Gericht | LG Potsdam 4. Strafkammer | Entscheidungsdatum | 03.04.2013 | |
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Aktenzeichen | 24 Qs 51/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20. Februar 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I.
Nachdem der Betroffene gegen den wegen des Vorwurfs einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassenen Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg vom 16. April 2012 Einspruch eingelegt hatte, beraumte das Amtsgericht Nauen – nach vier Terminsverlegungen seit September 2012 – Termin zur Hauptverhandlung auf Montag, den 14. Januar 2013, 13:00 Uhr, an.
Die Terminsladung wurde dem Betroffenen am 7. Dezember 2012 zugestellt.
Am 3. Januar 2013 stellte der Verteidiger des Betroffenen den Antrag, zur Klärung der Fahrereigenschaft des Betroffenen ein morphologisches Sachverständigengutachten einzuholen, und regte an, das Verfahren bis zur Vorlage des Gutachtens auszusetzen. Daraufhin teilte ihm das Amtsgericht am 7. Januar 2013 mit, dass es beim anberaumten Hauptverhandlungstermin bleibe.
Mit einem am Terminstag um 8:12 Uhr per Telefax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 14. Januar 2013 beantragte der Verteidiger unter Hinweis auf den Wintereinbruch am zurückliegenden Wochenende und die seitdem bestehenden widrigen Straßenverhältnisse in Thüringen, den Termin nochmals zu verlegen, wobei er mitteilte, eine kurzfristige Inanspruchnahme der Bahn sei nicht möglich gewesen.
Zum Hauptverhandlungstermin am 14. Januar 2013 erschien der Betroffene nicht. Das Amtsgericht Nauen verwarf daher den Einspruch des nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen mit Urteil vom 14. Januar 2013 nach § 74 Abs. 2 OWiG, weil die von ihm angegebenen Gründe sein Fernbleiben nicht genügend entschuldigten. Eine besondere Wetterlage reiche als Begründung für das Ausbleiben nicht aus. Es sei nicht ersichtlich, warum der Betroffene bei schwierigen Straßenbedingungen nicht eine ca. vierstündige Bahnverbindung zum Gerichtsort habe nutzen können.
Gegen das am 21. Januar 2013 zugestellte Verwerfungsurteil legte der Betroffene mit anwaltlichem Telefax-Schreiben vom 28. Januar 2013 Rechtsbeschwerde ein und beantragte zudem wegen der Versäumung des Hauptverhandlungstermins die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wurde ausgeführt, aufgrund der Witterungsverhältnisse habe der Verteidiger nicht mit dem Pkw anreisen können. Eine kurzfristige Inanspruchnahme der Bahn wäre bei einem um 10:01 Uhr in Mühlhausen abfahrenden Zug nicht termingerecht gewesen, eine frühere Verbindung hätte der Verteidiger nicht wahrgenommen. Über den Verlegungsantrag habe der Verteidiger den Betroffenen informiert und ihm zugesichert, dass er auf die Verlegung vertrauen und nicht zum Termin fahren müsse.
Dem Wiedereinsetzungsgesuch beigefügt waren ein Verbindungsnachweis der Deutschen Bahn sowie eine eidesstattliche Versicherung des Betroffenen, wonach dieser auf die Zusage seines Verteidigers, der Termin werde verlegt, vertraut habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Februar 2013 verwarf das Amtsgericht Nauen den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen als unbegründet, weil das Nichterscheinen des Betroffenen im Termin durch die Information seines Verteidigers nicht hinreichend entschuldigt sei. Der Betroffene hätte nach der konkreten Sachlage Zweifel haben müssen, ob die Äußerung seines Verteidigers zutreffend sei. Angesichts der schlechten Witterungsverhältnisse hätte es sich aufgedrängt, auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Ein am Terminstag um 8:24 Uhr in Mühlhausen abfahrender Zug wäre planmäßig um 12:54 Uhr in Nauen eingetroffen. Die Wahrnehmung einer solchen alternativen Reisemöglichkeit hätte vom Betroffenen erwartet werden können. Als der Betroffene gegen 8:00 Uhr von seinem Verteidiger informiert worden sei, habe noch genug Zeit bestanden, eine Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn einzuholen. Der Betroffene hätte dann – in Kenntnis des um 8:24 Uhr abfahrenden Zuges – seinem Verteidiger nicht blind vertrauen dürfen, sondern sich selbst bei Gericht hinsichtlich seiner Erscheinenspflicht erkundigen müssen.
