Gericht | FG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 12.11.2014 | |
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Aktenzeichen | 12 K 12320/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 2011 vom 19. Oktober 2012 wird gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung mit der Maßgabe geändert, dass ein Ertrag in Höhe von 50.000 € aus einem Forderungsverzicht der B… L.P. vom 23. Dezember 2011 nicht zu berücksichtigen ist.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten über die Steuerverstrickung von Darlehensverbindlichkeiten der beschränkt steuerpflichtigen Klägerin.
Die Klägerin ist eine im Oktober 2006 errichtete Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die ebenfalls in Luxemburg ansässige C… S.à r.l.. In Deutschland verfügt die Klägerin über keine feste Geschäftseinrichtung. Sie ermittelt ihr in Deutschland zu versteuerndes Einkommen seit 2009 durch Betriebsvermögensvergleich.
Im Jahr 2007 erwarb die Klägerin für einen Kaufpreis von rd. 90 Mio. € das vermietete Grundstück D…-straße in E…. Den Erwerb finanzierte sie zu einem geringen Anteil (rund 5,5 Mio. €) aus Eigenkapital und im Übrigen durch mehrere Bankdarlehen, die durch Grundpfandrechte an der erworbenen Immobilie abgesichert waren. Außerdem nahm die Klägerin mehrere Darlehen bei verbundenen Unternehmen auf, darunter am 22. Dezember 2006 ein solches der in Großbritannien ansässigen B… L.P., der Muttergesellschaft der C… S.à r.l., in Höhe von 8.412.355 €. Dieses Darlehen wurde der Klägerin ohne grundpfandrechtliche oder sonstige Sicherheiten gewährt; es war nach fünf Jahren – am 22. Dezember 2011 – zur Rückzahlung fällig.
Im November 2010 erwog die Klägerin, das Grundstück wieder zu veräußern. Aufgrund der Marktlage zeichnete sich allerdings ab, dass die Klägerin bei einer solchen Veräußerung einen Verlust erleiden und aus dem Erlös nicht sämtliche Verbindlichkeiten würde bedienen können. Sie stellte daher bei dem Beklagten am 26. November 2010 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft dahingehend, dass (neben dem Grundstücksverkauf und einer anschließenden Verschmelzung der Klägerin auf ihre Muttergesellschaft) auch ein teilweiser oder vollständiger Verzicht von Gläubigern (Banken oder verbundene Unternehmen) auf wertlos gewordene Darlehensforderungen bei ihr, der Klägerin, nicht zu im Inland steuerpflichtigen Erträgen („Entstrickungsbesteuerung“) führen werde.
Am 4. Februar 2011 veräußerte die Klägerin das Grundstück für 72.008.398,21 €. Aus dem Erlös konnten die bestehenden Bankdarlehen nur zum Teil, das Darlehen der B… L.P. hingegen gar nicht getilgt werden. Über weiteres Sachanlagevermögen verfügte die Klägerin nicht. Die B… L.P. verzichtete daraufhin am 16. Dezember 2011 gegenüber der Klägerin auf einen Teilbetrag ihrer Darlehensforderung in Höhe von 7.036,989,38 €; am 23. Dezember 2011 erklärte sie den Verzicht auf einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 50.000 €. In ihrer Verzichtserklärung bezog sich die Gläubigerin dabei auf die Verlustsituation bei der Klägerin, die einen Verlustvortrag von rund 38 Mio. € aufwies und im laufenden Geschäftsjahr einen handelsrechtlichen Verlust von mehr als 4,6 Mio. € erzielt hatte.
Der Beklagte vermochte sich nach Rücksprache mit dem Bundesfinanzministerium (BMF) der im Auskunftsbegehren geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin nicht anzuschließen und erließ am 27. Januar 2012 einen entsprechenden, die erbetene Auskunft ablehnenden Bescheid. Die Klägerin berücksichtigte gleichwohl in ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2011 (Streitjahr), die sie im Juni 2012 beim Beklagten einreichte, den von der B… L.P. ausgesprochenen Forderungsverzicht nicht ertragswirksam; sie erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 24.008.686 €. Der Beklagte veranlagte die Klägerin dem gegenüber mit Bescheid vom 19. Oktober 2012 unter ertragswirksamer Hinzurechnung der Verzichtsbeträge mit Einkünften in Höhe von ./. 16.871.990 €.
Die Klägerin hat darauf – im Einverständnis mit dem Beklagten – Sprungklage gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben; Streitgegenstand ist hierbei lediglich der Teilbetrag des Forderungsverzichts vom 23. Dezember 2011 (50.000 €).
Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, das Entfallen der Darlehensverbindlichkeit gegenüber der B… L.P. infolge des erklärten Forderungsverzichts wirke sich auf ihre, der Klägerin, inländischen Einkünfte nicht aus. Die Verbindlichkeiten seien in Deutschland nicht steuerverstrickt. Mangels einer inländischen Betriebsstätte erziele sie, die Klägerin, keine Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern solche im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG, nämlich Vermietungseinkünfte im Sinne des Doppelbuchstaben aa und Veräußerungseinkünfte im Sinne des Doppelbuchstaben bb. In beiden Fällen handele es sich lediglich um fiktive Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Bis zu einer Gesetzesänderung durch das Jahressteuergesetz 2009 seien die Einkünfte aus der Grundstücksvermietung noch durch § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. in Verbindung mit § 21 EStG erfasst gewesen. Dieser Einkünftetatbestand habe die Darlehensverbindlichkeiten nicht erfasst, weil die Vermögenssphäre für das Erzielen von Überschusseinkünften gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG irrelevant sei. Vor der Gesetzesänderung habe es zudem allgemeiner Auffassung entsprochen, dass auch eine Grundstücksveräußerung im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG a.F. nicht zu einer Steuerverstrickung der für den Erwerb des Grundstücks aufgenommenen Darlehensschulden führe. Vielmehr sollte sich der Veräußerungsgewinn allein aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem steuerlichen Buchwert der Immobilie ergeben. Die durch das Jahressteuergesetz 2009 eingetretene Gesetzesänderung führe zwar dazu, dass die Verbindlichkeiten bei ihr, der Klägerin, gegebenenfalls zu passivieren gewesen seien. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei damit jedoch nicht die Absicht verfolgt worden, die Besteuerungsbasis zu erweitern. Der Gesetzgeber habe lediglich die Gewinnermittlungsvorschriften für laufende Vermietungseinkünfte und Veräußerungserlöse vereinheitlichen wollen.
Eine Erstreckung des Besteuerungsrechts des Belegenheitsstaats auf Verbindlichkeiten komme jedenfalls nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Luxemburg (DBA Luxemburg) nicht in Betracht. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 DBA Luxemburg beziehe sich allein auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie auf „durch eine andere Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens erzielte Einkünfte“. Art. 4 Abs. 2 DBA erfasse darüber hinaus allein Einkünfte aus der Veräußerung des unbeweglichen Vermögens.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2011 vom 19. Oktober 2012 gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung mit der Maßgabe ändern zu lassen, dass ein Ertrag in Höhe von 50.000 € aus einem Forderungsverzicht der B… L.P. vom 23. Dezember 2011 nicht zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Verbindlichkeit sei aufgrund des Veranlassungszusammenhangs (§ 4 Abs. 4 EStG) seit 2009 Teil des Betriebsvermögens der Klägerin gewesen und somit in deren Betriebsvermögensvergleich mit einzubeziehen gewesen. Die Veräußerung der Immobilie habe für die Klägerin der Sache nach eine Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) dargestellt, da sämtliche inländischen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Vorgang übertragen worden seien. Soweit die Verbindlichkeit nicht aus dem Veräußerungserlös habe getilgt werden können, sei sie als Rest-Betriebsvermögen zurückgeblieben. Der nachträgliche Erlass einer solchen Verbindlichkeit gehöre grundsätzlich zum Veräußerungsgewinn; er wirke sich rückwirkend für das Jahr der Betriebsveräußerung gewinnerhöhend aus.
Selbst wenn keine Betriebsveräußerung vorliegen sollte, führe der nachträgliche verzichtsbedingte Wegfall der Verbindlichkeit jedenfalls zu nachträglichen Einkünften im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f in Verbindung mit § 24 EStG. Hinsichtlich des Umfangs der beschränkten Steuerpflicht sei – auch nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – ein weites Verständnis zugrunde zu legen. Entscheidend sei danach nicht der zeitliche, sondern der wirtschaftliche Zusammenhang. Deshalb könnten auch nachträgliche Einkünfte aus dem Erlass einer Verbindlichkeit – selbst wenn diesbezüglich bereits eine Entstrickung nach § 12 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum gemeinen Wert eingetreten sei – als inländische Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterfallen.
