Gericht | AG Frankfurt (Oder) | Entscheidungsdatum | 10.04.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 IN 709/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Vorschrift des § 321a der Zivilprozessordnung über die Abhilfe bei Versagung des rechtlichen Gehörs ist im Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung nach § 4 In-solvenzordnung einschlägig.
2. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs gehört in Fällen, in denen das Gericht nach einem zuvor erteilten Hinweis später die Möglichkeit weiterer Antragstellung bzw. weiteren Vor-trags einzuräumen beabsichtigt, dass ein derartiger Hinweis vor der anstehenden Entschei-dung in der in Aussicht gestellten Art und Weise erfolgt (hier: Mitteilung des Schlusster-mins durch gesondertes Schreiben an einen Gläubiger).
3. Zu den Anforderungen an die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, wenn der Schuldner auf Frage nach "Forderungen aus Versicherungsverträgen" eine bestehende Versicherung und deren Rückkaufswert nicht angibt, weil er die Versicherung für "insolvenzfest" hält.
Auf die Gehörsrüge des Antragstellers wird das Verfahren betreffend den Antrag des Antragstellers auf Versagung der Restschuldbefreiung unter Zugrundelegung einer ordnungsgemäßen Antragstellung fortgeführt.
Dem Schuldner … wird die Restschuldbefreiung versagt.
1. Das Verfahren wird auf die sinngemäß erhobene, zulässige und begründete Gehörsrüge des Antragstellers (nur) hinsichtlich des Antrages auf Versagung der Restschuldbefreiung vom 2. August 2011, der am 3. August 2012 bei Gericht eingegangen ist, in die Lage zurückversetzt, in der es sich im Zeitpunkt des Schlusstermins am 26. Juli 2011 befand.
Gemäß § 4 der Insolvenzordnung (abgekürzt: InsO) in Verbindung mit § 321a Abs. 5 Satz 1 der Zivilprozessordnung (abgekürzt: ZPO) in entsprechender Anwendung hilft das Gericht einer begründeten Gehörsrüge ab, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird nach Satz 2 der Vorschrift in entsprechender Anwendung in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss des Schlusstermins befand.
Die Vorschrift des § 321a ZPO in entsprechender Anwendung ist im Insolvenzverfahren in Fällen der vorliegenden Art einschlägig (vgl. dazu auch Amtsgericht Duisburg, Beschluss vom 22. September 2011, 64 IK 268/11, NZI 2011, S. 863). Hiernach ist in entsprechender Anwendung des § 321 a Abs. 1 Satz 1 ZPO das Verfahren auf Rüge des durch die Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn es an einem Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, wie bezüglich der hier zu treffenden Entscheidung der Fall, fehlt und das Gericht den Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. So liegt der Fall hier.
Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs gehört in Fällen, in denen das Gericht nach einem zuvor an einen Verfahrensbeteiligten gegebenen Hinweis später die Möglichkeit weiterer Antragstellung bzw. weiteren Vortrags einzuräumen beabsichtigt, dass ein derartiger Hinweis vor der anstehenden Entscheidung in der in Aussicht gestellten Art und Weise erfolgt sein muss. Dass dem so ist, leitet sich aus den Geboten des Vertrauensschutzes und des fairen Verfahrens ab (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. März 2008, 8 AZN 1062/07, zitiert nach juris, Randnummer 10).
Hiervon ausgehend ist die Gehörsrüge begründet. Der Schuldner hat in dem am 6. Dezember 2007 über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren erstmals mit Schreiben vom 28. Mai 2008 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Der Antrag war zu diesem Zeitpunkt unzulässig, derartige Anträge müssen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, im Schlusstermin gestellt werden (vgl. § 289 Abs. 1, § 290 Abs. 1 InsO). Das Gericht hat sich auf den vorstehend genannten Antrag mit Schreiben vom 21. Juli 2008 an den Antragsteller geäußert und unter Hinweis auf die damals gegebene Unzulässigkeit des Antrages ausgeführt: „Der Schlusstermin wird Ihnen gesondert von hier aus mitgeteilt.“ (vgl. Blatt 558 der Akte). In Ansehung des zitierten Hinweises des Gerichts durfte der rechtsunkundige Schuldner, wie geschehen, darauf vertrauen, dass das Gericht ihm den Zeitpunkt für die Stellung eines zulässigen Antrages auf Restschuldbefreiung durch gesondertes Schreiben mitteilen wird, bei etwa angenommener Entbehrlichkeit eines Schreibens mit Blick auf die Veröffentlichung des Termins im Internet hätte insoweit eine Klarstellung unter Hinweis auf diese Art der Veröffentlichung im Schreiben erfolgen müssen; es ist mit dem Schreiben beim Antragsteller ein Vertrauenstatbestand im Sinne der oben zitierten Grundsätze geschaffen worden. Auf die Ankündigung des Schlusstermins durch die erfolgte Veröffentlichung im Internet muss der Antragsteller sich nach dem Inhalt des Hinweises nicht verweisen lassen.
