Gericht | SG Frankfurt (Oder) 29. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.11.2011 | |
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Aktenzeichen | S 29 R 643/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 AAÜG, § 8 AAÜG, § 14 SGB 4, § 17 SGB 4, § 23 SGB 10, § 256a SGB 6, § 128 SGG, § 202 SGG, § 287 ZPO |
1. Der Nachweis und die Glaubhaftmachung der Zahlung von tatsächlichen Entgelten im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG ist bei Entgelten, deren Zahlung und Höhe im wesentlichen Umfang von der subjektiven Einschätzung Dritter wie z.B. Vorgesetzter abhängig war, nur unter strengen Anforderungen möglich, wenn es keine aussagekräftigen Unterlagen zu Höhe und Zahlung dieser Entgelte gibt. Es ist insbesondere nicht zulässig, den Prozentsatz, der sich aus dem Verhältnis einer nachgewiesenen Jahresendprämie eines Arbeitskollegen zu dessen Bruttogehalt ergibt, auf das Bruttogehalt anderer Arbeitskollegen zu übertragen, da es sich bei der Jahresendprämie nach den Vorschriften der Prämienordnung der DDR um eine für jeden einzelnen individuell festzustellende Leistungsprämie handelte.
2. Die in der volkseigenen Wirtschaft der DDR gezahlten Jahresendprämien werden im Übrigen bereits nicht vom Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG erfasst (Anschluss an SG Leipzig, Urteil vom 28. Juli 2010, Aktenzeichen S 24 R 1318/08, entgegen BSG, Urteil vom 23. August 2007, Aktenzeichen B 4 RS 4/06 R).
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob zu Gunsten des Klägers für den Zeitraum 1980 bis 1989 weitere Entgeltzahlung auf Grund der tatsächlichen Zahlung einer Jahresendprämie in jedem Jahr zu Gunsten des Klägers von der Beklagten festzustellen und an den Rentenversicherungsträger zu übermitteln sind.
Der 1948 geborene Kläger durchlief eine Ausbildung zum Triebfahrzeugschlosser und nahm während seiner beruflichen Tätigkeit beim VEB H.-werk F. am 1. September 1972 ein Fernstudium an der Ingenieursschule für Feinwerktechnik in Glashütte / Sachsen im Fach Feinwerktechnik auf.
Dieses Studium schloss er am 25. November 1976 mit Aushändigung der Urkunde über den Ingenieurstitel für Feinwerktechnik ab. Dieser Titel wurde durch Beschluss vom 17. August 1976 des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst einem Fachhochschulabschluss Dipl.–Ing. FH der betreffenden Fachrichtung gleichgestellt.
Im Zeitraum ab November 1976 bis über dem 30. Juni 1990 hinaus war der Kläger im Produktionsbereich des VEB H.-werk F. beschäftigt. Zunächst im sog. Bereich Mikroelektronik als Güteprüfer von Mikromasken für die Fertigung integrierter Schaltkreise und ab ca. 1978 im Bereich Konsumgüterelektronik als Leiter der Endkontrolle von hergestellten elektronischen Baugruppen sowie Endgeräten.
Mit Feststellungsbescheid vom 3. April 2003 hat die Beklagte für die Zeit ab November 1976 bis Juni 1990 das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt des Klägers nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festgestellt und diese Daten an den zuständigen Rentenversicherungsträger zur Berechnung der Rente des Klägers übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2007 hat der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 3. April 2003 gestellt. Der Kläger trug dabei vor, er habe im H.-werk jährlich eine Jahresendprämie erhalten. Diese habe sich im Bereich eines 13. Monatsgehalts bewegt.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 21. April 2009 zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde damit begründet, dass der Bescheid vom 3. April 2003 bereits rechtsfehlerhaft ergangen sei, da die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Zusatzversorgung der Technischen Intelligenz nicht vorgelegen hätten. Der Betrieb des Klägers hätte zum Stichtag des 30. Juni 1990 über keine Betriebsmittel mehr verfügt, da diese bereits an den Nachfolgebetrieb übergegangen sein. Der VEB H.-werk F. habe nur noch als „leere Hülle“ fortbestanden. Dieser Bescheid ging dem Kläger am 27. April 2009 zu.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schriftsatz vom 25. Mai 2009, Zugang bei der Beklagten Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 1. September 2010 stellte die Beklagte fest, dass der Anwendungsbereich des § 1 AAÜG für den Kläger tatsächlich erfüllt sei und hob den Bescheid vom 23. April 2009 insoweit auf. Die Beklagte entschied in diesem Bescheid jedoch erneut, dass die vom Kläger geltend gemachten Jahresendprämien nicht anerkannt werden könnten, da die tatsächliche Prämienzahlung nicht nachgewiesen sei. Weder die Nachfolgebetriebe des VEB H-werk F. noch die R. O. S. GmbH verfügten über Nachweise der Prämienzahlungen.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2010 hat der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten Klage erhoben. Das Klageverfahren wurde von Beteiligten anschließend ruhend gestellt, da das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2011 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Das am Sozialgericht Frankfurt (Oder) anhängige Verfahren wurde daraufhin auf Antrag der Beklagten wieder aufgenommen.
