Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese den Schiedsspruch des Landesschiedsamtes Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung „wegen Vergütungsvertrag 2008“ vom 17. Oktober 2008 beanstandet.
Zwischen der Klägerin und den beigeladenen Ersatzkassen fanden am 21. Mai 2008 Verhandlungen über die Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 statt. Die Vertragspartner vereinbarten folgende höchstzulässigen Ausgabevolumen je Mitglied: BEMA-Teile 1 (ohne IP und FU), 2 und 4 für die Ersatzkassen BARMER, DAK, TK, KKH, HEK, Hamburg Münchener und hkk 138,48 Euro und für die GEK 130,48 Euro. Hierbei orientierten sie sich an der für das Kalenderjahr 2008 maßgeblichen Veränderungsrate im gesamten Bundesgebiet von plus 0,64 Prozent. Hinsichtlich der streitigen Punktwerte für die genannten Bereiche sowie für zahnärztliche Gutachten und Individualprophylaxe/Frühuntersuchung erstrebte die Klägerin eine Erhöhung über die Veränderungsrate hinaus, da die Kosten in den Zahnarztpraxen wegen höherer Hygienekosten und weiterer Betriebsausgaben gestiegen und weil die Punktwerte im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich seien. Nachdem die beigeladenen Ersatzkassen dies abgelehnt hatten, erklärte die Klägerin die Verhandlungen mit Schreiben vom 21. Mai 2008 für gescheitert.
Mit Schreiben vom selben Tage rief die Klägerin das Landesschiedsamt Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung an und beantragte, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für
1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent),
2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,8125 Euro (Punktwert 2007: 0,7756 Euro; gewünschte Steigerung: 4,76 Prozent)
3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,89 Euro (Punktwert 2007: 0,85 Euro; gewünschte Steigerung: 4,71 Prozent)
festzusetzen.
Die Ersatzkassen als Antragsgegnerinnen beantragten, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 für
1. konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzten des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,7806 Euro,
2. zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,7806 Euro
3. Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,8554 Euro
festzusetzen.
Zur Begründung führten sie dabei im Wesentlichen an, aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 2000, B KA 6 20/99 R; Urteil vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R sowie Urteil vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R) ergebe sich, dass auch die Punktwerte nur im Umfang der Veränderungsrate von 0,64 % erhöht werden dürften.
Das Landesschiedsamt Berlin für die vertragszahnärztliche Versorgung hat am 17. Oktober 2008 entschieden, den Punktwert für die vertragszahnärztlichen Leistungen im Jahr 2008 um 1,5 Prozent zu erhöhen und ihn wie folgt festzusetzen:
1. für konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen (BEMA-Teil 1), Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen (BEMA-Teil 2) und systematische Behandlungen von Parodontopathien (BEMA-Teil 4) in Höhe von 0,7872 Euro,
2. für zahnärztliche Gutachten in Höhe von 0,7872 Euro und
3. für Individualprophylaxe/Frühuntersuchung (IP/FU) in Höhe von 0,8628 Euro.
Die weiter gehenden Anträge hat das Landesschiedsamt zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 71 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) hätten die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen würden, falls nicht Ausnahmetatbestände vorlägen. Die vom Bundesministerium für Gesundheit nach § 71 Abs. 3 SGB V festgestellte Veränderungsrate bilde dabei die Grenze, über die die Erhöhung der Gesamtvergütung nicht hinausgehen dürfe. Ausnahmetatbestände nach § 71 Abs. 2 S. 2 SGB V lägen hier nicht vor. Eine Ausgabenverminderung durch die Einführung der Festzuschüsse im Bereich des Zahnersatzes sei vom Gesetzgeber bewusst zur Entlastung der Krankenkassen geschaffen worden. Der Gesetzeszweck würde nicht erreicht, wenn gleichzeitig über § 71 Abs. 2 S. 2 SGB V Ausgabensteigerungen einträten. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei daher allein § 85 SGB V. Die Kriterien, die bei der Vertragsgestaltung zu beachten seien, seien in § 85 Abs. 3 SGB V abschließend geregelt. So sei unbeachtlich, dass die Punktwerte im Bereich der Antragstellerin die Vergleichswerte der meisten anderen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen unterschritten. Die Beteiligten hätten aber eine höchstzulässige Gesamtvergütung und damit mengensteuernde Regelungen in die Gesamtvergütungsvereinbarung aufgenommen. Damit sei sichergestellt, dass das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 85 Abs. 2 SGB V von vornherein begrenzt sei. Unter dieser Voraussetzung seien die Vertragsparteien bei der Vereinbarung über die in § 85 Abs. 3 SGB V genannten Tatumstände nicht an die Veränderungsrate gebunden. Eine Erhöhung der Punktwerte über die Veränderungsrate hinaus sei nur dann unzulässig, wenn, anders als hier, eine mengenbegrenzende Komponente fehle. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R). Anhand des dem Landesschiedsamt vorliegenden Zahlenmaterials sei der Anstieg der Praxiskosten im Sinne des § 85 Abs. 3 SGB V auf plus drei Prozent zu schätzen. Daher habe es sein Gestaltungsermessen dahin ausgeübt, für die drei strittigen Bereiche die Punktwerte um 1,5 Prozent zu erhöhen. Die Erhöhung des Punktwerts um 1,5 Prozent setze sich damit zusammen aus einer Erhöhung um 0,64 Prozent, die der Vertragszahnärzteschaft infolge allgemeiner Veränderungen zugute komme und aus einer Erhöhung um 0,86 Prozent wegen gestiegener Praxiskosten.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2009 beanstandete die Beklagte die Festsetzung in Nummer 1 des Schiedsspruchs (Punktwert in Höhe von 0,7872 Euro für konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen [BEMA-Teil 1], Behandlungen von Verletzungen des Gesichtsschädels und Kiefergelenkserkrankungen [BEMA-Teil 2] und systematische Behandlungen von Parodontopathien [BEMA-Teil 4]) gegenüber den beigeladenen Ersatzkassen. Zur Begründung führte sie aus, zwecks Wahrung der Beitragssatzstabilität hätte der Punktwert nicht über die gesetzlich festgelegte Veränderungsrate in Höhe von 0,64 % hinaus festgesetzt werden dürfen. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität erschöpfe sich nicht in der Festsetzung eines höchstzulässigen Ausgabenvolumens, sondern werde auch durch die für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt; so lange nämlich das höchstzulässige Ausgabevolumen nicht ausgeschöpft sei, resultiere die tatsächliche Ausgabensumme aus den Punktwerten. Die gesetzliche Begrenzung der Vergütungsanpassung müsse daher sowohl für das höchstzulässige Ausgabevolumen als auch für die Punktwerte gelten.