Von der Durchführung eines Schlusstermins zur förmlichen Stellung des Antrages in einem Schlusstermin wird in Ansehung des vorliegend erreichten Sach- und Streitstandes aus Gründen der Verfahrensökonomie abgesehen. Ein förmlicher Termin würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts an den Grundlagen tatsächlicher Art der zu treffenden Entscheidung ändern. Der Sachverhalt, wie er nachfolgend noch erläutert wird, ist in objektiver Hinsicht zum Versagungsgrund unstreitig und daher nicht weiter klärungsbedürftig. Im Übrigen, insbesondere zu den subjektiven Anforderungen des Versagungsgrundes, sind Bewertungen zu treffen, zu denen sich die Beteiligten bereits ausführlich schriftlich geäußert haben.
2. Dem Schuldner ist die Restschuldbefreiung zu versagen.
Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der Insolvenzordnung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Den Versagungsgrund hat der Schuldner verwirklicht.
a) Der Schuldner hat seine Auskunftspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht verletzt.
Erfasst wird jeder Verstoß gegen Pflichten der oben genannten Art, nicht erst im eröffneten Insolvenzverfahren, sondern bereits ab Stellung eines zulässigen Insolvenzantrages. Aus § 20 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren auf einen zulässigen Insolvenzantrag umfassend Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen, insbesondere ein Verzeichnis seiner Schuldner und Gläubiger vorzulegen und eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat. Zu offenbaren sind diesbezüglich alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Unrichtige Angaben des Schuldner erfüllen den Versagungstatbestand in objektiver Hinsicht, in Sonderheit sind konkrete Frage des Insolvenzgerichts nach den Vermögensverhältnissen stets zutreffend zu beantworten (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 9. November 2008, IX ZB 212/07, NZI 2009, S. 65; Beschluss vom 17. März 2011, IX ZB 174/08, ZInsO 2011, S. 836).
Unter Heranziehung der erläuterten Kriterien liegt zur Nichtangabe von Versicherungen im Vermögensverzeichnis ein vom Antragsteller geltend gemachter, schlüssig dargelegter und glaubhaft gemachter Pflichtverstoß des Schuldners auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Schuldners vor. Der Antragsteller führt im Versagungsantrag unter konkreter Bezugnahme auf den Schlussbericht des Insolvenzverwalters insbesondere aus (vgl. Blatt 393), der Schuldner habe im Vermögensverzeichnis die Versicherungen bei der … nicht angegeben, ferner seien die Verträge im März 2008 gekündigt und an den Schuldner in Höhe von 4.138,28 € ausgezahlt worden. Der Vortrag wird durch den Schlussbericht vom 4. Januar 2011 (vgl. Blatt 247) und durch den Akteninhalt im Übrigen bestätigt. Im Schlussbericht heißt es, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen einer Zwangsräumung von Mietern Kenntnis erlangt habe, dass der Schuldner vormals Zahlungen an die … geleistet habe, die weiteren Überprüfungen hätten ergeben, dass es sich um Zahlungen in Versicherungsverträge gehandelt habe, auf die Erklärung der Nichterfüllung durch den Insolvenzverwalter habe das Versicherungsunternehmen mitgeteilt, dass die Verträge in Höhe von 4.138,28 € im März 2008 an den Schuldner zur Auszahlung gelangt seien. Im Vermögensverzeichnis, welches das Gericht im Eröffnungsverfahren vom Schuldner angefordert hat, sind auf Seite 9 „Forderungen aus Versicherungsverträgen“ anzugeben, im Einzelnen werden folgende Angabe abgefragt: „Name und Anschrift der Versicherungsgesellschaft oder Kasse und Vertragsnummer, Versicherungsleistung bzw. Beitragserstattung, ggfs. Rückkaufswert, Name des Begünstigen“. Hierzu hat der Schuldner, der die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift auf Seite 9 unten bestätigte, entsprechendes Vermögen verneint, indem er die zugehörigen Felder zur Eintragung der abgefragten Daten von links unten nach rechts oben mit einem Strich versah, ohne Angaben zu machen. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht liegt mithin objektiv vor. Das sieht auch der Schuldner so, für den vorgetragen wird, dass er den Insolvenzverwalter über die Versicherung erst auf Nachfrage informiert habe (vgl. Blatt 505).
