Gericht | LG Potsdam 12. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 10.06.2010 | |
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Aktenzeichen | 12 O 466/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.353,10 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2009 zu zahlen und weitere 3.133,97 € Zug um Zug gegen Erstellung der Betriebskostenabrechnung für die Mieträume im 1. Obergeschoß des Bauteils A/B des Gebäudes in der Z. Straße ..., ... Potsdam, für das Kalenderjahr 2008. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Kosten in Höhe von 755,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 52.948,88 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Januar 2010 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien machen wechselseitig Forderungen aus einem inzwischen beendeten Gewerberaummietverhältnis gegeneinander geltend. Während die Klägerin offenen Mietzins begehrt, macht die Beklagte widerklagend Verzugszinsen wegen verspäteter Auszahlung von Betriebskostenguthaben geltend.
Die Parteien schlossen insgesamt vier Gewerberaummietverträge über im Eigentum der Klägerin stehende Räume in der Z. Straße …, ... Potsdam. Hierbei handelte es sich im Gebäude Bauteil C um das Erdgeschoss, das 1. Obergeschoss und das 2. Obergeschoss inklusive Tiefgaragenplätze und Serviceflächen sowie im Gebäude Bauteil A/B das 1. Obergeschoss inklusive Tiefgaragenplätze, das 2. Obergeschoss sowie das 3. Obergeschoss.
Gemäß § 11 des Mietvertrages vom 16.06.2004 (Anl. K1, Blatt 6 ff. d.A.) vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte für das 1. Obergeschoß im Bauteil A/B einen monatlichen Bruttomietzins i.H.v. 23.930,57 € entrichten sollte. Infolge einer frühzeitigen Auflösung des Mietvertrages hinsichtlich einiger Teilflächen reduzierte sich der Mietzins ab dem 1.03.2009 auf insgesamt 17.487,07 €, der sich aus einer Kaltmiete i.H.v. insgesamt 14.353,10 € brutto, die einen Anteil von 380,80 € für Stellplätze beinhaltet, und einer Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 3.133,97 € brutto, die die Summe aus Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 2.131,10 € und Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 1.087,87 € bildet, zusammensetzt.
Gem. § 13 des Mietvertrages vom 16.06.2004 (Blatt 10 d.A.) vereinbarten die Parteien, dass die Nebenkosten „in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abgerechnet“ werden. § 17 des Mietvertrages (Blatt 11 d.A.) bestimmt:
„Der Mieter kann gegenüber dem Mietzins mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungs- und Zurückbehaltungsrecht nur ausüben, wenn er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter schriftlich angekündigt hat und sich mit seinen Zahlungsverpflichtungen nicht im Rückstand befindet. Die Aufrechnung mit anderen als Ersatzforderungen wegen Mängel der Mietsache (§ 536 a BGB) ist ausgeschlossen. Mit Nebenkosten ist eine Aufrechnung ausgeschlossen…“
§ 34 des Mietvertrags bestimmt als Gerichtsstand und Erfüllungsort Berlin. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Mietvertrag vom 16.06.2004 (Bl. 6 ff. d.A.) verwiesen.
Die Parteien schlossen am 7./12.06.2006 einen Mietaufhebungsvertrag, der die vorzeitige Vertragsbeendigung bezüglich des Mietverhältnisses für die Räume im 2. Obergeschoss des Bauteils A/B (Anl. K 3, Bl. 70 f. d.A.) zum 31. Juli 2006 regelte. Dadurch verpflichtete sich die Beklagte unter anderem dazu, die durch die Nachvermietung entstehenden Mindereinnahmen der Klägerin mit einer Einmalzahlung von 370.000,00 € auszugleichen. § 4 des Mietaufhebungsvertrags enthält zum einen eine Schriftformklausel und zum anderen eine Abgeltungsklausel mit folgendem Inhalt:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit diesem Aufhebungsvertrag alle gegenseitigen bisherigen und zukünftigen Ansprüche aus dem bezeichneten Mietverhältnis abgegolten sind.“
Die Klägerin wurde in dem Mietaufhebungsvertrag durch die Verwalterin des streitgegenständlichen Objekts, die ... mbH, vertreten.
