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Entscheidung 27 Ns 89/15


Metadaten

Gericht LG Potsdam 7. Kleine Strafkammer Entscheidungsdatum 11.02.2016
Aktenzeichen 27 Ns 89/15 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 30. Juni 2015 aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft legt der Angeklagten zur Last, sie habe als vom Amtsgericht Potsdam eingesetzte Betreuerin den Tod der von ihr betreuten, damals 59 Jahre alten Marion H. fahrlässig verschuldet. Frau H. war in verwirrtem Zustand in die psychiatrische Klinik des Ernst-von-Bergmann Klinikums in Potsdam eingeliefert worden, wo ihr die Angeklagte als Betreuerin bestellt worden war. Der vom Krankenhaus beauftragte Pflegedienst sollte Frau H. nach ihrer Entlassung am 14. September 2012 regelmäßig morgens und abends Medikamente verabreichen und die Einnahme überwachen. An mehreren aufeinanderfolgenden Tagen öffnete Frau H. dem Pflegedienst nicht ihre Tür. Als die Feuerwehr am 28. September 2012 die Wohnungstür aufbrach, fand sie Frau H. in unbekleidetem Zustand auf dem Boden liegend vor und brachte sie ins Krankenhaus. Frau H. starb dort am 5. November 2012 an einem Druckgeschwür, das sie sich durch das mehrtägige reglose Liegen zugezogen hatte.

Da das Amtsgericht der Auffassung war, die Angeklagte sei ihrer Sorgfaltspflicht als Betreuerin nicht nachgekommen und habe dadurch den Tod der Frau H. verschuldet, hat das Gericht sie am 30. Juni 2015 im Verfahren 82 Ds 328/14 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt.

Mit Schriftsatz, der am 3. Juli 2015 beim Amtsgericht einging, hat die Angeklagte Rechtsmittel eingelegt, das als Berufung durchgeführt worden ist.

Das statthafte und zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel hatte Erfolg. Die Kammer hat die Angeklagte aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, da sie die Pflichtenstellung der Angeklagten anders bewertet hat als das Amtsgericht und im Übrigen eine Sorgfaltspflichtverletzung der Angeklagten nicht erkennen konnte.

II.

Zur Person der Angeklagten hat die Kammer Folgendes festgestellt:

Die 39 Jahre alte Angeklagte ist seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Sie ist Einzelanwältin mit eigener Kanzlei. Seit 2009 ist sie außerdem Berufsbetreuerin. Derzeit betreut sie 17 Personen in verschiedenen Aufgabenkreisen von Vermögenssorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht bis zur Gesundheitsfürsorge.

Die Angeklagte ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist nicht vorbestraft.

III.

Zur Sache hat die Kammer die folgenden Feststellungen getroffen:

Am 5. August 2012 wurde die damals 59 Jahre alte Marion H. in halb bekleidetem, verwahrlostem und verwirrtem Zustand von Passanten auf der Straße in Berlin-Spandau angetroffen, von der herbeigerufenen Polizei in der Notaufnahme des Klinikums Spandau vorgestellt und von dort in die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Ernst-von-Bergmann Klinikums Potsdam verbracht, wo sie von der Zeugin Dr. R. aufgenommen wurde. Frau H. war davon überzeugt, dass ihr getrennt lebender Mann sie vergiften wolle und sie über Monitore überwache. Um ihn zu treffen, war sie mehrere Tage in ihrer früheren Wohngegend in Berlin-Spandau herumgeirrt. Die Zeugin Dr. R. nahm bei Frau H. eine ausgeprägte Schiefhaltung wahr, die keine körperlichen Ursachen hatte. Sie diagnostizierte eine wahnhafte Störung und verschrieb Frau H. das Neuroleptikum Risperidon (2 x 1mg/Tag) worauf sich der Verfolgungswahn und die Schiefhaltung alsbald legten. Weil die Zeugin Dr. R. eine vorzeitige Demenz vom Alzheimertyp vermutete, nahm sie eine Demenzdiagnostik vor, die mittelgradige Defizite zeigte.

Da Frau H. einen Aufenthalt in der Klinik ablehnte, beantragte Frau Dr. R. am 5. August 2012 wegen Eigengefährdung aufgrund von kognitiven Defiziten, Orientierungsstörungen und Situationsverkennung ihre Unterbringung für zwei Wochen.

Am 6. August 2012 wurde die Patientin vom Amtsgericht/Betreuungsgericht Potsdam zum Unterbringungsantrag angehört. Dabei willigte sie zunächst in einen freiwilligen Klinikaufenthalt ein. Bei der erneuten Anhörung am 8. August 2012 widerrief sie jedoch ihre Einwilligung, so dass das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag gemäß § 8 Abs. 2 BbgPsychKG ihre vorläufige Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bis zum 22. August 2012 anordnete. Grund für die Unterbringung, so das Amtsgericht, sei eine wahnhafte Störung der Patientin, die sich dadurch selbst gefährde.