b) Die Pflichtverletzung des Schuldners beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit.
Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, dass ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich jedem aufgedrängt hätte. Es handelt sich mit anderen Worten um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2006, IX ZB 218/04, NZI 2006, S. 299).
Der Schuldner handelte nach diesen Grundsätzen grob fahrlässig. Zur Entlastung des Schuldners wird insbesondere vorgetragen, er sei aufgrund der Mitteilung seines früheren Vermögensberaters davon ausgegangen, dass es sich um „insolvenzfeste“ Versicherungen handele, er sei gelernter Zimmermann ohne besondere rechtliche Informationen, Informationen über das konkrete Ausfüllen des Formulars habe er nicht erhalten; wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Schuldners wird auf die Schriftsätze seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 23. Dezember 2011 (vgl. Blatt 503) und vom 17. Februar 2012 (vgl. Blatt 542) verwiesen. Mit dem Vortrag vermag sich der Schuldner jedenfalls vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht zu entlasten. Nach dem Inhalt des gerichtlichen Fragebogen war nicht nach „nicht insolvenzfesten“ Versicherungen, sondern nach Versicherungen jeder Art und deren Rückkaufswert gefragt, hiernach war eindeutig jede Versicherungen anzugeben, unabhängig davon, ob zur Insolvenzmasse gehörender oder als pfändungsfreies Vermögen nicht in die Masse fallender Vermögenswert. Dass alle Versicherungen ohne Ausnahme anzugeben waren, musste sich dem Schuldner nach dem Wortlaut der Frage aufdrängen. Ungeachtet seiner Vorbildung ist der Schuldner eine im Wirtschaftsleben und gerade in finanziellen Angelegenheiten erfahrene Person. Ausweislich der Feststellung im Insolvenzgutachten vom 4. Dezember 2007 (vgl. Blatt 42) übte der Schuldner von 1996 bis 2007 gewerbliche Tätigkeiten in Rechtsform eines Einzelunternehmens mit verschiedenen Unternehmensgegenständen aus, ferner war er im Rahmen von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts unternehmerisch tätig. Gegenstand der gewerblichen Tätigkeiten war auch die Handelsvertretung für Versicherungen und Bausparen. Das Gutachten wird durch eine Auskunft der Stadt Frankfurt (Oder) vom 20. September 2007 aus dem Gewerberegister bestätigt (vgl. Blatt 21). Einer Person mit derartigen Erfahrungen musste sich ohne einschlägige Beratung aufdrängen, dass die Versicherungen des Schuldners bei der … in dem Vermögensverzeichnis anzugeben waren.
c) Die Versagung der Restschuldbefreiung ist nicht unverhältnismäßig.
Trotz eines Verstoßes des Schuldners gegen seine Mitwirkungspflichten kann eine Versagung der Restschuldbefreiung als unverhältnismäßig zu bewerten sein, wenn der Verstoß des Schuldners nur gering wiegt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010, IX ZB 63/09, NZI 2011, S. 114). Ein geringfügiger Verstoß liegt hier nicht vor, insbesondere ist durch das Verhalten des Schuldners der Masse ein Betrag in nicht unerheblicher Höhe von 4.138,28 € entzogen worden.
III. Die Kosten des Antrages hat der Insolvenzschuldner zu tragen (§ 4 InsO, § 91 ZPO). Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts hat sich das Gericht am Regelwert orientiert.