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Entziehung der Fahrerlaubnis


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 16.05.2014
Aktenzeichen VG 1 L 117/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 FeV

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.250,00 € festgesetzt.

Gründe

Das Gericht entscheidet den Rechtsstreit mit Einverständnis der Beteiligten nach § 87a Abs. 2, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Vorsitzenden als Berichterstatter.

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ist unbegründet.

Die Ermessensentscheidung des Gerichts, die eine Abwägung des Vollzugsinteresses des Antragsgegners mit dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers gebietet, fällt hier zu Lasten des Antragstellers aus, weil sich die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Januar 2014 bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist. Die Regelung zu Ziffer 1. findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 S. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), wonach die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen das Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr zu untersagen hat, das Führen von Fahrzeugen zu beschränken oder aber die erforderlichen Auflagen anzuordnen hat, wenn sich jemand insoweit als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist.

Der Antragsgegner war verpflichtet, auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 S. 1 FeV tätig zu werden, nachdem sich der Antragsteller dem von ihm vorgelegten (überarbeiteten) medizinisch-psychologischen Gutachten der ias AG Berlin nach als ungeeignet im Sinne von § 2 Abs. 4 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) erwiesen hatte (zu der <entsprechenden> Anwendbarkeit des Eignungsbegriffs vgl. § 3 Abs. 2 FeV und Bayerischer VGH, Beschl. v. 27. März 2006 –11 ZB 06.41, 11 C 05.3297, 11 C 05.3298 – juris Rn. 22; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. A. 2011, § 3 FeV Rn. 7), fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr führen zu können. Die nach § 11 Abs. 1 FeV notwendigen Voraussetzungen zum Führen eines (Kraft-)Fahrzeugs im Straßenverkehr sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein in der Anlage 4 zu den §§ 11, 13, 14 FeV bezeichneter Mangel vorliegt, durch den die Fahreignung ausgeschlossen wird; nach Nr. 8.1 der Anlage 4 ist die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Fahrzeugen bei einem Alkoholmissbrauch ausgeschlossen, nämlich dann, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.Es ist hier ausweislich der medizinisch-psychologischen Begutachtung des Antragstellers vom 21. August 2013 zu erwarten, dass dieser (auch) künftig ein Fahrzeug unter unzulässig hohem Alkoholeinfluss führen wird. Das Gutachten der ias AG Berlin vom 14. Oktober 2013 hat die Eignung des Antragstellers auf Grund des psychologischen Untersuchungsgesprächs insoweit schlüssig verneint, weil der Antragsteller seinen früheren Umgang mit Alkohol zwar selbstkritisch einräumte, er sich seiner persönlichen Gefährdung im Rahmen der maßgeblich im Interesse einer Erlangung der Fahrerlaubnis eingelegten „Trinkpause“ aber nicht hinreichend bewusst zu sein scheine. Von einer stabilen Abstinenz könne angesichts des u. a. mit Entzugserscheinungen einhergehenden exzessiven Alkoholkonsums des Antragstellers nicht ausgegangen werden, so dass die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Trunkenheitsfahrt auch mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug derzeit hoch sein.

Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens wendet der Antragsteller erfolglos ein, es sei insoweit widersprüchlich, als es die behördliche Fragestellung nach der Wahrscheinlichkeit künftiger erheblicher oder wiederholter Verstöße gegen strafrechtliche oder verkehrsrechtliche Bestimmungen verneint, die vorliegend relevante Fragestellung nach künftigen Fahrten mit einem Fahrzeug unter Alkoholeinfluss jedoch bejaht habe, obwohl bei einem Fahrradfahrer nur dann von einem Alkoholmissbrauch i. S. v. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden könne, wenn dieser (relativ oder absolut) fahruntüchtig sei und damit den Straftatbestand nach § 316 des Strafgesetzbuches (StGB) verwirkliche. Diese Rüge trifft ersichtlich nicht zu. Die behördliche Aufforderung vom 11. Dezember 2012 sieht Bedenken an der Kraftfahreignung des Antragstellers zum einen in den (nicht mit einem Alkoholmissbrauch in Zusammenhang stehenden) Verkehrsverstößen vom 24. November 2010 und 24. August 2011 (einem Rotlichtverstoß und dem verbotswidrigen Nutzen eines Mobiltelefons) sowie der Straftat vom 07. April 2012 (Fahren ohne Fahrerlaubnis) begründet – und stützt die Aufforderung insoweit ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und 5 FeV –, zum anderen ergaben sich Eignungsbedenken aus dem mehrfachen Alkoholmissbrauch vom 09. Oktober 2011 und 02. März 2012, der wiederum auf der Grundlage des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. b) FeV (i. V. m. § 3 Abs. 2 FeV) Veranlassung bot, zum einen die Kraftfahreignung, zum anderen die Eignung des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen. Entsprechend den behördlichen Fragestellungen wurde der Antragsteller medizinisch-psychologisch untersucht. Zwar ist ihm zuzugeben, dass eine noch deutlicher strukturierte Trennung der Ausführungen zu diesen Fragestellungen in dem Gutachten wünschenswert gewesen wäre, der Sache nach verfährt die Begutachtungsstelle jedoch ersichtlich entsprechend den Fragestellungen (vgl. S. 4 - 5 sowie 5, letzter Absatz, - 7 unter „Begründung der Eignungsbedenken“, so aber auch unter „Voraussetzungen für eine günstige Prognose“, im psychologischen Untersuchungsgespräch und unter „Bewertung der Befunde“) und von einer Widersprüchlichkeit ihrer Feststellungen kann hier keine Rede sein.

Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Januar 2014 ist in Ziffer 1. auch nicht wegen eines Ermessensfehlers oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig.

Zwar liegt Art und Umfang der im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 FeV gebotenen Maßnahme (Untersagung oder Beschränkung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge oder aber die Anordnung der erforderlichen Auflagen) in dem pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 27. März 2006 - 11 ZB 06.41 u. a. – juris Rn. 26; OVG Bremen, Beschl. v. 09. Januar 1990 – 1 B 108.89 – NJW 1990, 2081; Hessischer VGH, Urt. v. 06. Oktober 2010 – 2 B 1076/10 – juris Rn. 18.Niedersächsisches OVG, Beschlüsse v. 02. Dezember 2012 – 12 ME 274/11 – juris Rn. 9 u. v. 01. April 2008 – 12 ME 35/08 – juris Rn. 7; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17. August 2012 – 10 A 10284/12 – juris Rn. 31; Urt. v. 15. April 2011 - 10 A 10894/10 – juris Rn. 28; Thüringer OVG, Beschl. v. 09. Mai 2012 – 2 SO 596/11 – juris Rn. 9; Dauer in Hentschel etc., a.a.O., Rn. 8 und 9; vgl. insb. auch Beschl. d. Kammer v. 15. März 2011 – VG 1 L 20/11 – juris) und vorliegend lässt die angefochtene Ordnungsverfügung nicht erkennen, dass der Antragsgegner ein Auswahlermessen ausgeübt hätte.

Das ist – vorliegend – jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, weil das Ermessen des Antragsgegners dahingehend reduziert war, dass nur eine Untersagung in Betracht kam.Der Antragsteller ist im Straßenverkehr wiederholt mit einer Blutalkoholkonzentration angetroffen worden, die mit 2,0 ‰ und 1,95 ‰ die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrer und Nutzer eines Fahrrades nach § 316 StGB deutlich überschritt und das von ihm vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten – das erst eine Klärung ermöglicht, ob ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter bestimmten Beschränkungen oder Auflagen geführt werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. Februar 2011 – OVG 1 S 19.11, OVG 1 M 6.11 – juris Rn. 9; Hessischer VGH, Beschl. v. 06. Oktober 2010, a.a.O., Rn. 18; Bayerischer VGH, Beschl. v. 28. Dezember 2010 – 11 CS 10.2095 – juris Rn. 18) – verhält sich zu der Frage von Beschränkungen oder Auflagen im Fall des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht und es hält zudem eine erneute Begutachtung nachvollziehbar zum Nachweis einer wiederhergestellten (Kraftfahr-)Eignung für geboten. Das ergibt sich explizit aus dem vorletzten Absatz auf Seite 25, soweit die Fortführung der verkehrspsychologischen Rehabilitationsmaßnahme, das Aufsuchen einer „Suchtberatungsstelle o. ä.“ angesprochen wird, gilt aber auch für den Hinweis auf die mögliche Vorlage eines Alkoholabstinenznachweises für die Dauer von 12 Monaten, der für sich genommen nicht geeignet sein dürfte, eine Wiederherstellung der Eignung zu belegen. Mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Fahrt unter Alkoholeinflusses muss nur dann nicht mehr gerechnet werden, wenn der Betroffene zum einen sein Trinkverhalten ausreichend geändert hat – was wiederum der Fall ist, wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird oder aber eine Alkoholabstinenz eingehalten wird – und wenn die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt ist. Die letztgenannte Voraussetzung kann vorliegen, wenn unter anderem die Änderung aus einem angemessenen Problembewusstsein heraus erfolgt, sie nach genügend langer Erprobung und der Erfahrungsbildung bereits in das Gesamtverhalten integriert ist und eine den Alkoholmissbrauch eventuell bedingende Persönlichkeitsproblematik erkannt und entscheidend korrigiert wurde (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtung-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005 unter 3.11.1, Seite 129, und die Ausführungen auf S. 7 des Gutachtens). So bietet eine zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits länger bestehende Trinkpause für sich genommen noch keine ausreichende Gewähr für eine positive Verkehrsverhaltensprognose, denn sie kann auch eine typische Begleiterscheinung einer bereits fortgeschrittenen Alkoholkarriere sein. Insbesondere können Trinkpausen die Betroffenen in ihrer Fehleinschätzung bestärken, es bedürfe keiner grundlegenden Änderung ihres Trinkverhaltens. Daher kommt es für eine positive Verkehrsverhaltensprognose bei hoher Alkoholgewöhnung in der Regel nicht auf die Fähigkeit an, für einen längeren Zeitraum auf den Alkohol zu verzichten, sondern vielmehr darauf, ob der Betroffene nicht nur in der Lage, sondern auch willens ist, in Zukunft auf den Alkohol ganz zu verzichten (Schubert, etc. unter 3.2.5, Seite 151). Vorliegend liegt die Problematik nach Überzeugung der Gutachterin ersichtlich darin, dass der Antragsteller die Trinkpause zweckgerichtet im Interesse eines Wiedererhalts der Fahrerlaubnis eingelegt hat (vgl. Seite 22 des Gutachtens).