Im Wege der einstweiligen Anordnung bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. August 2012 die Angeklagte der Patientin vorläufig zur Betreuerin für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung zum Zweck der Heilbehandlung, Gesundheitsfürsorge, Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern, Vertretung vor Ämtern und Behörden, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten. Die Betroffene sei im Sinne des § 1896 BGB wegen Krankheit nicht in der Lage, hinsichtlich der genannten Aufgabenkreise ihre Angelegenheiten wahrzunehmen.

Nachdem der 22. August 2012 verstrichen war, verblieb die Patientin auf eigenen Wunsch noch bis zum 14. September 2012 in der Klinik. In dieser Zeit suchte die Angeklagte sie auf, um sich als Betreuerin vorzustellen. Sie führte auch ein Gespräch mit der Zeugin Dr. R. und dem Zeugen K., Mitarbeiter des Sozialdienstes der Klinik. Frau Dr. R. teilte der Angeklagten mit, Frau H. werde in ihre eigene Wohnung zurückkehren und könne dort selbständig leben. Ein Pflegedienst werde für die regelmäßige Einnahme der Medikamente sorgen. K. informierte die Angeklagte darüber, dass das Krankenhaus den Pflegedienst W. beauftragt habe, Frau H. zu betreuen und ihr morgens und abends ihre Medikamente zu reichen und die Einnahme zu überwachen. Er teilte ihr auch mit, dass der Pflegedienst auf ärztliche Verordnung durch das Krankenhaus hin beauftragt worden sei und dass diese Verordnung bis zum nächsten Termin, an dem sich die Patientin in der Ambulanz des Klinikums zur Nachsorge vorstellen solle, gültig sei. Frau H. sei am 28. September 2012 in der Ambulanz bestellt.

Kurz vor der Entlassung der Patientin aus der Klinik trafen der Zeuge K., die Angeklagte und Frau H. in der Wohnung der Patientin in der Französischen Straße … in P. zusammen, um den Alltag von Frau H. nach der Entlassung zu regeln. Die Patientin erkannte die Angeklagte, nannte ihren Namen und übergab ihr auf ihre Bitte Unterlagen wie Mietvertrag, Bankunterlagen und Rentenbescheide, damit sie sie kopieren könne. Auf die Angeklagte und den Zeugen K. machte Frau H. den Eindruck, sie sei zwar vergesslich, könne sich aber selbst versorgen und ein eigenständiges Leben führen.

Bei der Entlassung der Patientin aus der Klinik hielt die Zeugin Dr. R. im Arztbrief vom 29. September 2012 fest, die Patientin leide an mittelgradiger Demenz, sei örtlich orientiert, ihr Zustand habe sich durch die Gabe von Neuroleptika gebessert. Sie sei zwar etwas wacklig auf den Beinen, könne sich aber selbst versorgen und eigenständig und alleine leben.

Die Angeklagte nahm telefonischen Kontakt zum Pflegedienst W. auf, berichtete, sie sei als Betreuerin bestellt worden, und teilte ihre Telefonnummer mit. Der Zeuge Ry., der beim Pflegedienst den Telefondienst versah, bat die Angeklagte, ihre Betreuerurkunde vorbeizubringen.

An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag zwischen der Entlassung von Frau H. aus dem Krankenhaus am 14. September und dem 24. September 2012 rief der Zeuge Ry. bei der Angeklagten an und teilte ihr mit, die Patientin habe dem Pflegedienst am Morgen nicht die Tür geöffnet. Daraufhin rief die Angeklagte die Patientin an und mahnte sie, dem Pflegedienst zu öffnen, da sie ihre Medikamente nehmen müsse. Frau H. beklagte sich, dass der Pflegedienst so früh komme, schon um 6.00 Uhr, wenn sie noch schlafe. Sie versprach aber, in Zukunft zu öffnen. Die Angeklagte ging davon aus, dass die Patientin dem Pflegedienst künftig öffnen werde.

Die Angeklagte hatte am 23. September 2012, einem Sonntag, Geburtstag und hatte sich anschließend eine Woche Urlaub genommen. Sie hatte für diese Zeit Vorsorge getroffen: Ihr Büro war am Montag, den 24. September und am Donnerstag, den 27. September 2012 besetzt, und für die restliche Zeit hatte sie eine Rufumleitung auf ihr Handy geschaltet. Ihre Mitarbeiterin hatte sie angewiesen, sie in dringenden Fällen zu benachrichtigen oder selbständig zu handeln.

