Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 33. Senat | Entscheidungsdatum | 18.08.2011 | |
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Aktenzeichen | L 33 R 430/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 24 SGB 4, § 25 SGB 4 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Säumniszuschlägen in Höhe von 14.880,00 Euro für die verspätete Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.
Die 1971 geborene J B (im Folgenden: Versicherte) absolvierte aufgrund des Ausbildungsvertrages vom 21. August 1987 ab 1. September 1987 eine Berufsausbildung beim Kläger. Durch Urkunde vom 19. Juli 1988 wurde sie mit Wirkung vom 1. September 1988 zur Polizeiassistentenanwärterin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung mit Urkunde vom 13. Februar 1991 mit Wirkung zum 28. Februar 1991 zur Polizeiassistentin zur Anstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Mit Wirkung zum 31. Juli 1992 schied sie aus dem Beamtenverhältnis aus und nahm eine Berufsausbildung auf. Die Personalakte endet (zunächst) mit einem Schreiben vom 1. Juli 1992 über die Verkürzung der Probezeit, unter dem 18. März 2008 wurde die Akte mit dem Vermerk, dass Nachversicherungsbeiträge zu entrichten seien, weiter bearbeitet.
Mit Schreiben vom 15. April 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er eine Beitragssumme von 11.545,58 Euro als Nachversicherungssumme für die Versicherte errechnet und an die Beklagte überwiesen habe, Säumniszuschläge jedoch nicht leisten werde, weil die Nachversicherungsbeiträge trotz eingetretener Verjährung allein aus fürsorgerischen Gründen entrichtet worden seien. Die Nachversicherungssumme wurde dem Konto der Beklagten am 22. April 2008 gutgeschrieben.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich aufgrund der verspäteten Zahlung der am 1. August 1992 fällig gewordenen Nachversicherungsbeiträge ein Säumniszuschlag in Höhe von 14.880,00 Euro ergebe, den sie beabsichtige zu erheben. Die Säumnis beginne am 1. Januar 1995 und betrage 160 Monate, so dass sich ausgehend von einer Nachversicherungsschuld von 9.348,61 Euro, abgerundet auf 50,00 Euro (= 9.300,00 Euro), vervielfältigt mit 160 und 1, der genannte Säumniszuschlag ergebe.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 6. August 2008 die Einrede der Verjährung und trug vor, er habe die Nachversicherungsbeiträge aus Gründen der Fürsorge überwiesen, obwohl der Beitragsanspruch nach § 25 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) verjährt sei. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei auch nach dem rechtskräftigen Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2007 – L 4 R 2218/05 – auf die Nebenforderungen anzuwenden, wenn die Nachversicherung – wie hier – versehentlich unterblieben sei.
Die Beklagte erhob mit Bescheid vom 24. September 2009 einen Säumniszuschlag in Höhe von 14.880,00 Euro, dessen Aufhebung der Kläger mit seiner am 29. Oktober 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Nachversicherung sei nach Auswertung der Akten aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen zunächst unterblieben. Aufgrund des treuwidrigen Verhaltens der Beklagten, die bis Ende März 2003 von der Möglichkeit, Säumniszuschläge zu erheben, keinen Gebrauch gemacht habe, obwohl dies gesetzlich vorgesehen gewesen sei, sei ihr Anspruch verwirkt. Erstmals mit Schreiben vom 28. März 2003 habe die Beklagte seine (d. Kl.) Personalstelle informiert, dass sie ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und künftig Säumniszuschläge erheben werde. Die Verwaltungspraxis könne nicht in Bezug auf in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte geändert werden, die Beklagte habe zudem die Erhebung von Säumniszuschlägen “künftig“ – also ausschließlich für die Zukunft – angekündigt. Dem Vertrauensschutz stehe auch nicht die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen, wonach ein bloßes „Nichtstun“ – hier das Unterlassen, Säumniszuschläge zu fordern – als Verwirkungshandlung nicht ausreiche, denn die bisherige Nichterhebung von Säumniszuschlägen sei von der Beklagten bewusst und gewollt und habe von ihm als planmäßig betrachtet werden dürfen, so dass er sich auf einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand berufen dürfe. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben. Die Nachversicherung sei allein aus Gründen der Fürsorge erfolgt, obwohl der Anspruch der Beklagten bereits verjährt gewesen sei. Seine Sachbearbeiter seien angewiesen gewesen, beim Ausscheiden eines Beamten die Nachversicherungsvoraussetzungen und mögliche Aufschubgründe sofort zu prüfen. Aufgrund einer nicht schriftlich fixierten Weisung, die jedem Sachbearbeiter bekannt gewesen sei, seien die Nachversicherungsvoraussetzungen und mögliche Aufschubgründe nach dem Ausscheiden des Beamten umgehend zu prüfen gewesen. Der für den Vorsatz erforderliche Wille, der Beklagten die Beiträge dauerhaft vorzuenthalten, werde ausdrücklich bestritten. Die Aktenlage biete hierfür keinen Hinweis, insbesondere könne ihr nicht entnommen werden, dass die Akte durch den Sachbearbeiter im Bewusstsein einer noch ausstehenden Nachversicherung weggelegt worden sei. Die Auffassung des BSG im Urteil vom 17. April 2008 werde nicht geteilt. Da bei staatlichen Behörden das Risiko späterer Anspruchsverjährung oder Insolvenz nicht bestehe, habe die Beklagte bewusst auf die Geltendmachung von Säumniszuschlägen verzichtet, denn sie habe auf die Verlässlichkeit staatlicher Behörden vertraut. Es sei schlichtweg unbillig, dass gerade die hinsichtlich der Säumniszuschläge bis 2003 vorsätzlich säumig handelnde Beklagte gegen den nur fahrlässig handelnden Kläger vorgehe. Die Beklagte habe in Kauf genommen, dass eine Verwaltungspraxis entstanden sei, die in dem Ausnahmefall versehentlich unterlassener Nachversicherung sanktionslos bleibe.
Nach Auffassung der Beklagten reiche es aus, dass dem Nachversicherungsschuldner die Kenntnis von der Nachversicherungspflicht innerhalb der Vierjahresfrist zuzurechnen gewesen sei, wofür es nicht auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ankomme. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass innerhalb dieses Zeitraumes unverschuldet keine Unkenntnis von der Zahlungspflicht bestanden habe. Die Ausführungen zur Verwirkung griffen nicht, denn ein bloßes Nichtstun reiche als Verwirkungshandeln nicht aus, vielmehr müsse darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, das bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt habe, dass eine Forderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Insbesondere könne aus dem vom Bundesministerium des Inneren veröffentlichten Informationsblatt der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, worin die künftige Erhebung von Säumniszuschlägen angekündigt werde, kein Vertrauenstatbestand hergeleitet werden, denn es enthalte keine Aussage, dass vor seiner Erteilung fällig gewordene Nachversicherungsbeiträge nicht aufgegriffen würden. Die Erhebung von Säumniszuschlägen liege seit dem 1. Januar 1995 nicht mehr im Ermessen der Rentenversicherungsträger.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 31. März 2010 abgewiesen, nachdem die Beteiligten die Berechnung des Säumniszuschlages in der mündlichen Verhandlung vom selben Tag durch Teilvergleich für unstreitig erklärt haben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die Erhebung von Säumniszuschlägen seien im vorliegenden Fall gegeben. Ein fälliger Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Nachversicherungsbeiträge liege vor. Darüber hinaus sei der Kläger in Bezug auf die Zahlung der geschuldeten Beiträge vom 01. Januar 1995 bis zum 22. April 2008 säumig gewesen. Der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV stehe auch nicht die Regelung des § 24 Abs. 2 SGB IV entgegen. Danach sei, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt werde, ein hierauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft mache, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Diese Regelung finde über ihren Wortlaut hinaus in Fällen der Nachversicherung wie dem vorliegenden, in denen die Beitragsschuld vom Beitragsschuldner selbst ermittelt und durch die Zahlung dokumentiert werde, entsprechende Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, Aktenzeichen B 13 RJ 2803 R, Urteil vom 17. April 2008, Aktenzeichen B 13 R 123/078 R). Vorliegend sei dem Kläger, der sich insoweit das Wissen der Dienstherrn-Behörde zurechnen lassen müsse, bekannt gewesen, dass die Versicherte unversorgt aus dem Dienst ausgeschieden sei. Dies ergebe sich bereits aus der Einstellung der Dienstbezüge. Eine weitere Bearbeitung des Vorgangs, etwa die Ermittlung von Aufschubgründen – sei nicht erkennbar. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich somit, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Nachversicherung seinerzeit wohl gar nicht überwacht worden sei, so dass nicht glaubhaft gemacht sei, dass ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Überwachung der Nachversicherung bestanden hätten und der Kläger somit unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung gehabt habe. Es seien auch keine ausreichenden Kontrollmechanismen erkennbar, die im Falle des unversorgten Ausscheidens aus dem Dienst eine ordnungsgemäße Bearbeitung einschließlich der Prüfung und gegebenenfalls der Durchführung einer Nachversicherung hätten sicherstellen sollen. Dem Anspruch der Beklagten auf die erhobenen Säumniszuschläge stehe auch nicht die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Denn insoweit sei der Anspruch der Beklagten auf die Säumniszuschläge nicht nach § 25 SGB IV verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Dies gelte auch für die auf die Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen wie Säumniszuschläge (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2008, Az.: B 13 R 123/07 R), denn nach dem Rechtsgedanken des § 217 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) teilten Nebenforderungen im Hinblick auf die Verjährung das Schicksal der ihnen zugrunde liegenden Hauptforderung. Eine Verjährung des Anspruchs auf die Säumniszuschläge läge nur dann vor, wenn der Anspruch auf die Nachversicherungsbeiträge als solcher verjährt sei. Diesbezüglich könne der Beitragsschuldner aber auch – wie hier der Kläger – auf die Hauptforderung zahlen und sich lediglich in Bezug auf die Nebenforderung auf Verjährung berufen (so BSG, Urteil vom 17. April 2008 a.a.O.). Die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wäre hier nach Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 1. August 1992 am 31. Dezember 1996 abgelaufen. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verjährten jedoch Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Aufgrund dieser Vorschrift könne sich der Kläger hier im Hinblick auf den von der Beklagten als Nebenforderung geltend gemachten Anspruch auf Säumniszuschläge nicht mit Erfolg auf Verjährung berufen, denn vorliegend sei von einem vorsätzlichen Vorenthalten der Nachversicherungsbeiträge durch den Kläger im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auszugehen, so dass die 30jährige Verjährungsfrist sowohl auf den Anspruch auf die Nachversicherungsbeiträge als Hauptforderung als auch auf den Anspruch auf den Säumniszuschlag als Nebenforderung Anwendung finde. Die 30jährige Verjährungsfrist sei auch noch nicht abgelaufen. Der Begriff „vorsätzlich“ im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV schließe den bedingten Vorsatz mit ein. Für diesen sei es im Rahmen dieser Vorschrift bereits ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe (so BSG, Urteil vom 17. April 2008, Az.: B 13 R 123/07 R). Sofern eine natürliche Person Beitragsschuldner sei, werde im Regelfall die Kenntnis von der Beitragspflicht und der Umstand, dass die Beiträge nicht (rechtzeitig) gezahlt worden seien, genügen, um feststellen zu können, dass der Beitragsschuldner die Beiträge zumindest bedingt vorsätzlich vorenthalten habe. Die Rechtspflicht zur Beitragszahlung habe zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen sei. Aus einem aktiven Handeln im Bewusstsein, so vorzugehen, folge aber in aller Regel auch das entsprechende Wollen. Jedenfalls dann aber, wenn feststehe, dass der Schuldner innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt habe und die Zahlung nicht sichergestellt habe, obwohl er hierzu in der Lage gewesen sei, indiziere dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz. Dann liege es am Beitragsschuldner, besondere, im Einzelnen zu prüfende Umstände vorzutragen, die diesen Vorwurf des Vorsatzes aus seiner Sicht entkräfteten (BSG, Urteil vom 17. April 2008, Az.: B 13 R 123/07 R). Dieser Rechtsprechung des BSG schließe sich die erkennende Kammer vorbehaltlos an, denn wie dieses überzeugend ausgeführt habe, würde die verlängerte Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV anderenfalls auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere laufen. Denn dann könne sich ein Beitragsschuldner nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist seiner Beitragspflicht mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die von ihm beabsichtigte Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er den Vorgang verlegt oder schlicht vergessen habe. Der Kläger habe hier keine besonderen, im Einzelnen darzustellenden Umstände vorgetragen, die diesen indizierten Vorwurf des Vorsatzes hätten entkräften können. Der Kläger könne sich gegenüber dem von der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf die Erhebung von Säumniszuschlägen auch nicht mit Erfolg auf eine vollständige oder teilweise Verwirkung des Rechts zur Geltendmachung von Säumniszuschlägen berufen (wird ausgeführt).