Während des Mietverhältnisses rechnete die Klägerin die Betriebskosten nicht in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe, sondern weitgehend erst im August und September 2009 ab. Die Abrechnungen ergeben nicht unerhebliche Guthaben der Beklagten, die die Klägerin ausglich.
Den Mietzins für den Monat November 2009 entrichtete die Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 25.08.2009 forderte die Beklagte die Klägerin unter anderem zur Abrechnung der Betriebskosten 2004 bis 2008 auf und kündigte die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts für den Fall fruchtlosen Fristablaufs an (Anl. B 2, Bl. 46 d.A.). Eine erneute Mahnung erfolgte unter dem 15.10.2009 (Anl. B 2 , Bl. 48 d.A.).
Sämtliche Mietverhältnisse der Parteien sind zum 31.12.2009 ausgelaufen. Eine Abrechnung der Betriebskosten für die Räume Bauteile A/B des 1. Obergeschosses für das Jahr 2008 erfolgte bislang nicht.
Zunächst hat die Beklagte widerklagend beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 89.023,58 € zu verurteilen, die sich aus der Rückforderung von verrechneten Betriebskostenguthaben in Höhe von 36.080,70 € und Verzugszinsen wegen verspäteter Nebenkostenabrechnungen in Höhe von 52.948,88 € zusammensetzen (Blatt 31 d.A.). Mit Schriftsatz vom 17.03.2010 (Blatt 64 d.A.) hat die Beklagte die Widerklage aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Nichtanwendbarkeit des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB im Gewerberaummietrecht (NJW 2010, 1065-1068) teilweise in Höhe von 36.080,70 € zurückgenommen.
Die Klägerin macht über den für den Monat November 2009 fälligen Mietzins hinaus die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Gestalt einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr geltend. Sie meint, der Beklagten stehe kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich etwaig noch offener Betriebkostenabrechnungen und kein Anspruch auf Zahlung etwaiger Verzugszinsen wegen verspäteter Betriebskostenabrechnungen gegen sie zu, weil sie sich in Ermangelung einer verzugsbegründenden Mahnung der Beklagten nicht im Verzug mit der Auszahlung von Betriebskostenguthaben befunden habe. Die Beklagte sei darauf beschränkt gewesen, während des laufenden Mietverhältnisses die Betriebskostenvorauszahlungen bis zur Abrechnung einzubehalten. Im Übrigen seien etwaige Betriebskostenabrechnungsansprüche der Beklagten jedenfalls durch den Mietaufhebungsvertrag vom 7./12.06.2006 umfassend mit abgegolten worden. Darüber hinaus mache die Beklagte widerrechtlich Zinseszinsen geltend.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 17.487,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.11.2009 zu zahlen,
2. an sie vorprozessuale Kosten in Höhe von 807,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.12.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte,
die Klägerin zu verurteilen, an sie 52.948,88 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte macht hinsichtlich der Klageforderung ihr Zurückbehaltungsrecht wegen der zum einen unstreitig offenen Betriebskostenabrechnung für die Mieträume im 1. Obergeschoß des Bauteils A/B für das Kalenderjahr 2008 und zum anderen wegen der unstreitig offenen Betriebskostenabrechnung für die Mieträume im 2. Obergeschoß des Bauteils A/B für die Jahre 2004 bis 2006 geltend. Sie meint, dass die seinerzeit offenen Betriebskostenabrechnungsansprüche für die Mieträume im 2. Obergeschoß des Bauteils A/B nicht von der Mietaufhebungsvereinbarung vom 7./12.06.2006 erfasst worden seien (Bl. 75 d.A.). Sie behauptet dazu, dass die Parteien davon ausgegangen seien, dass die Betriebskostenvorauszahlungen in etwa dem tatsächlichen Verbrauch wertmäßig entsprochen hätten und die Ausgleichsklausel keinen Gegenstand der Verhandlungen gebildet habe. Sie meint, dass sich ihr Zurückbehaltungsrecht auf den gesamten Mietzins erstrecke.