Auch das DBA Luxemburg stehe einem deutschen Besteuerungsrecht nicht entgegen. Da die Klägerin im Zusammenhang mit der Vermietung und späteren Veräußerung des Grundstücks in Deutschland keine Betriebsstätte im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 des DBA begründet habe, sei auf die Veräußerung Art. 4 Abs. 2 des DBA anzuwenden. Danach habe Deutschland als Belegenheitsstaat des Grundstücks das Besteuerungsrecht. Die Berechnung der Höhe des Veräußerungsgewinns oder –verlusts werde nach dem inländischen Recht des Anwenderstaates (Deutschland) vorgenommen, da der Begriff des „Veräußerungsgewinns“ im DBA nicht definiert sei.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
I. Die Klage ist als Sprungklage (§ 45 FGO) ohne Vorverfahren zulässig. Hinsichtlich des Umfangs der Klage legt der Senat den Antrag der Klägerin dahingehend aus, dass lediglich der Körperschaftsteuerbescheid angefochten werden sollte, nicht aber derjenige über den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und ebensowenig derjenige über gesonderte Feststellungen, die im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung durchzuführen sind. Zwar hat die Klägerin auch diese beiden Bescheide in ihrer Klageschrift bezeichnet; sie hat dies jedoch nur dadurch getan, dass sie die vom Beklagten gewählte (mehrere rechtlich eigenständige Bescheide umfassende) vereinheitlichende Bezeichnung zitiert hat. Diese Erklärung ist auslegungsfähig und kann in der vorbezeichneten Weise verstanden werden; denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger nur diejenigen Verwaltungsakte anfechten will, die angefochten werden müssen, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (vgl. BFH, Urteile vom 11. September 1986 – IV R 11/83, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 1987, 5; vom 31. Oktober 2000 – VIII R 47/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2001, 589; Beschluss vom 24. August 2006 – XI B 149/05, BFH/NV 2006, 2035; ebenso Finanzgericht [FG] Münster, Urteil vom 09. Juli 2010 – 4 K 3154/08 F, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2011, 801). Dies aber ist im Streitfall allein der Körperschaftsteuerbescheid als Grundlagenbescheid (vgl. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung [AO]).
II. Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten. Der Beklagte hat bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts der Klägerin zu Unrecht den Betrag von 50.000 € berücksichtigt, um den die Klägerin durch den Forderungsverzicht seitens der B… L.P. entlastet worden ist.
1. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG zählen zu den inländischen Einkünften im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) solche Einkünfte, die von einer (beschränkt steuerpflichtigen) Körperschaft im Sinne des § 2 Nr. 1 KStG, die mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG vergleichbar ist, durch Vermietung und Verpachtung (Satz 1 Unterbuchstabe aa) oder Veräußerung (Satz 1 Unterbuchstabe bb) von inländischem unbeweglichem Vermögen erzielt werden. Dabei erfasst die Vorschrift allerdings nur solche Einkünfte, für die die Körperschaft weder eine inländische Betriebsstätte unterhält noch einen inländischen Vertreter bestellt hat (derartige Einkünfte werden durch den vorrangigen § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG als inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst). Auch werden von § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG nur solche Einkünfte erfasst, die nicht bereits originär gewerblichen, sondern vermögensverwaltenden Charakter haben; ist die Vermietungs- und Verpachtungs- bzw. Veräußerungstätigkeit bereits für sich genommen als gewerblich einzustufen, so unterfallen die dadurch erzielten Einkünfte dem Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 1 EStG.
Für die originär als Vermögensverwaltung anzusehende Vermietung und Verpachtung bzw. Veräußerung inländischen unbeweglichen Vermögens durch die betreffenden Körperschaften enthält § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG eine Fiktion, wonach die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb gelten.
Nach der bis 2008 geltenden Rechtslage waren von der Fiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG a.F. lediglich Einkünfte aus der Veräußerung inländischen unbeweglichen Vermögens erfasst. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung derartigen Vermögens waren, soweit sie originär vermögensverwaltenden Charakter hatten, dem gegenüber auch dann nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. als Einkünfte im Sinne des § 21 EStG erfasst – und dem gemäß als Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 EStG durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln, wenn sie von einer mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG vergleichbaren Körperschaft erzielt wurden.
Der Zweck der Gewerblichkeitsfiktion in § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. f EStG a.F. bestand nach allgemeiner Auffassung darin, durch das Umqualifizieren von Einkünften einer nach deutschem Rechtsverständnis vermögensverwaltend tätigen beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft die Steuerbarkeit auf die ansonsten gerade nicht steuerbare Veräußerung auszudehnen. Eine inländische Betriebsstätte sollte hierbei nicht fingiert werden; eine allgemeine Gewerblichkeit nichtgewerblicher ausländischer Körperschaften war nicht beabsichtigt (vgl. auch Hidien in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 144. Lfg. [Juli 2004], § 49 Rdnr. E 664, E 671 m.w.N.). Vielmehr sollte § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. f EStG a.F. – ungeachtet der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 4 ff. EStG für die Einkünfteermittlung (vgl. BFH, Urteil vom 5. Juni 2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344) – lediglich eine punktuell wirkende Besteuerung eines Einmaltatbestandes („Veräußerung“) ermöglichen.
