Gericht | VG Potsdam 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.03.2018 | |
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Aktenzeichen | 1 K 826/16 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2018:0308.1K826.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 79 Abs 1 Nr 2 WasG BB, § 85 WasG BB, § 86 Abs 2 WasG BB, § 94 BGB, § 95 BGB, § 40 Abs 1 WHG, § 42 Abs 2 WHG |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Beklagten, mit dem dieser den Umfang der Kostenbeteiligung für die Unterhaltung des Körgrabens in Rathenow festgestellt hat.
Der Körgraben ist die etwa 9 km lange Verbindung zwischen dem Wolzensee und dem Rathenower Stadtkanal und damit der Havel. Es handelt sich um ein Gewässer II. Ordnung. Der Körgraben verläuft weitgehend oberirdisch. Ca. 1887 wurde er auf den letzten 525 m seines Verlaufs durch die damalige Stadtgemeinde Rathenow unterirdisch verlegt. Es wurde ein Kanal mit Maulprofil mit einer Sohle von 1,6 m und einer lichten Höhe von 1,8 m gebaut. Nach Angaben der Klägerin standen die Grundstücke, unter denen der Kanal verlegt wurde, zu diesem Zeitpunkt im Eigentum der Stadtgemeinde Rathenow. Sie sind in der Folgezeit weitgehend verkauft worden. Die Grundstücke sind, soweit auf ihnen keine öffentlichen Straßen verlaufen, inzwischen im Wesentlichen bebaut. Nach einer Eintragung im Wasserbuch von 1929 besitzt die Stadt das Recht, an zwei Stellen Regen- und Niederschlagswasser einzuleiten.
Bei dem unterirdisch verlaufenden Teilstück des Körgrabens sind erhebliche Schäden festgestellt worden. Es besteht ein akuter Sanierungsbedarf. Nach den Feststellungen des beigeladenen Wasser- und Bodenverbandes kann der Kanal vom Einlauf des Gewässers bis zum Parkplatz „Komma 10“ auf einer Strecke von 379 m in geschlossener Bauweise saniert werden. Für die Reststrecke von 152 m bis zur Havel ist ein Neubau erforderlich.
In diesem Bereich unterquert der Kanal die L 102. Hier plant die Landesstraßenbauverwaltung einen Ausbau, in den der Körgraben einbezogen werden soll. Die letzten 90 m verlaufen unter Grundstücken der Beigeladenen zu 2. Dort befindet sich ein Verbrauchermarkt nebst Parkplatzgelände. Die Beigeladene zu 2. plant dort bauliche Veränderungen.
Die Verpflichtung zur Unterhaltung der verrohrten Teilstrecke des Körgrabens war zwischen der Stadt und dem Verband streitig. Deswegen beantragte der Verband am 13. Juli 2011 bei der unteren Wasserbehörde des Beklagten, für diese Teilstrecke die Pflicht zur Gewässerunterhaltung festzustellen. Mit einem Schreiben vom 6. Oktober 2011, gerichtet an den beigeladenen Wasser- und Bodenverband, stellte der Beklagte nach § 86 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) dessen Unterhaltungspflicht fest, weil der Kanal Teil eines Gewässers II. Ordnung sei. Dieses Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
Mit einem weiteren, nunmehr an die Stadt Rathenow gerichteten Schreiben vom 22. Februar 2012 stellte der Beklagte erneut fest, dass der Wasser- und Bodenverband unterhaltungspflichtig sei und unterbreitete den Vorschlag, dass der Verband von den Sanierungskosten 50.000 € und die Stadt den Rest tragen sollten. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Vorschlag basierte auf der Annahme, dass die Stadt weiterhin Eigentümerin des verrohten Grabens sei. Er sei ca. 1886 von ihr hergestellt worden. Die gesamte Sanierung stelle eine Unterhaltungsmaßnahme dar. Es sei auch angemessen, dass der Verband 50.000 € der entstehenden Kosten trage. Dies seien die allgemeinen Unterhaltungskosten bei offener Führung des Gewässers. Die Mehrkosten seien aber von der Stadt zu tragen.