Am Montag, den 24. September, öffnete Frau H. dem Pflegedienst weder morgens noch abends die Türe. Der Altenpflegerin Ru., die am 24. September an der Wohnungstür klingelte, öffnete Frau H. nicht, sondern rief durch die Türe, sie könne nicht aufmachen, da der Boden so glatt sei. Es gehe ihr gut, sie komme nur so schnell nicht aus dem Bett heraus. Als Frau H. auch am Dienstag, den 25. September morgens nicht öffnete, rief der Zeuge Ry. am Nachmittag die Angeklagte an, benachrichtigte sie darüber, dass Frau H. die Tür wieder nicht öffne, und bat die Angeklagte, dem Pflegedienst einen Wohnungsschlüssel von Frau H. zu verschaffen. Die Angeklagte antwortete, es tue ihr leid, sie könne sich darum jetzt nicht kümmern, da sie im Urlaub sei. Sie verfüge nicht über einen Wohnungsschlüssel zur Wohnung von Frau H., werde sich aber nach ihrem Urlaub darum kümmern, dass der Pflegedienst einen Schlüssel erhalte.

Über die Fortsetzung dieses Telefongesprächs sind die Angeklagte und der Zeuge Ry. uneinig (s.u. IV); die Einlassung der Angeklagten, sie habe dem Zeugen Ry. gesagt, er solle die Tür durch die Polizei oder die Feuerwehr aufbrechen lassen, wenn Frau H. am Abend wieder nicht öffne, konnte ihr nicht widerlegt werden.

Die Angeklagte ging jedenfalls davon aus, der Pflegedienst werde entweder selbständig handeln oder sie erneut benachrichtigen, wenn Frau H. nicht öffne.

Auch am Mittwoch, den 26. und Donnerstag, den 27. September öffnete Frau H. weder morgens noch abends dem Pflegedienst die Tür, ohne dass Mitarbeiter des Pflegedienstes W. die Angeklagte benachrichtigten oder etwas unternahmen. Der Zeuge Wi., Altenpfleger und Angestellter des Pflegedienstes W., hatte vergeblich an der Haustüre geläutet und war nicht bis zur Wohnungstüre vorgedrungen. Die Angeklagte wurde von den vergeblichen Versuchen, Frau H. zu erreichen, nicht unterrichtet.

Am Freitag, den 28. September 2012, hatte Frau H. einen hausärztlichen Nachsorgetermin in der psychiatrischen Ambulanz des Ernst-von-Bergmann Klinikums. Als sie dort nicht erschien, machten sich der Arzt Dr. Wil. und die Krankenschwester He. Sorgen und fuhren zur Wohnung der Patientin. Als Frau H. auf Klingeln und Klopfen nicht öffnete, beauftragte Dr. Wil. die Feuerwehr mit dem Öffnen der Wohnung. Die Krankenschwester He. fand Frau H. unbekleidet auf dem Rücken liegend vor. Ihr unterer Rücken wies einen Dekubitus (Druckgeschwür) vierten Grades sacral mit einer Größe von 10 x 5 Zentimetern auf. Über dem rechten Schulterblatt war ein Dekubitus dritten Grades, über der linken Ferse ein Druckgeschwür zweiten Grades und am gesamten Rücken und Oberschenkel ein Dekubitus ersten Grades entstanden. Die Patientin war unterkühlt und dehydriert. Frau H. hatte wahrscheinlich mehrere Tage hilflos auf dem Boden gelegen; die Druckgeschwüre waren durch das reglose Liegen entstanden. Der sacrale Dekubitus reichte bis an den darunter liegenden Knochen. Organische Ursachen für die Bewegungslosigkeit der Patientin bestanden nicht. Frau H. hatte weder Brüche noch sonstige somatische Traumata erlitten, die ihre Reglosigkeit hätten erklären können. Sie war auf ausschließlich psychische Ursachen zurückzuführen.

Die Patientin wurde von der Feuerwehr ins Ernst-von-Bergmann Klinikum verbracht, wo sie versorgt und mehrfach operiert wurde. Sie verstarb jedoch am 5. November 2012 an den Folgen des sacralen Dekubitus, der zu einer tödlichen Sepsis geführt hatte.

IV.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu III. spiegeln das Ergebnis der Beweiswürdigung wider.

Die Einlassung der Angeklagten stimmt mit den erhobenen Beweisen überein – bis auf den Verlauf des Telefongesprächs mit dem Zeugen Ry. am 25. September 2012, das unter IV.3 gewürdigt wird.

1.