Der Kläger hat in seiner Klagebegründung vom 21. März 2011 sein Klagebegehren dahingehend konkretisiert, dass er nur den Zeitraum 1980 bis 1989 streitig stellt.
Zur weiteren Klagebegründung trägt er vor, dass im VEB H.-werk F. während dieses Zeitraums jedes Jahr Jahresendprämien quasi als 13. Monatsgehalt zuerkannt und ausgezahlt worden seien. Dabei habe sich die Jahresendprämie aus zwei Komponenten zusammengesetzt: 1.) aus dem Monatsbruttogehalt in Mark der DDR und 2.) einer definierten Zulage für die Dauer der konkreten Betriebszugehörigkeit des Zuwendungsempfängers. Dabei habe der Betrieb bei Betriebszugehörigkeit von weniger als fünf Jahren 40,- Mark, bei Betriebszugehörigkeit von mindestens fünf und weniger als zehn Jahren 80,- Mark und bei Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren 120,- Mark an den Betreffenden gezahlt.
Derjenige Prämienanteil, welcher sich am Monatsgehalt des Zuwendungsempfängers orientierte sei jeweils aus dem konkreten Gesamtjahresabschluss des VEB H.-werk F. errechnet worden und hiervon abhängig gewesen. Hierfür sei am Anfang des Folgejahres vom sog. Bereich Direktorat Ökonomie ein Aufwertungsfaktor von Quartalsprämiensummen durch die so genannte Vertrauensleuteversammlung vorgeschlagen und beschlossen worden. Dieser Aufwertungsfaktor habe im VEB H-werk F. 1,310 im Jahr 1980, 1,300 (1981), 1,252 (1982), 1,284 (1983), 1,200 (1984), 1,194 (1986), 1,249 (1987), 1,202 (1988) und 1,387 (1989) betragen.
Der damalige Vorgesetzte des Klägers der Zeuge L. B. habe aus Eigeninteresse handschriftlich auf einer Karteikarte, welche er Jahr für Jahr ergänzte, eine statistische, jährliche Aufstellung der konkreten JEP Daten festgehalten und diese damit dokumentiert. Aus diesen Aufzeichnungen sei zu entnehmen, dass der Aufwertungsfaktor zu einer Bemessung der jeweiligen Jahresendprämie führte, welche regelmäßig zwischen 91 % und 100,55 % des Monatsbruttolohnes ausmachte. Der Kläger meint, dass diese prozentualen Werte eine schätzungsweise Bemessung der streitgegenständlichen Jahresendprämie ermögliche.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 21. April 2009 und 1. September 2010, sowie des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 3. April 2003 abzuändern und höhere monatliche Entgelte unter Berücksichtigung der Jahresendprämien der Jahre 1980 bis 1989 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte argumentiert wie in ihrem Widerspruchsbescheid, dass sowohl der Anspruch als auch die Höhe der Jahresendprämie nach dem Recht der ehemaligen DDR von einer Vielzahl von Faktoren abhängig war, die aus heutiger Sicht im Fall des Klägers nicht mehr nachzuvollziehen sind. Die Archiv - Recherchen zur Ermittlung der Zahlung einer Jahresendprämie verliefen für den Kläger negativ. Für eine pauschale Berücksichtigung der Jahresendprämie fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Sachverhaltsaufklärung eine Kopie der Karteikarte des Zeugen B. beigezogen.
Die 29. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) hat im Verhandlungstermin des 2. November 2011 den Zeugen L. B. zu den Modalitäten der Zahlung einer Jahresendprämie im VEB H.-werk F. als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat bei seiner Zeugenvernehmung ausgesagt, dass er nur bis ungefähr 1978 der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Klägers gewesen sei. Dieser sei ihm als lernbegieriger, fleißiger und daher bei seinen Kollegen beliebter Mitarbeiter in Erinnerung gewesen, der bei den leistungsbezogenen Jahresendprämien daher „im oberen Level“ gelegen habe. Ab dem Jahr 1978 und dem Wechsel des Klägers in eine andere Abteilung sei er nicht mehr der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Klägers gewesen. Dieses sei nur noch dann der Fall gewesen, wenn er als stellvertretender Direktor in Vertretung des Direktors dem Kläger erneut vorgestanden habe. Der Zeuge sagte im Weiteren aus, dass es nicht zulässig sei, die von ihm für sich angestellte Berechnung des Verhältnisses Jahresendprämie zu Bruttomonatsgehalt in Prozent unmittelbar auf den Kläger zu übertragen. Die Jahresendprämie sei eine individuell leistungsbezogene Prämie gewesen, so dass jeder Mitarbeiter einen für ihn individuell zu ermittelnden Prozentsatz eines Bruttomonatsgehalts als Jahresendprämie erhielt.