Die dagegen sowohl von der Stadt Rathenow mit Schriftsatz vom 15. März 2012, als auch von dem Verband mit Schriftsatz vom 11. April 2012 eingelegten Widersprüche wurden durch den Beklagten mit Bescheid vom 26. September 2013 zurückgewiesen. Im Übrigen enthält der Widerspruchsbescheid folgende mit der Klage angegriffenen Regelungen:
3. Von den Gesamtkosten für die Sanierung des auf 525 m verrohrten Körgrabens hat der Wasser- und Bodenverband „Untere Havel - Brandenburger Havel“ insgesamt 50.000 € zu tragen. Alle anderen Kosten hat die Stadt Rathenow zu tragen, mit Ausnahme der vertraglich geregelten Kostenbeteiligung des Landes Brandenburg an der Kreuzung mit der B 102.
4. Im Falle einer wesentlichen Umgestaltung des verrohrten Grabens – etwa bei Herstellung eines offenen Gerinnes oder Grabens – hat die Stadt Rathenow die Kosten vollständig zu tragen.
Gegen die Kostenverteilung haben sowohl der Verband (Ziff. 3), als auch die Stadt (Ziff. 3 und 4) Widerspruch eingelegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2016 hat der Beklagte beide Widersprüche zurückgewiesen. Die Stadt Rathenow sei als Eigentümerin des Kanals für die Mehrkosten der Sanierung nach § 85 BbgWG verantwortlich. Der Graben sei kein Bestandteil der jeweiligen Grundstücke. Die Beteiligung des Verbandes i.H.v. 50.000 € sei angemessen. Sie berechne sich nach der eingesparten Unterhaltung für einen offenen Graben über 70 Jahre. Dabei setzte der Beklagte 1 € je laufenden Meter und Jahr für Mahd und Sohlenkrautung und 2 € für eine Grundräumung alle 3-5 Jahre an.
Der Beigeladene zu 1. hat gegen den Bescheid vom 22. Februar 2012 Klage erhoben. Die Kammer hat diese Klage mit Urteil vom 13. November 2014 (VG 1 K 3926/13) als unzulässig zurückgewiesen, da der Bescheid vom 6. Oktober 2011 bestandskräftig geworden sei. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Unterhaltungspflicht bei dem Wasser- und Bodenverband liege. Einen dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 18. Januar 2017 (OVG 9 N 1.15) abgelehnt. Das Gericht hat es als offen angesehen, ob die Klage zulässig sei. Sie sei jedenfalls unbegründet. Die Unterhaltungslast des Wasser- und Bodenverbandes erfasse die unterirdische Strecke des Körgrabens, da diese Bestandteil des Gewässers II. Ordnung sei. Zu dem Gewässer gehöre die gesamte Verrohrung mit Bett und Decke des Kanals. Die Entscheidung nach § 82 BbgWG sage aber nichts darüber aus, wer auf einer zweiten Ebene für die Sanierungskosten verantwortlich sei.
Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 7. März 2016 am 4. April 2016 Klage erhoben. Entgegen der Annahme des Beklagten sei sie nicht Eigentümerin des Grundstücks oder der Anlage im Sinne von § 85 BbgWG. Der Kanal stehe nach § 94 BGB abschnittsweise im Eigentum der jeweiligen heutigen Grundstückseigentümer. Bei den Eigentumsübergängen seien keine Dienstbarkeiten für den Kanal in die Grundbücher eingetragen worden. Die Verrohrung sei kein Scheinbestandteil im Sinne des § 95 BGB, weil die Stadt zum Zeitpunkt der Herstellung Eigentümerin aller Grundstücke, auf denen der Kanal verlaufe, gewesen sei. Mit der Errichtung sei der Kanal damit wesentlicher Bestandteil dieser Grundstücke geworden. Daran habe sich durch spätere Eigentumsübergänge an den Grundstücken nichts geändert.
Letztlich sei es auch interessengerecht, die jeweiligen Grundstückseigentümer mit den Mehrkosten der Unterhaltung zu belasten, denn sie hätten das größte Interesse an der Instandsetzung der Verrohrung. Auch sei die Berechnung des Anteils des Beigeladenen nicht nachvollziehbar. Schließlich gebe es keine Rechtsgrundlage für Entscheidung nach Ziff. 4.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich (sinngemäß),
1. den Bescheid des Beklagten vom 26. September 2013 zu den Ziffern 3. und 4. in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2016 aufzuheben sowie
2. den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag vom 15. März 2012 nach § 86 BbgWG neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 2. trägt vor, dass sie nicht zur Tragung von Mehrkosten verpflichtet sei. Die Verrohrung sei Teil des Gewässers. Die Notwendigkeit der Sanierung sei nicht von ihr veranlasst. Verursacher im Sinne von § 85 BbgWG könne allein die Stadt Rathenow sein.