Die Krankengeschichte der Patientin bis zu ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus am 14. September 2012 ergibt sich aus der Vernehmung der Zeugin Dr. R., die von der Aufnahme der Patientin, ihrem ersten Eindruck von ihr, dem Antrag auf Unterbringung und Betreuung sowie dem Verlauf des Krankenhausaufenthalts berichtet hat. Die Zeugenaussage ist gestützt und ergänzt worden durch die Verlesung der entsprechenden Anträge und der Beschlüsse des Betreuungsgerichts. Das Gespräch mit der Angeklagten im Beisein des Zeugen K. schildern die Angeklagte und die Zeugin sowie der Zeuge K. gleichlautend. Auch bei mit Frau H. geführten Gesprächen ihrer Wohnung gibt es keine Abweichungen zwischen der Einlassung der Angeklagten und den Bekundungen des Zeugen K. . Der Zeuge hat zudem berichtet, er habe den Pflegedienst W., von dem ihm nichts Nachteiliges bekannt gewesen sei, mit der Nachsorge für Frau H. beauftragt. Die Anschlussheilbehandlung sei von der Klinik verschrieben worden und habe die Gabe der Medikamente Risperidon morgens und abends und Galantamin ret. als Depotmedikation umfasst. Die Einnahme der Medikamente solle vom Pflegedienst überwacht werden. Die ärztliche Verordnung sei bis zum nächsten Nachsorgetermin in der psychiatrischen Ambulanz des Klinikums am 28. September 2012 gültig gewesen. Die Pflegekasse übernehme in derartigen Fällen die Kosten für den Pflegedienst. Die Zeugin Dr. R. hat auch über die Besserung des Zustandes der Patientin im Laufe der Behandlung und ihren Gesundheitszustand bei Entlassung, so wie es festgestellt worden ist, berichtet. Zudem ist der dazugehörige Arztbrief verlesen worden.

2.

Die Feststellungen zum Verlauf der Betreuung bis zum 24. September 2012 beruht auf der Einlassung der Angeklagten, an der es keinen Grund gibt zu zweifeln, zumal die Zeugen W., Sch., Ru. und Ry., die beiden Geschäftsführer des Pflegedienstes und dessen Angestellte nichts Zuwiderlaufendes berichtet haben. Auch der Zeuge Ry. hat mitgeteilt, er habe die Angeklagte davon unterrichtet, dass Frau H. die Tür nicht öffne. Außerdem habe er sie in einem zuvor geführten Telefongespräch um ihre Betreuerurkunde gebeten.

3.

a) Betreffend die Feststellungen zur Woche vom 23. bis zum 28. September 2012 lässt sich die Angeklagte wie folgt ein:

Sie habe am 23. September Geburtstag gehabt, an den sie jedes Jahr eine Woche Urlaub anschließe. Für diese Zeit habe sie im Büro für Notfälle vorgesorgt. Eine Mitarbeiterin habe am Montag und Donnerstag den Telefondienst versehen. Außerdem habe sie eine Rufumleitung auf ihr privates Handy geschaltet.

Am 25. September 2012 habe der Zeuge Ry. bei ihr angerufen und ihr mitgeteilt, Frau H. öffne schon seit dem vorhergehenden Tag ihre Wohnungstüre nicht. Er habe sie gebeten, dafür zu sorgen, dass der Pflegedienst W. einen Schlüssel zur Wohnung der Patientin erhalte. Sie habe zu Ry. gesagt, es tue ihr leid, aber darum könne sie sich jetzt nicht kümmern, da sie im Urlaub sei. Nach ihrem Urlaub werde sie den Schlüssel von Frau H. erbitten. Der Pflegedienst solle die Polizei oder die Feuerwehr rufen, falls Frau H. am Abend wieder nicht öffne.

b) Der Zeuge Ry. berichtet ebenfalls von seinem Telefonanruf bei der Angeklagten. Seine Bekundungen stimmen mit der Einlassung der Angeklagten zunächst überein, was seine Mitteilung über Frau H. betrifft und die Erwiderung der Angeklagten. Er habe der Angeklagten mitgeteilt, dass Frau H. seit dem vorangegangenen Tag die Tür nicht öffne. Ob die Angeklagte nicht über einen Wohnungsschlüssel verfüge? Die Angeklagte habe ihm geantwortet, sie habe keinen Schlüssel und wolle sich nach ihrem Urlaub darum kümmern, dass der Pflegedienst einen Schlüssel erhalte. Sie wolle ohnehin demnächst vorbeikommen und ihre Betreuerurkunde übergeben. Der Zeuge stellt jedoch in Abrede, dass die Angeklagte ihm gesagt habe, er solle die Polizei oder die Feuerwehr mit dem Aufbrechen der Wohnungstür beauftragen, falls die Patientin auch am Abend nicht öffne.

c) Da die Einlassung der Angeklagten und die Bekundungen des Zeugen Ry. über diesen Teil des Telefongesprächs voneinander abweichen, hatte sich die Kammer damit auseinanderzusetzen, ob die Bekundungen des Zeugen Ry. geeignet waren, die Einlassung der Angeklagten zu widerlegen.

