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(Kassenzahnärztliche Vereinigung - Klagebefugnis gegen Beanstandung eines Schiedsspruchs durch das Bundesversicherungsamt - Verletzung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität - Überschreitung der Veränderungsrate bei Erhöhung des Punktwertes)


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 10.02.2010
Aktenzeichen L 7 KA 15/09 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 54 Abs 2 S 1 SGG, § 54 Abs 3 SGG, § 71 Abs 1 SGB 5, § 71 Abs 3 SGB 5, § 71 Abs 4 SGB 5, § 85 Abs 3 SGB 5, § 89 Abs 1 SGB 5, § 89 Abs 5 SGB 5

Leitsatz

1. Eine Kassenzahnärztliche Vereinigung ist im Rahmen einer Aufsichtsklage klagebefugt, wenn das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde über die Ersatzkassen einen Schiedsspruch beanstandet, der eine Vergütungsvereinbarung zwischen Kassenzahnärztlicher Vereinigung und Ersatzkassen ersetzt.

2. Im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung (oder eines diese ersetzenden Schiedsspruchs) lässt sich der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese den Schiedsspruch des Landesschiedsamtes Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung „wegen Vergütungsvertrag 2008“ vom 17. Oktober 2008 beanstandet.

Zwischen der Klägerin und den beigeladenen Ersatzkassen fanden am 21. Mai 2008 Verhandlungen über die Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 statt. Die Vertragspartner vereinbarten folgende höchstzulässigen Ausgabevolumen je Mitglied: BEMA-Teile 1 (ohne IP und FU), 2 und 4 für die Ersatzkassen BARMER, DAK, TK, KKH, HEK, Hamburg Münchener und hkk 138,48 Euro und für die GEK 130,48 Euro. Hierbei orientierten sie sich an der für das Kalenderjahr 2008 maßgeblichen Veränderungsrate im gesamten Bundesgebiet von plus 0,64 Prozent. Hinsichtlich der streitigen Punktwerte für die genannten Bereiche sowie für zahnärztliche Gutachten und Individualprophylaxe/Frühuntersuchung erstrebte die Klägerin eine Erhöhung über die Veränderungsrate hinaus, da die Kosten in den Zahnarztpraxen wegen höherer Hygienekosten und weiterer Betriebsausgaben gestiegen und weil die Punktwerte im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich seien. Nachdem die beigeladenen Ersatzkassen dies abgelehnt hatten, erklärte die Klägerin die Verhandlungen mit Schreiben vom 21. Mai 2008 für gescheitert.

Mit Schreiben vom selben Tage rief die Klägerin das Landesschiedsamt Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung an und beantragte, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für

1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent),

2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent)

3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,89 Euro (Punktwert 2007: 0,85 Euro; gewünschte Steigerung: 4,71 Prozent)

festzusetzen.

Die Ersatzkassen als Antragsgegnerinnen beantragten, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für

1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzten des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,7806 Euro,

2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,7806 Euro

3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,8554 Euro

festzusetzen.

Zur Begründung führten sie dabei im Wesentlichen an, aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 2000, B KA 6 20/99 R; Urteil vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R sowie Urteil vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R) ergebe sich, dass auch die Punktwerte nur im Umfang der Veränderungsrate von 0,64 % erhöht werden dürften.

Das Landesschiedsamt Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung hat am 17. Oktober 2008 entschieden, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 um 1,5 Prozent zu erhöhen und ihn wie folgt festzusetzen:

1. für konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,7872 Euro,

2. für zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,7872 Euro und

3. für Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,8628 Euro.