Der Berichterstatter hat in dieser Sache am 19. Oktober 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Akte des Verfahrens VG 1 K 3926/13 und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig. Sie richtet sich gegen einen feststellenden Verwaltungsakt nach § 42 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten in Ziff. 3 und 4 des Bescheides vom 26. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2016 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat damit keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Beklagten (§ 113 Abs. 1 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach § 42 Abs. 2 WHG stellt die zuständige Behörde unter anderem in den Fällen des § 40 Abs. 1 S. 3 WHG den Umfang der Kostenbeteiligung fest, wenn die Beteiligten sich hierüber nicht einigen können. Ein Schlichtungsversuch des Beklagten nach § 86 Abs. 2 BbgWG war erfolglos. Der Beklagte ist als untere Wasserbehörde nach § 126 Abs. 1 BbgWG (maßgeblich in der Fassung vom 8. Dezember 2004) für die Feststellung zuständig.
Der Körgraben ist ein Gewässer II. Ordnung. Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2017 (OVG 9 N 1.15) steht rechtskräftig fest, dass der beigeladene Wasser- und Bodenverband die Unterhaltungspflicht nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 BbgWG auch für den verrohrten Verlauf des Körgrabens trägt, weil dieser nach § 82 BbgWG Teil des Gewässers ist.
Es bestehen keine Zweifel und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass für den Erhalt des verrohrten Verlaufs des Körgrabens erhebliche Sanierungsaufwendungen erforderlich sind, um den Wasserabfluss weiterhin zu ermöglichen. In Teilen ist sogar ein Neubau nötig. Dabei handelt es sich zwar um Maßnahmen der Unterhaltung. Die erforderliche Sanierung des Kanals überschreitet aber den Umfang der normalen Gewässerunterhaltung nach § 39 WHG erheblich, denn diese bezieht sich grundsätzlich auf den Verlauf eines oberirdischen offenen Gewässers.
Erhöhen sich die Kosten der Unterhaltung, u.a., weil ein Grundstück in seinem Bestand besonders gesichert werden muss oder weil eine Anlage im oder am Gewässer die Unterhaltung erschwert, hat der Eigentümer des Grundstücks oder der Anlage oder der Verursacher die Mehrkosten dem Unterhaltungspflichtigen zu ersetzen (§ 85 BbgWG). Hier wird die Unterhaltung des Gewässers im Sinne des § 85 BbgWG erschwert, weil der Kanal zur weiteren Gewährleistung des Wasserabflusses im unterirdischen Verlauf des Gewässers saniert werden muss.
Die Verantwortlichkeit nach § 85 Abs. 1 S. 1 BbgWG trifft den Eigentümer des unterirdischen Bauwerks, der nach § 85 Abs. 1 S. 2 BbgWG die sanierungsbedingten Mehrkosten zu tragen hat. Eigentümerin des Kanals ist die Klägerin. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die frühere Stadtgemeinde Rathenow war nach eigenen und zwischen den Beteiligten auch nicht streitigen Angaben zu dem Zeitpunkt, als der Körgraben unterirdisch verlegt und dazu der Kanal gebaut wurde, nicht nur Bauherrin der Maßnahme, sondern auch Eigentümerin aller Grundstücke, durch die der Kanal noch heute unverändert verläuft. Etwa 1887 war diese Maßnahme erforderlich, um die Neustadt bebauen zu können. In diesem Zusammenhang wurde auch die Kanalisation angelegt.
Nach § 94 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Nach den sachenrechtlichen Grundsätzen der §§ 93 bis 95 und §§ 946 bis 950 BGB spricht Erhebliches dafür, dass das Kanalbauwerk durch seine Verlegung in die im Eigentum der Stadtgemeinde Rathenow stehenden Grundstücke wesentlicher Bestandteil dieser Grundstücke geworden ist. Das Eigentum an den Grundstücken dürfte sich nach § 946 BGB damit zum Zeitpunkt der Errichtung auf das Kanalbauwerk erstreckt haben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1962 – V ZR 175/60 –, juris; RG, Urteil vom 2. Februar 1942 – V 92/41, RGZ 168, 288).
Jedenfalls durch den späteren Verkauf einzelner Grundstücke hat sich das Eigentum an dem Kanal dort aber vom Eigentum am Grundstück gelöst. Es ist nicht nach § 946 BGB mit dem Grundstück auf die neuen Eigentümer der Grundstücke übergegangen, sondern bei der Stadtgemeinde Rathenow verblieben und schließlich auf die heutige Gebietskörperschaft übergegangen (Art. 21 Abs. 1 des Einigungsvertrages).