Gegen den Beanstandungsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 5. Februar 2009 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobenen Klage. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen an, dass es sich bei dem Bescheid nicht um eine Beanstandungsverfügung im Sinne des § 89 Abs. 5 SGB V handle, denn hierzu fehle es an der Zuständigkeit des Bundesversicherungsamtes. Die Landesschiedsämter unterlägen ausschließlich der Aufsicht der zuständigen Stellen der Länder. Der von der Beklagten erlassene Verwaltungsakt habe daher keinen vollziehbaren Inhalt, was sich auch daran zeige, dass die Berliner Ersatzkassen die auf der Basis des Schiedsspruchs erstellten Vergütungsabrechnungen der Klägerin bezahlt hätten. Die Klage sei zulässig. Dies ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung des § 54 Abs. 3 SGG. Die Beklagte sei zwar nicht die Aufsichtsbehörde der Klägerin, sie habe aber eine Maßnahme getroffen, von der sie annähme, sie hätte für das Berliner Schiedsverfahren eine Bedeutung. Zudem sei der Schiedsspruch rechtmäßig und der Bescheid materiell rechtswidrig. Der Schiedsspruch stütze sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R. Die weiteren Entscheidungen vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R, und vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 25/04 R, stünden dem Schiedsspruch gerade nicht entgegen, da dort Rechtsgrundlage für die Erhöhung der Gesamtvergütung die Sondervorschrift des Art. 15 GKV-SolG gewesen sei; nur hierauf bezogen habe das Bundessozialgericht die Steigerungsbegrenzung sowohl für das höchstzulässige Ausgabenvolumen als auch für die Punktwerte für zulässig gehalten. Zu einer Gefährdung der Beitragssatzstabilität könne es nicht kommen, weil das für 2008 vereinbarte höchstzulässige Ausgabenvolumen sich ausschließlich an demselben des Vorjahres orientiere.
Die Klägerin beantragt,
den Beanstandungsbescheid des Bundesversicherungsamtes vom 6. Januar 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, zu Recht habe sie die Festsetzung Nr. 1 des Schiedsspruchs des Landesschiedsamts für die vertragszahnärztliche Versorgung vom 17. Oktober 2008 beanstandet. Gehandelt habe sie in Ausübung ihrer Aufsichtszuständigkeit über die Ersatzkassen; es handele sich nicht um die Ausübung von Aufsicht über das Landesschiedsamt. Die Entscheidung des Landesschiedsamtes ersetze die vorgesehene vertragliche Einigung (vgl. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und unterliege daher der aufsichtsrechtlichen Prüfung durch die Beklagte als Aufsichtsbehörde (vgl. § 89 Abs. 5 S. 4 SGB V). Adressat des Beanstandungsbescheides der Beklagten seien dementsprechend weder das Landesschiedsamt noch die Klägerin, sondern allein die Ersatzkassen, vertreten durch den Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. Die Beklagte sei auch Aufsichtsbehörde im Sinne von § 89 Abs. 5 S. 5 SGB V, denn diese Vorschrift erfasse nicht nur die Aufsichtsbehörde für das Schiedsamt, sondern auch die für die Vertragspartner zuständigen Aufsichtsbehörden. Dies werde schon dadurch deutlich, dass die Norm von „Aufsichtsbehörden“ in der Mehrzahl spreche. Aus einem Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 16. Januar 2009 werde zudem deutlich, dass auch das Land Berlin eine Befugnis der Beklagten zur Beanstandung der Schiedsamtsentscheidung unterstelle. Die angegriffenen Bescheide seien auch materiell rechtmäßig, da eine Erhöhung der Punktwerte über die gesetzlich zulässige Veränderungsrate hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 20. Mai 2000, B 6 KA 20/99) nicht zulässig sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.