Widerklagend macht die Beklagte 8 % Punkte Verzugszinsen in Höhe von 52.948,88 € geltend, die sich daraus zusammensetzen, dass die Klägerin die Betriebskosten für die Bauteile A/B 1. OG, A/B 3. OG und für das Bauteil C für die Jahre 2002 bis 2007, was unstrittig ist, teilweise nicht binnen zwölf Monaten seit Ablauf des jeweiligen Abrechnungszeitraums abgerechnet und sich daraus ergebende Guthaben der Beklagten erst verspätet an diese ausgezahlt hat. Im Einzelnen macht die Beklagte folgende Verzugszeiträume geltend:
- 4.941,82 € Verzugszinsen aus 13.038,22 € vom 1.01.2006 bis zum 26.08.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2004);
- 8.510,07 € Verzugszinsen aus 29.484,28 € vom 1.01.2007 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2005);
- 6.611,84 € Verzugszinsen aus 36.904,54 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2006);
- 2.652,05 Verzugszinsen aus 39.904,54 € vom 1.01.2009 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2007);
- 2.413,15 € Verzugszinsen aus 6.366,73 € vom 1.01.2006 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2005);
- 9.157,90 € Verzugszinsen aus 31.728,78 vom 1.01.2007 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2005);
- 1.634,21 € Verzugszinsen aus 9.121,47 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2006);
- 6.723,02 € Verzugszinsen aus 11.956,84 € vom 1.01.2004 bis zum 26.08.2009 (Bauteil C 2002);
- 9.702,70 € Verzugszinsen aus 20.603,53 € vom 1.01.2005 bis zum 26.08.2009 (Bauteil C 2003);
- 602,12 € Verzugszinsen aus 3.360,80 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil C 2006).
Wegen der Einzelheiten der in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Schadensberechnung der Beklagten wird auf die Klageerwiderungsschrift (Bl. 33, 40, 41 d.A.) verwiesen. Die Beklagte meint, dass mit der Fälligkeit und dem Verzug des Betriebskostenabrechnungsanspruchs zugleich die Fälligkeit und der Verzug des Anspruchs auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens eingetreten sei, ohne dass es einer - hier unstreitig unterbliebenen - Mahnung bedurft hätte, §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 und Abs. 3 288 (analog) BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Während die Klage zulässig und nach Maßgabe der Zug-um-Zug-Verurteilung teilweise begründet ist (I.), hat die nachträglich beschränkte Widerklage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (II.).
I. Klage
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdams. Die Gerichtsstandvereinbarung der Parteien gemäß § 34 des Mietvertrags ist gem. § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unwirksam, da ein ausschließlicher Gerichtsstand infolge eines Rechtsstreits über Mietsachen gemäß § 29a Abs. 1 ZPO begründet ist. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus den §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG.
2. Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht dem Grunde nach gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der offenen Bruttomiete für November 2009 gemäß § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 des Mietvertrages der Parteien vom 16.06.2004 (Blatt 9 d.A.) in der Fassung der Mietzinsreduktionsvereinbarung in Höhe von 17.487,07 € für das 1. OG des Bauteils A/B zu.
Der Beklagten steht jedoch ein Anspruch auf Erstellung der Betriebskostenabrechnung für die Mieträume im 1. Obergeschoß des Bauteils A/B für das Kalenderjahr 2008 zu, den sie der Klageforderung im Wege eines Zurückbehaltungsrechts gemäß den §§ 273 Abs. 1, 322 Abs. 1 BGB entgegenhalten kann. Der Abrechnungsanspruch der Beklagten folgt aus § 13 Abs. 6 des Mietvertrages (Blatt 10 d.A.) zu. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Mietverhältnis mittlerweile aufgehoben worden ist. Der Anspruch auf Nebenkostenabrechnung ist seit dem 01. Januar 2010 fällig, da die Nebenkosten gemäß § 13 Abs. 6 des Mietvertrages in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abzurechnen sind. Damit steht die Rechtsprechung in Einklang, dass Nebenkosten bei Mietverträgen über Gewerberäume im Grundsatz innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes abzurechnen sind (BGH, NJW 2010, 1065). Die Ansprüche der Parteien beruhen auch auf demselben Schuldverhältnis, namentlich dem Gewerberaummietverhältnis vom 16.06.2004. Zwischen dem Anspruch auf Bruttomietzinszahlung und dem Anspruch auf Betriebskostenabrechnung besteht indessen nur insoweit eine Konnexität i.S.d. § 273 Abs. 1 BGB, als die Nebenkosten betroffen sind. Hinsichtlich der Grundmiete besteht kein derart innerer wirtschaftlicher Zusammenhang (OLG Düsseldorf, GE 2009, 821; WuM 2000, 678; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 394), sodass sich das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten lediglich auf den Nebenkostenvorauszahlungsanteil der Bruttomiete i.H.v. 3.133,97 € erstreckt.