Gegen den seinem Verteidiger am 25. Februar 2013 zugestellten Verwerfungsbeschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 4. März 2013, die am selben Tag per Telefax beim Amtsgericht Nauen einging.
Darin wiederholt der Betroffene sein Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag und vertritt die Auffassung, er habe auf die Mitteilung seines Verteidigers, der Termin werde verlegt, vertrauen dürfen.
Auf den Hinweis der Kammer, dass eine eidesstattliche Versicherung des Betroffenen zur Glaubhaftmachung nicht ausreiche, übersandte der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 28. März 2013 einen Screenshot des Internetportals „wetter.de“ als Nachweis der Wetterlage am Terminstag, bot als Beweis für die Zusicherung einer Terminsverlegung die Zeugeneinvernahme seines Verteidigers an und führte aus, der Verteidiger hätte nach dem Telefonat mit dem Betroffenen um 8:00 Uhr und der anschließenden Übermittlung des Verlegungsantrags frühestens die Bahn um 10:01 Uhr (ab Mühlhausen) erreichen, mit dieser Verbindung aber nicht rechtzeitig am Gerichtsort eintreffen können.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt des anwaltlichen Schreibens vom 28. März 2013 Bezug genommen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde gegen den das Wiedereinsetzungsgesuch verwerfenden Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20. Februar 2013 ist nach §§ 46 Abs. 3, 311 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zulässig. Sie wurde insbesondere auch innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO erhoben.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg; es ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht Nauen dem Betroffenen eine Wiedereinsetzung in den Stand vor Erlass des Verwerfungsurteils versagt.
a) Allerdings ist der Wiedereinsetzungsantrag bereits unzulässig.
Denn der Betroffene hat bisher nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, ohne Verschulden an der Teilnahme am Hauptverhandlungstermin verhindert gewesen zu sein.
aa) Gemäß §§ 74 Abs. 4 Satz 1, 46 Abs. 1 OWiG, 44, 45 Abs. 2 Satz 1 StPO ist einem der Hauptverhandlung ferngebliebenen Betroffenen, der von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war und dessen Einspruch deshalb verworfen wurde, gegen das Verwerfungsurteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils glaubhaft macht, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der Hauptverhandlung kein Verschulden trifft.
Der Wiedereinsetzungsantrag muss Angaben nicht nur über den versäumten Termin und den Hinderungsgrund, sondern auch über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten. Diese Angaben sowie deren Glaubhaftmachung sind Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag (BGH, NStZ-RR 2010, 378; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Auflage, § 45, Rdn. 5, 6 m.w.N.)
Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen alle schriftlichen Beweismittel in Betracht, die generell geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Vorbringens darzutun (BVerfG, NJW 1974, 1903; Meyer-Goßner, aaO, § 45, Rdn. 8; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Auflage, § 52, Rdn. 20).
bb) Soweit der Betroffene mit dem fristgerecht eingelegten Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen hat, eine termingerechte Anreise sei seinem Verteidiger mit einem die Stadt Mühlhausen erst um 10:01 Uhr verlassenden Zug nicht möglich gewesen, eine frühere Verbindung sei – wegen des erst in den Morgenstunden desselben Tages geführten Mandantengesprächs – nicht in Betracht gekommen, ist der Antrag bereits deshalb unzulässig, weil er sich nicht zu einem Hinderungsgrund für den Betroffenen verhält. Vorzutragen und glaubhaft zu machen ist nämlich ein Sachverhalt, aus dem hervorgeht, warum den Antragsteller an der Versäumung der Hauptverhandlung kein Verschulden treffen soll (LG Berlin, Beschluss vom 12.05.2011, 506 Qs 55/11, bei juris). Auf eine etwaige Entschuldigung des Verteidigers kommt es bei der Frage, ob das Fernbleiben des Betroffenen entschuldigt ist, grundsätzlich nicht an (OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 245; LG Berlin, aaO).