Der Zeuge legte ferner dar, dass jeder Mitarbeiter nach Quartalen bewertet und diese Bewertung auf Karteikarten festgehalten wurde. Dabei wurde je nach Leistung des Betroffenen ein Zu- oder Abschlag vorgenommen. Diese Karteikarte lag dann der Berechnung der individuellen Jahresendprämie zu Grunde, wobei die Summe der Jahresendprämien nicht übersteigen durfte. Der Zeuge fügte hierbei hinzu, dass es ihm nicht mehr erinnerlich sei, eine solche Karteikarte für den Kläger ausgefüllt zu haben.
In Bezug auf den Teil der Jahresendprämie, welche leistungsunabhängig gezahlt wurde, bestätigte der Zeuge, dass es die Jahresendprämie im VEB H.-werk F. einen solchen Anteil enthalten habe. Nach seiner Erinnerung seien dieses leistungsunabhängig 40 Mark bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren, 80 Mark bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren und 120 Mark bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 oder 20 Jahren gewesen.
In Bezug auf das weitere Ergebnis der Zeugenvernehmung verweist das Gericht auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2011 sowie die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
I.
Die fristgerecht erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, da der Kläger einerseits die teilweise Aufhebung der seinem Anliegen entgegenstehenden Überprüfungsbescheide der Beklagten und andererseits die Verpflichtung der Beklagten zur Abänderung des vom Kläger angegriffenen Feststellungsbescheides vom 3. April 2003 unter Berücksichtigung weiterer Entgelte begehrt.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 21. April 2009 in Gestalt des Bescheides vom 1. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Abänderung des Feststellungsbescheides vom 3. April 2003 durch die Feststellung weiterer Arbeitsverdienste – hier von Jahresendprämienzahlungen für die Jahre 1980 bis 1989 - gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Dieses liegt vorliegend nicht vor, da weder im Verwaltungsverfahren noch im anschließenden Gerichtsverfahren ein hinreichender Nachweis oder eine hinreichende Glaubhaftmachung für die tatsächliche Zahlung von Jahresendprämien – insbesondere nicht in einer für die Kammer hinreichend einschätzbaren Höhe - gelungen ist und die Beklagte diese Zahlungen somit nicht zusätzlich zu den bereits im bestandskräftigen Bescheid vom 3. April 2003 festgestellten Entgelten berücksichtigen konnte (a.). Selbst wenn die Zahlung von Jahresendprämien in den Jahren 1980 – 1989 in einer konkreten Höhe feststellbar gewesen wäre, hätten diese Zahlungen aus Rechtsgründen nicht von der Beklagten berücksichtigt werden können, da Jahresendprämienzahlungen kein Entgelt im Sinne des § 6 AAÜG darstellen (b).
Die Beklagte hat als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) zuständige Versorgungsträger gemäß § 8 Abs.1 S.1 und 2 AAÜG Feststellungen zu treffen, welche der zuständige Träger der Rentenversicherung benötigt, um die Höhe der Leistungen aus der Rentenversicherung feststellen zu können. Zu diesen Feststellungen zählt gemäß § 8 Abs.1 S.2 AAÜG auch die Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens der Berechtigten Person i.S.d. § 6 Abs.1 AAÜG. Hierbei handelt es sich um ein dem Vormerkungsverfahren i.S.d § 149 SGB VI ähnliches Verfahren in dem jeweils einzelne Feststellungen durch jeweils einzelne Verwaltungsakte getroffen werden.
Die Beklagte hatte mit dem zur Überprüfung gestellten Bescheid vom 3. April 2003 den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG i.S.d. § 1 Abs. 1 AAÜG bejaht und die Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz unter anderem für den streitgegenständlichen Zeitraum 1980 bis 1989 sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte im Sinne des § 8 Abs.1 S.2 AAÜG festgestellt. Den Überprüfungsbescheid vom 21. April 2009, in welcher sie die –fiktive- Zugehörigkeit des Klägers zur Technischen Intelligenz mangels Vorliegens der betrieblichen Voraussetzungen verneinte, hat sie in diesem Punkt durch Erlass des Bescheides vom 1. September 2010 wieder korrigiert. Sie hat mit den vorgenannten Bescheiden sowie im Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2011 die Feststellung weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien für die Jahre 1980 – 1989 im Weiteren zu Recht abgelehnt.
a.)
Die Beklagte musste die Feststellung der Zahlung von Jahresentgelten des Klägers in den Jahren 1980 bis 1989 bereits aus dem Grunde ablehnen, dass dem Kläger weder ein hinreichender Nachweis noch eine hinreichende Glaubhaftmachung dafür gelungen, ist, dass er in jedem streitgegenständlichen Jahr in Höhe eines jeweils konkret zu bestimmenden Betrages im VEB H-werk F. tatsächlich – in dieser Höhe - erhalten hat.