Das Zurückbehaltungsrecht ist wirksam ausgeübt worden. Insbesondere sind die dazu in § 17 des Mietvertrags normierten Voraussetzungen gedenk der Schreiben der Beklagten vom 25.08.2009 und vom 15.10.2009 erfüllt. Die Beklagte hat der Klägerin mit den Schriftsätzen vom 25.08.2009 (Blatt 46 d.A.) und 15.10.2009 (Blatt 48 d.A.) fristgerecht angezeigt, dass sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen werde, wenn die Klägerin ihrer Nebenkostenabrechnungspflicht nicht nachkomme. Unschädlich ist insoweit, dass sich die Anzeige der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zunächst ausdrücklich auf den (abgegoltenen) Betriebskostenabrechnungsanspruch für das 2. Obergeschoss der Bauteile A/B für die Jahre 2004 bis 2006 bezog. Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wurde schließlich nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 7./12.06.2006 ausgeschlossen, da sich dieser ausschließlich auf das 2. Obergeschoss des Bauteils A/B bezog und das Mietverhältnis hinsichtlich des 1. Obergeschosses des Bauteils A/B unberührt lässt.
Soweit die Beklagte meint, ihre stehe ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund nicht erfolgter Betriebskostenabrechnung für das 2. Obergeschoss des Bauteils A/B für die Jahre 2004 bis 2006 zu, greift dieser Einwand nicht durch. Dabei mag dahinstehen, ob angesichts der unterschiedlichen Mietverhältnisse von einer konnexen Gegenforderung im Sinne des § 273 BGB ausgegangen werden kann. Jedenfalls sind etwaige Abrechnungsansprüche der Beklagten aufgrund der Mietaufhebungsvereinbarung vom 7./12.06.2006 abgegolten worden. Die in § 4 S. 3 des Mietaufhebungsvertrags enthaltene Abgeltungsklausel hat sich auch unter Zugrundelegung des beklagtenseitigen Vorbringens auf die auch aus der Sicht der Beklagten evident offenen Betriebskostenabrechnungsansprüche bezogen. Dies folgt sowohl aus dem unmissverständlichen Wortlaut der keine Einschränkungen enthaltenen Abgeltungsklausel sowie aus dem Zweck einer Mietaufhebungsvereinbarung (vgl. dazu auch AG Hamburg, WuM 1981, 104). Diesem Verständnis widersprechen auch nicht die Schriftsätze, die der Vereinbarung vorausgegangen sind, zumal diese kein Bestandteil der Aufhebungsabrede geworden sind und auch aus ihnen indiziell hervorgeht, dass die Parteien bzw. deren Vertreter die Betriebskosten als integralen Bestandteil des mit abgegoltenen Mietzinses erfasst haben.
Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen und ihrer vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten gemäß den §§ 286 Abs. 1 S.1, 288 Abs. 2, 291 BGB; 13 RVG, Nr. 2300 VV-RVG in Höhe von 755,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2009 gegen die Beklagte zu. Die Beklagte befindet sich seit dem 5. November 2008 mit der Zahlung der Bruttokaltmiete in Höhe von 14.353,10 € im Schuldnerverzug, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Bemessungsgrundlage der vorprozessualen Anwaltskosten ist jedoch - entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht der Wert des Bruttomietzinses, sondern lediglich die um den Nebenkostenanteil bereinigte fällige und einredefreie Bruttokaltmiete i.H.v. 14.353,10 €. Denn hinsichtlich des Nebenkostenanteils steht der Beklagten, wie bereits erwähnt, ein Zurückbehaltungsrecht zu, sodass sich folgender Anspruch ergibt:
Gegenstandswert: 14.353,10 € | |
Geschäftsgebühr, §§ 13, 14 , Nr. 2300 VV RVG, 1,3-facher Satz | 735,80 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Summe | 755,80 € |
Die weitergehende Klage ist unbegründet.
II. Widerklage
Die nach Maßgabe des § 33 ZPO zulässige Widerklage ist begründet.
Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Ersatz seines Verzugsschadens gemäß den §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 2 Ziffer 1, 2 u. 4, 288 Abs. 2 BGB in Höhe von 52.948,88 € gegen die Klägerin wegen verspäteter Auszahlung der Betriebskostenguthaben zu.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin die Betriebskosten entgegen § 13 des Mietvertrages nicht binnen eines Zeitraums von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abgerechnet hat. Der Anspruch auf Nebenkostenabrechnung war mit Eintritt der Abrechnungsreife jeweils fällig und durchsetzbar. Eine Mahnung war hinsichtlich des Anspruchs auf Nebenkostenabrechnung entbehrlich, da es sich gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB um eine Leistung handelte, die gemäß § 13 des Mietvertrags nach dem Kalender bestimmt war. Daran gemessen waren die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 jeweils zum 31.12.2005, 31.12.2006 und zum 31.12.2007 fällig (vgl. dazu auch BGH, NJW 2010, 1065).
Mit der Fälligkeit des Anspruchs auf Betriebskostenabrechnung war zugleich der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der jeweiligen Betriebskostenguthaben fällig. Zwar wird der Erstattungsanspruch grundsätzlich erst mit der Abrechnung fällig. Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn der Vermieter - wie hier - nicht innerhalb angemessener Frist abrechnet. In diesen Fällen befindet sich der Vermieter aufgrund des Verzugs mit der Betriebskostenabrechnung zugleich mit der Auszahlung des Betriebskostensaldos im Verzug, ohne dass es dazu des Ausspruchs einer weiteren Mahnung bedurft hätte. Denn anderenfalls würde der Zweck der Abrechnungsfrist ausgehöhlt werden und der Vermieter hätte es in der Hand, die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs durch Verzögerung der Betriebskostenabrechnung nach Belieben hinauszuzögern (vgl. dazu auch BGH, NJW 1981, 1729; BGH, NJW 2005, 1499, 1501; KG Urteil v. 22.03.2010, Az.: 8 U 142/09). Auch in Ansehung der widerstreitenden Interessenlage erscheint es nicht vertretbar, den Mieter im Rahmen eines nicht beendeten Mietverhältnisses auf den Einbehalt laufender Betriebskostenvorauszahlungen zu verweisen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte hier einen nicht unerheblichen Zeitraum zwischen dem Verzug der Klägerin hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung und der Geltendmachung von Verzugszinsen verstreichen ließ. Denn dadurch wurde jedenfalls noch nicht die Grenze rechtsmissbräuchlichen Verhaltens überschritten, zumal es die Klägerin in der Hand hatte, ihren Verzug durch Abrechnung zu beenden.
Soweit § 286 Abs. 1 BGB im rechtlichen Ausgangspunkt eine Mahnung erfordert, bringt dies zudem lediglich die Schutzbedürftigkeit des Schuldners zum Ausdruck. Ist die Leistung, wie im Bereich der Nebenkostenabrechnung, indes ausdrücklich - wie hier - kalendarisch bestimmt, wäre das Erfordernis einer zusätzlichen Mahnung nicht interessengerecht. Dies gilt insbesondere unter Zugrundelegung des Umstands, dass die Klägerin als gewerbliche Vermieterin mit der ... mbH einen gewerblichen Immobilienverwalter in die Verwaltung mit eingebunden hat, sodass kein Grund ersichtlich ist, von den Anforderungen einer fristgerechten und verzugsbewehrten Nebenkostenabrechnung abzurücken.
Der Beklagten steht ein Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 8 % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB zu. Gemäß § 288 BGB handelt es sich bei der Pflicht zur Nebenkostenabrechnung zwar nicht unmittelbar um eine Geldschuld bzw. Entgeltforderung, da die Nebenkostenabrechnung denknotwendig erst zu einer Bezifferung des Nebenkostensaldos führt, mithin einen etwaigen Rückerstattungsanspruch des Mieters gegenüber dem Vermieter konkretisiert. Da ein Verzug hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung indessen kausal für die Bezifferung des Rückerstattungsanspruchs des Mieters ist, muss die Verpflichtung zur Nebenkostenabrechnung mit einer Geldschuld gleichgestellt werden (vgl. AG Berlin-Mitte, GE 2005, 805; Schmidt GE, 2005, 905; a.A, Löwisch/Feldmann in: Staudinger, BGB, 2009, § 288 Rdnr. 11). Hierfür spricht im Übrigen auch der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB, demzufolge eine Bedingung als eingetreten gilt, wenn eine Partei, zu deren Nachteil es gereichen würde, den Bedingungseintritt vereitelt. Der Entgeltanspruch ist mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB zu verzinsen, da die Parteien das Mietverhältnis nicht in der Eigenschaft von Verbrauchern eingingen (vgl. BGH, NJW 2010, 1872).
