Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 23.11.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 B 111.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16 Abs 2 S 1 BVerfSchG |
1. Die Information über Verdachtsfälle im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums ist durch § 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG als Befugnisnorm gedeckt.
2. Die Erwähnung des Vereins "Bürgerbewegung pro Köln e.V." in den Verfas-sungsschutzberichten der Jahre 2008 bis 2010 als Verdachtsfall rechtsextremistischer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als deutscher Partner des Bündnisses "Städte gegen Islamisierung" genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
Die Berufung des Klägers gegen das am 18. November 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger ist ein Verein, der sich in der Stadt Köln an Kommunalwahlen beteiligt und seit 2004 mit einer Fraktion im Rat der Stadt Köln vertreten ist. Er wendet sich gegen seine Erwähnung in den vom Bundesministerium des Innern herausgegebenen Verfassungsschutzberichten, die auch im Internet veröffentlicht werden.
Im Verfassungsschutzbericht 2008 wird der Kläger im Kapitel „Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle“ (mit braunem Balken am Rand) unter VIII. „Internationale Verbindungen“ und 2. „Wahlkampfthema ‚Islamisierung Europas’“ erwähnt. Auszugsweise lautet der Text auf Seite 132/133:
„Im Vorfeld der Europawahlen haben rechtsextremistische und rechtspopulistische Parteien in mehreren Staaten der EU die von ihnen behauptete Gefahr einer drohenden „Islamisierung Europas“ zum zentralen Agitationsthema gemacht. Durch das am 17. Januar 2008 in Antwerpen (Belgien) gegründete Bündnis „Städte gegen Islamisierung“, dem als Hauptakteure der belgische „Vlaams Belang“ (VB), die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) und die deutsche „Pro-Bewegung“ angehören, sollen internationale Aktivitäten zur „Aufklärung der Öffentlichkeit“ geplant und koordiniert werden. Bereits Ende 2007 wurde erstmals im Internet berichtet, dass in Köln ein internationaler „Kongress“ ausgerichtet werden solle. Dessen Ziel sei es, einerseits gegen „islamische Parallelgesellschaften“ sowie den Bau von Großmoscheen zu protestieren und andererseits islamkritischen Gruppen und Verlagen ein Forum zu bieten. Die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen und im Hinblick auf die internationale Anti-Islamisierungskampagne unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende „Bürgerbewegung pro Köln e.V.“ („pro Köln“) trat schließlich als Anmelder der für den Zeitraum vom 19. bis 21. September 2008 geplanten Veranstaltung auf…“
In der im Internet veröffentlichten Vorabversion des Verfassungsschutzberichts 2008 war der Kläger auf Seite 118 noch als „die rechtsextremistische ‚Bürgerbewegung pro Köln e.V.“ bezeichnet worden.
Die Vorabversion des Verfassungsschutzberichts 2009 erwähnt den Kläger auf den Seiten 118, 119 im Kapitel „Rechtsextremismus“ unter IX. „Internationale Verbindungen“ und 2. „Europaweite „Anti-Islamisierungskampagne“. Berichtet wird wiederum über das Bündnis „Städte gegen Islamisierung“ und den vom Kläger vom 8. bis 10. Mai 2009 organisierten „Anti-Islamisierungs-Kongress“. Am Rand der Seite steht fettgedruckt: „Bürgerbewegung ‚pro Köln’ (Verdachtsfall)“. Die im Wesentlichen textgleiche Endfassung des Verfassungsschutzberichts 2009 ist wiederum mit einem braunen Balken farblich gekennzeichnet (S. 135).
Auch im Verfassungsschutzbericht 2010 wird der Kläger – als „Verdachtsfall“ gekennzeichnet – wie bisher unter „VII. Internationale Verbindungen“ als Partner des 2008 gegründeten Bündnisses „Städte gegen Islamisierung“ erwähnt (S.124).
Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen berichtete seit dem Jahr 2000 in seinen Verfassungsschutzberichten unter der Rubrik „Rechtsextremismus“ über den Kläger. Gegen die Erwähnung in den Jahren 2002 bis 2009 suchte der Kläger erfolglos um Rechtschutz nach (VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2005 - 1 K 3189/03; OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 A 4719/05; VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Dezember 2007 – 22 K 1286/06; OVG NRW, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 5 A 203/08; VG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 2009 – 22 K 3117/08).
Am 25. Mai 2009 hat der Kläger gegen seine Erwähnung in der Vorabfassung des Verfassungsschutzberichts 2008 Klage erhoben, die er mit Schriftsätzen vom 11. November 2009 und vom 29. Juli 2010 gegen die Endfassung des Verfassungsschutzberichts 2008 bzw. die Vorabversion des Verfassungsschutzberichts 2009 erweitert hat und im Berufungsverfahren auch gegen die Endfassungen der Berichte für die Jahre 2009 und 2010 weiterverfolgt.
Er ist der Ansicht, seine Erwähnung sei rechtswidrig und verletze ihn in seiner Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 GG). Er könne daher Unterlassung und Richtigstellung aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch verlangen. Er sei inhaltlich als freiheitlich, konservativ, patriotisch und nonkonform rechtspopulistisch einzuordnen. Grundlage seiner Politik sei das Grundgesetz mit seiner „freiheitlich-demokratischen“ Grundordnung. Es lägen schon keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eines der Merkmale der „freiheitlich-demokratischen“ Grundordnung abgelehnt oder beseitigt werden solle. Den Kläger ohne weitere Begründung als „rechtsextremistisch“ zu bezeichnen sei rechtswidrig. Die Verfassungsschutzbehörde habe auch nicht einmal ansatzweise erläutert, woraus sich Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung ergäben. Der Protest gegen „islamische Parallelgesellschaften“ sowie den Bau von Großmoscheen sei von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Auch im vorliegenden Verfahren reihe die Beklagte im Wesentlichen von der Meinungsfreiheit geschützte Meinungsäußerungen des Klägers aneinander, wobei ausschließlich zugespitzte Einzeläußerungen in den Blick genommen würden. Bezüglich der von der Beklagten vorgeworfenen islamfeindlichen Agitation differenziere der Kläger zwischen Islam und Islamismus und betone stets, dass auch Muslime ein Recht auf freie Religionsausübung hätten. Kritisiert werde vor allem die Bildung von Parallelgesellschaften. Lediglich der politische Islam, der mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei, werde von ihm kritisiert. Was die Integration von Ausländern betreffe, wende er sich lediglich gegen die Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme. Er selbst habe Mitglieder ausländischer Herkunft und heiße integrationswillige Ausländer als Bereicherung der Gesellschaft willkommen. Eine Zusammenarbeit mit rechtsextremistischen Vereinigungen stellt der Kläger in Abrede. Die Beklagte berufe sich insoweit auf Sachverhalte aus den Jahren 2002 und 2005, in denen es ebenfalls keine Zusammenarbeit mit der NPD bzw. DVU sowie deren Jugendorganisationen gegeben habe. Zur NPD bestehe eine offene Feindschaft. Interviews von Vorstandsmitgliedern des Klägers mit der NPD und der DVU nahestehenden Zeitungen begründeten einen solchen Anhaltspunkt nicht, da die Organe des Klägers jedem Presseorgan zur Verfügung stünden. Die Treffen im Rahmen der Fraktion ITS („Identität, Tradition, Souveränität“) im Europaparlament in Straßburg begründeten keine Zusammenarbeit mit deutschen Rechtsextremisten, da sowohl die dem Treffen beiwohnenden Vorstandsmitglieder des Klägers als auch die Vertreter von NPD und DVU unabhängig voneinander von den Initiatoren eingeladen worden seien. Auch aus den Kontakten zu der belgischen „Vlaams Belang“ und zu anderen ausländischen Parteien und dem Auftreten von deren Repräsentanten auf Veranstaltungen des Klägers könnten sich keine Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die „freiheitlich-demokratische“ Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ergeben. Die tschechische Politikerin Petra Edelmannová sei nicht mehr politisch aktiv und habe in ihrem Vortrag auf dem Anti-Islamisierungskongress keine Äußerungen getätigt, die als fremdenfeindlich oder rassistisch einzustufen seien.