Vor diesem Hintergrund kommt eine Beschränkung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge oder aber die Anordnung von Auflagen nicht in Betracht. Soweit die Rechtsprechung im Fall einer einzigen nächtlichen Auffälligkeit mit Alkohol im Straßenverkehr aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein zeitlich beschränktes Verbot des Führens fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge oder die Androhung einer Untersagung für den Wiederholungfall erwogen hat (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 25. September 2009 – 10 B 10930/09 – juris Rn. 15; vgl. demgegenüber: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2012 – 10 A 10284/12 – juris Rn. 31 und Urt. v. 15. April 2011 – 10 A 10894/10 – juris Rn. 28/29) kommen diese Maßnahmen jedenfalls vorliegend mit Blick auf das Trinkverhalten des Antragstellers in der Vergangenheit und die mehrfachen Alkoholverstöße nicht in Betracht.

Die Untersagung ist vorliegend auch verhältnismäßig.

Zwar sind von stark alkoholisierten Führern fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verursachte schwere Schäden an Leib, Leben und Sachwerten anderer Verkehrsteilnehmer nicht in demselben Umfang zu erwarten wie bei Kraftfahrern – zu vernachlässigen ist die Gefahr schwerer Unfälle durch betrunkene Fahrradfahrer – von der Selbstgefährdung abgesehen – aber bereits deshalb nicht, weil immer die Gefahr besteht, dass motorisierte Verkehrsteilnehmer wegen des unkontrollierten Verhaltens eines alkoholisierten Radfahrers unvorhersehbar ausweichen müssen und mit anderen Fahrzeugen kollidieren. Dies gilt umso mehr, als bei Radfahrern wegen des nicht ausreichend vorhandenen Problembewusstseins die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad höher sein dürfte als mit dem Kraftfahrzeug. Es besteht nämlich die begründete Annahme, dass Fahrradfahrer zukünftig in alkoholisiertem Zustand nicht von einer Fahrt mit dem Fahrrad Abstand nehmen werden, weil sie die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadens und die eventuelle Schadenshöhe als gering veranschlagen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17. August 2012 – 10 A 10284/12 – juris Rn. 27). Vor diesem Hintergrund überwiegen die Gründe der Gefahrenabwehr die privaten Interessen des Antragstellers und es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in seiner Bewegungsfreiheit unzumutbar eingeschränkt wäre, wenn er bis zur Wiederherstellung seiner Eignung auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen wird. Das Verbot, nichterlaubnispflichtige Fahrzeuge führen zu dürfen, kann nur solange Bestand haben, bis der Antragsteller durch Vorlage eines medizinisch- psychologischen Gutachtens nachweist, dass seine Eignung insoweit wieder gegeben ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. Februar 2011 – OVG 1 S 19.11, OVG 1 M 6.11 – juris)

Die Verfügung zu Ziffer 2. der Ordnungsverfügung vom 24. Januar 2014 beruht auf § 3 Abs. 1 S. 2 FeV.

Die Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs und hochrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer erfordert es, den derzeit ungeeigneten Antragsteller ohne Gewährung eines zeitlichen Aufschubs schon vor dem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich ggf. anschließenden Klageverfahrens von der Teilnahme mit Fahrzeugen am Straßenverkehr auszuschließen. Dieses öffentliche Interesse überwiegt die gegenläufigen Belange des Antragstellers selbst dann, wenn – was vorliegend im Übrigen weder hinreichend dargelegt noch gar glaubhaft gemacht wurde – der Antragsteller aus beruflichen Gründen auf die Nutzung des Fahrrades angewiesen sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Für die Untersagungsverfügung ist der halbe Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14. Mai 2013 – OVG 1 S 21.13 - BA S. 5), der wiederum für das Eilverfahren zu halbieren ist.