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Entscheidung 7 K 7105/09


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 10.08.2011
Aktenzeichen 7 K 7105/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Erlass von Aussetzungszinsen nach einem vor dem Finanzgericht - FG - Berlin und dem Bundesfinanzhof - BFH - anhängig gewesenen Rechtsstreit.

Die Klägerin war Veranstalterin für Deutschland im Rahmen der Welttournee einer Musikgruppe. Dabei hatte die Klägerin die „Promotion und Bühnenorganisation“ für die Deutschlandauftritte übernommen. In diesem Zusammenhang schloss sie mit der V. Inc., ansässig in den USA, - im Folgenden: V. - einen Vertrag über die Bereitstellung von technischen Materialien und Dienstleistungen für Engagements im Rahmen der Tournee. Die V. stellte danach insbesondere das Bühnenequipment inklusive Personal für eine Vergütung von 9.246.000 US-Dollar zur Verfügung. Die V. stellte der Klägerin Rechnungen, ohne darin Umsatzsteuer auszuweisen. Die Eigenumsätze der Klägerin waren nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 Umsatzsteuergesetz - UStG - umsatzsteuerfrei.

Die Klägerin meldete beim Beklagten für die von V. bezogenen Leistungen Umsatzsteuer im Abzugsverfahren (§§ 51 – 56 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV –) an, legte dagegen jedoch ebenso wie die V. Einsprüche ein. Die Beteiligten vereinbarten, hinsichtlich des Voranmeldungszeitraumes Juni 1998 ein Musterverfahren vor Gericht zu betreiben, worauf der Beklagte insoweit eine abschlägige Einspruchsentscheidung erließ und die V. vor dem FG Berlin am 27.04.1999 Klage erhob, die dort unter dem Aktenzeichen 7 K 7137/99 geführt wurde. Zu diesem Verfahren wurde die Klägerin beigeladen. Mit Urteil vom 20.03.2001 gab das FG Berlin der Klage statt, ließ jedoch die Revision zu (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 996). Die dagegen vom Beklagten eingelegte Revision hatte Erfolg. Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil mit Urteil vom 06.11.2002 V R 57/01 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2003, 827) auf und verwies den Rechtsstreit an das FG Berlin zurück. Dieses wies im II. Rechtsgang mit Urteil vom 03.05.2005 7 K 7512/02 die Klage ab. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg (BFH, Beschluss vom 07.07.2006 V B 113/05, BFH/NV 2006, 2103). Im Klageverfahren wurde V. durch die Sozietät … und Partner - im Folgenden: X - vertreten, an der der Klägervertreter zu 2. beteiligt war, die Klägerin durch eine andere Sozietät.

Noch vor Klageerhebung, nämlich am 02.09.1998, hatte die Klägerin unter dem Aktenzeichen 7 B 7355/98 beim FG Berlin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, dem das FG mit Beschluss vom 13.07.1999 7 B 7355/98 entsprach, indem es der Klägerin mit Wirkung ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung im Einspruchsverfahren Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung gewährte.

Am 21.04.1999 fand im Hause des Beklagten eine Besprechung zwischen Vertretern der V. (Rechtsanwalt Dr. Berg, Frau Dipl.-Kfm. Wright von der Sozietät X), der Klägerin (zwei Mitglieder der Sozietät Otto) und des Beklagten über die Stellung von Sicherheiten bei der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung statt. In diesem Zusammenhang wurde die Verpfändung eines Festgeldkontos als eine Möglichkeit der Sicherheitsleistung erörtert. Nach längeren Abstimmungen unter Beteiligung von Dr. Berg und Frau Wright sowie der Oberfinanzdirektion Berlin schlossen die V. und der Beklagte im März/April 2000 eine Verpfändungsvereinbarung, wonach die V. dem Land Berlin das jeweilige Guthaben eines bei dem Bankhaus Trinkaus & Burkhardt KG aA geführten Festgeldkontos einschließlich aufgelaufener Zinsen verpfändete. Zum Zwecke der Verpfändung trat die V. dem Land Berlin ihre Ansprüche gegen die Bank auf Auszahlung u. a. der Umsatzsteuerbeträge Juni bis September 1998 sowie Umsatzsteuer Juni bis Juli 1999 ab. Im Hinblick auf die vom FG Berlin gewährte Aussetzung der Vollziehung für Juni 1998 trat die V. dem Land Berlin weitere, hierauf entfallende 0,5 Prozent Aussetzungszinsen für jeden folgenden Monat der Aussetzung der Vollziehung ab. Die Verpfändung erfolgte zur Sicherung der Ansprüche des Landes Berlin gegen die V. aus Umsatzsteuer und der entsprechenden Haftungsansprüche gegen die Klägerin aus § 55 UStDV. Das Land Berlin war berechtigt, den Pfandgegenstand zu verwerten, wenn die Klage unter dem Aktenzeichen 7 K 7137/99 abgewiesen und vom BFH keine erneute Aussetzung der Vollziehung gewährt würde. Der Pfandgegenstand sollte ferner freigegeben werden, sobald rechtskräftig entschieden sei, dass keine Abzugs- bzw. Umsatzsteuerschuld bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist das Gericht auf den Vertragstext im Verwaltungsvorgang „AdV-Unt. Bd. I“.

