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Gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31.12.2004 und 31.12.2005


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 14. Senat Entscheidungsdatum 06.01.2014
Aktenzeichen 14 K 14312/10 ECLI
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung der Aufwendungen des Klägers für die Streitjahre 2004 und 2005 für eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 6.327 € und 34.364 € als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger schloss mit der B… GmbH einen Vertrag über die Ausbildung zum Piloten (01/2003 bis 06/2006). Er trug nach seinen Angaben die Ausbildungskosten selbst und finanzierte diese durch zinslose Darlehen Familienangehöriger. Seit April 2007 ist der Kläger als First Officer bei der Airline „C…“ mit Sitz in D… und E… angestellt.

Die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2004 und 2005 erfolgten ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Bescheid - jeweils vom 20. April 2009 - stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31.12.2004 auf 8.712 € und zum 31.12.2005 auf 7.553 € fest. Mit dem Einspruch vom 3. März 2010 rügte der Bevollmächtigte die unterbliebene Erläuterung und beantragte Wiedereinsetzung in die Rechtsbehelfsfrist, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. April 2010 gewährte.

Der Bevollmächtigte machte geltend, der Kläger habe bereits vor seiner Pilotenausbildung eine andere Ausbildung abgeschlossen und legte das Dienstzeugnis der Bundeswehr vom 31. März 1996 über die Ableistung des Grundwehrdienstes vor. Danach hat der Kläger während seiner Wehrdienstzeit (1. April 1995 bis 31. März 1996) an nachstehenden Lehr- und Ausbildungsgängen teilgenommen und die angeführten Befähigungsnachweise erworben: 1. April 1995 bis 2. Juli 1995  Teilnehmer an der kombinierten Grundausbildung (Navigation) - Abschlusszeugnis wurde ausgehändigt -. Unter „Ausgeübte Tätigkeiten/Berufspraxis“ wird die nachfolgende Verwendung im Mannschaftsdienstgrad im Navigationsabschnitt an Bord eines Minenjagdbootes bescheinigt.

Zu den Aufgaben des Klägers habe die navigatorische Planung und Vorbereitung sämtlicher Seefahrten, einschließlich der Berichtigung und Aktualisierung der nautischen Veröffentlichungen und Seekarten gehört. Er sei während der Seefahrt für die Durchführung der Navigation in seiner Seewache verantwortlich gewesen und verfüge über hohe Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit Navigationsgeräten und Anlagen sowie der Anwendung aller Navigationsmethoden. Unter dem Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 12 Nr. 5 EStG sei eine berufliche Ausbildung unter Ausschluss eines Studiums zu verstehen. Er habe vor seiner Pilotenausbildung die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erworben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten. Für den Werbungskostenabzug gehe der Verweis auf das Berufsausbildungsgesetz fehl.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2010 als unbegründet zurück. Eine Berufsausbildung im Sinne des § 12 Satz 1 Nr. 5 EStG liege vor, wenn der Steuerpflichtige durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwerbe, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten. Voraussetzung sei, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erworben und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen werde.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Beruf des Navigators sei ein anerkannter Beruf. Eine erstmalige Berufsausbildung liege vor, wenn der Steuerpflichtige eine Berufsausbildungsmaßnahme durchlaufe und einen Abschluss erlange, der es ihm erlaube, als für einen Beruf Ausgebildeter im Wirtschaftsleben aufzutreten. Entscheidend sei hier nur, ob die Ausbildung berufsbezogen sei und die Voraussetzung für die geplante Berufsausübung darstelle. Die Anforderung im BMF-Schreiben, dass eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Bildungsgangs erlernt und durch eine Prüfung abgeschlossen werden solle, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Die Ausbildung zum Navigator bei der Bundeswehr habe ihm – dem Kläger – nach dem Ende der Bundeswehrzeit die Ausübung eines Berufsbildes erlaubt, bei dem der Navigator von dringlicher Bedeutung sei bzw. sein könnte. Seine besonderen Kenntnisse seien bei Airline-Bewerbungsgesprächen für bestimmte Bewerbungsverfahren und Anstellungen hilfreich und entscheidend gewesen. Seine Ausbildung zum Navigator habe ihn zum Einsatz als Navigator von auf See gehenden Marinebooten befähigt. Darüber hinaus habe er im Rahmen dessen auch eine Ausbildung bezüglich des professionellen Seekartenvertriebs absolviert. Diese Ausbildung sei vor derjenigen zum Verkehrsflugzeugführer erfolgt. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs -BFH- liege eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Bildungsmaßnahmen durchlaufe. Ebenso wenig setze der steuerliche Begriff der Berufsausbildung eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz oder eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren voraus. Maßgebend sei vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähige, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen (zuletzt BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 51/10). Er sei unstreitig während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr zum Navigator ausgebildet worden. Über den Abschluss liege ein Dienstzeugnis vor. Dort habe er u.a. erlernt, wie er Seekarten zu berichtigen habe und aktualisieren könne. Er habe daher in jedem professionellen Seekartenvertrieb antreten und seinen Lebensunterhalt bestreiten können, so z.B. beim Bundesamt für F…. Seine Qualifikation als Navigator befähige ihn dazu. Auch eine dreimonatige Ausbildung zur Flugbegleiterin sei nach der Rechtsprechung eine Berufsausbildung  im steuerrechtlichen Sinne.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2004 und den 31.12.2005 vom 20. April 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2010 dahingehend zu ändern, dass auf den 31.12.2004 ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von 15.039 € und auf den 31.12.2005 ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von 48.244 € festgestellt wird; hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er sehe sich in seiner Rechtsauffassung durch das Anschreiben der Marineoperationsschule vom 22. August 2013 bestätigt. Es handele sich bei dem durch den Kläger absolvierten 3-monatigen Kurs nicht um eine erstmalige Berufsausbildung.