Die weiter gehenden Anträge hat das Landesschiedsamt zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 71 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) hätten die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen würden, falls nicht Ausnahmetatbestände vorlägen. Die vom Bundesministerium für Gesundheit nach § 71 Abs. 3 SGB V festgestellte Veränderungsrate bilde dabei die Grenze, über die die Erhöhung der Gesamtvergütung nicht hinausgehen dürfe. Ausnahmetatbestände nach § 71 Abs. 2 S. 2 SGB V lägen hier nicht vor. Eine Ausgabenverminderung durch die Einführung der Festzuschüsse im Bereich des Zahnersatzes sei vom Gesetzgeber bewusst zur Entlastung der Krankenkassen geschaffen worden. Der Gesetzeszweck würde nicht erreicht, wenn gleichzeitig über § 71 Abs. 2 S. 2 SGB V Ausgabensteigerungen einträten. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei daher allein § 85 SGB V. Die Kriterien, die bei der Vertragsgestaltung zu beachten seien, seien in § 85 Abs. 3 SGB V abschließend geregelt. So sei unbeachtlich, dass die Punktwerte im Bereich der Antragstellerin die Vergleichswerte der meisten anderen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen unterschritten. Die Beteiligten hätten aber eine höchstzulässige Gesamtvergütung und damit mengensteuernde Regelungen in die Gesamtvergütungsvereinbarung aufgenommen. Damit sei sichergestellt, dass das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 85 Abs. 2 SGB V von vornherein begrenzt sei. Unter dieser Voraussetzung seien die Vertragsparteien bei der Vereinbarung über die in § 85 Abs. 3 SGB V genannten Tatumstände nicht an die Veränderungsrate gebunden. Eine Erhöhung der Punktwerte über die Veränderungsrate hinaus sei nur dann unzulässig, wenn, anders als hier, eine mengenbegrenzende Komponente fehle. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R). Anhand des dem Landesschiedsamt vorliegenden Zahlenmaterials sei der Anstieg der Praxiskosten im Sinne des § 85 Abs. 3 SGB V auf plus drei Prozent zu schätzen. Daher habe es sein Gestaltungsermessen dahin ausgeübt, für die drei strittigen Bereiche die Punktwerte um 1,5 Prozent zu erhöhen. Die Erhöhung des Punktwerts um 1,5 Prozent setze sich damit zusammen aus einer Erhöhung um 0,64 Prozent, die der Vertragszahnärzteschaft infolge allgemeiner Veränderungen zugute komme und aus einer Erhöhung um 0,86 Prozent wegen gestiegener Praxiskosten.

Mit Bescheid vom 6. Januar 2009 beanstandete die Beklagte die Festsetzung in Nummer 1 des Schiedsspruchs (Punktwert in Höhe von 0,7872 Euro für konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen [BEMA-Teil 1], Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen [BEMA-Teil 2] und systematische Behandlungen von Parodontopathien [BEMA-Teil 4]) gegenüber den beigeladenen Ersatzkassen. Zur Begründung führte sie aus, zwecks Wahrung der Beitragssatzstabilität hätte der Punktwert nicht über die gesetzlich festgelegte Veränderungsrate in Höhe von 0,64 % hinaus festgesetzt werden dürfen. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität erschöpfe sich nicht in der Festsetzung eines höchstzulässigen Ausgabenvolumens, sondern werde auch durch die für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt; so lange nämlich das höchstzulässige Ausgabevolumen nicht ausgeschöpft sei, resultiere die tatsächliche Ausgabensumme aus den Punktwerten. Die gesetzliche Begrenzung der Vergütungsanpassung müsse daher sowohl für das höchstzulässige Ausgabevolumen als auch für die Punktwerte gelten.

Gegen den Beanstandungsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 5. Februar 2009 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobenen Klage. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen an, dass es sich bei dem Bescheid nicht um eine Beanstandungsverfügung im Sinne des § 89 Abs. 5 SGB V handle, denn hierzu fehle es an der Zuständigkeit des Bundesversicherungsamtes. Die Landesschiedsämter unterlägen ausschließlich der Aufsicht der zuständigen Stellen der Länder. Der von der Beklagten erlassene Verwaltungsakt habe daher keinen vollziehbaren Inhalt, was sich auch daran zeige, dass die Berliner Ersatzkassen die auf der Basis des Schiedsspruchs erstellten Vergütungsabrechnungen der Klägerin bezahlt hätten. Die Klage sei zulässig. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung des § 54 Abs. 3 SGG. Die Beklagte sei zwar nicht die Aufsichtsbehörde der Klägerin, sie habe aber eine Maßnahme getroffen, von der sie annähme, sie hätte für das Berliner Schiedsverfahren eine Bedeutung. Zudem sei der Schiedsspruch rechtmäßig und der Bescheid materiell rechtswidrig. Der Schiedsspruch stütze sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R. Die weiteren Entscheidungen vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R, und vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R, stünden dem Schiedsspruch gerade nicht entgegen, da dort Rechtsgrundlage für die Erhöhung der Gesamtvergütung die Sondervorschrift des Art. 15 GKV-SolG gewesen sei; nur hierauf bezogen habe das Bundessozialgericht die Steigerungsbegrenzung sowohl für das höchstzulässige Ausgabenvolumen als auch für die Punktwerte für zulässig gehalten. Zu einer Gefährdung der Beitragssatzstabilität könne es nicht kommen, weil das für 2008 vereinbarte höchstzulässige Ausgabenvolumen sich ausschließlich an demselben des Vorjahres orientiere.