Nach § 95 Abs. 1 BGB gehören solche Sachen nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (sogenannte Scheinbestandteile). Bei dem verrohrten Teilstück des Körgrabens handelt es sich jedenfalls nach der Veräußerung der Grundstücke an Dritte um einen solchen Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB.
Regelmäßig werden Versorgungsleitungen in fremden Grundstücken, vor allen in öffentlichen Straßen, als Scheinbestandteile im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB angesehen. Häufig sind sie aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Befugnis, wie bei Gas-, Elektrizitäts-, Wasser- und Telekommunikationsleitungen, in dem Grundstück verlegt und fallen deshalb unter § 95 Abs. 1 S. 2 BGB. Wegen der Notwendigkeit, eine Versorgung über viele Grundstücke hinweg zu gewährleisten, ist bei Versorgungsleitungen aber auch unabhängig von öffentlichen Rechten an dem Grundstück davon auszugehen, dass ihre Verlegung in einem Grundstück nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt (Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Auflage, § 95 Anm. 4; Fritzsche, Beck-online Kommentar, § 95 Rn. 4).
Zwar beruhte die Verlegung und beruht der Betrieb des Kanals nicht auf einer gesetzlich normierten öffentlich-rechtlichen Befugnis. Er ist in seiner Funktion aber einer Versorgungsleitung vergleichbar und ihr deswegen im Sinne des § 95 Abs. 1 S. 1 BGB gleichzustellen. Er dient nicht der Versorgung von Grundstücken im Stadtgebiet, durch ihn wird aber im öffentlichen Interesse (§ 1 WHG) der Wasserabfluss eines Gewässers II. Ordnung ermöglicht. An zwei Stellen wird zudem die Oberflächenentwässerung eingeleitet. Wie bei Versorgungsleitungen ist der ca. 545 m lange Kanal nach dieser Zweckbestimmung als Einheit zu betrachten. Seine Zweckbestimmung macht den Kanal zu einer öffentlichen Sache. Soweit die Zweckbindung reicht, wird das privatrechtliche Eigentum eingeschränkt und durch die öffentlich-rechtliche Nutzung überlagert (Gaier in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Auflage, Einl. SachenR Rn. 28).
Es kann daher letztlich dahinstehen, ob der Kanal im Zeitpunkt seiner Errichtung wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke im Sinne von § 94 BGB war. Jedenfalls durch die Veräußerung des Grundstücks ist der Kanal ein Scheinbestandteil nach § 95 Absatz 1 BGB geworden. Das bürgerlich-rechtliche Eigentum folgt insoweit der öffentlichen Aufgabe der Durchleitung des Wassers. Der Übergang des Eigentums wird in dem Umfang herbeigeführt, wie es zur Erfüllung der öffentlich Aufgabe erforderlich ist (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – V ZR 35/05 –, juris). Eine nachträgliche Trennung eines Scheinbestandteils von dem Eigentum an einem Grundstück ist nach § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nicht ausgeschlossen, sondern entspricht dem Regelungszweck der Norm. Ausschlaggebend ist, ob ein berechtigtes Interesse an einer veränderten, nunmehr vorübergehenden Nutzung besteht, das die Neubegründung der Sonderrechtsfähigkeit erfordert. Dies muss auch nicht nach außen erkennbar sein. Die Einschränkung der Publizität wird in den von § 95 Abs. 1 BGB erfassten Fällen im Interesse der Verfügbarkeit über diese Sache bewusst in Kauf genommen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005, a.a.O.).