Die Ausführungen zu Bahnverbindungen von Mühlhausen nach Nauen und zur offenbar fehlenden Bereitschaft des Verteidigers, mit seinem Mandanten so rechtzeitig ein Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel zu vereinbaren, dass ihm die Inanspruchnahme einer früheren Bahnverbindung möglich gewesen wäre, lassen nicht erkennen, aus welchem Grund der nicht in Mühlhausen, sondern in Leinefelde wohnende Betroffene die Hauptverhandlung versäumt hat. Dass er von der über einen Bahnanschluss verfügenden Stadt Leinefelde aus nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Nauen hätte anreisen können, behauptet nicht einmal der Betroffene. Dafür, dass die planmäßigen Bahnverbindungen zwischen Leinefelde und Nauen am Terminstag witterungsbedingt ausgefallen wären, gibt es nach Aktenlage keine Hinweise.
cc) Unzulässig ist der Wiedereinsetzungsantrag aber auch insoweit, als der Betroffene hierzu vorbringt, ihm sei durch seinen Verteidiger zugesichert worden, er könne auf eine Verlegung vertrauen und müsse nicht zum Termin erscheinen; auf diese Auskunft habe er vertraut. Denn der Betroffene hat diese Angaben nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich eine von ihm unterschriebene eidesstattliche Versicherung vorgelegt und eine Zeugeneinvernahme seines Verteidigers als Beweis angeboten. Für eine Glaubhaftmachung ist dies indes nicht ausreichend.
Die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen stellt nämlich – im Gegensatz zu solchen Erklärungen von Zeugen – kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung dar, sondern ist lediglich als eigene „schlichte“ Erklärung des Antragstellers anzusehen (Göhler, aaO, § 52, Rdn. 20). Nur dann reicht die eigene Erklärung des Betroffenen ausnahmsweise zur Glaubhaftmachung aus, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen (Göhler, aaO, § 52, Rdn. 21). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier allerdings nicht vor. Der Betroffene hätte seine Angaben zur Zusicherung einer Terminsverlegung durch seinen Verteidiger – mit dessen eigener Erklärung – anwaltlich versichern lassen können. Diese Art der Versicherung genügt bei einem Rechtsanwalt, soweit sie sich auf Gegenstände erstreckt, zu denen der Rechtsanwalt aus eigenem Wissen bekunden kann (Göhler, aaO, § 52, Rdn. 20). Eine anwaltliche Versicherung seines Verteidigers hat der Betroffene jedoch auch nach dem Hinweis der Kammer zur Glaubhaftmachung nicht zu den Akten gereicht. Die bloße Darstellung des Sachverhalts in einem anwaltlichen Schriftsatz, verbunden mit dem Beweisangebot, den unterzeichnenden Rechtsanwalt als Zeugen einzuvernehmen, ist mit einer anwaltlichen Versicherung nicht gleichzusetzen.
Wegen des Grundsatzes, dass nur schriftliche Beweismittel als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht kommen, und weil der Betroffene eine anwaltliche Versicherung seines Verteidigers hätte beibringen können, genügt allein die Benennung des Verteidigers als Zeuge für eine Glaubhaftmachung nicht.
b) Aber selbst wenn eine Glaubhaftmachung in Form einer anwaltlichen Versicherung erfolgt wäre, würde sich der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls als unbegründet erweisen. Denn eine Auskunft des Verteidigers, der Termin werde verlegt, ein Erscheinen bei Gericht sei daher nicht erforderlich, vermochte den Betroffenen nicht zu entschuldigen, weil er hierauf nicht vertrauen durfte.