Gemäß § 6 Abs.1 S.1 AAÜG ist bei der Feststellung der Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG grundsätzlich das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu Grunde zu legen. Zu dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG zählt nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts, Urteil vom 23. August 2007, Aktenzeichen: B 4 RS 4/06 R, zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) welcher sich diese Kammer nicht anschließt (hierzu ausführlicher unter b.) auch die jährlich gezahlte Jahresendprämie. Jedoch ist auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Jahresendprämie nur dann als tatsächliches Einkommen des Versicherten durch die Beklagte festzustellen, wenn sie dem Berechtigten im Sinne des AAÜG während seiner Zugehörigkeit zum Versorgungssystem aufgrund seiner Beschäftigung zugeflossen also tatsächlich gezahlt worden ist (Bundessozialgericht, a.a.O. Rn 19). Hierbei trifft den Berechtigten sowohl für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Belohnung erfüllt waren, als auch ob diese dem konkreten Berechtigten tatsächlich zugeflossen ist, im Falle der Unaufklärbarkeit die objektive Beweislast (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O. Rn 42). Hierbei hat das Bundessozialgericht in dem angeführten Urteil davon abgesehen, Beweiserleichterungen welcher Art auch immer vorzusehen. Somit trägt der Kläger – folgt man der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts - die objektive Beweislast dafür, dass sämtliche Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB DDR und der einschlägigen Verordnungen zur Gewährung der Jahresendprämie in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter berücksichtigungsfähiger Betrag auch tatsächlich zugeflossen ist (so auch Sozialgericht Cottbus, Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2010, Aktenzeichen S 13 R 459/09, Rn 17.). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das AAÜG die Möglichkeit der Feststellung eines (jedenfalls erhaltenen) Mindestbetrages nicht vorsieht, da aus § 6 Abs.1 S.1 und Abs.6 AAÜG ersichtlich wird, dass nur der Verdienst berücksichtigt werden kann, der tatsächlich erzielt wurde, also in konkreter Höhe feststellbar ist (vgl. SG Berlin, Urteil vom 18. Mai 2010, Aktenzeichen S 6 R 1724/09, zu recherchieren unter www.juris.de).
aa.)
Den Nachweis eines Zuflusses einer konkret bestimmten Jahresendprämiensumme in einem oder sogar jedem Kalenderjahr im streitgegenständlichen Zeitraum 1980 bis 1989 ist dem Kläger nicht gelungen. Ein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises wäre nur dann als erbracht anzusehen, wenn die Kammer in ihrer freien Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausginge, dass dem Kläger in einem oder mehreren Jahren eine Jahresendprämie in einer konkreten Höhe zugeflossen ist (vgl. Keller in Meyer – Ladewig, Kommentar zum SGG, 9.Auflage 2008, zu § 128 Rn 3b m.w.N.). Unterlagen die den Zufluss von Jahresendprämien an den Kläger belegen können, liegen nicht vor. Auch der Zeuge B. konnte nicht bestätigen, dass dem Kläger Jahresendprämien in einer konkreten Höhe gezahlt wurden. Diesbezügliche Angaben hat der Zeuge nicht gemacht. Er hat vielmehr klargestellt, dass es nicht zulässig sei, von dem Prozentsatz vom Monatsbruttogehalt auszugehen, den er selbst im jeweiligen Jahr als Jahresendprämie erhalten hat, da es sich bei der im VEB H.-werk F. um eine individuelle Prämienzahlung gehandelt habe, jeder also eine an seiner eigenen Leistung gemessene individuelle Jahresendprämie erhalten hat. Der Zeuge konnte auch nicht bestätigen, im streitgegenständlichen Zeitraum eine Karteikarte für den Kläger ausgefüllt zu haben, mit Hilfe derer sich die Höhe der an den Kläger ausgezahlten Jahresendprämie gegebenenfalls rückrechnen ließe. Ohne Kenntnis der individuellen Leistungsbewertung der Leistung des Klägers ist eine Berechnung der Jahresendprämie des Klägers nur unter Zugrundelegung des Aufwertungsfaktors im VEB H.-werk F. für das jeweilige Kalenderjahr nicht durchführbar.
bb.