Gegen das dem Kläger am 28. April 2010 zugestellte Urteil wendet sich seine am 6. Mai 2010 eingegangene Berufung, mit der er vorträgt, die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Säumniszuschlägen lägen nicht vor, denn deren Erhebung für die Zeit bis Ende März 2003 sei treuwidrig und damit rechtsmissbräuchlich. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte trotz entsprechender gesetzlicher Verpflichtung (§ 24 Abs. 1 SGB IV) von der Erhebung von Säumniszuschlägen abgesehen und damit eine Verwaltungspraxis begründet, so dass er (d. Kl.) nicht damit habe rechnen müssen, von dieser Verfahrensweise ausgeschlossen zu sein. Der Beklagten stehe es zwar frei, ihre Verwaltungspraxis zu ändern, sie habe hierbei allerdings nicht die Möglichkeit, in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte nach der geänderten Verwaltungspraxis rückwirkend aufzugreifen, sondern habe sich auf künftige Fälle einer verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen zu beschränken. Der Begründung eines Vertrauensschutzes stehe auch nicht die ständige Rechtsprechung des BSG entgegen, wonach ein bloßes Nichtstun – hier das Unterlassen der Erhebung von Säumniszuschlägen – als Verwirkungshandlung nicht ausreiche, denn das Verhalten der Beklagten, die in Kenntnis der Gesetzesänderung aus dem Jahr 1995 bis zum Frühjahr 2003 auf die Erhebung von Säumniszuschlägen verzichtet habe, müsse als bewusst und planmäßig bewertet werden. Das BSG verkenne zudem, dass er die rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten als solche weder erkannt habe noch habe erkennen müssen, denn die korrekte Auslegung und zeitnahe Umsetzung habe zuvörderst der Beklagten oblegen, er selbst habe hingegen darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Befugnisse in rechtlich zulässiger Weise von der Erhebung von Säumniszuschlägen absehe. Während das BSG der Beklagten die Möglichkeit gebe, die zunächst rechtswidrig unterbliebene Geltendmachung von Säumniszuschlägen nachträglich zu korrigieren und davon sogar finanziell zu profitieren, habe er – der an der Situation nichts mehr ändern könne - das gesamte finanzielle Risiko auch für die zurückliegenden Zeiträume des beiderseitig rechtlich zweifelhaften Vorgehens zu tragen. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Säumniszuschläge verjährt. Aufgrund der internen Weisungslage, die Nachversicherungsvoraussetzungen zu prüfen und die Nachversicherung umgehend durchzuführen, die auch in einer Vielzahl von Entlassungsfällen umgesetzt worden sei, stehe zwar die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters von der Notwendigkeit der Nachversicherung außer Zweifel, ausdrücklich bestritten werde aber der für den Vorsatz ebenfalls erforderliche Wille, die Beiträge dem Beklagten dauerhaft vorzuenthalten. Im Ergebnis sei lediglich von einem Versehen des Bearbeiters auszugehen. Die vom BSG vertretene Argumentation zur Beweislastumkehr zugunsten der Beklagten widerspreche seiner älteren Rechtsprechung und dem Gesetz. Es sei völlig lebensfremd, wenn das BSG offenbar unterstelle, der Behörde könne bei versehentlicher Nichtabführung der Beiträge grundsätzlich eine vorsätzliche Vorenthaltung unterstellt werden. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Sozialgericht habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie deren Verwaltungsakten und die Personalakten der Versicherten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid vom 24. September 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ist die Beklagte berechtigt, ab 1. Januar 1995 Säumniszuschläge gegen den Kläger festzusetzen.
Gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Nachversicherungsbeiträge für die Versicherte waren gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV nach § 184 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), seit dem 1. August 1992 fällig, weil die Versicherte am 31. Juli 1992 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ausgeschieden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung sind weder erkennbar noch vorgetragen worden.
Der Erhebung des Säumniszuschlags steht auch keine unverschuldete Unkenntnis der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen, so dass der Anspruch der Beklagten auf den geltend gemachten Säumniszuschlag entgegen der Ansicht des Klägers nicht verjährt ist, denn Ansprüche auf Beiträge verjähren zwar gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gilt allerdings eine Verjährungsfrist von 30 Jahren, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind. Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Verhalten im Sine von § 272 BGB entgegen, wobei bei Körperschaften des öffentlichen Rechts das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV ausschließt (BSG Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – zitiert nach juris, Rdnr. 23 mit zahlreichen Nachweisen).
Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen führt dazu, dass sich der Dienstherr das Verhalten des einzelnen Mitarbeiters zurechnen lassen muss. Der Kläger selbst hat wiederholt vorgetragen, dass die mit der Personalsachbearbeitung betrauten Mitarbeiter um die Erforderlichkeit der Prüfung der Nachversicherungsvoraussetzungen sowie der Ermittlung bestehender Aufschubgründe wussten und angewiesen waren, diese durchzuführen. Es ist also mit dem Kläger davon auszugehen, dass der zuständige Personalsachbearbeiter erkennen konnte, dass es sich hier um einen Fall handelte, in dem die Nachversicherungsvoraussetzungen zu prüfen und ggf. die Nachversicherung durchzuführen war. Anders als der Kläger meint, muss jedoch nicht der handelnde Mitarbeiter selbst, der um das mögliche Bestehen der Nachversicherungspflicht weiß, auch die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf nehmen, damit die 30jährige Verjährung ausgelöst wird. Diese Komponente des Verschuldens fällt vielmehr in den Einflussbereich des Dienstherrn, der durch Dienstanweisung oder andere organisatorische Maßnahmen die fristgerechte Beitragsnachentrichtung sicherzustellen hat. Der Kläger hat – wie das Sozialgericht zutreffend beanstandet hat - nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er irgendwelche Maßnahmen getroffen hat, um die korrekte Bearbeitung von Nachversicherungsfällen sicherzustellen. Der Regelungsgehalt der für eine Exkulpation erforderlichen Dienstanweisung hätte dabei nicht – wie der Kläger einwendet – darauf gerichtet sein müssen, die versehentliche Nichtbearbeitung zu verhindern, es hätten vielmehr allgemein die korrekte Verfahrensweise von Nachversicherungsfällen geregelt werden und dabei Kontrollmechanismen geschaffen werden müssen, um auch die fristgerechte, zumindest aber zeitnahe Abführung der Nachversicherungsbeiträge an die Beklagte zu gewährleisten. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass versehentliche Nichtbearbeitungen, zu denen der hier zugrunde liegende Vorgang zu zählen scheint, durch die Schaffung von Dienstanweisungen nicht zu verhindern sind. Darauf kommt es aber auch gar nicht an, denn das Organisationsverschulden des Klägers liegt darin, dass er auf die Schaffung von Kontrollmechanismen offenbar gänzlich verzichtet hat. Bei fehlendem Organisationsverschulden werden versehentliche Falsch- oder Nichtbearbeitungen toleriert, der Kläger könnte sich hierdurch exkulpieren. Indem er jedoch die Verwaltungsabläufe nicht so organisiert hat, dass die Zahl verspäteter oder gar versäumter Beitragsnachentrichtungen möglichst gering gehalten wird, sondern auf die ordnungsgemäße Bearbeitung vertraut hat, hat der Kläger die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen und damit bedingt vorsätzlich gehandelt. Dies hat auch das BSG in seinem Urteil vom 1. Juli 2010 – aaO., Rdnrn. 25, 26 – klargestellt, in dem es ausgeführt hat, dass das Außerachtlassen jeglicher organisatorischer Vorkehrungen – im dort entschiedenen Fall zur Frage der Verfahrensweise bei gänzlich fehlender Mitwirkung des Nachzuversichernden - den Tatbestand eines fahrlässigen Organisationsverschuldens erfülle. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.