Die Kammer sah sich daran gehindert, den Bekundungen des Zeugen Ry. uneingeschränkt Glauben zu schenken. Der Zeuge Ry. war nämlich kein unparteilicher Zeuge. Er war sich noch vor seiner polizeilichen Vernehmung dessen bewusst, dass wegen des Todes von Frau H. Ermittlungen geführt wurden, die auch Mitarbeiter des Pflegedienstes W. betreffen konnten. Die Staatsanwaltschaft ging in ihrem Leitvermerk vom 22. November 2012 ohnehin davon aus, dass auch Mitarbeiter des Pflegedienstes W. als Beschuldigte in Betracht kämen, da ihnen eine Garantenstellung zum Schutz der ihnen anvertrauten Patientin obliege. Dass das auch dem Zeugen Ry. bewusst war, wird an der Durchsuchung der Räumlichkeiten des Pflegedienstes und der Sicherstellung und Beschlagnahme des Ereignisbuchs und der Pflegeberichte, die er am 10. Dezember 2012 miterlebt hatte, deutlich. Der Zeuge ist außerdem erst am 9. September 2014, also nach Erhebung der Anklage, polizeilich vernommen worden. Zudem ist der Zeuge sowohl beim Amtsgericht als auch bei der Kammer gemäß § 55 StPO über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt worden. Das Interesse des Zeugen Ry., nicht selbst der fahrlässigen Tötung beschuldigt zu werden, liegt auf der Hand. Es liegt auch in seinem Interesse, seine beiden Vorgesetzten, die Zeugen W. und Sch., die als Geschäftsführer den Pflegedienst leiten und die Dienste organisieren, als seine Arbeitgeber zu entlasten. Der Zeuge Ry. kannte also die ihm von Seiten der Ermittlungsbehörde drohende Gefahr, falls Mitarbeitern des Pflegedienstes ein Versagen vorzuwerfen wäre. Unter diesen Umständen kann die Kammer bei der Bewertung des Inhalts eines Telefongesprächs, an dem zwei Personen mit widerstreitenden Interessen beteiligt waren, die Einlassung der Angeklagten nicht von vornherein als von den Bekundungen des Zeugen Ry., der aus seiner Sicht genauso viel zu verlieren hatte wie die Angeklagte, als widerlegt ansehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Aussageverhalten des Zeugen konstant war und seine Bekundungen nicht von denen in der polizeilichen Vernehmung, die ihm vorgehalten worden sind, abweichen.

Es gibt auch keine weitergehenden Indizien, die auf die Widerlegung der Einlassung der Angeklagten zum Telefongespräch hinweisen. Der Zeuge Ry. hat im (verlesenen) Ereignisbuch lediglich dokumentiert „25.9.12 Anruf bei der Betreuerin Frau H., das wir seit gestern nicht in die Wohnung reinkommen, da Frau H. nicht aufmacht, weil der Boden so glatt ist, und um einen Schlüssel bitten“. Als nächster Eintrag ist ein Vermerk vom 1. Oktober 2012 zu finden.

4.

Dass nach dem Telefongespräch noch mehr als zwei Tage verstrichen, ohne dass Frau H. die Wohnungstür öffnete und ohne dass die Verantwortlichen des Pflegedienstes etwas unternahmen, ergibt sich aus den verlesenen Eintragungen im Pflegetagebuch des Pflegedienstes und aus der Vernehmung der Zeugen Ry. und Wi..

5.

Der Zustand, in dem Frau H. am 28. September 2012 aufgefunden wurde, ist vom Gericht festgestellt worden aufgrund der verlesenen Aussagen der Zeugen He. und Dr. Wil. beim Amtsgericht Potsdam. Er ergibt sich auch aus dem verlesenen Notfallbericht des Rettungsdienstes und dem Notfallbogen des Ernst-von-Bergmann Klinikums, die beide verlesen worden sind.

6.

