Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.02.2017 | |
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Aktenzeichen | 7 Sa 1010/16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 667 BGB, § 855 BGB, § 280 Abs 1 BGB |
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 03. Mai 2016 – 7 Ca 1845/15, WK 7 Ca 339/16 – teilweise abgeändert und
1. die Klage im Umfang von 406 Euro abgewiesen,
2. der Kläger verurteilt, an die Beklagte
5.594,00 EUR (fünftausendfünfhundertvierundneunzig)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. März 2016 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 30 Prozent, die Beklagte 70 Prozent.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Arbeitsentgelt für September und Oktober 2015 um Schadensersatzansprüche der Beklagten, nachdem auf einer Tour des Klägers von diesem im Auftrag der Beklagten vereinnahmte Gelder i.H.v. 19.300,89 € während eines Abladevorgangs aus dem unabgeschlossenem Ablagefach des geparkten LKW entwendet worden waren. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, an dem Einbruch in den LKW, bei dem auch das Mobiltelefon des Klägers und die im LKW installierte Bordkamera abhandengekommen waren, beteiligt gewesen zu sein. Die Beklagte hat aus diesem Grund die Aufrechnung gegen abgerechnetes Arbeitsentgelt des Klägers für September 2015 i.H.v. 436,56 € sowie Oktober 2015 i.H.v. 714,70 € erklärt und den darüber hinausgehenden Schaden zum Gegenstand ihrer Widerklage gemacht.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat nach Erlass eines Anerkenntnis-Teilurteils mit Urteil vom 03.05.2016 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 436,56 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 1.158,56 € für den Zeitraum 01.10.2015 bis 03.05.2016 sowie Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 436,56 € ab 04.05.2016 zu zahlen, die Beklagte weiterhin verurteilt, an den Kläger 714,70 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2015 zu zahlen, die Widerklage insgesamt abgewiesen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch stehe der Beklagten schon deshalb nicht zu, weil sie einen solchen nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht habe. Die Ausschlussfrist erfasse die vorliegende Schadensersatzforderung der Beklagten, da das Verhalten des Klägers, den vereinnahmten Betrag während eines weiteren Kundenbesuchs in einem nicht abgeschlossenen Ablagefach des etwas abseits geparkten LKW zu lassen, nicht als grob fahrlässig eingestuft werden könne. Der Kläger habe erstmalig eine so hohe Summe vereinnahmt, ohne dass auch nur ansatzweise seitens der Beklagten Sicherungsmaßnahmen getroffen worden seien, was der Kläger zu Recht moniert habe. Unter den gegebenen Umständen habe es gerade nicht jedem einleuchten müssen, das Geld gegebenenfalls unter Gefahr eines persönlichen Angriffs am Körper zu tragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 16.06.2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 20.06.2016 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 18.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte hält unter Auswertung des Tathergangs im Einzelnen an ihrer Behauptung fest, der Kläger sei an der Tat beteiligt gewesen. Dafür spreche schon, dass er das Fahrzeug beim letzten Kunden 30-40 m von dessen Gaststätte entfernt geparkt habe, obwohl ein direkter Parkplätze vorhanden gewesen sei. Es sei ungewöhnlich, dass ein Getränkefahrer einen weiter entfernten Parkplatz wähle, um dann die Getränke über diese Entfernung zum Kunden zu transportieren. Aus Verkehrsgründen sei dies jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Er habe dabei das Fahrzeug mit dem Heck zur Gaststätte geparkt, damit die Fahrerseite nicht einsehbar gewesen sei. Er habe dann das Fahrzeug mit dem Geld, seinem Mobiltelefon sowie dem Smartphone des Beifahrers, einem Apple i-phone 6, eine halbe Stunde unbeobachtet zurückgelassen, obwohl der Liefervorgang selbst keine 10 Minuten gedauert habe. Für eine Tatbeteiligung