Die Beklagte hält die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten unter Hinweis von ihr vorlegte Belege (Anlagen B 1 – B 53), auf die Bezug genommen wird, für zulässig. Für den Kläger als kommunale Wählervereinigung würden dieselben Maßstäbe gelten, die das Bundesverfassungsgericht zur Aufnahme von Parteien in den Verfassungsschutzbericht aufgestellt habe. Die Berichterstattung sei gerechtfertigt, weil ausreichende Anhaltspunkte von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen des Klägers vorlägen, um von einem Verdachtsfall auszugehen. Dies ergebe sich aus der Zusammenarbeit mit rechtsextremistischen Vereinigungen im In- und Ausland, einer islamfeindlichen Agitation sowie fremdenfeindlichen Äußerungen. Dabei könnten auch tatsächliche Anhaltspunkte aus den Vorjahren zur Bewertung der Zielsetzungen des Klägers berücksichtigt werden, soweit sie nicht veraltet oder überholt seien. Zwar lehne der Kläger öffentlich eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien wie der NPD und DVU ab, zeige jedoch in der Praxis diesen gegenüber ein ambivalentes Verhalten. Es finde eine umfangreiche Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien und Organisationen aus dem europäischen Ausland statt, insbesondere im Zusammenhang mit den vom Kläger veranstalteten Anti-Islamisierungskongressen. Der Kläger verharmlose den Rechtsextremismus als Rechtspopulismus bzw. Patriotismus. Die Erwähnung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten 2008 und 2009 sei darüber hinaus in Art und Weise nicht zu beanstanden und genüge den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts insbesondere an die Verhältnismäßigkeit.
Nachdem die Druckversion des Verfassungsschutzberichts 2008 vergriffen ist und nicht mehr verbreitet werden kann und die Beklagte zugesagt hat, in der noch abrufbaren Internetversion die Seite 133 um eine fett gedruckte Kennzeichnung des Klägers als Verdachtsfall vorzunehmen, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die auf Unterlassung der Verbreitung der Verfassungsschutzberichte ohne vorherige Entfernung oder Unkenntlichmachung der Passagen über den Kläger sowie auf Richtigstellung im nächsten Verfassungsschutzbericht, dass die vorausgegangene Berichterstattung über ihn rechtswidrig war, zielende Klage abgewiesen.
Zur Begründung seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Berechtigung, über den Kläger zu berichten, ergebe sich den Vorschriften des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz – Bundesverfassungsschutzgesetz -. Danach diene die Unterrichtung des Bundesministeriums des Innern durch das Bundesamt für Verfassungsschutz über seine Tätigkeit auch der Aufklärung der Öffentlichkeit u.a. über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht erfolge. Das schließe auch die Berichterstattung über sogenannte Verdachtsfälle ein, soweit diese als solche hinreichend deutlich gekennzeichnet würden. Den „Verdachtsfall“ kennzeichneten die Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtend tätig werden dürfe; dafür seien tatsächliche Anhaltspunkte für ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, erforderlich, aber auch ausreichend. Bei dem Verfassungsschutzbericht handele sich nicht um einen Erfolgsbericht, sondern um einen Tätigkeitsbericht. Die Frage, ab welchem Grad des Verdachts sich eine Gruppierung eine öffentliche Diskussion als Folge der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht gefallen lassen müsse, lasse sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Art und Weise der Veröffentlichung differenzierter prüfen und beantworten, als dies bei einem generellen Ausschluss der Berichterstattung über Verdachtsfälle möglich wäre. Tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen des Klägers lägen vor. Sie müssten sich nicht notwendig nur aus Ereignissen und Meinungsäußerungen im zu überprüfenden Berichtszeitraum ableiten lassen; auch aus der Zeit davor stammende Erkenntnisse könnten die Berichterstattung allein rechtfertigen, wenn jedenfalls bei der Bestrebung eine hinreichende personelle Kontinuität bestehe, eine inhaltliche Distanzierung von den Verlautbarungen und Aktivitäten, die die Verdachtsanhaltspunkte bildeten, nicht festgestellt werden könne und zwischen Anknüpfungstatsachen und Berichtszeitraum eine nur kurze Zeitspanne von nicht mehr als zwei Kalenderjahren liege. Meinungsäußerungen seien berücksichtigungsfähig, sofern sie über zulässige Kritik an der Verfassung hinaus auf die Beseitigung oder Außerkraftsetzung von Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielten. Nach den Veröffentlichungen des Klägers, den Äußerungen seiner Funktionsträger und seinen Beziehungen zu rechtsextremen Organisationen sei der Schluss berechtigt, dass der Kläger im Verdacht einer gegen die Menschenwürde verstoßenden ausländerfeindlichen Ausrichtung stehe. Agitation gegen Ausländer, mit der diese teilweise pauschal diffamiert und verächtlich gemacht würden und dabei irrationale Ängste und Ablehnung geschürt würden, verletze die Menschenwürde und könne Ausdruck eines Bestrebens sein, die Geltung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen. Ausländer sowie Zuwanderer würden vom Kläger wegen ihrer Abstammung und/oder Religionszugehörigkeit mit pauschalierenden, plakativen Äußerungen ausgrenzend und als kriminell oder nicht integrierbar dargestellt. Die anhaltende und wiederholte Befassung mit diesen Themen lasse klar erkennen, dass das Thema der Zuwanderung nach Deutschland und deren negative Bewertung zentrales Anliegen des Klägers sei. Eine häufiger drastische Wortwahl und die nahezu vollständige Ausblendung positiver oder auch nur neutraler Berichte über Ausländer und Migranten ließen darüber hinaus keinen anderen Schluss als den zu, dass der Kläger Zuwanderer bestimmter Volks- oder Religionsgruppen bewusst als unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse darstelle und diese herabsetzen wolle.