Der Leichnam der verstorbenen Frau H. ist von der Sachverständigen E., Assistenzärztin beim Institut für Rechtsmedizin in Potsdam, und dem Oberarzt Dr. B., Facharzt für Rechtsmedizin, obduziert worden. Die Sachverständige E. hat über das Ergebnis der Obduktion Folgendes berichtet: Im Rahmen der Sektion hätten Organveränderungen einer massiven, generalisierten Entzündungsreaktion festgestellt werden können. Die feingewebliche Untersuchung habe ausgedehnte Infektionszeichen lebenswichtiger Organe gezeigt. Das sacrale Druckgeschwür habe sich klinisch als tiefes offenes Geschwür gezeigt, bei dem das Steißbein, der rechte Beckenkamm und der linke obere Hüftknochen freigelegen hätten. Dieses Druckgeschwür sei geeignet erschienen, eine derartige Entzündung lebenswichtiger Organe (Sepsis) zu verursachen. Wenn die Betroffene tatsächlich vier bis fünf Tage auf dem Boden gelegen habe, erscheine dieses ausreichend, einen derartigen Dekubitus zu verursachen. Bei früherem Auffinden der Betroffenen hätte zumindest eine derartig schwere Ausdehnung des Geschwüres, wenn nicht sogar dessen Entstehung, verhindert werden können.

V.

Rechtliche Würdigung:

Die Angeklagte hat sich nicht wegen fahrlässiger Tötung im Sinne des § 222 StGB schuldig gemacht, denn sie hat keine ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, aus der eine Straftat hätte resultieren können.

1.

Als Betreuerin von Frau H. war sie nicht im Sinne des § 13 StGB Garantin für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der von ihr betreuten Patientin. Ihre Stellung als Betreuerin war nicht mit einer Garantenstellung verbunden.

Seitdem das überkommende Vormundschaftsrecht durch das Betreuungsgesetz vom 12. September 1990 abgelöst worden ist, gibt es keine Entmündigung erwachsener Personen mehr. Der Betreuer verfügt im Vergleich mit dem früheren Vormund über eine erheblich reduzierte Fülle an Macht und Einfluss. Zwar ist der Betreuer wie in der früheren Regelung gesetzlicher Vertreter des Betreuten (§ 1902 BGB), was allerdings auf die Frage der Garantenstellung des Betreuers keinen weitergehenden Schluss zulässt. Denn die Einflussmöglichkeiten des Betreuers sind mit dem Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes deutlich geringer geworden. Das Betreuungsgesetz rückt nämlich den Fürsorgecharakter der Betreuung deutlich in den Vordergrund. Betreuung ist sowohl als soziale Leistung als auch als Eingriff zu betrachten (Doppelcharakter der Betreuung, s. Schwab, in: MK, 5. Auflage 2008, RN 2 zu § 1896 BGB). Der Betreuer ist in erster Linie zu Hilfe und Fürsorge verpflichtet. Er handelt zwar in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich als gesetzlicher Vertreter, benötigt aber in Einzelfällen für Eingriffe in das Freiheitsrecht des Betreuten eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (Schwab, a.a.O.). Das Rechtsverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem ist also nicht mit dem Verhältnis der zur elterlichen Sorge Verpflichteten zu vergleichen, die in der Regel ohne das Vormundschaftsgericht anrufen zu müssen über Wohl und Wehe des Kindes entscheiden. Diesem Verhältnis gegenüber erscheint das Betreuungsverhältnis als wesentlich weniger strikt und von geringerer Verantwortlichkeit des Betreuers gekennzeichnet. Nach Geist und Buchstaben der betreuungsgesetzlichen Regelungen ist der Betreuer vor allen Dingen zu Hilfe, Schutz und Fürsorge verpflichtet (Schwab, a.a.O.). Bei der Betreuung soll es sich um die Hilfe handeln, die es dem Betreuten ermöglicht, ein selbständiges Leben zu führen (Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, 266 ff.). Den Wünschen des Betreuten soll möglichst Vorrang gegeben werden, seine Autonomie möglichst erhalten werden (vgl. §§ 1896 Abs. 1, 2, 1897 Abs. 4 BGB).

Die Betreuung beschränkt sich auf die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten des Betreuten (Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, RN 1 zu § 1901 BGB), also die Organisation der verschiedenen Aufgabenkreise (Palandt a.a.O.). Akte rein tatsächlicher Fürsorge wie etwa Besuche etc. sind von den Pflichten des Betreuers nicht umfasst (Palandt, a. a. O.). Hoheitliche Eingriffe wie das Öffnen der Wohnung des Betreuten gegen seinen Willen sieht das Betreuungsrecht nicht vor. Der Betreuer hat z. B. keine Mittel, den Betreuten mit Zwang gegen seinen Willen einer ambulanten medizinischen Behandlung zuzuführen (Schwab, a. a. O., RN 71 zu § 1896 unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH, z. B. in FamRZ 01, 149 ff.). Das Betreuungsrecht sieht auch keinen Gesetzesvorbehalt vor, der zu einem Eingriff in das Grundrecht des Artikel 13 GG berechtigte. Nach überwiegender Auffassung ist der Betreuer auch nicht befugt, die Wohnung des Betreuten gegen dessen Willen zu betreten. Jedenfalls ist dafür eine gerichtliche Anordnung erforderlich (vgl. Schwab, a.a.O. RN 86 f). Das soll (eingeschränkt) auch für nicht oder nur bedingt einsichtsfähige Betreute gelten (vgl. LG Darmstadt, BtPrax 2012/129 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Folgerichtig umfasste die Betreuungsaufgabe der Angeklagten betreffend die Gesundheitsfürsorge vor allem die Organisation der ärztlichen und pflegerischen Versorgung der Betreuten. In ihrem Ausgabenkreis bedeutete das in erster Linie die gesetzliche Vertretung für die anfallenden medizinischen Angelegenheiten (Schwab, a. a. O., RN 71 zu § 1896 BGB). Durch den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge werden vor allem folgende Bereiche erfasst (Bienwald, in: Staudinger BGB, 2013, zu § 1896):