des Klägers spreche maßgeblich aber auch, dass die in der Fahrerkabine installierte Bordkamera entwendet worden sei, obwohl für Dritte nicht erkennbar gewesen wäre, dass das Fahrzeug mit einer solchen Kamera ausgestattet gewesen sei. Zugleich sei auch das weniger wertvolle Handy des Klägers gestohlen worden, das i-phone des Kollegen aber nicht. Hier sei davon auszugehen, dass der Kläger vor dem Abstellen des Fahrzeuges noch eine SMS an einen Komplizen gesandt habe. Der Kläger sei sich dabei der Bedeutung der sicheren Verwahrung bewusst gewesen, habe er doch zuvor mit dem Beifahrer darüber diskutiert, was sie mit dem Geld machen sollten. Dabei habe der Kläger andere Möglichkeiten gehabt, um das Geld sicher zu verwahren. So habe er noch in seiner ersten Befragung angegeben, er habe das Geld zunächst in seiner Brusttasche verwahrt. Auch hätten er oder der Beifahrer beim Fahrzeug bleiben können, da die Lieferung nicht zwei Personen erfordert hätten oder aber er hätte das Portemonnaie mit dem Geld während der Lieferung der Mitarbeiterin der Gaststätte anvertrauen können. Jedenfalls aber habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, in dem er – entgegen der ihm erteilten Anweisung, das Geld am Körper zu tragen - das Bargeld in einem nicht verschlossenen Ablagefach in einem unbeaufsichtigten Fahrzeug mit zwei offen liegenden Telefonen zurückgelassen habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 03.05.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam zum Gz. 7 Ca 1845/15 wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 18.149,63 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil insbesondere unter Hinweis auf den vor dem Arbeitsgericht Potsdam zum Az. 3 Ca 1405/16 geschlossenen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund „betriebsbedingter“ Kündigung ohne Ausgleichsklausel. Mit der Vereinbarung einer betriebsbedingten Kündigung und eines Zeugnisses mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ habe die Beklagte auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichtet. Er sei nicht an der Tat beteiligt gewesen, noch habe er grob fahrlässig gehandelt. Der Kunde habe ihm den Betrag in 875 Banknoten überreicht, die er nicht in seiner Tasche habe verstauen können. Er habe es daher für sicherer erachtet, das Geld in dem Ablagefach des Lkw zu deponieren, zumal er sich nicht selbst habe gefährden wollten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die jeweiligen zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem mündlichen Verhandlungstermin Bezug genommen.
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2,64 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung der Beklagten ist daher zulässig.
2. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Beklagte hat einen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 6.000 € (2.1). Diesen Anspruch kann sie gegen den Vergütungsanspruch des Klägers insoweit aufrechnen als der dem Kläger verbleibende Betrag die Pfändungsfreigrenzen einhält (2.2). Den weiter gehenden Betrag kann die Beklagte im Rahmen der Widerklage geltend machen (2.3).
2.1 Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag bzw. §§ 667, 855 BGB i.H.v. 6000 €.
2.1.1 Der Kläger war von der Beklagten mit dem Inkasso beim Kunden beauftragt worden und hat das Geld entsprechend dieses Auftrages für die Beklagte vereinnahmt. Daraus ergibt sich zugleich die Pflicht des Klägers, das vereinnahmte Geld sorgfältig zu verwahren und an die Beklagte herauszugeben. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Beauftragung des Klägers als Lieferfahrer mit dem Inkasso vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt war. Denn auch wenn die Beklagte mit der Weisung, bei dem Kunden einen Betrag in einer Höhe von über 19.000 € zu vereinnahmen, ihr Direktionsrecht nach § 106 GewO überschritten hätte, entbindet dies den Kläger nicht von der Verpflichtung, mit dem Geld sorgfältig umzugehen und es nicht leichtfertig einem unberechtigten Zugriff Dritter auszusetzen.