Für diese Bewertung führt das Verwaltungsgericht im Einzelnen an: Es werde die Gefahr einer „Landnahme durch den Islam“ (pro Köln-Vorsitzender B…, Archiv vom 5. Juni 2007, Anlage B 36) und die „islamische Erstürmung unserer Vaterländer“ (Herr N… im Aufruf zum Anti-Islamisierungskongress am 19./20. September 2008 in Köln, Anlage B 10) beschworen, die „schleichende Türkisierung bzw. Islamisierung unseres Landes“ (pro Köln-Vorsitzender B…, Archiv vom 8. Dezember 2008, Anlage B 40) beklagt und der „aggressive und selbstbewusste Zuwanderungsislam…“ (B… ebenda) angeprangert. Es sei „notwendig, sich von dem vernebelnden Gerede freizumachen, es gebe nicht den Islam, man müsse zwischen Islam und Islamismus unterscheiden usw.“ (Wahlprogramm pro NRW vom 9. Mai 2010, Anlage B 44)“; „Pro NRW wird deshalb die Anti-Islam-Partei werden!“ (stellvertretender pro-Köln-Vorsitzender W…, Archiv pro Köln vom 11. September 2007, Anlage B 34). Islam und Islamismus, der Bau von Moscheen und Terrorgefahren würden gleichgesetzt: „gegen Großmoschee und Islamismus!“ (Archiv pro Köln vom 23. August 2007, Anlage B 37). Dazu habe pro NRW eine „Petition gegen Moscheebauten, Minarette, Muezzinruf und islamistische Terrorgefahr“ geplant (stellvertretender pro-Köln-Vorsitzender W…, Archiv pro Köln vom 11. September 2007, a.a.O.). Zuweilen gipfelten diese Parolen in verbalen Entgleisungen wie „damit der Moslem mitten auf der Hauptstraße in Vingst seinen Hammel grillen kann!“ (Information der Fraktion pro Köln Nr. 20, 1. Quartal 2008) und „dass unsere Töchter den gierigen Blicken und Händen ganzer Zuwandererhorden ausgesetzt sind“ (der FPÖ-Vorsitzende S… im Aufruf zum Anti-Islamisierungskongress am 19./20. September 2008 in Köln, Anlage B 10). Auch wenn es einzelne Äußerungen gebe, die den Anschein einer differenzierteren Sicht geben, so fänden sich weitere Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen in einer Rede auf einer Wahlkampfkundgebung von pro Köln auf dem Roncalliplatz, die ein Herr A… am 14. August 2009 gehalten habe (Anlage B 48): „Wer für die Islamisierung (sic) dieses Landes ist, der ist ganz klar für die Zwangsheirat egal in welchem Alter, für Ehrenmorde, für die Entrechtung der Frau, für die Beschneidung von Frauen, der ist auch dafür, dass Frauen schlechter behandelt werden als Tiere, der ist dafür, dass Frauen bestraft werden, wenn sie vergewaltigt werden, der ist für Auspeitschung, der ist für Steinigung, Folter und Hängen, und der ist für die Auslöschung unserer Kultur. … ich garantiere Ihnen, die Reichskristallnacht wird wiederkommen. Allerdings werden diesmal in Köln Christen und Juden durch die Straßen getrieben, von den Islamisten verfolgt und getötet… Sie können am 30. August Kandidaten in den Orient schicken. Die Fahrkarte dafür kaufen wir, allerdings ist das nur eine Einfachfahrkarte.“
Mit diesen Äußerungen würden sämtliche Vorwürfe, die sich mit Auswüchsen des Islam oder Gebräuchen in bestimmten Ländern in Zusammenhang bringen ließen, auf islamische Mitbürger gemünzt, und es werde der Untergang des Abendlandes beschworen. Solche Reden schürten Ängste in der Bevölkerung und wiegelten zum Hass auf gegen moslemische Mitbürger. Der Einwand des Klägers, die Beklagte reihe lediglich bloße Meinungsäußerungen aneinander, gehe insoweit fehl, als der Kläger als Wählervereinigung bestrebt sei, mit diesen Äußerungen auf politische Entscheidungen in seinem Sinne Einfluss zu nehmen. Um den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu untermauern, sei es darüber hinaus zulässig, das Hauptaugenmerk auf solche, dem Kläger zuzurechnende Äußerungen zu lenken, die seine Bestrebungen besonders auffällig zum Ausdruck brächten.
Der Verdacht stütze sich darüber hinaus ganz wesentlich auf die Beziehungen des Klägers zu rechtspopulistischen und rechtsextremistischen europäischen Parteien und Gruppierungen, die an den vom Kläger veranstalteten „Anti-Islamisierungskongressen“ teilgenommen hätten. Zwar unterstünden diese Gruppierungen hinsichtlich ihrer Aktivitäten in ihren Heimatländern nicht dem räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes. Die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte einschließlich der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots besäßen auf Grundlage der Europäischen Konvention für Menschenrechte und des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts aber auch in den Heimatländern dieser Gruppierungen und Parteien Geltung. Insofern könne auch deren ausländerfeindliche oder rechtsextremistische Ausrichtung Ausdruck von Bestrebungen sein, die nach deutschem Recht als verfassungsfeindlich einzustufen wären. Die Darstellung des Klägers, seine Partnerorganisationen unterschiedslos als demokratisch einzustufen, sei grob verharmlosend, wenn er ausführe: „…, daß die zahlreichen patriotischen Spitzenpolitiker aus Frankreich, Österreich, Flandern und anderen Ländern über eine weitere Vernetzung der demokratischen rechtspopulistischen Bewegungen verhandeln würden“ (Archiv pro Köln vom 12. September 2008, Anlage B 33). Im Bündnis „Städte gegen Islamisierung“ sei der Kläger mit der österreichischen FPÖ und der belgischen „Vlaams Belang“ (VB) verbunden. Die „Vlaams Belang“ sei eine inhaltlich und personell unveränderte Neugründung der Partei „Vlaams Blok“ (VB). Drei Tochtervereinigungen dieser Partei seien mehrere Jahre lang in ein Gerichtsverfahren wegen Verstoßes gegen das Anti-Rassismusgesetz von 1981 verstrickt gewesen. Das Berufungsgericht von Gent habe in einem Urteil vom 21. April 2004 festgestellt, dass die Partei VB bewusst und systematisch Hass gegen nicht europäische Ausländer schüre (vgl. Anlage B 14 und 15). Der Vorsitzende des VB, Filip Dewinter, sei als Redner auf dem Anti-Islamisierungskongress 2009 aufgetreten. Im Vorjahr sei für diese Veranstaltung als Gastredner Jean Marie Le Pen angekündigt gewesen, der Vorsitzender des französischen „Front National“ und schon mehr als 25 Mal wegen antisemitischer und rassistischer Äußerungen strafrechtlich verurteilt worden sei. Angekündigt habe der Kläger auch Nick Griffin, den Vorsitzenden der „British National Party“, der sich im Juli 2009 mit der Forderung hervorgetan habe, es müssten Boote mit illegalen afrikanischen Einwanderern versenkt werden (vgl. die Anlagen B 20 und 21). Auf dem „Anti-Islamisierungskongress“ 2009 sei als Gastrednerin die damalige Vorsitzende der tschechischen Volkspartei „Narodni Strana“ aufgetreten, die eine „Endlösung der Zigeunerfrage“ durch deren Deportation nach Indien propagiert habe (Anlagen B 25 bis 27).
Auch sei das Verhältnis zu NPD und DVU ambivalenter, als der Kläger in seinen Stellungnahmen vorgebe. Es könne dahingestellt bleiben, ob man dem Kläger heute noch vorhalten könne, dass die heutige Fraktionsvorsitzende des Klägers im Rat der Stadt Köln, J…, in November 2002 auf dem 31. Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten ein Grußwort an die Teilnehmer gerichtet und dies als Zeichen „patriotischer Solidarität in Zeiten von Repressionsdruck und Verbotsandrohung gegen die Nationaldemokraten“ verstanden habe („Deutsche Stimme“ vom Dezember 2002, S. 9). Denn auch Interviews der Fraktionsvorsitzenden mit dem Parteivorsitzenden der DVU, Herr Dr. F…, in der Nationalzeitung vom Juni 2007 und des Vorsitzenden des Klägers in der Parteizeitung der NPD „Deutsche Stimme“ vom Juni 2007 und der „Jungen Freiheit“ vom 16. September 2008 belegten, dass im Verhältnis zu Rechtsextremisten keine Berührungsängste bestünden. Jedenfalls die parteinahen Zeitungen wählten sich in der Regel nur ihnen genehme Interviewpartner aus. Besonders das Interview von Herrn B… in der „Deutschen Stimme“ sei aufschlussreich (Anlage B 4). Zwar erkläre er darin, dass es zwischen dem Kläger und der Kölner NPD keine Zusammenarbeit gebe: „Dafür gibt es einfach zu viel Trennendes, sowohl inhaltlicher als auch strategischer Natur." Gleichzeitig führe er aus: „Aber wir sehen unsere Hauptaufgabe im Kampf gegen Multikulti, Kriminalität und Korruption, und nicht in der Auseinandersetzung mit rechten Konkurrenzparteien.“ Diese nenne er „örtliche alte Rechtsparteien“. Zu den Neugründungen von „pro“-Gruppierungen in anderen nordrhein-westfälischen Städten erklärte er, dass man nur dort zu Kommunalwahlen antreten werde, „wo sich noch keine rechte Partei im Stadtparlament etablieren konnte“. Ein solches Verhalten lasse sich nur so deuten, dass sich der Kläger mit NPD und DVU in einem gemeinsamen politischen Lager beheimatet sehe und diesen aus taktischen Gründen den Vortritt lasse, soweit sie schon in Kommunalparlamenten vertreten seien. Zudem konterkariere eine Fußnote mit einer "Anmerkung der Redaktion“ die verbale Abgrenzung: "Der NPD-LV NRW hat auf eine eigene Großveranstaltung verzichtet und will stattdessen am 16. Juni wegen der überragenden Bedeutung des Themas die pro-Köln-Demonstration unterstützen." Am 25. September 2007 hätten Vertreter des Klägers gemeinsam mit Vertretern der NPD, der DVU und der Republikaner an einem Treffen der Fraktion ITS („Identität, Tradition, Souveränität“) im Europaparlament teilgenommen und mit anderen rechtspopulistischen und rechtsextremistischen europäischen Parteien und Gruppierungen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet (vgl. den Bericht von Tomas Sager in „blick nach rechts“ vom 12. Oktober 2007, Anlage B 6).