-die Inanspruchnahme von Leistungen der Gesundheitsfürsorge, sei es ärztliche oder andere Beratung, sei es die Versorgung mit Medikamenten
-die Einwilligung in eine ärztliche Behandlungsmaßnahme pp.
-das Einverständnis mit einem Klinikaufenthalt zwecks Durchführung einer medizinischen Maßnahme
-der Abschluss eines Behandlungsvertrages pp.
-die Sicherstellung der zur Finanzierung ärztlicher oder pflegerischer Maßnahmen erforderlichen Versicherungen pp.

Die Überwachung der Medikation etwa oder die Durchführung medizinischer Maßnahmen gegen den Willen des Betreuten gehören nicht zu den originären Aufgaben des Betreuers. Zwar wird der Betreuer bei Anhaltspunkten für eine Vernachlässigung oder medizinische Unterversorgung einzuschreiten haben, wenn das Wohl des Betreuten gefährdet ist. Er muss jedoch davon ausgehen können, dass die beteiligten, dem Betreuten vertraglich verpflichteten Ärzte und Pfleger ihre Aufgaben erfüllen, wenn er die Versorgung ordnungsgemäß organisiert hat.

Die Stellung des Betreuers nach §§ 1896 ff. BGB ist als wesentlich weniger eng mit dem Betreuten verbunden anzusehen als etwa die Stellung eines Familienmitglieds oder einer anderen Person, die aus Gesetz oder Vertrag zur Fürsorge für bestimmte Personen verpflichtet ist. Sie lässt sich z. B. nicht vergleichen mit der Fürsorgepflicht eines Arztes oder Pflegers für seinen Patienten oder von Mitarbeitern des Jugendamtes gegenüber betreuten Kindern, die als Garanten für Leben und körperliche Unversehrtheit der ihnen anvertrauten Personen anzusehen sind.

Stellt das Betreuungsverhältnis ein nur eingeschränkt striktes Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem dar, das zwar durch Rechtsakt hergestellt wird, aber dem Betreuer keine unmittelbaren Eingriffsrechte gegen den Betreuten gewährt, selbst wenn diesem die Einwilligungsfähigkeit fehlt, so beruht demgegenüber die Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB auf einer streng definierten Pflichtenstellung des Garanten, sei es aus Vertrag, Gesetz oder sonstigen engen Beziehungen oder der Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen. Ein Garant im Sinne des § 13 StGB hat nämlich rechtlich dafür einzustehen, dass ein bestimmter schädigender Erfolg nicht eintritt. Das ist dann der Fall, wenn ein Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht (§ 13 StGB).

Als Betreuerin hatte die Angeklagte nicht rechtlich im Sinne des § 13 StGB dafür einzustehen, dass die Betreute ungefährdet blieb. Eine solche Pflicht ergibt sich aus den Vorschriften des Betreuungsrechts gerade nicht. Die vorliegende Strafsache ist auch nicht zu vergleichen mit der der Entscheidung des OLG Celle (32 Ss 99/07, Beschluss vom 21. November 2007, zitiert nach juris) zugrunde liegenden Konstellation: Der Mitarbeiter der Ordnungsbehörde hatte seine auf Gesetz basierende Betreuungspflicht verletzt. Im vorliegenden Fall sieht das Gesetz dagegen gerade keine Garantenstellung vor.

Auch andere Garantenpositionen wie enge persönliche Beziehungen wie zwischen Familienangehörigen oder aus gefährlichem Vorverhalten kommen nicht in Betracht.

2.

Selbst wenn man nach weitergehender Rechtsauffassung eine Garantenposition der Angeklagten als gegeben ansieht, hat sich die Angeklagte keiner Sorgfaltspflichtverletzung schuldig gemacht.