2.1.2 Der Kläger hat diese Pflicht verletzt, indem er das Portemonnaie mit 19.300,89 € in einem unabgeschlossenen Ablagefach seines LKWs deponiert und diesen für eine halbe Stunde unbeaufsichtigt auf der Straße abgestellt hat und zwar noch dazu so, dass er den LKW nicht vollständig im Blick haben konnte. Ungeachtet einer konkreten Weisung der Beklagten hätte der Kläger einen solchen Betrag entweder mitnehmen müssen, oder aber das Fahrzeug nicht unbeobachtet zurücklassen dürfen. Aufgrund dieser Pflichtverletzung ist es dann zu dem Schadenseintritt gekommen.
2.1.3 Der Kläger hat dabei grob fahrlässig gehandelt.
2.1.3.1 Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zum einen objektiven Maßstab bei einfacher Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen. Es kommt also nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweils Situation erwartet werden konnte, ob also die Gefahr erkennbar und der Erfolg vorhersehbar und vermeidbar war, sondern auch darauf, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotenen Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 40, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; vom 15.11.2001 – 8 AZR 95 / 01 – BAG E 99,100).
2.1.3.2 Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Aufbewahrung von Wertgegenständen in einem auf der Straße abgestellten und dann unbeaufsichtigt zurückgelassenen Fahrzeug begründet den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens (LG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2010 – 10 S 10/09 –, NJW-RR 2011, 352-355; OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 555; LG Hamburg, NJW-RR 2002, 264). Im Hinblick auf zahlreiche Einbruchsdiebstähle in Kraftfahrzeugen muss es als Allgemeinwissen insbesondere auch von Berufskraftfahrern wie dem Kläger angesehen werden, dass Wertgegenstände, Geld oder Bankkarten gerade in Großstädten und deren Umland wie Berlin nicht unbeaufsichtigt in einem Fahrzeug zurückgelassen werden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger das Geld in dem Ablagefach so deponiert hat, dass es von außen nicht sichtbar war. Abgesehen davon, dass damit das Risiko eines Einbruchs nicht ausgeschlossen wird, weil ein Täter gerade die Ablagefächer untersuchen wird, kam hier hinzu, dass in dem LKW zwei Mobiltelefone offen herumlagen, davon zumindest ein höherwertiges und leichtverkäufliches i-phone neueren Datums, die einen potentiellen Täter zum Einbruch geradezu einluden. Hinzu kommt, dass der Kläger den LKW eine halbe Stunde unbeaufsichtigt zurückgelassen hat, so dass ausreichend Zeit war, das Fahrzeug zu untersuchen und er es so geparkt hat, dass er einen Einbruch nicht bemerken konnte.
Dem Kläger standen zahlreiche andere Handlungsmöglichkeiten für eine sichere Verwahrung des Geldes zur Verfügung. So hätte er das Geld während des Liefervorgangs mit sich führen können. Unstreitig befand sich das Geld in dem Firmen-Portemonnaie. Der Kläger hätte also das gesamte Portemonnaie mit dem Geld in der Hand tragen können. Er hätte es nicht – wie von ihm wegen eines möglichen Verlustes als kritisch eingestuft – am Körper verteilen müssen. Auch hätte der Kläger, wenn er das Geld in dem LKW zurücklässt entweder selbst den LKW während des Abladevorgangs beaufsichtigen müssen oder aber seinen Beifahrer damit beauftragen können. Der Abladevorgang erforderte nicht die Beteiligung von Fahrer und Beifahrer, wie sich schon darin zeigt, dass der Kläger im Erdgeschoss verbleiben konnte, während der Beifahrer die gelieferten Getränke im Keller deponierte.
Auch das für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit erforderliche subjektive Element ist gegeben. Der Kläger war sich des Risikos eines Verlustes des Geldes durchaus bewusst. Er hat nach seinen eigenen Angaben mit dem Beifahrer darüber gesprochen, wie das Geld am besten verwahrt werden könnte. Der Kläger hatte mehrere andere Handlungsalternative, das Geld sicher zu verwahren. Soweit der Kläger Gefahren für seine persönliche Sicherheit geltend macht, die dagegen gesprochen hätten, das Geld bei sich zu tragen, hätte der Kläger die Tour abbrechen und das Geld unmittelbar bei der Beklagten abliefern können. Denn wenn der Kläger schon konkrete Bedenken hinsichtlich eines Überfalls auf seine Person befürchtet, liegt die Möglichkeit eines Einbruchs in einen entfernt abgestellten LKW, der eine geringere kriminelle Energie als die Bedrohung einer Person benötigt, nahe. Insofern hat der Kläger auch nicht etwa darauf vertraut, in einer kleinen Straße werde schon nichts passieren. Zudem hätte auch dann die Möglichkeit bestanden, das Fahrzeug nicht unbeaufsichtigt für eine halbe Stunde zurückzulassen.