Umstritten ist, welche Schlussfolgerungen aus der Einbeziehung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 1 EStG sowie aus der gleichzeitigen Erstreckung der Fiktion des Satzes 2 auf solche Einkünfte im Einzelnen zu ziehen sind. Dies gilt insbesondere für die Frage des Entstehens bzw. Bestehens von Betriebsvermögen sowie dessen Umfang. Übereinstimmung besteht zwischen der Finanzverwaltung und der in der Literatur vorherrschenden Ansicht lediglich dahingehend, dass das Erfüllen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG für sich genommen (nach wie vor) nicht zur Annahme einer Betriebsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) führt.
Die Finanzverwaltung geht im Übrigen ausweislich des Schreibens des BMF vom 16. Mai 2011, das sich im Schwerpunkt mit der Neuregelung für die originär gewerblichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 1 Doppelbuchstabe aa EStG) befasst, inzidenter davon aus, dass für diese sowie für die originär aus Vermögensverwaltung stammenden, jedoch kraft gesetzlicher Fiktion nunmehr ebenfalls gewerblichen Vermietungseinkünfte der betroffenen Körperschaften die gleichen Regeln gelten: Soweit der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgrund der Rechtsänderung ab 2009 erstmals durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermittelt, soll eine Eröffnungsbilanz aufzustellen sein, in der auf der Aktivseite lediglich die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG genannten Wirtschaftsgüter – also insbesondere das inländische unbewegliche Vermögen – und auf der Passivseite „die mit diesen Wirtschaftsgütern zusammenhängenden Schulden“ zu erfassen seien (BMF-Schreiben, Rdnr. 8). Zu letzteren sollen – auch wenn dies nicht ausdrücklich ausgeführt wird – offenbar insbesondere auch die zur Finanzierung des Erwerbs der Wirtschaftsgüter eingegangenen Verbindlichkeiten zählen. Diese Ansicht hat zur Konsequenz, dass sich Veränderungen hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter, etwa deren Wegfall in Folge eines Forderungsverzichts durch den Gläubiger, auf die Höhe der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte auswirken müssten.
In der Literatur wird dem gegenüber die Auffassung vertreten, § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG fingiere nunmehr zwar auch hinsichtlich der Vermietung inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb, jedoch kein inländisches Betriebsvermögen (so Wassermeyer, Internationales Steuerrecht [IStR] 2009, 238 [239]). Teilweise wird betont, die Umqualifizierung der zuvor als Vermietungseinkünfte im Sinne des § 21 EStG erfassten Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb führe zwar „von der Bezeichnung her“ zur Begründung von „Betriebsvermögen“ im Hinblick auf die für die Vermietungstätigkeit verwendeten Wirtschaftsgüter; sie führe aber nicht zu einer erweiterten Erfassung von im Inland steuerbaren Tatbeständen bzw. zu einer erweiterten Steuerverhaftung von Wirtschaftsgütern. Insbesondere die für die Fremdfinanzierung des Erwerbs eingegangenen Verbindlichkeiten, die sich nicht auf die Vermietungstätigkeit als solche bezögen, seien deshalb in der zur Gewinnermittlung aufzustellenden Steuerbilanz nicht als (negatives) Betriebsvermögen zu erfassen (so Fischer, Steuerberater-Woche [StBW] 2011, 556; Lieber/Wagner, Die Unternehmensbesteuerung [Ubg] 2012, 229 [236]). In Konsequenz dessen sei der Wegfall von Verbindlichkeiten durch Forderungsverzicht für die inländische Besteuerung irrelevant; es handele sich dabei nicht um Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung oder aus der Veräußerung inländischen unbeweglichen Vermögens (vgl. Peffermann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Lfg. 264 [Juni 2014], § 49 Anm. 634 [„Darlehen“]; Fischer, StBW 2011, 556; Lieber/Wagner, Ubg 2012, 229 [236]; ebenso wohl auch Gosch in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl. [2014], § 49 Rdnr. 46, dort zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung).