Die fragliche Berichterstattung sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Soweit damit mittelbar in Grundrechte des Klägers in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG eingegriffen werde, sei dies durch die Befugnisnorm gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Die Art und Weise der Darstellung sei geeignet zur Aufklärung der Öffentlichkeit. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Berichterstattung auf das Erforderliche umfasse, dass Verdachtsfälle deutlich und auch für den flüchtigen Leser erkennbar als solche gekennzeichnet und klar von Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit unterschieden würden. Dafür sei die fettgedruckte Erwähnung des Klägers am Rand des Verfassungsschutzberichts 2009 mit dem in Klammer gesetzten, ebenfalls fettgedruckten Stichwort „Verdachtsfall“ ausreichend.
Eine Richtigstellung könne der Kläger mangels rechtswidrigen Eingriffs nicht verlangen.
Der Kläger hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und fristgerecht begründet. Er ist der Auffassung, dass er nicht in den Verfassungsschutzberichten hätte aufgeführt werden dürfen. Die Befugnisnorm decke eine Berichterstattung in sog. Verdachtsfällen nicht. Abgesehen davon beruhe das Urteil auf einer einseitigen Auswahl zugespitzter Äußerungen, die aber schon für sich genommen nicht ausreiche, um die Kritik des Klägers an Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturkreis und seine Forderungen nach Zuzugs- und Einwanderungsbegrenzung sowie konsequenter Abschiebung von krimineller und Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmender Ausländer als Verstoß gegen die Menschenwürde zu bewerten. Das bloße Haben von Ideen, Ideologien, Weltanschauungen, Überzeugungen und politischen Denkweisen gefährde die Verfassungsordnung nicht. Bloße Meinungsäußerungen reichten nicht für die Bewertung als Verdachtsfall verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Ein aktives Eintreten für verfassungsfeindliche Überzeugungen sei nicht festzustellen. Dafür dürfe sich die Beklagte nicht pauschal auf die Aktivitäten als Wählergruppierung beziehen, sondern müsse angesichts dessen, dass der Kläger seit 2004 im Rat der Stadt Köln und in den Bezirksvertretungen vertreten sei, berücksichtigen, inwiefern der Kläger gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Initiativen eingebracht habe. Die Beklagte habe insoweit nichts angeführt. Es gehe dem Kläger nicht um eine Abschaffung oder Einschränkung der Freiheit der Religionsausübung; er vertrete allerdings die Auffassung, dass der Bau von Großmoscheen nicht davon umfasst sei. Die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Parteien, die ebenfalls islamkritisch ausgerichtet seien, rechtfertige den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht. Bei sämtlichen vom Verwaltungsgericht aufgeführten Parteien handele es sich um demokratische Organisationen, die in ihren Heimatländern bei Wahlen anträten oder angetreten seien. Es treffe nicht zu, dass Jean-Marie Le Pen mehr als 25-mal wegen antisemitischer und rassistischer Äußerungen verurteilt worden sei. Der Vorsitzende der British National Party, Nick Griffin, sei vom Kläger selbst als Gastredner wieder ausgeladen worden, nachdem dessen diverse rassistische Äußerungen bekannt geworden seien. Das Verhältnis zu NPD und DVU werden unzutreffend beurteilt; allein daraus, dass Vertreter des Klägers diesen Parteien nahestehenden Zeitungen Interviews gegeben hätten, könne ein Schluss auf eine Zusammenarbeit nicht gezogen werden. Auch daraus, dass sich der Kläger – unabhängig von der NPD und der DVU – dem Text einer Presseerklärung der Fraktion ITS des Europaparlaments vom 25. September 2007 angeschlossen habe, könne nicht auf eine Zusammenarbeit geschlossen werden; es handele sich nicht um eine gemeinsame Resolution.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des am 18. November 2010 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin
1. die Beklagte zu verurteilen, die weitere Verbreitung der Verfassungs-schutzberichte für die Jahre 2008, 2009 und 2010 zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über den Kläger entfernt oder unleserlich gemacht werden,
2. die Beklagte zu verurteilen, in ihrem nächsten Verfassungsschutzbericht richtig zu stellen, dass der Bericht über den Kläger in den Rubriken „rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle“ bzw. „Rechtsextremismus“ in den Verfassungsschutzberichten 2008, 2009 und 2010 rechtswidrig waren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Berichterstattung über Verdachtsfälle sei von der Gesetzeslage gedeckt und gegen eine solche Gesetzeslage bestünden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Entscheidend für den Verdachtsfall sei nicht, ob die vom Kläger vertretenen Auffassungen zur Einwanderungspolitik und seine diesbezüglichen Forderungen mit der Gesetzeslage in Einklang stünden und deshalb der Sache nach möglich seien und sein müssten, ohne als Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen dienen zu können, sondern dass der Kläger seine Vorstellungen und Forderungen vielfach in einer Weise begründe und formuliere, dass hieraus eine Herabwürdigung der betroffenen Menschen spreche, und dass die teilweise festzustellende Diffamierung und Verächtlichmachung dieser Menschen Anhaltspunkt für das Bestreben böten, die Geltung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte für diese Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen. Unter Berufung auf das Wahlprogramm von „pro NRW“, auf das wegen großer personeller Übereinstimmung der Mitglieder mit denen des Klägers zurückgegriffen werden könne, führt die Beklagte aus, die Forderung nach einem generellen Verbot von Moschee-Neubauten und die Zulassung moslemischer Gebetsräume nur in Außenbezirken ziele auf Einschränkungen der Religionsfreiheit und eine Benachteiligung aus Gründen der Religionszugehörigkeit. Auch in neueren Publikationen setze der Kläger die unzulässige und diffamierende Gleichsetzung von Islam und Islamismus sowie Islam und islamischen Terrorismus fort. Auch die unverändert bestehenden Kontakte des Klägers zu rechtsextremistisch einzustufenden Parteien aus dem europäischen Ausland bestätigten den Verdachtsfall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und deren Anlagen, die vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; der Kläger hat weder einen Anspruch auf Unterlassung noch auf Richtigstellung.
Die Erwähnung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2008 bis 2010 als Verdachtsfall für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Bereich des Rechtsextremismus ist durch § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz – BVerfSchG – in der hier einschlägigen Fassung des Art. 11 des TerrorBekämpfGErgG vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2) gedeckt.
Danach dient die Unterrichtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz über dessen Tätigkeit nach Absatz 1 der Vorschrift „auch der Aufklärung der Öffentlichkeit durch das Bundesministerium des Innern über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1, die mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht erfolgt“.
Zwar lässt der Wortlaut dieser Vorschrift offen, ob sich die danach zulässige Berichterstattung nur auf im Rahmen der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz festgestellte Bestrebungen und Tätigkeiten bezieht, wie sie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BVerfSchG benannt sind. Für eine solche Auslegung könnte sprechen, dass der Gesetzgeber die Wendung „Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1“ lediglich zur sprachlichen Verkürzung der einschlägigen Begriffsmerkmale bei der Beschreibung des Gegenstandes, über den die Öffentlichkeit aufzuklären ist, gebraucht hat.
Der erkennende Senat folgt jedoch einer solchen Wortlautinterpretation unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm sowie des systematischen Zusammenhangs, in dem sie steht, wie auch ihrer Entstehungsgeschichte nicht.
Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG müssen nicht als solche feststehen, damit über sie berichtet werden darf; entscheidend ist, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz – ggf. im Zusammenwirken mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder - zur Aufklärung entsprechender Bestrebungen tätig geworden ist und tätig werden durfte. Insoweit ist es nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG seine Aufgabe, u.a. über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten oder Unterlagen, zu sammeln und auszuwerten. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG ist nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Diese Formulierung ist gleichzusetzen mit dem Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 – 6 C 22.09 – BVerwGE 137, 275). Damit erstreckt sich die Berichterstattung auch auf eine Aufklärung im Vorfeld solcher Bestrebungen, soweit ein Verdacht Anlass zum Tätigwerden der Verfassungsschutzbehörden gegeben hat. Das entspricht auch Sinn und Zweck der Berichterstattung, die Öffentlichkeit aufzuklären und zu warnen, denn diese Zielsetzung erfordert keine manifesten Bestrebungen. Ihr wird vielmehr auch eine Berichterstattung im Vorfeld sicherer Erkenntnisse gerecht. Der demokratische Rechtsstaat des Grundgesetzes muss sich, zumal vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, nicht darauf zurückziehen, das Vorliegen subsumierbarer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuwarten; er darf bereits beim Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für solche Bestrebungen mit dem Ziel ihrer Bekämpfung „im Keim“ davor warnen. Dieses Verständnis streitbarer Demokratie dürfte im Übrigen schon der ursprünglichen Fassung des Gesetzes im Jahre 1990 zugrunde gelegen haben. Seinerzeit bestand allerdings auch keine Veranlassung, die nicht immer deutliche Abgrenzung zwischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen und dem Verdachtsfall solcher Bestrebungen zur Messlatte für die Berichterstattung zu erheben. Es entsprach nämlich dem gängigen staatsrechtlichen Verständnis, dass eine Information der Öffentlichkeit zu Aufklärungszwecken in die jeweilige Ressortverantwortung der Mitglieder der Bundesregierung fiel und entsprechende Äußerungen mit Bewertungscharakter Teilhabe am öffentlichen Meinungsaustausch darstellten und insofern eingriffsneutral waren, als ein Betroffener sich ebenfalls in der öffentlichen Auseinandersetzung dagegen zu Wehr setzen konnte, allenfalls das Willkürverbot eine Schranke setzte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvE 1/75 – BVerfGE 40, 287 [293]; BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999 – 1 C 30.97 – BVerwGE 110, 126 [132 ff.]). Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der zwischenzeitlichen Diskussion über die Verdachtsberichterstattung in Verfassungsschutzberichten (namentlich Murswiek, NVwZ 2004, 769), der zum Berliner Landesrechts ergangenen Entscheidung in Bezug auf die Berichterstattung über die Partei „Die Republikaner“ (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006 – OVG 3 B 3/99 – OVGE 27, 57) und des Beschlusses der Bundesverfassungsgerichts zur Verdachtsberichterstattung über die „Junge Freiheit“ im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63) im Jahre 2007 den Wortlaut der einschlägigen Norm unverändert gelassen hat, kann dies nur als Indiz gewertet werden, dass er auch die bisher intendierte Reichweite der Bestimmung, gegen die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 a.a.O. S. 80 f.), beibehalten wollte, wenngleich eine Klarstellung des Wortlautes in dieser für die Abgrenzung der Grundsätze der streitbaren Demokratie durchaus als wesentlich anzusehenden Frage, deren Entscheidung grundsätzlich dem parlamentarischen Gesetzgeber und nicht der dritten Gewalt obliegt, nicht ferngelegen hätte.
Freilich bedeutet diese Auslegung der Befugnisnorm noch nicht, dass jedwede Berichterstattung über Verdachtsfälle zulässig ist. Nicht jeder bestehende Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen eines Personenzusammenschlusses rechtfertigt angesichts der damit verbundenen und bezweckten, für die weitere politische Betätigung hinderlichen Eingriffswirkung – von der die Beteiligten des Verfahrens übereinstimmend ausgehen – die Aufklärung über das Vorliegen solcher Anhaltspunkte. Kein Streit kann zunächst darüber bestehen, dass nur tatsächlich zutreffende Anhaltspunkte und daraus plausibel und nachvollziehbar abgeleitete Werturteile einer Verdachtsberichterstattung zugrundeliegen müssen. Sie muss auch als solche deutlich gekennzeichnet sein und darf nicht den Eindruck erwecken, es stehe fest, dass der betroffene Personenzusammenschluss gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt. Darüber hinaus müssen die Anhaltspunkte hinreichend gewichtig sein. Rechtfertigen sie nur den Schluss, dass jenseits einer schon für die Beobachtung nicht ausreichenden bloßen Vermutung möglicherweise ein Verdacht begründet ist, reichen sie nicht aus, um die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht zu rechtfertigen. Vielmehr muss auch die Verdachtsintensität hinreichend sein, um die Notwendigkeit der Aufklärung der Öffentlichkeit zu begründen. Die Berichterstattung in Verfassungsschutzberichten ist namentlich kein Instrument der jeweiligen Inhaber des Regierungsmandats zur Diskreditierung von Auffassungen zu Sachthemen und Gegnern im politischen Meinungskampf und im Ringen um Mehrheiten für die demokratische Gestaltung des Gemeinwesens, sondern zielt auf Fallgestaltungen, in denen Meinungen und Aktivitäten der betreffenden Gruppierung sich gerade gegen einen solchen für den freiheitlich und demokratisch verfassten Staat konstituierenden Meinungsaustausch und den insoweit unerlässlichen politischen Grundkonsens richten oder jedenfalls ernstliche Befürchtungen einer solchen Ausrichtung erkennen lassen. Die Tätigkeit des Bundesministeriums des Innern bei der Berichterstattung ist auf seine Rolle als Hüter dieser Werte unter strikter Beachtung des für alles staatliche Handeln geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränkt.
Nach diesen Grundsätzen bestehen gegen die vorliegende Berichterstattung über den Kläger in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2008, 2009 und 2010 (Vorabversionen – soweit noch im Streit - und broschürte Endfassung) allerdings keine durchgreifenden Bedenken. Es sind beim Kläger zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegeben, ohne dass seine verfassungsfeindliche Ausrichtung feststünde.
Gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen liegen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG vor bei solchen politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Dabei handelt es sich um
a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Eine Verdachtslage solcher Bestrebungen besteht schon bei einem die Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung objektiv beeinträchtigenden Verhalten; erst die nachfolgende Beobachtung dient der Klärung der subjektiven Elemente des Begriffs. Genügen können allerdings auch Anzeichen für die Absicht, die vorgenannten Bestandteile der Grundordnung abzuschaffen oder jedenfalls faktisch leerlaufen zu lassen; dann dient die Beobachtung der Klärung, wie weit diese Absichten mit welchen konkreten Mitteln verwirklicht werden sollen. Nicht entscheidend ist, ob die konkreten Verhaltensweisen als solche rechtlich missbilligt werden; auch aus erlaubten oder sogar von der Rechtsordnung geschützten Betätigungen können tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen erwachsen. Auch kann eine Gesamtschau der vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte die Verdachtslage begründen, selbst wenn jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu stützen vermag.
Die Bekämpfung einzelner Vorschriften oder Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln stellt allerdings noch keine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar; sie bezweckt nicht den Schutz von Inhalten der Politik, sondern der Strukturen, innerhalb derer Politik und die Auseinandersetzung über politische Inhalte stattfindet und Entscheidungen getroffen werden.
