Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 28.09.2020 | |
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Aktenzeichen | 2 U 57/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0928.2U57.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Das im Schriftsatz vom 14. September 2020 enthaltene Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter am Landgericht Dr. S... wird als unzulässig verworfen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Dezember 2019 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer ‒ Einzelrichter ‒ des Landgerichts Neuruppin (31 O 176/17) wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der darin durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Neuruppin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.000,00 € festgesetzt.
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer vermeintlichen Amtspflichtverletzung des Beklagten. Dieser habe im Frühjahr 2013 die dem Kläger bzw. der Zeugin P..., die ihre Ansprüche nachträglich an den Kläger abgetreten habe, gehörenden gesamt 25 Pferde unberechtigt weggenommen, unzureichend versorgt und sodann in einer beschränkten Ausschreibung weit unter Wert veräußert. Der Streithelfer des Beklagten habe sein Gutachten zum Zustand der Pferde erst nachträglich erkennbar als Gefälligkeitsgutachten gefertigt. Die Pferde seien alle mit Brandzeichen und Chip gekennzeichnet und so eindeutig zu identifizieren gewesen, dass ihr jeweiliger Zucht- und Gebrauchswert festgestellt hätte werden können. Tatsächlich sei im Durchschnitt nicht einmal der Schlachtpreis erlöst worden.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat die auf gesamt 55.000 € gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob der Kläger und die Zeugin P... Eigentümer der in Rede stehenden Pferde gewesen seien. Denn es sei keine Amtspflichtverletzung des Beklagten ersichtlich. Er habe insbesondere die ihn treffende Amtspflicht erfüllt, vor Tätigwerden im Rechtskreis eines Dritten den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt. Die von dem Kläger nicht angegriffene Veräußerung als solche sei auch in Form der beschränkten Ausschreibung rechtmäßig gewesen. Eine öffentliche Versteigerung sei wegen der hohen Unterhaltskosten nicht zweckmäßig gewesen. Die Pferde seien vor dem Verkauf begutachtet worden. Der Beklagte habe sich auf das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Streithelfers stützen können; objektive Zweifel an seiner Qualität bestünden nicht. Etwaige Fehler hätten sich jedenfalls nicht aufgedrängt. Die darin nicht genannten Pferde habe der Streithelfer im Nachhinein mündlich bewertet, was genüge.
Der Kläger, dem das am 10. Dezember 2019 verkündete Urteil am 11. März 2020 zugestellt worden ist, hat am 12. April 2020 Prozesskostenhilfe für die Einlegung der Berufung beantragt und am 14. April 2020, dem Dienstag nach Ostermontag, Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag vom 11. Mai 2020 ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. Juli 2020 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 9. Juni 2020 eingegangen.
Der Kläger ist der Auffassung, schon die Wegnahme und „Notveräußerung“ der Pferde seien als solche rechtswidrig gewesen, jedenfalls aber das dafür eingeholte Gutachten ungeeignet. Der Gutachter sei wegen seiner Nähe zum Amtstierarzt des Beklagten befangen gewesen, sein Gutachten nicht neutral. Der Beklagte habe selbst über die erforderlichen Informationen zu den Pferden verfügt, ohne sie dem Gutachter zu geben. Schon der erzielte Durchschnittspreis von lediglich 159,76 € (bzw. 294,53 € hinsichtlich der Pferde des Klägers) zeige, dass die Pferde nur verschleudert worden seien. Der Beklagte habe offenbar die Angaben des Sachverständigen nicht kritisch gewürdigt.
Der Kläger hat angekündigt zu beantragen,
das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12.11.2019 zum Aktenzeichen 31 O 176/17, zugestellt am 11.03.2020, abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 36.000 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Juni 2018, und
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 19.000 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Juni 2013,
Der Beklagte und sein Streithelfer haben angekündigt zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Berufungsbegründung setze sich nicht hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinander. Die angebliche Befangenheit des Streithelfers als Gutachter habe schon erstinstanzlich angebracht werden können und müssen. Der weitere neue Vortrag des Klägers sei nicht nachzuvollziehen und im Übrigen unrichtig. Der Streithelfer weist erneut darauf hin, dass die Tiere nicht über einen Equidenpass verfügten und deshalb zur Lebensmittelgewinnung nicht zugelassen gewesen seien, weshalb ihnen auch kein Schlachtpreis habe zukommen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, Protokolle und sonstigen Unterlagen verwiesen.