Besondere Umstände in der Person des Klägers, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen würden, könne nicht festgestellt werden. Wie oben bereits ausgeführt, standen dem Kläger verschiedene Wege für eine sichere Verwahrung des Geldes und die Verhinderung eines Verlustes offen. Dieses vom Kläger eingegangene Risiko hat sich dann durch den Einbruch in den LKW auch verwirklicht, mit der Folge, dass der Beklagten ein Schaden i.H.v. 19.300,89 € entstanden ist.
2.1.4 Für diesen Schaden haftet der Kläger nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit i.H.v. 6000 €.
2.1.4.1 Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen (27. September 1994 - GS 1/89 (A) - BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59) zur Haftung eines Arbeitnehmers bei betrieblich veranlasster Tätigkeit hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen.
Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein (st Rspr. vgl dazu insgesamt BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09 – Rz. 17,18 - NZA 2011, 345-349).
Bei grober Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Entlastung des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen. Ob sie in Frage kommt und wie weit sie zu gehen hat, ist nach einer Abwägung zu entscheiden. Auf Seiten des Arbeitnehmers müssen insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, die weiteren mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umstände und der Grad des Verschuldens in die Abwägung einbezogen werden. Auf Seiten des Arbeitgebers wird ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust umso mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen sein, als dieser einzukalkulieren oder durch Versicherungen ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer abzudecken war Die Entscheidung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Eine feste, summenmäßig beschränkte Obergrenze der Haftung gibt es nicht, sie festzulegen wäre dem Gesetzgeber vorbehalten (BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09 – Rz. 25).
2.1.4.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen haftet der Kläger unter Abwägung aller heranzuziehenden Umstände in Höhe von 6000 € für den entstandenen Schaden.
Unzweifelhaft ist der Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden. Der Kläger war von der Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeit mit dem Inkasso beauftragt worden und führte das Geld während der von der Beklagten geplanten Tour mit sich.
Eine Schadensquotelung scheidet nach den obigen Grundsätzen nicht deshalb aus, weil der Kläger den Schaden vorsätzlich verursacht hätte. Es ist zwar der Beklagten zuzubilligen, dass sich anhand der Umstände des Tathergangs ein dringender Verdacht an der Beteiligung des Klägers an der Tat aufdrängt. Allerdings konnte auch das Berufungsgericht sich über diesen dringenden Verdacht hinaus nicht die für die Annahme des Vorsatzes erforderliche Überzeugung der Tatbeteiligung bilden. Polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wurden gegen den Kläger nicht aufgenommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Dritter – möglicherweise in Kenntnis des Inkassovorgangs – die sich ihm bietende Gelegenheit genutzt hat.