Die Anhaltspunkte müssen hinreichend aktuell sein. Grundsätzlich ist nur be-obachtungsrelevant und im Aufklärungsinteresse berichtenswert, was sich laufend, jedenfalls im Berichtszeitraum ereignet hat oder aber in der Vergangenheit geschehen ist, ohne dass es als „erledigt“ angesehen werden kann. Die Einbindung bestimmter Personen in Personenzusammenschlüsse ist dabei von besonderer Bedeutung, insbesondere die Verflechtung mit anderen Extremisten oder extremistischen Vereinigungen; die Frage, ob und inwieweit sich jemand aus derartigen Strukturen gelöst hat, ebenso wie diejenige, ob und inwieweit sich jemand in verfassungsfeindliche Strukturen verstrickt oder zur Verstrickung bereit ist. Da es sich insoweit um Überzeugungsfragen handelt, die nicht zwingend einem linearen Entwicklungsprozess unterliegen, sind für die Verhaltensprognose auch längere Zeiträume zu betrachten. In eine Gesamtschau sind auch nicht nur Anhaltspunkte der beschriebenen Art aus dem jeweils betroffenen Personenzusammenschluss, sondern auch solche aus anderen Zusammenschlüssen, Über- oder Untergliederungen mit etwa teilidentischem Personenkreis, und jedenfalls aus solchen, mit denen sich der betroffene Personenzusammenschluss identifiziert oder mit denen er sympathisiert, einzubeziehen.
Hiervon ausgehend ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Klägers aus einer Gesamtschau von Meinungsäußerungen, dem Verhältnis zu anderen eindeutig rechtsextremistischen Organisationen und ihren Mitgliedern sowie der sachlichen Zusammenarbeit mit vergleichbar oder auch extremer als der Kläger einzustufenden Organisationen im europäischen Raum. Die Beklagte verweist auf eine Vielzahl von Meinungsbekundungen, die das gesellschaftliche Miteinander der angestammten Bevölkerung und hier lebender Menschen mit Migrationshintergrund, vornehmlich islamischer Religionszugehörigkeit, betreffen und wegen ihrer populistischen Zuspitzungen von den Betroffenen als Herabwürdigung ihrer Existenz und ihres Glaubens aufgefasst werden können.
Dabei erkennt auch die Beklagte in ihren schriftsätzlichen wie mündlichen Ausführungen in der Verhandlung durchaus, dass die vom Kläger in seinen Äußerungen behandelten Sachthemen wie Islamismus und die Entwicklung von Parallelgesellschaften und daraus resultierende Problemstellungen verfassungsfeindliche Inhalte nicht enthalten. Vielmehr weisen die vom Kläger behandelten Sachthemen sogar Bezüge zu Bestrebungen auf, die die Beklagte in den jeweiligen Kapiteln „Islamistische/islamistisch-terroristische Bestrebungen und Verdachtsfälle“ bzw. „Islamismus/Islamistischer Terrorismus“ derselben Verfassungsschutzberichte selbst als verfassungsfeindlich kennzeichnet. Die Beklagte sieht tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung des Klägers jedoch in der – nach dem Selbstverständnis des Klägers als rechtspopulistisch ausgerichtete Wählervereinigung in der Zuspitzung bewusst eingesetzten – Form der Meinungsäußerung, die mit Vokabeln und Wendungen wie „Überfremdung“ (Anlagen B 3, B 4, B 10, B 32, B 35, B 39, B 42 und B 45), „Zuwandererhorden“ (Anlage B 10), „importierte Barbarei“ (Infoblatt Pro Köln 2/2003), „islamische Erstürmung unserer Vaterländer“, „schleichende Türkisierung bzw. Islamisierung unseres Landes“ (Anlage B 40), „der aggressive und selbstbewusste Zuwanderungsislam“ (Anlage B 40), die „Notwendigkeit, sich von dem vernebelnden Gerede freizumachen, es gebe nicht den Islam, man müsse zwischen Islam und Islamismus unterscheiden“ (Anlage B 44), Tendenzen eines Vorrang- oder Überlegenheitsdenkens der autochthonen Bevölkerung und einer Gleichsetzung aller Moslems mit Vertretern und Kräften des aggressiven Islam aufweise, die als allgemeine Herabsetzung von Migranten und sich zum moslemischen Glauben bekennender Menschen und ihrer Existenzberechtigung aufgefasst werden können. Gegen diese Bewertungsmöglichkeit sind durchgreifende Bedenken nicht zu erheben. Insbesondere steht ihr der Vorwurf des Klägers, diese Begriffe und Wendungen würden aus dem Zusammenhang gerissen, in dem sie stehen, nicht entgegen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger sich verschiedentlich ausdrücklich auch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt. Das ändert indessen nichts daran, dass er bewusst mit vereinfachenden Formulierungen durch die Menschenwürde und die Religionsfreiheit gezogene Grenzen sucht und gelegentlich auch überschreitet, um seine Anhängerschaft auf emotionaler Ebene anzusprechen und dabei in Kauf nimmt, undifferenziert Ressentiments zu bedienen und diffuse Angstgefühle gegenüber Zuwanderungsproblemen und schlicht auch gegenüber zugewanderten Menschen zu vermitteln. Die Bewertung des politischen Auftretens danach, ob es Anzeichen für verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt, darf auch an die Form anknüpfen; die Beklagte ist dabei gerade nicht gehalten, Äußerungen und Formulierungen jeweils in einem möglichen Sinnzusammenhang mit verfassungsneutralen Inhalten zu interpretieren; sie ist vielmehr in ihrer Hüterfunktion gehalten, auch auf den „Ton“ oder auf solche „Zwischentöne“ zu achten, die für möglicherweise weitaus radikalere Zielsetzungen als die vordergründig herausgestellten sprechen können.
Von dieser Warte aus ist auch die Bewertung des Abgrenzungsverhaltens des Klägers und seiner Protagonisten zu anderen Organisationen und Personen des rechten politischen Spektrums als „ambivalent“ nachvollziehbar; auch diese Bewertung ergibt Anhaltspunkte für Bestrebungen verfassungsfeindlicher Art und ist nicht zu beanstanden. Auch wenn der Kläger sich als Bürgerbewegung „von unten“, die in der kommunalen Gemeinschaft verwurzelt ist, begreift und sich als freiheitlich und demokratisch darzustellen und von anderen Organsiationen des rechtsextremen Spektrums abzugrenzen sucht, besteht bei einer Reihe von Initiatoren und Protagonisten des Klägers keine „Berührungsangst“ gegenüber Personen aus dem rechtsextremen Lager und deren Aktivitäten. Ausdruck dieser Nähe ist etwa der – allerdings schon länger zurückliegende - Auftritt der heutigen Fraktionsvorsitzenden W… auf dem 31. Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten im Jahre 2002 in Kirchheim, den sie – unwidersprochen – als patriotische Solidaritätsadresse anderer Nationaldenkender in Zeiten von Repressionsdruck und Verbotsdruck gegen die Nationaldemokraten verstand. Als Gäste dieser Veranstaltung waren übrigens auch der jetzige Vorsitzende des Klägers, B…, wie etwa auch der frühere JN-Vorsitzende, damalige stellvertretende NPD-Parteivorsitzende und heutige Vorsitzende dieser Partei, H… zugegen. Eine personelle Nähe ist auch deshalb anzunehmen, weil Mitglieder des Klägers – etwa das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesende Vorstandsmitglied und Mitbegründer des Klägers R… – früher Mitglied der Jungen Nationaldemokraten waren und daher davon ausgegangen werden kann, dass Beteiligte des Klägers wie auch solche anderer rechter Organisationen persönlich bekannt sind und deshalb nicht fernliegt, dass jenseits bekundeter politischer Differenzen durchaus keine Hemmungen im persönlichen Umgang miteinander bestehen. So hat das Vorstandsmitglied R… in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die vom Kläger im September 2007 auf Einladung der Rechtsfraktion ITS (Identität, Tradition, Souveränität) im Europaparlament entsandten Vorstandsmitglieder B… und W… sich angesichts und trotz der für