Mit Verfügung vom 05.05.2000 gewährte der Beklagte der Klägerin bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung über die Klage Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Umsatzsteuer im Abzugsverfahren für Juni 1998 in Höhe von 860.814,00 DM und für Juli 1998 in Höhe von 568.997,30 DM.

Am 12.10.2004 (also während des II. Rechtsgangs beim FG Berlin) meldete sich der Klägervertreter zu 2. telefonisch beim Sachbearbeiter des Beklagten (Herr …) und teilte mit, dass seine Mandanten (die V. und eine weitere Vergütungsgläubigerin) mittlerweile mit der Verpfändung des Festgeldkontos unzufrieden seien. Angesichts einer jährlichen Verzinsung von 6 Prozent bei Aussetzungszinsen bzw. der Sollverzinsung nach § 233 a Abgabenordnung - AO - stünden dem erzielbare Zinsen aus dem Festgeldkonto in weit geringerer Höhe gegenüber. Er würde deshalb gerne den Treuhandvertrag kündigen, um den Zinsausfall zu kompensieren. Es bestehe die Bereitschaft, das Festgeldkonto aufzulösen und mit den Beträgen die Steuerschuld zu tilgen. Er bitte um Lösungsvorschläge seitens des Beklagten. Daraufhin schrieb der Beklagte mit Verfügung vom 29.10.2004 an die Sozietät X betreffend ihre Mandantin V., dass diese den Wunsch ihrer Mandantin nach Auflösung der Verpfändungsvereinbarung und Freigabe des Festgeldkontos übermittelt habe. Die Verpfändung sei zur Sicherung von Steuer- und Haftungsansprüchen des Landes Berlin bis zum Zeitpunkt einer Entscheidung durch den BFH oder einer außergerichtlichen Einigung erfolgt. Beide Bedingungen seien bisher nicht eingetreten. Eine Änderung der bestehenden Verträge liege auch nicht im Interesse des Landes Berlin. Er könne diesem Punkt deshalb nicht entsprechen. Das Schreiben ist von der Sachgebietsleiterin … gezeichnet und intern von der seinerzeit amtierenden ständigen Vertreterin des Vorstehers zur Kenntnis genommen worden. Zu den weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Kopie Bl. 56 d. Gerichtsakte Bezug.

Nach Zustellung des BFH-Beschlusses vom 07.07.2006 V B 113/05 im August 2006 stellte der Beklagte am 17.10.2006 die ausgesetzten Beträge mit Wirkung vom 17.11.2006 in Höhe von 440.127,21 Euro für Juni 1998 und 290.923,70 Euro für Juli 1998 fällig.

Am 24.10.2006 erließ er gegenüber der Klägerin einen Bescheid über Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung, mit dem er die Aussetzungszinsen für Juni 1998 auf 213.448,00 Euro und für Juli 1998 auf 139.632,00 Euro, zusammen 353.080,00 Euro festsetzte.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 27.11.2006 Einspruch ein und beantragte, die Aussetzungszinsen in Höhe von 153.154,00 Euro teilweise zu erlassen und auf diese Weise auf 199.926,00 Euro herabzusetzen. Es sei sachlich unbillig, die Aussetzungszinsen in voller Höhe zu erheben, da auf dem Festgeldkonto nur eine durchschnittliche Verzinsung von 2,49 Prozent erzielt worden sei. Aufgrund der Verpfändung sei eine andere, ertragreichere Nutzung des Guthabens nicht möglich gewesen. Der Zinssatz von 2,49 Prozent entspreche einer monatlichen Verzinsung von 0,2075 Prozent für die Zeit ab Wirksamkeit der Verpfändungsvereinbarung (= 128.280,81 Euro). Hinzu kämen Aussetzungszinsen für die Zeit vor der Verpfändung des Festgeldkontos in Höhe von 71.645,50 Euro.