Die Klägerin beantragt,

den Beanstandungsbescheid des Bundesversicherungsamtes vom 6. Januar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, zu Recht habe sie die Festsetzung Nr. 1 des Schiedsspruchs des Landesschiedsamts für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 17. Oktober 2008 beanstandet. Gehandelt habe sie in Ausübung ihrer Aufsichtszuständigkeit über die Ersatzkassen; es handele sich nicht um die Ausübung von Aufsicht über das Landesschiedsamt. Die Entscheidung des Landesschiedsamtes ersetze die vorgesehene vertragliche Einigung (vgl. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und unterliege daher der aufsichtsrechtlichen Prüfung durch die Beklagte als Aufsichtsbehörde (vgl. § 89 Abs. 5 S. 4 SGB V). Adressat des Beanstandungsbescheides der Beklagten seien dementsprechend weder das Landesschiedsamt noch die Klägerin, sondern allein die Ersatzkassen, vertreten durch den Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. Die Beklagte sei auch Aufsichtsbehörde im Sinne von § 89 Abs. 5 S. 5 SGB V, denn diese Vorschrift erfasse nicht nur die Aufsichtsbehörde für das Schiedsamt, sondern auch die für die Vertragspartner zuständigen Aufsichtsbehörden. Dies werde schon dadurch deutlich, dass die Norm von „Aufsichtsbehörden“ in der Mehrzahl spreche. Aus einem Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 16. Januar 2009 werde zudem deutlich, dass auch das Land Berlin eine Befugnis der Beklagten zur Beanstandung der Schiedsamtsentscheidung unterstelle. Die angegriffenen Bescheide seien auch materiell rechtmäßig, da eine Erhöhung der Punktwerte über die gesetzlich zulässige Veränderungsrate hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 20. Mai 2000, B 6 KA 20/99) nicht zulässig sei.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Klage sich gegen eine Beanstandung der Entscheidung eines Landesschiedsamtes richtet.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

A. Die Klage ist als Aufsichtsklage in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 3 SGG statthaft. Danach kann eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite. § 54 Abs. 3 SGG ist entsprechend auf den Fall anzuwenden, dass sich eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung gegen die Verfügung einer staatlichen Behörde wendet, die zwar nicht ihre Aufsichtsbehörde ist, deren Verfügung aber im konkreten Fall wie eine Aufsichtsmaßnahme gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.1999, B 6 KA 10/99, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16).