Die Widerklage ist in Höhe der sich auf 52.948,88 € summierenden Verzugszinsen begründet; diese setzten sich wie folgt zusammen:
- 4.941,82 € Verzugszinsen aus 13.038,22 € vom 1.01.2006 bis zum 26.08.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2004);
- 8.510,07 € Verzugszinsen aus 29.484,28 € vom 1.01.2007 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2005);
- 6.611,84 € Verzugszinsen aus 36.904,54 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2006);
- 2.652,05 Verzugszinsen aus 39.904,54 € vom 1.01.2009 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 1. OG 2007);
- 2.413,15 € Verzugszinsen aus 6.366,73 € vom 1.01.2006 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2005);
- 9.157,90 € Verzugszinsen aus 31.728,78 vom 1.01.2007 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2005);
- 1.634,21 € Verzugszinsen aus 9.121,47 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil A/B, 3. OG 2006);
- 6.723,02 € Verzugszinsen aus 11.956,84 € vom 1.01.2004 bis zum 26.08.2009 (Bauteil C 2002);
- 9.702,70 € Verzugszinsen aus 20.603,53 € vom 1.01.2005 bis zum 26.08.2009 (Bauteil C 2003);
- 602,12 € Verzugszinsen aus 3.360,80 € vom 1.01.2008 bis zum 23.09.2009 (Bauteil C 2006).
Der Schadensbemessung ist die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend entgegen getreten. Im Übrigen steht dem Verzugsanspruch der Beklagten auch nicht der Aufhebungsvertrag vom 7./12.06.2006 entgegen, da sich dessen Anwendungsbereich - unstreitig - lediglich auf das 2. OG des Bauteils A/B bezieht.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt wiederum aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2, 291 BGB. Dem steht auch nicht das Zinseszinsverbot des § 289 S. 1 BGB entgegen, das sich die Klägerin seit Eintritt der Rechtshängigkeit mit der Auszahlung der Verzugszinsen nach Maßgabe des § 291 BGB im Verzug befindet (vgl. BGH, NJW 2010, 1872/3; BGH, NJW 1983, 1260; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 289 Rdnr. 2).
III. Prozessuale Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Insoweit war im Rahmen des quotalen Unterliegens der Klägerin zwar grundsätzlich auch die im Hinblick auf das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht erfolgte Zug-um-Zug-Verurteilung zu berücksichtigen. Hierbei ist jedoch zum einen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass letztlich die Klägerin mit dem Zahlungsurteil einen Vollstreckungstitel erlangt hat, sodass es geboten war, den Wert der Gegenleistung von vornherein nicht vollumfänglich zum Wert der Leistung ins Verhältnis zu setzen. Zum anderen ist eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend (BGH, NJW-RR 2005, 1005; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 92 Rdnr. 26; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 93 Rdnr. 6), sodass es angemessen erschien, den Wert der Gegenleistung zur Hälfte der Klageforderung in Höhe von 1.566,99 € zu berücksichtigen. Der Beklagten waren schließlich anteilig die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, soweit sie die Widerklage teilweise zurückgenommen hat, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wird gemäß den §§ 45 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO bis zum 13.01.2010 auf 17.487,07 €, vom 14.01.2010 bis zum 16.03.2010 auf 106.516,65 € und seither auf 70.435,95 € festgesetzt. Das Zurückbehaltungsrecht wirkte sich insoweit nicht streitwerterhöhend aus. Denn Einreden, auch sofern sie die Geltendmachung von Gegenansprüchen beinhalten, haben keine Streitwerterhöhung nach Maßgabe des § 45 Abs. 3 GKG zur Folge (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. 2009, § 45 GKG Rdnr. 43).