Bei der – wie oben ausgeführt – anzunehmenden groben Fahrlässigkeit des Klägers ist nach den obigen Grundsätzen seine Entlastung in Bezug auf den Umfang der Haftung nicht ausgeschlossen. Dabei war auf Seiten des Klägers insbesondere einzubeziehen, dass das ihm von der Beklagten gezahlte monatliche Bruttoentgelt nicht einmal 1/8 der Schadenssumme erreicht, die Schadenssumme also über das Doppelte hinausgeht, was als Haftungsgrenze diskutiert wird. Ungeachtet der offensichtlich zum Teil sehr hohen Inkassobeträge hat die Beklagte dem Kläger keinerlei Risikozuschlag für diese Tätigkeit bezahlt. Demgegenüber musste die Beklagte – ebenso wie der Kläger – bei der Vereinnahmung von Beträgen in dieser Höhe den Verlust des Geldes durch Diebstahl oder Raub in Erwägung ziehen. Sie hat dies auch getan, wie sich aus der von ihr getragenen Anweisung, das Geld am Körper zu tragen, ergibt. Der hier entstandene Vermögensverlust ist aber insbesondere deshalb mit einem höheren Anteil dem Betriebsrisiko der Beklagten zuzurechnen, als diese es mit der Planung der Tour in der Hand hatte, das Risiko eines Verlustes zu minimieren. Die Beklagte hatte in dem Tourenplan den Inkassobetrag eingetragen und hätte ohne weiteres den Tourenplan so erstellen können, dass der Kläger unmittelbar nach Vereinnahmung einer so hohen Summe in den Betrieb der Beklagten hätte zurückkehren können. Wenn die Beklagte in Kenntnis der Höhe des zu vereinnahmten Betrages der Tour des Klägers noch einen weiteren Kunden beifügt, ist ihr der dann eintretenden Verlust jedenfalls in nicht unerheblichem Ausmaß im Rahmen ihres Betriebsrisiko zuzurechnen.
In Abwägung dieser Gesamtumstände erschien es der Kammer angemessen, den Kläger mit nicht ganz 3 Bruttomonatsverdiensten, nämlich insgesamt mit 6000 €, an dem Ausgleich des Schadens zu beteiligen.
2.1.5 Die Beklagte ist mit ihrem Schadensersatzanspruch weder aufgrund der vertraglichen Ausschlussfristen noch aufgrund des vor dem Arbeitsgericht Potsdam geschlossenen Beendigungsvergleichs ausgeschlossen.
2.1.5.1 Die unter § 8 des Arbeitsvertrages vom 01.10.2013 vorgesehenen Ausschlussfristen greifen schon deshalb nicht, weil Ansprüche, die aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen resultieren, ausdrücklich ausgenommen sind. Vorliegend handelt es sich indes um einen Anspruch aus einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung.
2.1.5.2 Die Beklagte hat auch nicht mit dem Abschluss des Vergleichs, wonach das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund betriebsbedingter Kündigung zum 15.10.2015 geendet hat und sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis mit der Gesamtnote „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ zu erteilen, auf etwaige Schadensersatzforderungen verzichtet. Ein solcher Verzicht auf Schadensersatzansprüche lässt sich diesem Vergleich nicht entnehmen.
Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge und damit auch Prozessvergleiche so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. zB BAG 10. Dezember 2014 – 10 AZR 63/14 – NZA 2015, 483-486, BAG 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 – juris Rn. 57 mwN).
Schon nach dem Wortlaut des Vergleichs hat die Beklagte auf Schadensersatzansprüche nicht verzichtet. Der Vergleich enthält unter seiner Ziffer 4 nur die Vereinbarung der Erledigung des Rechtsstreits. Der vor dem Arbeitsgericht anhängige Rechtsstreit, der mit dem Vergleich beendet werden sollte, betraf aber ausschließlich die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung. Schadensersatzansprüche waren im dortigen Verfahren nicht anhängig und können mithin nicht von der Regelung zur Erledigung des Rechtsstreits erfasst werden.
Der Kläger behauptet auch nicht, dass Schadensersatzansprüche Gegenstand der dem Abschluss des Vergleichs vorangegangenen Verhandlungen waren. Soweit er darauf Bezug nimmt, dass sich die Beklagte im Vergleich auf eine betriebsbedingte Kündigung und eine gute Beurteilung des Klägers eingelassen hat, mag dies dem für einen Vergleich notwendigen gegenseitigen Nachgeben entsprechen, enthält indes keinen Tatsachenvergleich des Inhalts, dass das Verhalten des Klägers in Bezug auf den Verlust des Geldes nicht zumindest als grob fahrlässig einzustufen war. Die Parteien wollten nach den Regelungen des Vergleiches allein Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließen. Hätten sie einen umfassenden Ausgleich aller Forderung und den Verzicht auf Schadensersatzansprüche gewollt, hätten sie die im Arbeitsrecht übliche allgemeine Ausgleichsklausel gewählt.