Im Straf- wie im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist allgemein anerkannt, dass ein Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung auch dann als entschuldigt anzusehen sein kann, wenn es auf einem – auch unrichtigen oder rechtsirrigen – Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht (BayObLG, NStZ-RR 2003, 85; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 245; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Auflage, § 74, Rdn. 32; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Auflage, § 329, Rdn. 29, jeweils m.w.N.). Dies entspricht auch der ständigen Rechtssprechung der Kammer (vgl. nur Beschluss vom 16. Januar 2003, 24 Qs 134/01).
Rat und Mitteilung des Verteidigers, der Betroffene müsse nicht zu einem bestimmten Termin erscheinen, sind aber nicht unbeschränkt und in jedem Fall geeignet, ein Verschulden des Betroffenen auszuschließen. Vielmehr ist ein Vertrauen auf derartige Hinweise der Verteidigung ausnahmsweise dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen nach der konkreten Sachlage Zweifel aufdrängen müssen, ob die Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten zutreffend ist (KG Berlin, Beschluss vom 09.05.2012, 3 Ws (B) 260/23; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 245). Bestehen ausreichende Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der von der Verteidigung erteilten Auskunft oder Beratung, muss diesen durch Nachfrage bei Gericht nachgegangen werden. Das Unterlassen einer solchen Abklärung begründet dann ein Verschulden des Betroffenen (BayObLG, aaO; LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 23.10.2012, 22 Qs 104/12, bei juris).
So liegt der Fall hier. Dem Betroffenen mussten sich Zweifel an der Richtigkeit der Zusicherung seines Verteidigers aufdrängen. Dass er sich nicht bei Gericht über die beantragte Absetzung des Termins vergewissert hat, ist ihm vorzuwerfen.
aa) Vorrangig trifft – was die Kammer nicht verkennt – den Verteidiger ein Verschulden daran, dass der Betroffene im Hauptverhandlungstermin am 14. Januar 2013 nicht erschienen ist. Denn der Verteidiger durfte dem Betroffenen nicht wegen eines erst noch zu stellenden Verlegungsantrags eine Terminsverlegung zusichern und ihm mitteilen, er könne darauf vertrauen und müsse nicht zum Termin fahren. Zu einer solchen Erklärung bestand umso weniger Anlass, als das Gericht dem Verteidiger auf dessen Anregung, das Verfahren bis zur Vorlage eines Gutachtens auszusetzen, unmissverständlich mitgeteilt hatte, der Termin bleibe aufrechterhalten. Daraus war für den Verteidiger das Bestreben des Amtsgerichts, den zuvor viermal verlegten Termin durchzuführen und das Verfahren nunmehr zu beenden, eindeutig erkennbar. Vor diesem Hintergrund hätte er es nicht bei der Übersendung eines Faxschreibens belassen dürfen, sondern mit dem Gericht telefonisch Kontakt aufnehmen müssen, bevor er dem Betroffenen Auskünfte zu dessen Erscheinenspflicht erteilte.
Die Erklärung des Verteidigers, eine frühere Bahnverbindung als die um 10:01 Uhr ab Mühlhausen hätte er – wegen des erst um 8:00 Uhr mit dem Betroffenen geführten Telefonats – nicht wahrgenommen, zeigt allerdings deutlich, dass es ihm nicht ernsthaft darum ging, trotz der widrigen Witterungsverhältnisse den Gerichtsort zu erreichen und am Termin teilzunehmen. Dem Verteidiger hätte nämlich, wie das Amtsgericht Nauen ermittelt hat, in Mühlhausen ein Zug um 8:24 Uhr zur Verfügung gestanden. Von einem selbständigen Organ der Rechtspflege, zu dessen wesentlichen Aufgaben es gehört, mit dafür zu sorgen, dass das Verfahren sachdienlich und in prozessual geordneten Bahnen durchgeführt wird (vgl. BGHSt 38, 111 [115]; OLG Köln, NStZ-RR 1997, 208), wäre zu erwarten gewesen, sich am Wochenende, als sich die Wetterlage und die damit verbundenen widrigen Straßenverhältnisse abzeichneten, um eine entsprechende Auskunft der Bahn zu bemühen und die Reise nach Nauen mit dem Zug anzutreten, auch wenn die Fahrt etwas früher begonnen bzw. länger gedauert hätte als bei einer Anreise mit dem Pkw. Darauf, dass die Fahrt zum Gerichtsort ausschließlich mit dem Pkw zurückgelegt wird, hat ein Rechtsanwalt keinen Anspruch.
