Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 11 K 11072/08


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 23.02.2011
Aktenzeichen 11 K 11072/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger sowie ihre Tochter, S…, und deren Ehemann, M…, erwarben mit Kaufvertrag vom …, auf dessen Inhalt verwiesen wird, zu jeweils einem Anteil von 25 vom Hundert ein sanierungsbedürftiges Doppelhaus in W…. Die Kläger sanierten eine Hälfte des Doppelhauses und nutzen ihre Doppelhaushälfte seit Dezember 2003 zu eigenen Wohnzwecken.

Der Beklagte setzte die Eigenheimzulage zunächst für die Jahre ab 2003 auf 2,5% von € 15 000,- = € 375,- fest. Nachdem die Kläger die Sanierungskosten erklärt hatten, setzte der Beklagte die Eigenheimzulage für 2003 auf 2,5% von € 16 524,- = € 414,- und die Eigenheimzulage ab 2004 auf 2,5% von € 54 529,- = € 1 278,- fest.

Mit notarieller Urkunde vom 21. November 2005 überließen die Kläger unentgeltlich ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück in W… ihrer Tochter, S…. Zugleich behielten sich die Kläger ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht für die überlassenen Miteigentumsanteile vor. Nach § 3 der notariellen Urkunde vom 21. November 2005, auf deren Inhalt im übrigen Bezug genommen wird, waren die Kläger berechtigt, sämtliche Nutzungen aus den überlassenen Miteigentumsanteilen zu ziehen und waren verpflichtet, sämtliche Lasten zu tragen. Den jährlichen Wert des Nießbrauchsrechts bezifferten die Vertragsparteien mit € 4 680,- und den kapitalisierten Gesamtwert des Nießbrauchsrechts mit € 49 612,68. Nach § 4 der notariellen Urkunde vom 25. November 2005 stand den Klägern in bestimmten Fällen ein Anspruch auf Rückübertragung der Miteigentumsanteile zu.

Auf der Grundlage der notariellen Urkunde vom 25. November 2005 gelangte der Beklagte zu der Auffassung, die Kläger seien seit 2006 nicht mehr zivilrechtliche und auch wirtschaftliche Eigentümer ihrer Doppelhaushälfte. Der Beklagte hob daher die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2006 gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Eigenheimzulagegesetz - EigZulG - auf. Zur Begründung ihres Einspruchs trugen die Kläger vor, sie hätten den Erwerb und die Sanierung finanziert. Daher seien sie ungeachtet der Übertragung weiterhin wirtschaftliche Eigentümer der Doppelhaushälfte. Insbesondere dürfe ihre Tochter die Doppelhaushälfte nicht ohne ihre, der Kläger, Zustimmung veräußern. Ihre Tochter habe außerdem schriftlich erklärt, dass sie, die Kläger, wirtschaftliche Eigentümer seien. Einer Änderung der Festsetzung stehe auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Der Beklagte habe den Sachverhalt unzutreffend erst im Jahr 2007 aufgegriffen. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Nießbraucher sei nicht wirtschaftlicher Eigentümer.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger weiter vor, die Miteigentumsanteile seien zur Vermeidung erbrechtlicher Streitigkeiten übertragen worden. Aufgrund der Bestimmungen in der notariellen Urkunde vom 25. November 2005 sei ihre Tochter dauerhaft von ihrer Stellung als zivilrechtliche Eigentümerin ausgeschlossen. Im Falle des Vorversterbens ihrer Tochter bestehe ein Anspruch auf Wertausgleich im Wege der Wiedererlangung der Miteigentumsanteile.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über Eigenheimzulage vom 22. Oktober 2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Kläger seien nicht wirtschaftliche Eigentümer. Es bestünde insbesondere kein Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts des übertragenen Grundstücks im falle der Beendigung des Nießbrauchsrechts infolge Kündigung oder Tod.

Der Senat hat mit Beschluss vom 4. Januar 2011 den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Bescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Festsetzung der Eigenheimzulage zutreffend ab dem Jahr 2006 aufgehoben.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EigZulG ist die Festsetzung der Eigenheimzulage ab dem folgenden Kalenderjahr aufzuheben, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 1, 2, 4 und 6 EigZulG während eines Jahres des Förderzeitraumes entfallen und der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Die Kläger erfüllten auf der Grundlage der notariellen Urkunde vom 25. November 2005 nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung einer Eigenheimzulage. Denn die Kläger waren seit Ende 2005 nicht mehr Eigentümer einer Wohnung in einem eigenen Haus im Sinne des § 2 Satz 1 EigZulG.

Zum einen waren die Kläger nicht mehr zivilrechtliche Eigentümer ihrer Doppelhaushälfte (§ 39 Abs. 1 Abgabenordnung - AO -).

Zum anderen war die Doppelhaushälfte den Klägern auch nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. AO als wirtschaftlichen Eigentümern zuzurechnen.

Wirtschaftlicher Eigentümer ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vergleiche: Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 206, 551, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2005, 80 [81], m.w.N.).