2.2 Stand der Beklagten aber gegen den Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6000 € zu, führte die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gegen Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt für September 2015 in Höhe von 406,00 Euro zum Erlöschen der Forderung (§§ 387, 389 BGB).
2.2.1 In dieser Höhe ist die Aufrechnung zulässig (§ 394 BGB). Pfändungsfreigrenzen stehen ihr insoweit nicht entgegen. Das dem Kläger für September 2015 zustehende Nettoarbeitsentgelt übersteigt in dieser Höhe die Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO. Dem Kläger stand nach der ihm erteilten Abrechnung für September 2015 ein Bruttomonatsverdienst i.H.v. 2.250 € zu, aus dem sich bei Abzug der gesetzlichen Abzüge ein Nettoverdienst i.H.v. 1.511,23 € ergibt. Nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2015 ist bei einem Nettoverdienst von 1.511,23 € ein Betrag i.H.v. 406 € pfändbar. Ausweislich der Abrechnung muss der Kläger keine Unterhaltsverpflichtungen erfüllen.
2.2.2 Die weitergehende Aufrechnung der Beklagten ist indes unzulässig. Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsentgelt für September 2015, die über 406 € hinausgehen, sind ebenso unpfändbar, wie Ansprüche des Klägers auf Auszahlung von Arbeitsentgelt für Oktober 2015. Für den Zeitraum bis Mitte Oktober 2015 stand dem Kläger nur ein Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 714,70 € zu. Dieser Betrag liegt unterhalb der Pfändungsgrenzen (§§ 850 Abs. 1,850 c Absatz 1 Satz 1 ZPO). Auch wenn der Kläger in der Mitte des Kalendermonats aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, waren die Pfändungsgrenzen gemäß § 850 c ZPO auf der Grundlage des Nettomonatseinkommens zu berechnen. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Regelung (vgl. Zöller, ZPO § 850 c Rn. 3 mwN; Arbeitsgericht Frankfurt 07.05.1998 - 2 Ca 1991 / 98). Bereits der Gesetzeswortlaut stellt auf den vertragsgemäßen Abrechnungszeitraum ab, der durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Ablauf lediglich gekürzt, nicht aber in einen Tages- oder Wochen Abrechnungszeitraum geändert wurde. Auch der Normzweck spricht für diese Auslegung. Die Pfändungsgrenzen sollen dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Mindesteinkommen innerhalb der Abrechnungszeiträume garantieren, was dadurch gewährleistet wird, dass unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses in dem bestehenden Monat auf das Monatsentgelt abgestellt wird, wenn jedenfalls der vereinbarte Abrechnungszeitraum der Monat ist (Arbeitsgericht Frankfurt 07.05.1998 - 2 Ca 1991 / 98).
2.2.3 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB nicht nach Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich. Diese Einschränkung gilt dann, wenn der Arbeitgeber gegen eine Lohn- oder Ruhegehaltsforderung mit einer Schadensersatzforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des früheren Arbeitnehmers aufrechnen will (vgl. z.B. BAG 18.03.1997 – 3 AZR 756/95 – BAGE 85, 274 – 283). Wie oben dargestellt kann dem Kläger indes nur grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, mit der Folge, dass die Pfändungsfreigrenzen weiterhin anzuwenden sind.
2.3 Soweit die Schadensersatzforderung der Beklagten aufgrund der Unzulässigkeit der Aufrechnung nicht erloschen ist, steht der Beklagten dieser Anspruch im Rahmen der Widerklage zu. Ausgehend von einem Gesamtschadensersatzbetrag i.H.v. 6000 € verbleiben dementsprechend noch 5594,- €, zu deren Zahlung der Kläger im Rahmen der Widerklage zu verurteilen war.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den §§ 288,291 BGB.
3. Entsprechend des Obsiegens bzw. Unterliegens waren die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien zu verteilen (§ 92 ZPO).
Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.