Der Beklagte reagierte darauf mit einer Verfügung vom 29.12.2006, mit der er die Auffassung vertrat, dass der eingelegte Einspruch keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Möglichkeit eines teilweisen Verzichtes auf die Erhebung von Aussetzungszinsen gemäß § 237 Abs. 4 AO i. V. m. § 234 Abs. 2 AO sei hier nicht gegeben. Im Anschluss an die ausführliche Erörterung der sachlichen Unbilligkeit der uneingeschränkten Zinserhebung wies der Beklagte darauf hin, dass der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen wäre und bat die Klägerin, die Erfolgsaussichten zu überdenken. Ferner wies der Beklagte darauf hin, dass persönliche Erlassgründe von Seiten der Klägerin nicht vorgetragen worden seien, so dass ihr hilfsweiser Antrag auf Teilerlass nach erfolgter Einspruchsentscheidung bzw. Einspruchsrücknahme abzulehnen wäre.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31.05.2007 (der Klägerin zugestellt am 04.09.2007) als unbegründet zurück. Der Beklagte wies darauf hin, dass es an Anhaltspunkten für eine sachliche Unbilligkeit der Zinserhebung, die Anlass für einen teilweisen Verzicht nach § 237 Abs. 4 AO i. V. m. § 234 Abs. 2 AO geben könne, fehle. Anhaltspunkte für eine persönliche Unbilligkeit lägen nicht vor.

Daraufhin erhob die Klägerin am 04.10.2007 „wegen Aussetzungszinsen für Umsatzsteuer 1998“ Klage gegen den Zinsbescheid, die bei dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 7 K 7344/07 geführt wird. Die Klageschrift wurde auf dem Briefbogen der Klägervertreterin zu 1. erstellt, mit den Worten „erheben wir namens und in Vollmacht der Klägerin Klage“ eingeleitet und von den Rechtsanwälten … (dieser „pro absente“ für den Klägervertreter zu 2.) und … unterzeichnet. In den Schriftsätzen vom 16.05.2008 und 26.08.2008, die vom Klägervertreter zu 2. und der bei der Klägervertreterin zu 1. angestellten Rechtsanwältin … unterzeichnet wurden, bezeichnet sich die Klägervertreterin zu 1. als die Prozessbevollmächtigte der Klägerin.

Ebenfalls am 04.10.2007 legte die Klägerin beim Beklagten Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Teilerlass der Aussetzungszinsen für Umsatzsteuer 1998 ein. U. a. machte die Klägerin geltend, dass ab dem 01.10.2004 (Ablehnung der Aufhebung der Treuhandvereinbarung vom 29.10.2004) die Erhebung von Aussetzungszinsen rechtsmissbräuchlich sei.

Der erkennende Senat setzte das Klageverfahren 7 K 7344/07 bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf den teilweisen Verzicht auf Aussetzungszinsen mit Beschluss vom 12.09.2008 aus.

Der Beklagte wies den Einspruch betreffend die Ablehnung des Antrags auf teilweisen Erlass der Aussetzungszinsen mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2009 zurück. Vorliegend entspreche die Erhebung der Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 Prozent je Monat ersichtlich der Wertung des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber habe den für die Festsetzung der Zinsen zugrunde zu legenden Zinssatz bewusst pauschaliert angesetzt. Daher sei es unerheblich, ob der Steuerpflichtige den Nachzahlungsbetrag nicht oder nur zu einem geringeren Prozentsatz als 6 Prozent angelegt habe. Es sei Sache des Steuerschuldners zu entscheiden, ob es wirtschaftlich sinnvoll sei, die Steuerschuld zunächst zu begleichen oder unter Inkaufnahme der Aussetzungszinsen die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Es müsse auch als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden, dass dieser den Zinssatz nicht davon abhängig gemacht habe, ob die Aussetzung der Vollziehung gegen oder ohne Sicherheitsleistung gewährt worden sei. Wenn schon die für die Erbringung von Sicherheiten entstehenden Kosten keinen Zinsverzicht rechtfertigten, dann müsse dieser Grundsatz im Sinne der pauschalierten Regelung auch für eine von der Höhe der Aussetzungszinsen nach unten abweichenden tatsächlichen Verzinsung des zur Sicherung des Steueranspruchs verpfändeten Guthabens gelten. Es könne dahingestellt bleiben, ob in dem Telefonat vom 12.10.2004 ein qualifizierter Antrag auf Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung gesehen werden könne. Jedenfalls wäre dieser mit der Verfügung vom 29.10.2004 bestandskräftig abgelehnt worden, da die Klägerin ihr Begehren nicht weiter verfolgt habe.