Zwar fehlt es für die Trennung vom Grundeigentum an einer ausdrücklichen Willensbekundungen im Zusammenhang mit den Grundstücksverkäufen. Ein solcher Wille ist hier aber nach den Umständen anzunehmen. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Eigentumsübertragung und dem aus der zu Grunde liegenden Interessenlage zu ermittelnden Willen der Eigentümer (s. dazu BGH, Urteil vom 19. September 1979 – V ZR 41/77 – und vom 11. Juli 1962 – V ZR 175/60 –, juris) kann nicht angenommen werden, dass der Kanal mit dem Grundeigentum auf die jeweiligen Erwerber als wesentlicher Bestandteil übergehen sollte und die Stadt Rathenow mit dem Verkauf einzelner Grundstücke den Zugriff auf ihren Kanal unter Berücksichtigung seiner öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung aufgeben wollte. Dies schon deshalb, weil dadurch das Eigentum an der Anlage zerstückelt und dem Einfluss der Stadt teilweise entzogen worden wäre. Eine solche Situation wäre zwar zu verhindern gewesen, wenn mit der Eigentumsübertragung Grunddienstbarkeiten im Hinblick auf den Kanal bestellt worden wären. Das ist aber nicht geschehen und spricht deshalb dafür, dass man davon ausging, dies sei im Hinblick auf § 95 BGB entbehrlich. Es könnte sogar sein, dass die Existenz des Kanals den neuen Erwerber gar nicht bekannt war. Im Ergebnis dürfte weder die Stadt den Willen gehabt haben, das Eigentum an dem jeweiligen Teilstück des Kanals zu übertragen, noch die Erwerber den Willen gehabt haben, insoweit das Eigentum zu übernehmen.
Der Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es weitere Verursacher von Mehrkosten nach § 85 BbgWG nicht gibt. Soweit durch den Abwasserverband (WARL) an zwei Stellen Regenwasser eingeleitet wird, ist nicht erkennbar, dass dadurch die Unterhaltung erschwert wird.
Auch die Beigeladene zu 2. hat keine Mehrkosten zu tragen. Sie ist zwar Eigentümerin von Grundstücken, unter denen der Kanal verläuft. In diesem Bereich ist ein Neubau erforderlich. Wie dargestellt trifft aber die Klägerin die Verantwortlichkeit für Mehrkosten, die durch die Sanierung des in ihrem Eigentum stehenden Kanalbauwerks entstehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Unterhaltung zukünftig dadurch erschwert wird, dass die Beigeladene zu 2. durch bauliche Maßnahmen im Bereich ihrer Grundstücke Mehrkosten im Sinne von § 85 BbgWG verursacht. Darüber müsste dann gegebenenfalls gesondert entschieden werden.
Soweit durch Maßnahmen der Landesstraßenbauverwaltung Mehrkosten verursacht werden sind diese durch die Regelung in Ziff. 3 Satz 2 des Bescheides vom 26. September 2013 von der Kostentragungspflicht der Klägerin ausgenommen.
Der Anteil der Kosten der Sanierung i.H.v. 50.000 €, den der Wasser- und Bodenverband nach der angegriffenen Entscheidung des Beklagten zu tragen hat, ist nicht zu beanstanden. Nach § 85 Abs. 1 S. 3 BbgWG genügt eine annähernde Ermittlung der Mehrkosten. Dies gilt im Umkehrschluss auch für die Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung. Der Beklagte hat hier die Unterhaltungskosten für 70 Jahre hochgerechnet. Dies erscheint angesichts der Lebensdauer des Kanals sachgerecht. Gerade der derzeitige Zustand des Kanals zeigt, dass eine längere Lebensdauer ohne grundhafte Sanierung nicht erwartet werden kann.
Auch die Regelung in Ziff. 4 des Bescheids vom 26. September 2013 erweist sich als rechtmäßig. Eine wesentliche Umgestaltung der bisherigen Anlage wäre keine Unterhaltung, sondern ein Neubau. Die Kosten wären bereits deswegen nicht vom Unterhaltungspflichtigen zu tragen. Dabei ist davon auszugehen, dass dies auf Veranlassung der Stadt geschähe. Im Übrigen wäre dafür wohl ein Planfeststellungsverfahren nach §§ 67, 68 WHG durchzuführen, durch das eine andere Unterhaltungspflicht bestimmt werden könnte. Dadurch würde dann die jetzige Regelung ersetzt.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, indem sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Berufung wird nach § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Im Rahmen der Rechtsfortbildung ist die Entscheidung der Rechtsfrage, ob das Kanalbauwerk eines Gewässers II. Ordnung unselbstständiger Bestandteil eines Grundstücks im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 2 BGB ist und deswegen eine Verantwortlichkeit nach § 85 Abs. 1 S. 1 und 2 BbgWG abweichend vom Eigentum an dem Grundstück begründet, von allgemeinem Interesse.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 340.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Kammer hat sich dabei von dem Betrag leiten lassen, mit dem sich die Klägerin nach dem im Erörterungstermin vom 19. Oktober 2017 entwickelten Vergleichsvorschlag an den Kosten der Sanierung beteiligen wollte.