Die Aufsichtsklage ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere kann die Klägerin geltend machen, die angefochtene aufsichtsgleich wirkende Maßnahme greife in ihre rechtlich geschützte Position ein (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klagebefugnis ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Nach § 71 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Abs. 1 und 2, §§ 83, 85, 85a, 125 und 127 SGB V den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen; diese können (Satz 2) die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Dasselbe gilt nach § 89 Abs. 5 Satz 4 und 5 SGB V für die Entscheidung eines Schiedsamtes über den Inhalt eines Gesamtvergütungsvertrages. Die in dieser Weise ausgestaltete Überprüfung von Vereinbarungen u.a. über die Vergütung (zahn)ärztlicher Leistungen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden soll nach dem Willen des Gesetzgebers dazu dienen, die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in den Vergütungsverträgen abzusichern (vgl. BT-Drucks. 12/3608, S. 83 zu Nr. 29). Gegen eine Beanstandung können die Vertragspartner einer beanstandeten Vereinbarung gegenüber ihrer jeweiligen Aufsichtsbehörde im Wege der Klage vorgehen; das gilt auch, soweit – wie hier – bei Nichteinigung über eine Vergütungsvereinbarung ein Schiedsspruch ergeht und dieser beanstandet wird. Weiter ist eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung aber auch klagebefugt gegen Bescheide, mit denen – wie hier – das Bundesversicherungsamt gegenüber den seiner Aufsicht unterliegenden bundesunmittelbaren Ersatzkassen (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) eine gesamtvertragliche Vereinbarung der Ersatzkassen mit dieser Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung beanstandet; insoweit hat das Gesetz nämlich dem Bundesversicherungsamt indirekt aufsichtsähnliche Befugnisse in einem eng begrenzten Bereich (auch) gegenüber der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung eingeräumt, so dass diese gegen entsprechende Maßnahmen des Bundesversicherungsamtes in gleicher Weise wie die der Aufsicht dieser Behörde unterliegenden beigeladenen Ersatzkassen vorgehen können muss. Mit der Beanstandung verhindert das Bundsversicherungsamt nämlich die Geltung frei ausgehandelter Vergütungsvereinbarungen ebenso wie die Geltung eines vom Schiedsamt festgesetzten Vertrages. (vgl. hierzu Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 17 ff., insbes. Rdnr. 22, 27 sowie Engelmann in jurisPK-SGB V, Rdnr. 45 f. zu § 71).

B. Die Klage ist unbegründet, da der angefochtene Beanstandungsbescheid sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist.

1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war das Bundesversicherungsamt zuständig, den streitgegenständlichen Bescheid zu erlassen. Zwar handelt es sich bei ihm nicht um die Aufsichtsbehörde des Landesschiedsamtes. Es ist jedoch gem. § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die Aufsichtsbehörde der bundesunmittelbaren Ersatzkassen. In dieser Eigenschaft hat es entsprechend dem oben Gesagten auch Schiedssprüche von Landesschiedsämtern zu prüfen, die Vereinbarungen zwischen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und Ersatzkassen ersetzen (vgl. §§ 71 Abs. 4 Satz 1, 89 Abs. 5 Satz 4 und 5 SGB V). Dass es damit bei einer Vergütungsvereinbarung bzw. einem Schiedsspruch im Ersatzkassenbereich zu einer Zweigleisigkeit des Aufsichtsverfahrens kommt, mag problematisch sein (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 19), ist aber gesetzgeberisch gewollt.

2. Der Beanstandungsbescheid der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig. Der Schiedsspruch des Landesschiedsamts Berlin vom 17. Oktober 2008 ist rechtswidrig, weil er gegen den auch vom Landesschiedsamt zu beachtenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S.1 SGB V) verstößt.

Einem Schiedsamt kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Urteil vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37) bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertragszahnärztliche Vergütung gemäß § 89 Abs. 1 SGB V ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Seine Vertragsgestaltungsfreiheit, die der aufsichtsrechtlichen und gerichtlichen Nachprüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung. Die aufsichtsrechtliche und die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung von Vergütungsvereinbarungen durch das Schiedsamt ist dementsprechend auf die Prüfung beschränkt, ob der Entscheidung zutreffend ermittelte Tatsachen zugrunde gelegt worden sind, ob das Schiedsamt die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten und sein Gestaltungsermessen - soweit ihm ein solches zukommt - sachgerecht ausgeübt hat. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums im dargestellten Sinne sind nicht eingehalten, wenn das Schiedsamt seiner Entscheidung eine bestimmte Gewichtung der maßgeblichen Kriterien für eine Vergütungsvereinbarung zugrunde legt, die mit dem Gesetz nicht in Einklang steht und sich hieraus Auswirkungen auf die Höhe der Veränderung der Gesamtvergütung ergeben können. Das ist hier der Fall.

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs. 1 SGB V stellt eine solche verbindliche rechtliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen und Schiedssprüche sowie deren Überprüfung durch Aufsichtsbehörden und Gerichte dar (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 38).