Die Angeklagte war, wie oben ausgeführt, zu Hilfe, Schutz und Fürsorge für Frau H. verpflichtet. Ihr oblag die Organisation der ärztlichen und pflegerischen Betreuung. Sie hatte die ärztliche und pflegerische Betreuung zwar nicht selbst organisiert, denn das hatte der Zeuge K. erledigt. Er hatte den Pflegedienst beauftragt, Frau H. mit Medikamenten zu versorgen und deren Einnahme zu überwachen. Die ärztliche Betreuung war gesichert durch den Vorstellungstermin bei der psychiatrischen Ambulanz am 28. September 2012. Beides war der Angeklagten bewusst. Es gab keinen Anhalt dafür, dass Frau H. für den in Frage stehenden Zeitraum einer weitergehenden medizinischen oder pflegerischen Behandlung bedurft hätte. Die Medikamentengabe, die bei Frau H. während ihres Klinikaufenthaltes wesentlich zur Besserung ihres psychischen Zustandes beigetragen hatte, war durch die Beauftragung des Pflegedienstes gesichert. Für eine Überwachung des Pflegedienstes hatte die Angeklagte keine Veranlassung. Sie hatte auch keinen Grund, dem Pflichtbewusstsein des Pflegedienstes zu misstrauen. Einen Anlass, kontrollierend jeden Schritt des Pflegedienstes zu überwachen, hatte sie nicht. Ihr oblag, wie oben ausgeführt, vordringlich die Sorge dafür, dass die medizinische Versorgung der Patientin sichergestellt war.

Die Angeklagte hat sich Urlaub genommen im Bewusstsein, dass für die Gesundheit von Frau H. gesorgt sei. Sie hatte auf den Anruf des Pflegedienstes vor Antritt ihres Urlaubs bei Frau H. angerufen und sie ermahnt, dem Pflegedienst morgens die Tür zu öffnen, was Frau H. ihr auch versprochen hatte. Sie hatte, als sie Urlaub nahm, für die Organisation ihres Büros gesorgt und auch dafür Sorge getragen, dass sie in dringenden Fällen benachrichtigt werden konnte. Die Rufumleitung auf ihr Handy gewährleistete, dass sie von dringenden Fällen erfuhr. So geschah es auch am Nachmittag des 25. September 2012, als ihr der Zeuge Ry. mitteilte, Frau H. habe bereits seit dem Morgen des Vortages dem Pflegedienst nicht mehr geöffnet. An diesem Tag war das Büro der Angeklagten nicht besetzt, und der Anruf wurde ihr auf ihr Handy zugeleitet, von dem sie ihn annahm. Sie war auch in der Lage, auf den Anruf zu reagieren, und sie reagierte darauf. Wie oben ausgeführt ist ihr nicht zu widerlegen, dass sie dem Zeugen Ry. gesagt hatte, er solle die Feuerwehr oder Polizei anrufen, falls die Patientin am Abend wieder nicht öffne. Im Übrigen bestand zwischen der Angeklagten und den Mitarbeitern des Pflegedienstes kein Über- und Unterordnungsverhältnis, woraus sie den Pflegedienst hätte anweisen können, zu handeln. Da sie bis dahin keinen Grund gehabt hatte, am Pflichtbewusstsein der Mitarbeiter des Pflegedienstes zu zweifeln, konnte sie sich darauf verlassen, dass diese ihre Pflichten gegenüber Frau H. erfüllen würden. Dass der Pflegedienst weitere Tage vergehen lassen würde, ohne zu reagieren, lag, wie die Angeklagte glaubhaft ausgeführt hat, außerhalb ihres Vorstellungsvermögens.

Der Angeklagten ist auch kein Vorwurf daraus zu machen, dass sie den Mitarbeitern des Pflegedienstes keinen Wohnungsschlüssel der Betreuten überlassen hat. Sie selbst hatte keinen Schlüssel zur Wohnung von Frau H. . Ein Betreten der Wohnung gegen den Willen der Betreuten wäre ohnehin nur unter erschwerten Bedingungen überhaupt in Betracht gekommen (s. o.). Im Übrigen hätte es dem Pflegedienst freigestanden, die Patientin von sich aus um Überlassung des Wohnungsschlüssels zu bitten – wie es tatsächlich in vielen Fällen Übung der Pflegedienste ist.

Nach Auffassung der Kammer läge es weit näher, Mitarbeiter des Pflegedienstes wegen des Todes von Frau H. zur Verantwortung zu ziehen als die Angeklagte – wenn überhaupt eine strafrechtliche Verantwortung festgestellt werden kann. Immerhin stellt sich hier auch die Frage, ob ein solches Verhalten einer 59-jährigen an Demenz erkrankten Frau, die nur wenige Tage zuvor in gebessertem Zustand, unter der Gabe von Medikamenten und mit der Diagnose, sie könne ein selbständiges Leben führen, aus der Klinik entlassen worden war, überhaupt vorhersehbar war.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 332, 467 Abs. 1 StPO.