Das Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. März 2003 ist entgegen der Auffassung des Klägers weder als Zusicherung, Säumniszuschläge nur auf künftige Forderungen erheben zu wollen, noch als Verzicht auf die Erhebung von Säumniszuschlägen auszulegen. Der Senat nimmt auch insoweit Bezug auf das Urteil des BSG vom 1. Juli 2010 – aaO., Rdnr. 28 -, das ebenso wie zuvor das Landessozialgericht Hamburg in seinem Urteil vom 23. Juli 2008 – L 6 R 64/06 zitiert nach juris, Rdnr. 26 - weder dem Wortlaut des Schreibens noch des Informationsblattes einen entsprechenden Inhalt zu entnehmen vermochte.
Schließlich widerspricht die Erhebung des Säumniszuschlags auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), eine auch im Sozialversicherungsrecht anerkannte Verwirkung als Fall unzulässiger Rechtsausübung scheidet aus. Ein Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei dem Kläger das berechtigte Vertrauen begründet hat, die Beklagte werde in Zukunft keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Allein die in der Vergangenheit – bis März 2003 - rechtswidrig unterlassene Erhebung von Säumniszuschlägen erfüllt nach den vom Sozialgericht zutreffend wiedergegebenen Anforderungen an das Verwirkungsverhalten nicht den Tatbestand der Verwirkung. Insbesondere durfte der Kläger das „bloße Nichtstun“ der Beklagten nicht als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen herangezogen zu werden (BSG aaO., Rdn. 34). Vor allem durch das Schreiben vom 28. März 2003 konnte bei dem Kläger kein Vertrauen dergestalt entstehen, dass die Beklagte auf die Geltendmachung von Säumniszuschlägen für in der Vergangenheit entstandene, ihr aber erst weit nach ihrem Hinweis auf die künftig beabsichtigte Verfahrensweise bekannt werdende Sachverhalte verzichten wollte. Eine solche Auslegung des Verhaltens der Beklagten erscheint nicht nur sach-, sondern auch lebensfremd. Im Gegenteil zeigt der mit diesem Schreiben gegebene Hinweis auf die geltende Rechtslage, verbunden mit der Ankündigung „künftig in allen Fällen der verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen Säumniszuschläge“ erheben zu wollen, dass die Beklagte in ihr noch gar nicht zur Kenntnis gelangten Nachentrichtungsfällen gerade nicht an ihrer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis festhalten wollte. Wie das BSG in seinem Urteil vom 1. Juli 2010 (aaO., Rdnr. 38) zu Recht ausgeführt hat, sind beide Beteiligte als Träger öffentlicher Verwaltung an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) gebunden, weshalb sich der Schuldner in der Regel nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen kann, sondern ebenso wie der Gläubiger darauf achten muss, dass öffentliche Mittel rechtmäßig und sachgerecht verwendet werden. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz. Dem Kläger hätte es nach dem Erhalt des Schreibens vom 28. März 2003 vielmehr oblegen, umgehend die korrekte Bearbeitung in der Vergangenheit liegender Nachversicherungsvorgänge zu überprüfen. Weshalb es bis zum 18. März 2008 dauerte, bis der Kläger festgestellt hat, dass er für die Versicherte seit August 1992 nicht nur keine Nachversicherungsbeiträge entrichtet, sondern den Vorgang überhaupt nicht abschließend bearbeitet hat, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Jedenfalls handelt es sich hierbei um einen dem Kläger zuzurechnenden Umstand, dessen wirtschaftliches Risiko allein er zu tragen hat. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger meint, für die ihn in Form der Entrichtung von (beträchtlichen) Säumniszuschlägen treffenden wirtschaftlichen Folgen der verspäteten Beitragsnachentrichtung die Verantwortung auf die Beklagte abwälzen zu können, obwohl es ihm oblegen hätte, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen eine zeitnahe Umsetzung der Nachversicherung zu gewährleisten.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.