II.
1.
Der Senat ist in der eingangs genannten Besetzung zur Entscheidung über das in der Formulierung der Gegenerklärung vom 14. September 2020, der Kläger halte den Richter am Landgericht … für befangen, zu sehende Ablehnungsgesuch nach § 44 ZPO berufen. Bei eindeutig unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen sind die abgelehnten Richter auch mit Blick auf § 45 Abs. 1 ZPO an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert (BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – VIII ZB 9/17; BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 2020 – 2 BvE 3/19,). Dies ist hier der Fall. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig.
Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn seine Begründung zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist. Ein auf diese Weise begründetes Ablehnungsgesuch steht rechtlich einer Richterablehnung gleich, die überhaupt keine Begründung aufweist. In diesem Sinne völlig ungeeignet ist eine Begründung, wenn sie die angebliche Befangenheit ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls von vornherein nicht zu belegen vermag, wenn also für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das eigene Verhalten des abgelehnten Richters selbst entbehrlich ist, weil es dazu einer näheren Betrachtung der Umstände des Einzelfalls nicht bedarf (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VIII ZA 12/19; Beschluss vom 25. April 2017 – VIII ZB 9/17).
So verhält es sich hier. Die von dem Kläger in der Gegenerklärung vorgebrachte Begründung ist von vornherein völlig ungeeignet, um die Befangenheit des Richters zu begründen. Der Kläger zieht – wiederum – dessen Mitwirkung an Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Potsdam in Verfahren heran, an denen der Kläger nicht beteiligt war, und verweist ergänzend auf den Inhalt des Senatsbeschlusses vom 24. August 2020. Damit hat der Kläger keine konkreten Umstände geltend gemacht, aus denen sich eine Voreingenommenheit des Richters ergeben könnte. Dessen Mitwirkung an den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Potsdam stellt keinen Befangenheitsgrund dar, wie der Senat in seinem Beschluss vom 8. Juli 2020 dargelegt hat, mit dem er das (erste) Befangenheitsgesuch des Klägers betreffend diesen Richter zurückgewiesen hat. Offensichtlich ebenso wenig begründet Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters der Umstand, dass er an der Entscheidung des Senats mitgewirkt hat, mit der dieser das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers für die Berufung zurückgewiesen und damit zum Nachteil des Klägers entschieden hat, der diese Entscheidung für unrichtig hält. Das Ablehnungsverfahren dient – vom hier offensichtlich nicht gegebenen Ausnahmefall des Verstoßes gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG abgesehen – nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BGH, ebd. - m. w. N.).
2.
Die zulässige Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 24. August 2020 Bezug genommen. Der Kläger hat entgegen § 839 Abs. 3 BGB nicht hinreichend Gebrauch von dem ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln gemacht, um den Schaden abzuwenden, den er nun geltend macht.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung des Klägers vom 14. September 2020 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
a)
Der Kläger führt darin aus:
Auf das Verhalten von Frau P... könne es nicht ankommen, da es nicht sein Verschulden begründen könne. Er selbst hingegen habe die Pferde bereits herausverlangt, als sie noch an ihren Verbringungsstandorten gewesen seien, und damit das gemäß § 123 VwGO allein in Betracht kommende Rechtsmittel ergriffen, ehe die Pferde verkauft waren. Zudem habe seine Ehefrau als Halterin alle ihr möglichen Rechtsmittel ergriffen. Von zu spätem Handeln könne man nur sprechen bei einem Agieren nach der Veräußerung; üblicherweise genüge der Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz, um die Behörde anzuhalten, einen geplanten Verkauf vorerst nicht weiter zu betreiben. Er habe auch das Eilverfahren seiner Ehefrau abwarten dürfen, um so Kosten und Justizressourcen zu sparen. Es treffe nicht zu, dass der Beklagte die Pferde an die jeweiligen Eigentümer herausgegeben hätte; an seine Tochter etwa seien die ihr gehörenden Pferde nicht herausgegeben worden. Seine Eigentümerstellung müsse in diesem Verfahren geklärt werden, nachdem das Verwaltungsgericht nur eine summarische Prüfung vorgenommen habe; gegebenenfalls sei Beweis zu erheben. Das Eigentum habe sogar noch während der Beschlagnahme übergehen können, die lediglich ein behördliches Verwahrungsverhältnis begründet habe.