Die Marineoperationsschule teilte auf Anfrage des Gerichts mit, dass die fachliche Ausbildung Grundwehrdienstleistender für die Verwendung im Navigationsabschnitt an Bord von Schiffen und Booten der Deutschen Marine nicht mit dem „Berufsbild“ eines Navigators vergleichbar ist. Vielmehr gäbe es im Bereich der Handelsschifffahrt das Berufsbild des reinen Navigators nicht. Die Aufgabe sei integraler Bestandteil des Berufsbildes „Nautischer Offizier/Kapitän“ und verbindlich im STCW Code (Standard for Training, Certification and Watchkeeping) geregelt. Die Ausbildung, die die Bundeswehr für die Wehrdienstleistenden durchführe, werde für dieses Berufsbild auch nicht angerechnet. Beim Einsatz der Soldaten der Verwendungsreihe 26 (Navigation) auf Minenjagdbooten entlasteten diese den Wachoffizier. Dieser überwache die Tätigkeit und bleibe der allein voll Verantwortliche. Auch nach weiterer Berufspraxis des Soldaten erfolge kein Einsatz als „Navigator“.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2004 und den 31.12.2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen des Klägers für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als vorweggenommene Werbungskosten zu Recht abgelehnt, da es sich hierbei um die erstmalige Berufsausbildung des Klägers handelt.

Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Erzielt der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen, sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen; das kann grundsätzlich auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen der Fall sein.

§ 9 EStG vor der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (--BeitrRLUmsG--) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) hatte keine Sonderregelung zu Berufsausbildungskosten enthalten. Deshalb blieb für den Abzug von Berufsausbildungskosten als Werbungskosten entscheidend, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen (vgl. BFH, Urteile vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825; vom 28. Juli 2011 VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561; jeweils m.w.N.).

§ 9 Abs. 6 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Entsprechendes regelt § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG für Betriebsausgaben. Nach § 52 Abs. 23d Satz 5 sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind § 9 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.

Nach einhelliger Auffassung der Finanzgerichte verstoßen die gem. § 52 Abs. 23d und 30a EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG rückwirkend bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwendenden Vorschriften der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 in der Fassung des BeitrRLUmsG nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Auch liegt kein Verstoß gegen sonstiges Verfassungsrecht vor (vgl. Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. September 2013 2 K 159/11 –Juris- Revisionsverfahren anhängig VI R 72/13; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14. Mai 2013 13 K 89/12 –Juris- Revisionsverfahren anhängig VI R 48/13; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Mai 2013 3 K 2361/11 -Juris- Revisionsverfahren anhängig VI R 30/13; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 4. April 2012 2 K 1020/09 –Juris-; Finanzgericht Köln, Urteil vom 22. Mai 2012 15 K 3413/09, EFG 2012, 1735 - Revisionsverfahren anhängig VI R 38/12; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2012 10 K 4245/11, EFG 2013, 433 – Revisionsverfahren anhängig VI R 2/13; Finanzgericht Münster, Urteil vom 20. Dezember 2011 5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612 – Revisionsverfahren anhängig VI R 8/12; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. Dezember 2011 14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686 – Revisionsverfahren anhängig VI R 2/12).

Das Gericht teilt diese Auffassung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Ebenso wenig setzt der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz und eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraus. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen (BFH, Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BStBl II 2012, 825 – betreffend einen nach der landesrechtlichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ausgebildeten Rettungssanitäter und BFH, Urteil vom 28. Februar 2013 VI R 6/12, BFH/NV 2013 – betreffend eine innerbetrieblich ausgebildete Flugbegleiterin).

Die vom Kläger während seiner Grundwehrdienstzeit erworbenen Fähigkeiten und ausgeübten Tätigkeiten stellen jedoch keine Berufsausbildung dar. Vielmehr hat der Kläger nach der Überzeugung des Gerichts im Rahmen seiner kombinierten Grundausbildung militärische und navigatorische Grundkenntnisse erworben, die ihn allein für die Ableistung seines Grundwehrdienstes zur Übernahme navigatorischer Aufgaben an Bord eines Minenjagdbootes befähigt haben. Eine Ausbildung, die ihn dazu befähigt hätte, als Navigator Einkünfte zu erzielen, erfolgte damit nicht. Das gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, die während seiner Wehrdienstzeit erworbenen Kenntnisse befähigten ihn im Sinne einer Berufsausbildung, im Bereich des professionellen Seekartenvertriebs tätig werden zu können. Anders als bei der innerbetrieblichen Ausbildung der Flugbegleiterin durch den Arbeitgeber ist im Fall eines Grundwehrdienstleistenden eine Ausbildung für eine spätere Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften im zivilen Berufsleben und auch für eine weitere berufliche Karriere bei der Bundeswehr nicht gegeben.

Die Revision wird im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs.6 i. d. F. des BeitRLUmsG zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.