bb) Den Betroffenen trifft aber auch ein Mitverschulden. Solange der erst für den frühen Morgen des Terminstages vorgesehene Verlegungsantrag, den zu stellen der Verteidiger lediglich angekündigt hatte, noch nicht beschieden war, bestand für den Betroffenen zumindest Unklarheit darüber, ob das Gericht diesem Antrag entsprechen und den auf 13:00 Uhr anberaumten Hauptverhandlungstermin tatsächlich verlegen werde. Diese Unsicherheit wurde auch durch die in Thüringen herrschenden widrigen Witterungs- und Straßenverhältnisse nicht beseitigt. Denn dass eine Anreise zum Gericht keinesfalls zwingend mit dem Pkw erfolgen muss und schwierigen Straßenverhältnissen gerade bei längeren Strecken am besten durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel begegnet werden kann, drängt sich jedem auf und war, wovon die Kammer ausgeht, auch dem Betroffenen bewusst.
Der Betroffene musste – auch als juristischer Laie – erkennen, dass das Gericht angesichts des erst auf 13:00 Uhr anberaumten Termins bei seiner Entscheidung über den Verlegungsantrag darauf abstellen werde, ob der Gerichtsort nicht alternativ mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei. Deshalb konnte der Betroffene nicht sicher mit einer positiven Bescheidung seines Antrags rechnen und musste begründete Zweifel an der gegenteiligen Auskunft seines Verteidigers haben. Auch einem nicht Rechtskundigen kann es nicht verborgen bleiben, dass Anordnungen, die den Ablauf der Hauptverhandlung berühren, allein von dem zuständigen Gericht getroffen werden und der Verteidiger hierauf nur beschränkt Einfluss nehmen kann (BayObLG, aaO). Der Betroffene war daher verpflichtet, sich selbst oder über seinen Verteidiger bei dem Amtsgericht telefonisch zu erkundigen, ob seinem Antrag stattgegeben werde. Ohne eine Verlegung des Termins aber war der Betroffene – und dies wusste er aufgrund der ihm mit der Ladung übersandten Belehrung – zum Erscheinen im Termin verpflichtet, wollte er nicht eine Verwerfung seines Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG in Kauf nehmen.
Eine Nachfrage des Betroffenen bei Gericht wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn er aufgrund der Mitteilung seines Verteidigers hätte annehmen dürfen, dieser habe sich bereits bei Gericht erkundigt und gesicherte Kenntnis darüber, dass dem Verlegungsantrag stattgegeben werde. Ein solcher Sachverhalt wurde jedoch gerade nicht vorgetragen; vielmehr ist der Betroffene durch seinen Verteidiger lediglich über einen erst noch zu stellenden Verlegungsantrag informiert worden.
Das Mitverschulden des Betroffenen an der Versäumung des Hauptverhandlungstermins schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.1978, 2 Ws 206/78, bei juris; LG Berlin, aaO).
3. Die Frage, ob der Betroffene wegen des kurzfristig gestellten Verlegungsantrags des Verteidigers bei Aufruf der Sache möglicherweise genügend entschuldigt war und das Amtsgericht daher gehindert gewesen sein könnte, den Einspruch durch Urteil zu verwerfen, hatte die Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht zu entscheiden. Dies bleibt der Rechtsbeschwerde vorbehalten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Hinweis: Diese Entscheidung ist durch eine weitere Beschwerde nicht anfechtbar.