Zu Recht sieht die Beklagte den Grundsatz der Beitragssatzstabilität als verletzt an, weil der Schiedsspruch vom 17. Oktober 2008 den Punktwert für bestimmte zahnärztliche Leistungen (BEMA-Teile 1, 2 und 4) über die Veränderungsrate gemäß § 71 Abs. 3 SGB V hinaus nicht nur um 0,64 Prozent, sondern um 1,5 Prozent erhöht. Die Überschreitung der Veränderungsrate bei Erhöhung des Punktwerts verstößt selbst dann gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, wenn die Vertragspartner – wie hier – mengensteuernd höchstzulässige Ausgabevolumen vereinbart haben (vgl. zur Verletzung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität schon wegen des Fehlens mengensteuernder bzw. –begrenzender Komponenten: Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 52).

Selbst wenn eine unbegrenzte Mengenexplosion damit im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist, hat doch auch der Punktwert selbst entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Gesamtvergütung, so lange das höchstzulässige Ausgabevolumen nicht erreicht ist; der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lässt sich damit nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt. Seine Rechtsprechung zur Notwendigkeit mengensteuernder Regelungen hat das Bundessozialgericht insoweit fortgesetzt und erweitert mit seinen Urteilen vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R, und vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R.

Maßgeblich ist § 85 Abs. 3 SGB V. Die Vorschrift lautet:

1 Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages vereinbaren die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Praxiskosten, der für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. 2 Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten. 3 Abweichend von Satz 2 ist eine Überschreitung der Veränderungsraten nach § 71 Abs. 3 zulässig, wenn Mehrausgaben auf Grund von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 entstehen; dabei ist zu prüfen, inwieweit die Mehrausgaben durch Minderausgaben auf Grund eines Wegfalls von Leistungen, die auf Grund einer Prüfung nach § 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, ausgeglichen werden können.

§ 85 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist damit zu entnehmen, dass Veränderungen der Gesamtvergütung sich grundsätzlich im Rahmen der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V zu bewegen haben und nur ausnahmsweise (in anderen als hier gegebenen Fällen) darüber hinaus gehen dürfen. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R (zitiert nach juris, dort Rdnr. 24) ausdrücklich formuliert:

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lässt sich (…) nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern wird auch durch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt. Denn aus diesen ergibt sich, solange das höchstzulässige Ausgabenvolumen nicht voll ausgeschöpft wird, die tatsächliche Ausgabensumme und dementsprechend der Beitragsbedarf mit eventueller Auswirkung auf den Beitragssatz. Der Punktwert ist Teil der realen Vergütung und wird deshalb vom Wortlaut des § 71 SGB V miterfasst, durch den die „Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres“ zur Verhinderung übermäßiger Ausgabensteigerungen begrenzt werden (§ 71 Abs. 3 Satz 1, siehe auch Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB V […]). Also muss die Steigerungsbegrenzung sowohl für das höchstzulässige Ausgabenvolumen als auch für die Punktwerte gelten. Nur das entspricht dem Ziel der Beitragssatzstabilität. Die gelegentlich geäußerte Ansicht, ihm komme es noch näher, an die vorjährige faktische Ausgabensumme statt an das höchstzulässige Ausgabenvolumen anzuknüpfen, trifft dagegen nicht zu. Würde hierauf abgestellt, so könnte das für die Vertrags(zahn)ärzteschaft einen Anreiz schaffen, den zulässigen Rahmen der tatsächlichen Ausgaben jedes Jahr weitestgehend auszuschöpfen, um so für Folgejahre die höchstmögliche Basis für die Festlegung der weiteren Ausgabenvolumina zu haben. Es liegt im Interesse der Beitragssatzstabilität, einen solchen Anreiz nicht zu geben.

Diese Ausführungen beziehen sich zugleich nicht nur auf die Sonderregelung in Art. 15 GKV-SolG, sondern ausdrücklich (a.a.O. Rdnr. 19) auch auf die Grundregelung in § 85 Abs. 3 SGB V. In seinem Urteil vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R (zitiert nach juris, dort Rdnr. 19) hat das Bundessozialgericht diese Sichtweise wiederholt und vertieft.

Nach alledem hat der Senat keinen Zweifel daran, dass das Landesschiedsamt keine Punktwertsteigerung festsetzen durfte, die über die Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V hinausgeht.C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).