Auch eine Glaubhaftmachung einer Jahresendprämienzahlung in einer konkreten Höhe ist in Wertung des Gesamtergebnisses dieses Verfahrens nicht gelungen. Zwar besteht gemäß § 6 Abs.6 AAÜG grundsätzlich die Möglichkeit, einen Teil des Verdienstes glaubhaft zu machen, wenn der andere Teil des Verdienstes nachgewiesen wurde. Da die Zahlung des Monatsgehalts des Klägers in den Jahren 1980 bis 1989 nachgewiesen ist, kommt – folgt man der Rechtsauffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts zur grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit der Jahresendprämie – die Glaubhaftmachung in Betracht. Hierbei reicht es zur Glaubhaftmachung einer gewissen Tatsache wie der Zahlung der Jahresendprämie in einer gewissen Höhe als Erleichterung zum Vollbeweis aus, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird; gewisse noch verbleibende Zweifel sind dabei unbeachtlich (vgl. u. a. von Wulffen, SGB X, § 23 Rn. 2 und im Anschluss an diesen SG Berlin Urteil, a.a.O Rn 26).
Das Gericht erachtet es in Wertung des Ergebnisses der Zeugenvernehmung des Zeugen L. B. durchaus für glaubhaft, dass im Zeitraum 1980 bis 1989 im VEB H.werk F. Jahresendprämien gezahlt worden sind. Das Gericht kann jedoch auch unter den erleichterten Beweisanforderungen der Glaubhaftmachung nicht mit der notwendigen Sicherheit sagen, ob eine Jahresendprämie in jedem streitgegenständlichen Jahr an den Kläger gezahlt wurde und insbesondere in welcher Höhe dieses geschah. Denn die Zahlung der Jahresendprämien waren sowohl bezüglich des „ob“ der Zahlung als auch bezüglich der konkreten Höhe der Zahlung von einer Reihe von positiven und negativen Bedingungen abhängig, welche die Kammer auf Grund des Fehlens hinreichend belastbarer Unterlagen und des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs zum heutigen Tag nicht als gegeben unterstellen kann.
So bestand gemäß § 117 Abs.1 des Arbeitsgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. Juni 1977 (im Folgenden: Arbeitsgesetzbuch) ein Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie wenn die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehört; im Betriebskollektivvertrag vereinbart ist, der Werktätige und das Arbeitskollektiv, dem er angehört, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten und der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebes war.
Gemäß § 117 Abs.4 des Arbeitsgesetzbuch konnte die Jahresendprämie bei schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten gemindert werden oder entfallen. Der Erhalt einer Jahresendprämie war somit nicht nur davon abhängig, dass im Betrieb grundsätzlich Jahresendprämien gezahlt wurden.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes musste somit jeder einzelne Werktätige die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe für sich erfüllt haben. Darüber hinaus gab es bereits gemäß § 117 Abs.4 des Arbeitsgesetzbuch Ausschlusskriterien, auf Grund derer ein Arbeitnehmer unabhängig von der Qualität seiner Leistung weniger oder gar keine Jahresendprämie erhielt, wobei ihm das Verhalten, dass damals zum Ausschluss der Jahresendprämie geführt hätte, aus heutiger Sicht nicht in jedem Fall als verwerflich vorzuwerfen wäre.
Konkretisiert werden die Regelungen des Arbeitsgesetzbuches im streitgegenständlichen Zeitraum durch die Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972 vom 12. Januar 1972 (Gesetzblatt der DDR Teil II Nr.5, Seite 49 – 53, im Folgenden Prämienverordnung 1972) und der Verordnung für Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für Volkseigene Betriebe vom 9. September 1982 (Gesetzblatt der DDR Teil I, Seite 595 – 598, im Folgenden Prämienverordnung 1982). Gemäß § 6 Abs.1 Nr.2 der Prämienverordnung 1972 mussten sowohl der Werktätige als auch sein Kollektiv die jeweiligen Leistungskriterien erfüllt haben. Gemäß § 7 Abs.2 der Prämienverordnung von 1972 war bei der Berechnung der Jahresendprämie für den Werktätigen einschließlich der leitenden Kader von einem einheitlichen Prozentsatz des Monatsverdiensts auszugehen. Die sich daraus ergebende Jahresendprämie war nach der Leistung der Arbeitskollektive im betrieblichen Reproduktionsprozess und nach der Leistung des einzelnen Werktätigen in den Arbeitskollektiven und Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren. Die Prämienverordnung von 1982 enthält in § 9 Abs.3 S.1 ebenfalls die Aussage, dass für die Arbeitskollektive und den einzelnen Werktätigen die Jahresendprämie nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren war. Gemäß §9 Abs.3 letzter Satz der Prämienverordnung von 1982 war die Jahresendprämie bei Nichterfüllung der Leistungskriterien durch einzelne Werktätige entsprechend niedriger festzulegen. Gemäß § 9 Abs.5 der Prämienverordnung konnte die Jahresendprämie bei Fehlschichten und anderen groben Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin sowie bei Verletzungen der staatsbürgerlichen Pflichten und bei Straftaten, die nicht von § 9 Absatz 6 der Prämienverordnung erfasst wurden gemindert werden oder entfallen. § 9 Abs.6 der Prämienverordnung von 1982 ordnete bei schwerwiegenden Verletzungen der staatsbürgerlichen Pflichten oder der sozialistischen Arbeitsdisziplin, die gemäß § 56 des Arbeitsgesetzbuches zur fristlosen Entlassung führten und bei Straftaten im Sinne des § 1 Abs.3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1972 in der Neufassung vom 19. Dezember 1974 an, dass keine Jahresendprämie gezahlt werden durfte.
