfügbarkeit rettungsmedizinisch qualifizierter Ärzte ist eine Kernaufgabe des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und ein unverzichtbarer Bestandteil der Auftragserfüllung. Gerade der medizinischen Erstversorgung kommt eine herausragende Bedeutung zu. Dabei gilt es, auch im Auslandseinsatz eine medizinische Versorgung sicherzustellen, die im Ergebnis dem Standard in Deutschland entspricht.“ (BT-Drucks. 16/10850, S. 235). Mit der Gewährung der Zulage knüpft der Gesetzgeber demnach an die Bedeutung der Rettungsmedizin für die Wahrnehmung der militärischen Aufgaben an. Insbesondere das Abstellen auf die Auslandseinsätze macht deutlich, dass er sich von der Vorstellung einer ärztlichen Versorgung der Soldatinnen und Soldaten unmittelbar am Einsatzort, also etwa im Rahmen humanitärer Einsätze, leiten ließ. Diese Versorgung wird typischerweise von Rettungsmedizinern geleistet und ist für deren Aufgabenwahrnehmung prägend. Dass die Tätigkeit eines im Krankenhaus tätigen Facharztes für Oralchirurgie in vergleichbarer Weise durch solche Einsätze geprägt ist, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Eine solche Tätigkeit wird nicht durch medizinische Notversorgung im Rahmen von Auslands- oder sonstigen Einsätzen unmittelbar am Einsatzort geprägt, sondern entspricht im Wesentlichen der Tätigkeit eines gewöhnlichen Krankenhausarztes. Da die Annahme des Gesetzgebers, der medizinische Rettungsdienst im Rahmen von Militäreinsätzen verlange eine Kombination aus besonders hoher Belastbarkeit und Kompetenz (a.a.O.), nachvollziehbar erscheint, ist hierin ein ausreichender sachlicher Grund für die unterschiedliche Besoldung zu sehen.

Hinsichtlich der Gebiets- bzw. Fachärzte ist die Ungleichbehandlung gegenüber Fachzahnärzten wie dem Kläger ebenfalls gerechtfertigt. Insoweit stand für den Gesetzgeber die „alleinige Verantwortung des Facharztes insbesondere bei lebensrettenden Maßnahmen oder schwerwiegenden operativen Eingriffen“ im Vordergrund, die „stets auch deren persönliches Haftungsrisiko bei Fehlern“ bedinge (BT-Drucks. 16/10850, S. 236). Eine solche Verantwortung und ein solches Haftungsrisiko bestehen zwar für einen Oralchirurgen als Fachzahnarzt ebenso, allerdings nur in deutlich beschränkterem Rahmen, nämlich bezogen auf Verletzungen im und am Kiefer. Demgegenüber umfasst der Tätigkeitsbereich etwa des Facharztes für Chirurgie den gesamten Körper. Es kommt hinzu, dass schon rein zahlenmäßig bei militärischen Einsätzen lebensgefährliche Verletzungen am übrigen Körper deutlich häufiger auftreten dürften als lebensgefährliche Verletzungen im oder am Kiefer. Auch insoweit durfte sich der Gesetzgeber von einer gewissen Typik der Lebenssachverhalte leiten lassen, die die vom Kläger beanstandete Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigt.

Unbeschadet dessen scheitert das Vorbringen des Klägers auch daran, dass er sich nicht mit der vom Verwaltungsgericht angeführten Begründung auseinandersetzt, selbst bei unterstelltem Verfassungsverstoß könne dem Begehren nicht entsprochen werden, weil die Erstreckung der Zulage auf Zahnärzte allgemein bzw. jedenfalls in der Fachrichtung Oralchirurgie nicht die einzig verfassungsgemäße Möglichkeit zur Beseitigung des Verstoßes wäre.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für das erstrebte Rechtsmittelverfahren erhebliche Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit oder Fortbildung des Rechts obergerichtlicher Klärung bedarf (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2005 - OVG 5 N 45.05 -, Rn. 16 bei juris). Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eine solche bestimmte ungeklärte und entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren. Weiter ist die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Frage im Berufungsverfahren aufzuzeigen sowie anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Es ist darzulegen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist.

Der Kläger versäumt es schon, eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zu formulieren. Die von ihm aufgeworfene Frage, „wie Anlage I II Nr. 11 BBesG auszulegen ist“, ist nicht hinreichend bestimmt. Dessen ungeachtet bedarf es zur Klärung der im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfragen auch nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, wie sich aus den unter 1. dargelegten Gründen ergibt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).