Vom zivilrechtlichen abweichendes wirtschaftliches Eigentum liegt insbesondere im Bereich der Wohneigentumsförderung vor, wenn dem Nutzungsberechtigten, der die Kosten für die Herstellung oder Anschaffung der eigengenutzten Wohnung getragen hat und der nicht zivilrechtlicher Eigentümer ist, auf Dauer Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen. Das wird nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, angenommen, wenn der Nutzungsberechtigte, der die Kosten für die Wohnung getragen hat, aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft - unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers - innehat, weil die Wohnung nach der voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechendem Verlauf wirtschaftlich verbraucht ist oder wenn der Nutzungsberechtigte für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswertes der Wohnung gegen den zivilrechtlichen Eigentümer hat (so auch: BFH, Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung der Kläger waren sie aufgrund des Vorbehalts des Nießbrauchsrechts nicht wirtschaftliche Eigentümer der streitigen Doppelhaushälfte. Denn der Nießbraucher ist, da er nur einen abgeleiteten Besitz ausübt, im Regelfall nicht wirtschaftlicher Eigentümer des seiner Nutzung unterliegenden Wirtschaftsguts (siehe: BFH, Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O., m.w.N.).

Im Streitfall liegt auch kein Ausnahmefall vor, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Die Doppelhaushälfte ist nämlich steuerrechtlich auch dann dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer - der Tochter der Kläger - zuzuordnen, wenn der Nießbraucher - die Kläger - vertraglich sämtliche Lasten und Aufwendungen für die Unterhaltung des Nießbrauchsobjekts übernommen haben. Gleichermaßen unerheblich ist auch die Bestellung des Nießbrauchs auf die Lebenszeit des Nießbrauchers, da damit bei einem neu errichteten Gebäude und somit bei einem Wirtschaftsgut mit längerer Lebensdauer nicht der Ausschluss des Eigentümers für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Objekt verbunden ist (vergleiche: Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O.). Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, es handele sich im Streitfall nicht um ein neuerrichtetes Gebäude. Denn die Kläger haben das Gebäude in einem erheblichen Umfang saniert, so dass die Lebensdauer des sanierten Gebäudes mit der Lebensdauer eines neuerrichteten Gebäudes vergleichbar ist.

Darüber hinaus kann den Klägern die Doppelhaushälfte nicht unter dem Gesichtspunkt des Besitzes „in Erwartung des Eigentumserwerbs" wirtschaftlich zugerechnet werden Denn die Kläger haben sich den Nießbrauch an dem übertragenen Grundstück nicht in Erwartung des späteren Eigentumserwerbs vorbehalten, sondern das Eigentum zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge übertragen.

Ferner waren die Kläger nicht wirtschaftliche Eigentümer, weil sie die anteiligen Anschaffungs- und Sanierungskosten getragen haben. Hat der Nutzungsberechtigte, der die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für ein ihm nicht gehörendes bebautes Grundstück getragen hat, für den Fall der Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Anspruch in Höhe des Verkehrswertes des bebauten Grundstücks, ist er wirtschaftlicher Eigentümer, weil ihm aufgrund des Wertersatzanspruchs wirtschaftlich Substanz und Ertrag des bebauten Grundstücks zustehen. Wegen der Verpflichtung zum Wertersatz kann der Eigentümer über sein Eigentum wirtschaftlich nicht verfügen (siehe: Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O.).

Allerdings haben die Kläger die Anschaffungs- und Sanierungskosten nicht als Nutzungsberechtigte, sondern als zivilrechtliche Eigentümer ihrer Doppelhaushälfte getragen. Zudem stand den Klägern kein Entschädigungsanspruch zu, da sie die entsprechenden Aufwendungen nicht in der Erwartung, später Eigentümer zu werden, getragen haben (siehe hierzu: BFH, Urteil vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O.).

Schließlich vermag die Erklärung der Tochter der Kläger wirtschaftliches Eigentum nicht zu begründen. Die Frage, ob wirtschaftliches Eigentum vorliegt, ist nämlich eine Rechtsfrage, die vom Gericht anhand der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist. Eine einseitige Erklärung kann hingegen eine abweichende rechtliche Einordnung nicht herbeiführen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das Urteil des BFH vom 24. Juni 2004 - III R 50/01, a.a.O., berufen. Denn im Gegensatz zu dem Fall dieser Entscheidung haben die Kläger vorliegend nicht in der Erwartung, später Eigentümer der streitigen Doppelhaushälfte zu werden, gehandelt.

Dementsprechend konnten die Kläger eine Eigenheimzulage seit 2005 nicht mehr in Anspruch nehmen. Daher war die Festsetzung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EigZulG ab dem Jahr 2006 aufzuheben. Im Hinblick auf die eigenständige Regelung des § 11 Abs. 3 EigZulG können die Kläger nicht mit ihrem Vorbringen durchdringen, eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO komme nicht in Betracht. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob und wann der Beklagte Kenntnis von der notariellen Urkunde vom 25. November 2005 erlangt hat.

Vielmehr käme eine Änderung nach § 11 Abs. 3 EigZulG nur dann nicht in Betracht, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen wäre. Indessen durfte der Beklagte im Jahr 2007 noch einen Änderungsbescheid erlassen (§§ 169 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.