Die obigen Normen zusammengefasst bleibt festzustellen, dass die Gewährung und insbesondere die Höhe der Jahresendprämie von einer Reihe objektiver und subjektiver Kriterien wie der Einschätzung der Arbeitsleistung des einzelnen Arbeiters durch den jeweiligen Vorgesetzen abhängig war. Selbst davon ausgehend, dass beim Kläger kein Ausschlusstatbestand vorlag, konnte die Höhe der Jahresendprämie, abhängig vom Arbeitsergebnis seines Arbeitskollektivs und insbesondere seines eigenen Arbeitsergebnisses, welches durch seinen Vorgesetzen bewertet wurde, erheblich schwanken – vgl. z.B. § 6 Abs.1 Nr.1 der Prämienverordnung 1972 – von einem Drittel des Monatsgehalts bis zu zwei Monatsgehältern. Da die Kammer nicht weiß, wie gut die Leistung des Klägers in den Jahren 1980 bis 1989 eingeschätzt wurde und wie gut die Leistung seiner Abteilung in diesem Zeitraum war, ist es für die Kammer nicht möglich einen konkreten Wert als überwiegend wahrscheinlich an den Kläger ausgezahlte Jahresendprämie auszuzahlen. Auch für eine gegebenenfalls gemäß den Vorschriften der §§ 202 SGG i.V.m. § 287 Abs.2 ZPO denkbare richterliche Schätzung fehlt es insofern an den notwendigen belastbaren Anknüpfungstatsachen. Zwar ist das Gehalt des Klägers bekannt. Auch hat der Zeuge B. bestätigt, dass der Kläger nach seiner Erinnerung ein fleißiger und guter Mitarbeiter war, der bei den Jahresendprämien „im oberen Level“ eingestuft wurde. Jedoch war der Zeuge B. im streitgegenständlichen Zeitraum nur im Vertretungsfall der Vorgesetzte des Klägers. An der für die Zahlung der Jahresendprämie entscheidenden Ausfüllung der Karteikarte des Klägers hat er nicht mitgewirkt, bzw. kann sich der Zeuge nicht erinnern. Seine Aussage ist für diesen Zeitraum daher nicht ergiebig. Die Kammer kann insofern nicht mit der notwendigen Sicherheit einschätzen ob und insbesondere in welcher Höhe dem Kläger im jeweiligen Jahr Jahresendprämien gezahlt wurden. Eine Aussage hierzu käme aus Sicht der Kammer einer unzulässigen Einschätzung „in Blaue hinein“ gleich.
b.)
Im Übrigen wäre die an den Kläger gezahlte Jahresendprämie, würde man sie entgegen der Kammerauffassung in einem oder mehreren Jahres zumindest in einer konkreten Höhe als glaubhaft gemacht ansehen (z.B. unter Berücksichtigung der leistungsunabhängigen Zahlungen wegen längerer Betriebszugehörigkeit, wobei sich auch diesbezüglich im vorliegenden Fall die Angaben über die Dauer der notwendigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und des Zeugen B. widersprechen), diese auch Rechtsgründen nicht zu berücksichtigen. Denn bei der Jahresendprämie handelt es sich entgegen der Rechtsauffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts im bereits zitierten Urteil nicht um Entgelt im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 und Abs.6 AAÜG. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts verweist insofern zwar zutreffend darauf, dass der Begriff des Entgelts im Sinne des AAÜG nicht in diesem Gesetz legal definiert ist. Dem 4. Senat des Bundessozialgerichts ist im Weiteren auch noch darin zuzustimmen, dass der Begriff des Arbeitsentgelts aus § 256a Abs.2 SGB VI zu entnehmen ist, gemäß dem nur das sozialversicherungspflichtige Entgelt tatsächliches Entgelt im Sinne des SGB VI darstellt, da ansonsten die Regelungen des AAÜG de facto gegenstandslos würden. Mit dem 4. Senat des Bundessozialgerichts ist daher davon auszugehen, dass für die Bestimmung des Begriffs des tatsächlichen Entgelts auf die Regelungen des § 14 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zurückzugreifen ist (so bereits Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Mai 1999, B 4 RA 6/99 R Rn 17, zu recherchieren unter www.juris.de).