2. Im Streitfall erfüllte die Klägerin hinsichtlich ihrer Vermietungstätigkeit – insoweit seit 2009 – ebenso wie hinsichtlich der Veräußerung des inländischen Grundstücks die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG. Sie unterhielt insbesondere keine Betriebsstätte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG und hatte auch keinen ständigen Vertreter bestellt. Da sich die Tätigkeit der Klägerin als Objektgesellschaft auf das Erwerben, Vermieten und Veräußern eines einzigen Objekts beschränkte, besaßen ihre Einkünfte nach deutschem Rechtsverständnis originär vermögensverwaltenden Charakter; diese Einkünfte stellen allein aufgrund der gesetzlichen Fiktion des Satzes 2 solche aus Gewerbebetrieb dar.
Hinsichtlich der Frage der Einbeziehung der Finanzierungsverbindlichkeiten in das im Inland steuerverstrickte Betriebsvermögen teilt der Senat die im Schrifttum vorherrschende Ansicht. Die Verbindlichkeiten sind nicht steuerverstrickt. Die Höhe des der inländischen Besteuerung unterliegenden Gewinns aus der Veräußerung einer inländischen Immobilie wird nicht durch den Verzicht von Gläubigern des Steuerpflichtigen auf Darlehensforderungen berührt.
Maßgeblich ist dabei für den Senat die Erwägung, dass durch die Gewerblichkeitsfiktion sowohl unter Geltung des alten (bis 2008) als auch des neuen Rechts (ab 2009) gerade keine inländische Betriebsstätte der betroffenen Körperschaft fingiert wird. Diese Abgrenzung würde jedoch praktisch beseitigt, wenn man in der Frage der Erstreckung desjenigen Vermögens, das in die Ermittlung der Veräußerungseinkünfte in den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG einzubeziehen ist, das vom Beklagten geforderte „weite Verständnis“ zugrunde legte, welches nach der Rechtsprechung des BFH für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer inländischen Betriebsstätte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG gelten soll. Maßstab für die steuerliche Verstrickung von Wirtschaftsgütern im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG hat vielmehr zu sein, durch welche Wirtschaftsgüter die jeweilige Tätigkeit als solche (Vermietung und Verpachtung bzw. Veräußerung) ausgeübt wird; Forderungen und Verbindlichkeiten sind nur insoweit zu erfassen, wie sie unmittelbar mit der jeweiligen Tätigkeit zusammenhängen (vgl. zur Differenzierung etwa Lieber/Wagner, Ubg 2012, 229 [236]).
Eine steuerliche Verhaftung auch der passiven Wirtschaftsgüter (Darlehensverbindlichkeiten) hätte zur praktischen Konsequenz, dass die ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerlich wie die Inhaberin einer Betriebsstätte behandelt würde, die vom Herkunftsstaat nicht als solche anerkannt wird. Aus der Sicht des Herkunftsstaates (im Streitfall: Luxemburg) ist die Darlehensverbindlichkeit der Kapitalgesellschaft mangels einer ausländischen (deutschen) Betriebsstätte dem dortigen (luxemburgischen) Betriebsvermögen zugeordnet. Vermögensminderungen oder –mehrungen in Bezug auf dieses Wirtschaftsgut sind damit ohne weiteres in Luxemburg zu erfassen. Eine auf der Fiktion gewerblicher Einkünfte in Deutschland beruhende inländische Steuerverstrickung hätte damit eine (mangels Betriebsstätte durch das DBA nicht abgedeckte) doppelte Erfassung zur Folge. Dies kann nach der Überzeugung des Senats jedenfalls als grundsätzliche und typische Rechtsfolge der Gewerblichkeitsfiktion in § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f Satz 2 EStG nicht gewollt sein.
Der Senat ist sich des Umstands bewusst, dass seine Rechtsauffassung bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, zu der problematischen Konsequenz führt, dass die Verbindlichkeiten für die Finanzierung des unbeweglichen Vermögens „pro forma“ in der aufzustellenden Steuerbilanz zu passivieren sind (damit diese Bilanz aufgeht), gleichwohl aber kein (negatives) Betriebsvermögen darstellen (vgl. allerdings Peffermann in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O. Anm. 633, der auch die Möglichkeit einer Nichterfassung in der Bilanz anspricht; wie hier: Lieber/Wagner, Ubg 2012, 229 [236]). Dies ist jedoch im Sinne einer konsistenten Besteuerung hinzunehmen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die hier aufgeworfene Rechtsfrage ist von allgemeiner Bedeutung und – soweit ersichtlich – bislang nicht höchstrichterlich entschieden.