Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 01.11.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 K 24.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 68ff VwGO, § 68 Abs 1 S 2 Nr 1 VwGO, § 68 Abs 2 VwGO, § 162 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 2 S 2 VwGO |
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I.
Die Erinnerungsführer begehren die Festsetzung von Anwaltskosten für vorgerichtliches Tätigwerden ihrer Verfahrensbevollmächtigten gegen die Erinnerungsgegnerin.
Die Erinnerungsführer erstrebten in den im April 2008 gerichtshängig gewordenen Sachen VG 3... (Eil- sowie Hauptsacheklageverfahren) die Erteilung von Visa an die Erinnerungsführer zu 1. und 3. von der Erinnerungsgegnerin. Im Vorfeld hatten die Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer durch Korrespondenz mit der deutschen Botschaft in Rabat vergeblich versucht, eine Erteilung der Visa zu erreichen. Nach zwischenzeitlicher Erledigung der Anliegen der Erinnerungsführer teilten die Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer durch Schriftsatz vom 26. September 2008 mit, sie würden entsprechende prozessbeendende Erklärungen auch für das Klageverfahren abgeben, falls sich die Erinnerungsgegnerin bereit erkläre, die Kosten des Rechtsstreits „einschließlich der außergerichtlichen Kosten, also auch der Anwaltskosten“ zu übernehmen; dem kam die Erinnerungsgegnerin und seinerzeitige Beklagte bzw. Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2008 nach, indem sie unter Bezugnahme auf das vorgenannte Schreiben vom 26. September 2008 erklärte, die Parteien seien sich „darüber einig, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers übernimmt“. Nach anschließender Abgabe der Hauptsachenerledigungserklärung auch für das Klageverfahren durch die Erinnerungsführer stellte das Verwaltungsgericht die Verfahren durch Beschluss vom 23. Oktober 2008 ein und erlegte die Verfahrenskosten – „der außergerichtlichen Verständigung der Hauptbeteiligten folgend“ – der Erinnerungsgegnerin auf. Die Erinnerungsführer suchten bei der Erinnerungsgegnerin zunächst um unmittelbare Kostenerstattung nach, was diese unter dem 12. November 2008 unter Hinweis auf haushaltsrechtliche Gründe ablehnte; Zahlungen könnten insoweit regelmäßig erst nach Vorlage eines Kostenfestsetzungsbeschlusses geleistet werden. Auf den entsprechenden Kostenfestsetzungsantrag setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die den Erinnerungsführern von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 4. Dezember 2008 auf 1546,04 Euro fest; eine Festsetzung der auch in Ansatz gebrachten Geschäftsgebühr von 607,50 Euro für die vorgerichtliche Tätigkeit lehnte sie ab. Die hiergegen erhobene Erinnerung der Erinnerungsführer hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Februar 2009 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die geltend gemachte Geschäftsgebühr gehöre nicht zu den mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 der Erinnerungsgegnerin auferlegten Kosten des Verfahrens. Ein Vorverfahren im Sinne von § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO finde im Rahmen der Entscheidung über ein Visumsbegehren § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO zufolge nicht statt; Botschaften bildeten als Auslandsvertretungen nach § 2 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst zusammen mit dem Auswärtigen Amt eine einheitliche oberste Bundesbehörde unter Leitung des Bundesministers des Auswärtigen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2008 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat auch in Ansehung der Beschwerdebegründung zu Recht festgestellt, dass die Erinnerungsführer die Erstattung auch der geltend gemachten Geschäftsgebühr nach §§ 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO von der Erinnerungsgegnerin mit Erfolg nicht verlangen können.
Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, zu denen auch die Kosten des Vorverfahrens zählen können. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Abgesehen davon, dass es vorliegend an einem solchen (gesonderten) richterlichen Ausspruch fehlt, meint „Vorverfahren“ im Sinne von § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO lediglich das Widerspruchsverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO (vgl. schon OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. Januar 1972 – V OVG B 26/71 -, OVGE 28, 366, 368; OVG Münster, Beschluss vom 6. September 2001 – 21 E 626/01 -, NVwZ-RR 2002, 317; s. aus der Kommentarliteratur etwa Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 162, Rdn. 91). Von einem solchen Vorverfahren kann vorliegend freilich nicht gesprochen werden. Die deutsche Botschaft in Rabat, bei der sich die Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer vorprozessual um die Erteilung der Visa für die Erinnerungsführerin zu 1 und ihre Tochter, die Erinnerungsführerin zu 3, bemüht hatten, gehört nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst (GAD) zu den Auslandsvertretungen; diese bilden nach § 2 GAD zusammen mit dem Auswärtigen Amt eine einheitliche Bundesbehörde unter Leitung des Bundesministers des Auswärtigen. Deswegen findet nach Maßgabe von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 VwGO bei der Ablehnung eines Verwaltungsakts der Botschaft ein Widerspruchsverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO nicht statt bzw. hat ein solches hier nicht stattgefunden; insoweit wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
Auch der Umstand, dass die Erinnerungsgegnerin mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 erklärt hatte, die Parteien seien sich darüber einig, dass sie - die Erinnerungsgegnerin - die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers (gemeint offensichtlich: der Kläger) übernehme, führt - im vorliegenden Verfahren - zu keinem anderen Ergebnis. Zwar meint die Wendung „außergerichtliche Kosten“ - in Ergänzung bzw. Abgrenzung zu den „Kosten des Rechtsstreits“ - zweifelsfrei die hier mit der streitigen Geschäftsgebühr geltend gemachten Kosten für das seinerzeitige vorprozessuale Tätigwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer. Diese wollten nämlich - wie das in der Erklärung vom 7. Oktober 2008 in Bezug genommene Schreiben der damaligen Kläger vom 26. September 2008 deutlich macht - das seinerzeitige Klageverfahren ersichtlich nur für den Fall für erledigt erklären, dass die Erinnerungsführerin die „Kosten des Rechtsstreits (…) einschließlich der außergerichtlichen Kosten, also auch der Anwaltskosten“ (Unterstreichung d. d. Senat) übernähme; zu den Anwaltskosten freilich zählen üblicherweise auch die in einem Verwaltungs(ausgangs)verfahren entstandenen anwaltlichen Kosten, und dass nichts anderes als diese hier gemeint waren, erklärt sich schon daraus, dass die übrigen Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer - nämlich die in den Gerichtsverfahren entstandenen - bereits mit der Wendung „Kosten des Rechtsstreits“ erfasst waren. Wiewohl sich also die Erinnerungsgegnerin gegenüber den Erinnerungsführern verpflichtet hat, dem Grunde nach die hier inmitten stehenden Kosten zu erstatten, und zwar ohne den Vorbehalt, dass diese auch durch gerichtlichen Kostenbeschluss festsetzungsfähig seien (s. insoweit schon den Hinweis des Senats vom 19. Mai 2010), kann dies im vorliegenden (Kostenerstattungs-)Verfahren nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, sondern muss als sog. materiellrechtlicher Erstattungsanspruch geltend gemacht und ggf., wie es die Erinnerungsführer auch angekündigt haben, eingeklagt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr von 50 Euro vorgesehen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).