sie überraschenden Anwesenheit auch des früheren NPD-Vorsitzenden U…V… nicht umgehend zurückgezogen hätten und schließlich eine – allerdings keine verfassungsfeindlichen Inhalte aufweisende und von Beobachtern nicht als einigend eingestufte (vgl. dazu Anlage B 6, Sager in „blick nach rechts“ vom 12. Oktober 2007) - Erklärung unterzeichnet hätten (s. Anlage B 5), der sich auch die NPD-Vertreter angeschlossen hätten. Die Beklagte belegt auch, dass der jedenfalls in den Jahren 2007 und 2008 verschiedentlich auf Veranstaltungen des Klägers als Redner aufgetretene H… (Anlagen B 8 und B 9), ein früheres NPD-Mitglied, später Mitglied und Generalsekretär der Partei „Die Republikaner“ und für diese von 1989 bis 1994 Mitglied des Europaparlaments, noch im Jahre 2005 wohl als Parteiloser auf Vorschlag der DVU (lt. de.wikipedia.org) auf Platz 2 der Landesliste der NPD in Sachsen für den 16. Deutschen Bundestag kandidiert hat (Anlage B 11). Der Kläger grenzt sich insoweit nicht klar ab. Das zeigen die abgedruckten Interviews seines Vorsitzenden B… in den Zeitungen „Deutsche Stimme“ vom Juli 2007 und „Junge Freiheit“ vom 16. September 2008 (Anlage B 4 und B 7). Dieser führt darin zunächst aus, dass es in Köln weder beim Thema Moscheebau noch bei anderen Themen eine politische Zusammenarbeit mit der Kölner NPD gäbe, weil es dafür einfach zu viel Trennendes, sowohl inhaltlich als auch strategischer Natur gebe und der Kläger den Anspruch vertrete, in Köln die Oppositionsrolle von rechts wahrzunehmen. Im Übrigen aber sehe er seine Hauptaufgabe im Kampf gegen Multikulti, Kriminalität und Korruption und nicht in der Auseinandersetzung mit rechten Konkurrenzparteien; die örtlichen alten Rechtsparteien hätten zudem das Thema Moscheebau, wie so viele andere auch, weitgehend verschlafen. Unter dem Artikel findet sich eine Anmerkung der Redaktion, wonach die nordrhein-westfälische NPD auf eine eigene Großveranstaltung verzichte und wegen der überragenden Bedeutung des Themas eine pro-Köln-Demonstration unterstützen wolle. In dem Interview mit der „Jungen Freiheit“ wird zwar auf Nachfrage bezüglich eines Interviews von J… mit der NPD-Parteizeitung, in dem sie sich eine Zusammenarbeit mit anderen nationalen Organisation „gewünscht“ habe, jede Zusammenarbeit mit „NS-Nostalgikern“ und dem „NPD-Narrensaum“ abgelehnt, zugleich aber relativierend ausgeführt, dass man „die Vernetzung und Zusammenarbeit aller konstruktiven, seriösen und demokratischen Kräfte unseres Spektrums“ begrüße. Dieses Interview ist insofern aufschlussreich, als auf die Frage, ob pro Köln keine Anti-Moscheebau-Bürgerintiative, sondern ein rechtes Parteiprojekt sei, das nur in diesem Gewand daherkomme, geantwortet wird, dass man dies so sagen könne, das Thema Islamisierung die Menschen drücke und „uns“ politisch naheliege, es deshalb ausgesucht worden sei; man habe nach Inhalten Ausschau gehalten und sei anfangs selbst überrascht gewesen, welche Resonanz dieses Thema gefunden habe; gerade in Großstädten könne „man“ damit „punkten“, man habe eine Marktlücke „besetzt“, und es sei „uns“ der Einbruch in Schichten gelungen, die wir sonst nicht erreicht hätten. Dies veranschaulicht in besonderer Weise, dass der Kläger neben ohnehin rechtsextrem eingestellten Personen, die er „erreiche“, bestrebt ist, auch im bürgerlichen Lager Anhänger zu gewinnen und dafür bestimmte, geeignet erscheinende Themen und Inhalte instrumentalisiert, der Kläger also insgesamt bestrebt ist, alle rechten Kräfte in sich zu sammeln. Damit begibt er sich jedoch in die latente Gefahr, eine Gefolgschaft hinter sich zu vereinen, in der auch eindeutig nationalsozialistisch und nonkonformistisch auf Systemüberwindung angelegte rechtsextremistische Überzeugungen vertreten werden, für deren Inhaber es im Übrigen attraktiv sein kann, sich unter Verschleierung ihrer wahren Überzeugungen in einem sich selbst als freiheitlich und demokratisch sowie auf dem Boden des Grundgesetzes stehend darstellenden, aber als lokale rechte Sammlungsbewegung begreifenden Verein zu betätigen. Dieser Umstand trägt unter Berücksichtigung der politischen Entwicklung aktiver Mitglieder des Klägers und ihrer Verflechtung im rechten und rechtsextremen Spektrum in der Gesamtschau mit einigem Gewicht dazu bei, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu rechtfertigen und den Kläger in der Berichterstattung auch als Verdachtsfall verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu kennzeichnen.
Ebenfalls zu Recht dürfen die Kontakte des Klägers zu rechtspopulistischen Parteien und Organisationen im europäischen Ausland für die Bewertung des Klägers als Verdachtsfall verfassungsfeindlicher Bestrebungen in die Gesamtschau eingestellt werden. Auch insoweit verkennt der Senat nicht, dass ein Eintreten gegen politisch begründeten Islamismus weder einen Verstoß gegen die Menschenwürde noch eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit bedeutet und sich der Kläger auch nicht jede Äußerung oder Zielsetzung von ausländischen Parteien oder Organisationen, die in den politischen Zusammenhängen ihrer Heimat und Herkunft agieren und wurzeln, zurechnen lassen muss und es im Übrigen auch nicht Sache des Verfassungsschutzes als nach innen agierender Sicherheitsbehörde sein kann, hierüber umfassende Bewertungen abzugeben. Die Zusammenarbeit inländischer Vereinigungen mit ausländischen Organisationen und Parteien ist allerdings auch nicht deshalb als bewertungsneutral anzusehen, weil sich diese in ihren Herkunftsstaaten an Wahlen beteiligen, Mandate errungen haben und innerparteilich demokratische Strukturen erkennen lassen. Denn das allein bietet keine Gewähr für die Beachtung fundamentaler Menschenrechte in Äußerungen und Zielsetzungen dieser Organisationen. Dass auch insoweit die Achtung der Menschenwürde und die Religionsfreiheit den Beurteilungsmaßstab bilden, kann angesichts der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 1 und 10, ABl. C 83 vom 30. März 2010, S. 391), der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9 EMRK, BGBl. II 1952, S. 685) und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 (Art. 1 und 18) nicht zweifelhaft sein. Damit ist etwa die in dem Aufruf des Klägers und von pro-nrw zum Anti-Islamisierungskongress in dem Grußwort des Vorsitzenden der österreichischen FPÖ, S…, enthaltene und verbreitete verbale Entgleisung, dass „unsere Töchter den gierigen Blicken und Händen ganzer Zuwanderungshorden ausgesetzt sind“ (Anlage B 10), als nicht nur die Gruppe, sondern auch den Einzelnen herabwürdigend und tendenziell rassistisch, jedenfalls diskriminierend, nicht vereinbar. Nicht vereinbar ist damit auch die Äußerung des vom Kläger zunächst ein- und dann wieder ausgeladenen Vorsitzenden der British National Party, N…, der „sehr harte Maßnahmen“ gegen die Zuwanderung aus Afrika nach Europa forderte und sie durch Versenken der Flüchtlingsboote stoppen wollte und auf Nachfrage, dass die Europäische Union keine Menschen umbringe, ergänzte, er habe nicht gesagt, dass jemand auf See umgebracht werden solle, sondern dass die Boote versenkt werden sollten, man könne den Flüchtlingen ja ein Rettungsfloß zuwerfen, mit dem sie nach Libyen zurückkehren könnten (Anlagen B 20 und 21). Ohne Bedeutung für die Richtigkeit der Bewertung des Klägers ist, ob der von ihm als Redner eingeladene Gründer der französischen „Front National“, J…, – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – „mehr“ als 25-mal gerichtlich verurteilt wurde; entscheidend ist, dass er in Frankreich unter anderem wegen rassistischer Äußerungen, wegen Aufstachelung zum Rassenhass, der Apologie von Kriegsverbrechen, Verleumdung und Körperverletzung verurteilt wurde, was für seine extremistische Ausrichtung spricht (Anlage B 52). Hinsichtlich der vom Kläger gepflegten Zusammenarbeit mit dem belgischen „Vlams Belang“ (Unterstützung bei der Organisation des Anti-Islamisierungskongresses, u.a. durch Technik- und Servicecrew und den parteieigenen Ordnerdienst, s. Anlage B 18) verweist die Beklagte auf ein Gerichtsverfahren gegen drei gemeinnützige Tochterorganisationen („Vlamse Concentratie“, „Nationalistisch Vorminsinstituut“ und Nationalistische Omroepstichting“) der großenteils personalidentischen Vorgängerpartei „Vlams Blok“, in dem das Berufungsgericht in Gent in seinem Urteil vom 21. April 2004 zu der Schlussfolgerung gelangte, dass die Partei „Vlams Blok“ bewusst und systematisch Hass gegen (nicht europäische) Ausländer propagiere und dazu anstifte, indem sie einen Sündenbock-Mechanismus anwende und die Ausländer wiederholt als Kriminelle, Profiteure und religiöse Fanatiker darstelle, denen eine unangemessene Bevorzugung durch die multikulturelle Gesellschaft zuteilwerde und die eine Bedrohung für die kulturelle Identität des autochthonen Volkes darstelle. Durch die Verwendung systematischer Übertreibung und verunglimpfender Sprache würden latente Hassgefühle in der Gesellschaft weiter angeregt und verstärkt. In Reaktion auf dieses am 9. November 2004 bestätigte Urteil, das eine Fortsetzung der politischen Betätigung der Partei „Vlams Blok“ faktisch weitgehend ausschloss, wurde am 14. November 2004 der „Vlams Belang“ – nach dem ausdrücklichen Verständnis von Protagonisten - als politische Nachfolgeorganisation gegründet. Die belgische Sicherheitsbehörde gelangt in einer Ausarbeitung über den „Vlams Belang“ zu der Einschätzung, dass Programm und Propaganda für diese Organisation zentrale Themen seien und die Kommunikation mit den Wählern als weitaus bedeutender erachtet werde als die Weiterverfolgung politischer Themen. Ziel sei nicht der Einfluss als politische Partei, sondern man wolle als „Einpeitscher-Partei“ die anderen politischen Akteure zwingen, im Sinne der eigenen politischen Agenda und des Programms zu handeln. Regierungsverantwortung werde nur lokal (in der Stadt Antwerpen) und unter Anerkennung von Schlüsselpunkten des Parteiprogramms angestrebt. Die Parteiarbeit zeichne sich durch ein hohes Maß an Verschlossenheit, Alarmbereitschaft von außen und strikte interne Disziplin aus; die Funktionsweise der Partei werde durch ihre eigenen strategischen Optionen und die „feindliche“ Umgebung, in der sie operiere, bestimmt (Anlage B 14/15 [Übersetzung]). Auch diese Darstellung rechtfertigt die Einschätzung, dass der Kläger in dem Städtebündnis gegen Islamisierung den Schulterschluss mit anderen rechtsextremen Organisationen aus dem europäischen Ausland sucht (Anlagen B 12, B 13, B 16, B 17, B 24, B 28, B 41), die in ihren Heimatländern keine klare Abgrenzung gegen Rassismus und Diskriminierung von Teilen der Bevölkerung und kein eindeutiges Eintreten für die Beachtung des religiösen Toleranzgebotes erkennen lassen.
Diese Gesamtschau ergibt, dass der Kläger mit seiner – eigendefinierten – rechtspopulistischen Ausrichtung auf Zuspruch sowohl einer nationalistisch und extremistisch ausgerichteten Klientel wie auch aus dem bürgerlichen Lager zielt. Angesichts der historischen Erfahrung in Deutschland darf die Beklagte auf eine solche politische Ausrichtung, bei der trotz entsprechender Bekenntnisse des Klägers zu Freiheit und Demokratie weitgehend offenbleibt, welche Gesamtprogrammatik eigentlich angestrebt wird und wie die erkennbare Programmatik zu den in den Vordergrund gestellten Sachthemen im Falle der Erlangung hinreichenden politischen Einflusses auf der Grundlage der Gewährleistungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung umgesetzt werden soll, auf die nach allem hinreichend dichten tatsächlichen Anhaltspunkte ihr besonderes Augenmerk richten, d.h. den Kläger beobachten und die Öffentlichkeit über die gewonnenen Erkenntnisse unter Beachtung des Grades der Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen informieren. Dass sich das Vorgehen der Beklagten lediglich in der Anknüpfung an das Vorhandensein oder auch dem möglichen Vorhandensein bestimmter Überzeugungen beim Kläger und seinen Mitgliedern erschöpfen würde und die Betätigung eines Umsetzungswillens nicht erkennbar würde, trifft nicht zu. Der Kläger betätigt sich aktiv, er tritt zu kommunalen Wahlen in Köln an und sucht vor allem, mit populistischen Zuspitzungen vorhandene Ressentiments oder bestehende Ängste vor sozialen Veränderungen anzusprechen und auf diese Weise eine möglichst breite Anhängerschar aus dem rechten Lager hinter sich zu bringen, ohne dass völlig erkennbar würde, welche politischen Vorstellungen sich auf diesem Hintergrund letztlich durchsetzen würden.
Die auf dieser rechtlichen und tatsächlichen Grundlage zulässig erfolgende Verdachtsberichterstattung in den drei nunmehr verfahrensgegenständlichen Verfassungsschutzberichten genügt auch hinsichtlich Art und Weise dem Übermaßverbot.
Der Kläger beschränkt sich darauf, die Bewertung als rechtsextremistischen Verdachtsfall anzugreifen. Die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2008 bis 2010 als solche und die in diesem Zusammenhang über den Kläger mitgeteilten Fakten stellt er nicht infrage. Die Berichterstattung über den Kläger hat während des hier zu beurteilenden Zeitraums von Jahr zu Jahr auch immer weniger Raum innerhalb des Berichts eingenommen. Die Beklagte wird angesichts einer nunmehr dreijährigen Berichterstattung über einen Verdachtsfall künftig genau zu prüfen haben, ob die Berichterstattung ohne das Hinzutreten von zusätzlichen tatsächlichen Anhaltspunkten noch angemessen ist. Gegenwärtig bestehen insoweit allerdings keine Bedenken. Die Kennzeichnung des Kapitels, in dem auch über den Kläger als Verdachtsfall berichtet wird, mit einem braunen Randstreifen dient lediglich der schnellen Orientierung des Lesers und der besseren Handhabung der Broschüre für an bestimmten Zusammenhängen interessierte Leser; dass hierfür an Farbgestaltungen angeknüpft wird, die sich für bestimmte politische oder religiöse Lager eingebürgert haben, zumal aufgrund des eigenen Verhaltens von Vertretern dieses Lagers, ist für den objektiven Betrachter ersichtlich. Zusammen mit der in den broschürten Berichten 2009 und 2010 eindeutigen und in der noch abrufbaren Internetfassung des Berichts 2008 deutlichen Kennzeichnung als Verdachtsfall wird erkennbar, dass mit der Kennzeichnung keine weitergehenden Ziele, etwa eine nach den eingeführten Belegen der Beklagten nicht zu rechtfertigende Einordnung des Klägers als nationalsozialistisch geprägte Organisation, verfolgt werden. Hiervon ausgehend braucht sich die Beklagte undifferenzierte Auswertungen ihrer Verfassungsschutzberichte in der Öffentlichkeit nicht zurechnen zu lassen.
Erweist sich nach allem die konkrete Berichterstattung über den Kläger als rechtmäßig, fehlt es schon an der Grundlage für einen weitergehenden Anspruch auf „Richtigstellung“ im nächstnachfolgenden Verfassungsschutzbericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil zur Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.