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Sozialgerichts Leipzig, Urteil vom 28. Juli 2010, Aktenzeichen S 24 R 1318/08 geht die Kammer jedoch nicht davon aus, dass dem 4. Senat des Bundessozialgerichts auch dahingehend gefolgt werden kann, dass der Begriff des Arbeitsentgelts in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG praktisch im Sinne einer strikten und statischen gesetzlichen Verweisung auf das gesamte am 1. August 1991 geltende Beitragsrecht auszulegen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 4/06 R, Juris-Rn. 35 ff.), sodass jeweils zu prüfen wäre, ob die in der DDR im Zeitraum der Zugehörigkeit zugeflossenen Einnahmen jeweils beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV gewesen wären, wenn sie am 1. August 1991 gezahlt worden wären (vgl. SG Leipzig, Urteil vom 28.Juli 2010, Aktenzeichen S 24 R 1318/08 Rn 23ff, im Anschluss an dieses zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Verpflegungsentgelt bzw. kostenloser Verpflegung als Sachbezug, Reinigungszuschuss und Schichtzuschlag als Arbeitsentgelte nach dem AAÜG, SG Leipzig, Urteil vom 15. Dezember 2010, Aktenzeichen S 24 RS 1540/09, SG Potsdam, Urteil vom 7. Dezember 2010, Aktenzeichen S 36 R 121/09, SG Chemnitz, Urteil vom 3. Mai 2011, Aktenzeichen S 15 RS 1378/09, SG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2011, Aktenzeichen S 25 RS 2129/09).
Wie die 24. Kammer des Sozialgericht Leipzig zutreffend zusammenfasst, wäre nach der Rechtsauffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts nicht nur – insoweit noch zutreffend - die Definition des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV – hier insbesondere Abs. 1 Satz 1 – zu beachten ist, was zur Folge hat, dass zum Arbeitsentgelt grundsätzlich „alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung [gehören], gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.“. Darüber hinaus soll auch die Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung vom 6. Juli 1977 (nachfolgend: ArEV) – d. h. die Verordnung auf Grundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV zur Bestimmung von Entgeltbestandteilen, die nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV gelten – anzuwenden sein. Danach bestimmt insbesondere § 1 ArEV, dass steuerfreie „Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden,“ nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Dies führt zu dem Ergebnis, dass der Versorgungsträger grundsätzlich alle dem Versicherten im Zugehörigkeitszeitraum zugeflossene Einnahmen berücksichtigen soll, die der weiten Definition des Arbeitsentgelts gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV entsprechen, sofern sie nicht nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei gewesen wären. Da das AAÜG am 1. August 1991 in Kraft trat, soll auch hinsichtlich der Bestimmung des Entgeltsbegriffs jeweils auf § 14 SGB IV, die ArEV und – insbesondere – das EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung abgestellt werden (BSG, a. a. O. Juris-Rn. 39). Da speziell die in der DDR gezahlte Jahresendprämie, wenn sie am 1. August 1991 gezahlt worden wäre, nicht nach dem EStG steuerfrei (sondern gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig) gewesen wäre, soll es sich um Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG handeln (Sozialgericht Leipzig, a.a.O. Rn 24 unter Zusammenfassung der Argumentation des Urteils des Bundessozialgerichts, a. a. O., Rn. 40 und 41).
Im Anschluss an die Argumentation des Sozialgerichts Leipzig überzeugt diese Rechtsauffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts auch die hier entscheidende Kammer nicht. Ein wie vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommene statische Auslegung des Begriffs des tatsächlichen Entgelts im Sinne des § 6 Abs.1 ist keinesfalls zwingend. Insbesondere enthält § 6 Abs.1 AAÜG keinen entsprechenden Hinweis wie „tatsächliches Entgelt in der Bewertung des am 1. August 1991 anwendbaren Bundesrechts“. Es sprechen vielmehr die besseren Argumente dafür, nur diejenigen tatsächlichen Entgelte als Entgelte im Sinne des AAÜG anzuerkennen, die nicht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG steuerpflichtig gewesen wären, sondern die im Zeitpunkt ihres tatsächlichen Zuflusses steuerpflichtig waren (so auch SG Leipzig, SG Potsdam, SG Chemnitz, SG Dresden,a.a.O.).
Hierfür spricht zunächst, dass eine solche Auslegung des Begriffs des Entgelts im Lichte des Art. 3 Abs.1 Grundgesetz dem Gleichheitsgrundsatz deutlich besser entspricht als die vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommene Auslegung. Diese hat nämlich zur Folge, dass die ohnehin privilegierten Mitglieder der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme über deren ursprüngliche Funktion hinaus, ohne erkennbaren sachlichen Grund dahingehend privilegiert würden, dass die erhaltenen Jahresendprämien von den weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern (vgl. §14 Abs.1 S.2 Prämienverordnung 1982, § 11 Abs.1 Prämienverordnung 1972) abgeführt wurden, sich rentenerhöhend auswirken würden, während die sonstigen Arbeitnehmer, die nicht in die Sonder- und Zusatzversorgungssystem einbezogen worden waren, keine Rentenerhöhung auf Grund des Erhalts von Jahresendprämien geltend machen könnten, da diese – mangels Sozialversicherungspflicht - kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 256a SGB II darstellten (hierzu zuletzt Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Urteil vom 24. März 2011, Aktenzeichen L 22 R 573/10, zu recherchieren unter www.juris.de).