b)
Zwar ist es richtig, dass der Kläger das Verhalten von Frau P... nicht zu vertreten hat, nachdem sie nicht als seine Erfüllungsgehilfin tätig war. Ihre Nachlässigkeit bei der Wahrung ihrer Rechte berührt aber gemäß § 839 Abs. 3 BGB den vermeintlich in ihrer Person entstandenen Amtshaftungsanspruch, welchen der Kläger hier als an ihn abgetreten geltend macht.
c)
Sowohl der Kläger wie auch Frau P... haben nicht hinreichend Gebrauch von den ihnen als vermeintlichen Eigentümern der von dem Beklagten veräußerten Pferde zustehenden Rechtsbehelfen gemacht. Diesbezüglich geht der Vorwurf nicht dahin, dass der Kläger und Frau P... den falschen Rechtsbehelf ergriffen haben. Der Antrag auf Herausgabe im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO war, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der richtige Rechtsbehelf. Die Genannten haben von ihm nur nicht hinreichend Gebrauch gemacht.
Zum „Gebrauchen“ eines Rechtsmittels genügt nicht allein seine formell ordnungsgemäße Einlegung. Wird es ohne Absicht ernstlicher Durchführung und daher auch ohne sachdienliche Begründung eingesetzt, ist es nicht genügend „gebraucht“ (BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 98/69 –, BGHZ 56, 57 = NJW 1971, 1694, Rdnr. 10 bei juris). Doch auch wenn sich der Verletzte selbst durch unzulänglichen Sachvortrag oder sonstige Nachlässigkeiten schuldhaft um den Erfolg seines Rechtsmittels bringt, kann dies nach § 839 Abs. 3 BGB zum Verlust des Amtshaftungsanspruchs führen. Stehen dem Geschädigten mehrere Rechtsmittel zur Verfügung, muss er prinzipiell das stärkste und effektivste wählen, um nicht seines Amtshaftungsanspruchs verlustig zu werden (Wöstmann, in: Staudinger (2013), § 839 BGB Rdnr. 344; Mayen in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 839 BGB Rdnr. 86). Denn diese Bestimmung bezweckt, dass nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maße für seine eigenen Belange einsetzt und damit den Schaden abzuwenden sich bemüht. Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich, gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen (BGH ebd. Rdnr. 14).
Nach diesen Maßstäben erachtet der Senat auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung des Klägers den Gebrauch des Rechtsmittels durch ihn und Frau P... für unzureichend, insbesondere für zu spät angebracht. Zwar waren die Pferde, an denen der Kläger sein Eigentum behauptet, im Moment seines Eilantrages noch nicht veräußert (anders als bei den angeblich Frau P... gehörenden). Der Kläger durfte aber nicht bis zu diesem Moment und damit mehr als zwei Monate untätig zuwarten, wollte er sein angeblich am Tag vor der Wegnahme begründetes Eigentum schützen. Wie in dem Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt, hatte der Kläger über die bei der Wegnahme anwesende Halterin seit diesem Tag Kenntnis nicht nur von der Wegnahme, sondern auch von der Veräußerungsabsicht des Beklagten. Er war zum Schutz seines Eigentums gehalten, dieses gegenüber der Behörde und sodann im Falle der Erfolgslosigkeit gegenüber dem Gericht geltend zu machen. Auf seine formelle Beteiligung an dem behördlichen Verfahren konnte er schon deshalb nicht warten, weil der Behörde seine angebliche Eigentümerstellung bis zu seinem gerichtlichen Eilantrag gar nicht bekannt war. Ebenso wenig durfte er den Ausgang des von seiner Ehefrau aus anderen Gründen, nämlich ihrer Stellung als Halterin der Pferde, betriebenen Verfahrens abwarten, in dem wie erwähnt ja auch seine vermeintliche Eigentümerstellung bis in die zweite Instanz nicht vorgebracht wurde. Angesichts dessen sind die bei dem Verwaltungsgericht verbliebenen Zweifel an der tatsächlichen Eigentümerstellung auch für den Senat gut nachvollziehbar.
d)
Der Beklagte hat sich nicht von vornherein und generell gegen die Herausgabe von Pferden an die tatsächlichen Eigentümer gesperrt. Das von dem Kläger nun herangezogene Herausgabeverlangen seiner Tochter wurde, wie sich aus den zur Akte gereichten Beschlüssen ergibt, ebenfalls nicht ausreichend begründet.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 47, 48 GKG.