Für die wie hier gewählte Auslegung, dass nur das im Zeitpunkt des Zuflusses steuerpflichtige Einkommen als tatsächliches Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG Berücksichtigung finden kann, spricht im Weiteren im Sinne einer systematischen Auslegung der Norm, dass eine Auslegung des Begriffs wie durch den 4.Senat des Bundessozialgerichts geschehen, einen Verstoß gegen Anlage II, Kap VIII, Sachgebiet H, Abschnitt II Nr.9 b zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) darstellen würde. Gemäß dieser Norm sind Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen auch soweit diese bereits überführt oder das jeweilige Versorgungssystem bereits geschlossen sind, nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind, sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf. Genau dies würde jedoch geschehen, wenn man die Jahresendprämie als zum Zeitpunkt ihres Zuflusses steuerfreies Einkommen als tatsächlichen Arbeitsentgelt rentenerhöhend berücksichtigen würde. Denn die Jahresendprämie hätte als steuerfreies Einkommen im Rahmen der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der ehemaligen DDR mit großer Wahrscheinlich keine rentenerhöhende Wirkung entfaltet, da auch zum damaligen Zeitpunkt grundsätzlich nach der jeweils geltenden Fassung der Sozialversicherungsordnung ein Grundsatz der Parallelität von Steuer – und Beitragspflicht zur Sozialversicherung bestand (so z.B. SG Dresden, a.a.O Rn 53ff). Die Auslegung des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG, dass Jahresendprämien tatsächliches Entgelt im Sinne dieser Vorschrift darstellen, führt somit dazu, dass diese Prämienzahlungen nunmehr eine rentenerhöhende Wirkung erhalten, die ihnen vorher gar nicht zukam. Der ehemals einem Sonder- oder Zusatzversorgungssystem angehörende Versicherte würde hierdurch besser gestellt, als bei Fortbestehen der DDR. Dieses widerspricht dem oben dargelegten Überführungsgrundsätzen in offensichtlicher Weise (so auch SG Dresden, a.a.O Rn 57).
Nur zur Abrundung der Argumentation spricht gegen eine Berücksichtigung der Jahresendprämie als tatsächliches Arbeitsentgelt, dass deren Berücksichtigung als tatsächliches Entgelt im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG auf Grund der erheblichen Schwierigkeiten der damit verbundenen Beweisführung und der damit verbundenen Zufälligkeiten und Ungerechtigkeiten von einem vernünftigen Gesetzgeber, von dem man bei der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ausgehen muss, nicht gewollt sein kann. So musste zum Zeitpunkt des Erlasses des AAÜG bekannt gewesen sein, dass die Unterlagen zur Zahlung der Jahresendprämie mangels Steuer- und Beitragspflicht selbst zu Zeiten der DDR nur begrenzt der Aufbewahrungspflicht unterlagen (vgl. hierzu SG Leipzig, a.a.O. Rn 31). Da wie es auch in der täglichen Gerichtspraxis ersichtlich wird, der Großteil der entsprechenden Unterlagen vernichtet wurde, hängt die Möglichkeit des Nachweises des Erhalts der in aller Regel in bar ausgezahlten Jahresendprämien von Zufällen ab, wie z.B. ob es im Fall des jeweiligen Leistungsempfängers doch noch Unterlagen gibt, etwa weil ein Abteilungsleiter diese aus Eigeninteresse privat aufbewahrt oder eine Nachfolgefirma des ehemaligen VEB diese ausnahmsweise nicht vernichtet hat, oder ob es noch Zeugen gibt, die nach mehreren Jahrzehnten aus auf Grund des Zeitablaufs besonders darzulegenden Gründen oder auf Grund ihres besonders guten Gedächtnisses, tatsächlich noch glaubhaft Aussagen dazu treffen können, ob und insbesondere wie viel Jahresendprämie die jeweiligen Person im jeweiligen Jahr erhalten hat. In einer solchen Situation, in der absehbar ist, dass nur einem kleinen Bruchteil der Versicherten der Nachweis des Erhalts einer Jahresendprämie gelingen kann, wäre es zulässig und nahe liegend gewesen, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, gemäß derer diese in der Höhe eines Pauschbetrages – z.B. in Höhe eines Nettogehalts – zu berücksichtigen ist. Eine solche Norm hat der Gesetzgeber jedoch nicht geschaffen, was darauf hindeutet, dass er die Jahresendprämie grundsätzlich nicht als tatsächliches Entgelt im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 AAÜG berücksichtigten wollte.