Darauf hat die Klägerin am 14.05.2009 Klage erhoben. Die Klageschrift ist auf dem Briefbogen der Klägervertreterin zu 1. erstellt, mit den Worten „erheben wir namens und in Vollmacht der Klägerin Klage“ eingeleitet und vom Klägervertreter zu 2. und der Rechtsanwältin … unterzeichnet worden.

Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Zinsbescheid sei ein Haftungsbescheid im Sinne des § 191 Abs. 1 AO, da die Klägerin nach § 18 Abs. 8 UStG 1998 i. V. m. § 55 UStDV 1998 als Haftungsschuldnerin für die Steuerschuld der V. in Anspruch genommen worden sei. Mit diesem Haftungsbescheid würden steuerliche Nebenleistungen, nämlich Aussetzungszinsen, geltend gemacht. Als Haftungsschuldnerin könne die Klägerin alle Einwendungen geltend machen, die dem Steuerschuldner – hier also der V. – gegen den Steueranspruch zustünden. Bei der Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin seien die Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die sonst im Billigkeitsverfahren des Steuerschuldners zu einem Billigkeitserlass führen können oder müssen.

Die Versagung des Teilerlasses der Aussetzungszinsen sei ermessenswidrig. Nachdem der Beklagte das Tilgungsangebot vom 12.10.2004 ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen habe, sei die Geltendmachung von Aussetzungszinsen rechtsmissbräuchlich. Denn ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beklagten für die Weigerung auf das Angebot vom 12.10.2004 einzugehen, sei nicht ersichtlich. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass weder die V. noch die Klägerin auf das Schreiben des Beklagten vom 29.10.2004 weiter auf die Aufhebung der Verpfändungsvereinbarung und der Aussetzung der Vollziehung hingewirkt hätten. Denn das Schreiben vom 29.10.2004 stelle keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Im Übrigen habe es sich bei der Verpfändungsvereinbarung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gehandelt, auf Grund dessen der Beklagte nach Treu und Glauben dazu verpflichtet gewesen sei, die Rechtsgüter des anderen Teils zu schützen und auf die Belange des anderen Teils Rücksicht zu nehmen, soweit dem keine gleich- oder höherrangigen eigenen Interessen entgegenstünden. Gegen diese vertraglichen Rücksichts- und Schutzpflichten habe der Beklagte verstoßen, als er ohne stichhaltige Gründe das Angebot vom 12.10.2004 zurückgewiesen habe. Es bestehe daher auch ein vertraglicher Anspruch auf Erlass der Aussetzungszinsen nach dem 01.10.2004. Da sich die Klägerin als Haftungsschuldnerin auf die Einwendungen des Steuerschuldners berufen könne, sei unbeachtlich, dass sie selbst nicht Partei des Verpfändungsvertrags gewesen sei.

Es sei für die Klägerin und/oder die V. auch nicht zumutbar gewesen, aus anderen als den verpfändeten Mitteln die rückständigen Steuerbeträge zu begleichen, um auf diese Art und Weise den Zinslauf zu stoppen. Denn es seien insgesamt Beträge in Höhe von rund 5,2 Millionen Euro ausgesetzt gewesen. Angesichts dieser Höhe und des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Beklagten sei es nicht zumutbar gewesen, diese Beträge aufzubringen.

Jedenfalls sei die Erhebung von Aussetzungszinsen unbillig, soweit die Aussetzungszinsen den auf dem Festgeldkonto gewährten durchschnittlichen Zins von 2,49 Prozent übersteigen. Denn die Erhebung höherer Aussetzungszinsen wäre von dem Gesetzeszweck, die Zinsvorteile des Steuerschuldners abzuschöpfen, nicht gedeckt. Auch der Beklagte hätte bei einer fristgerechten Zahlung der Steuerbeträge keine den Zinssatz von 2,49 Prozent übersteigende Verzinsung erreichen können.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31.05.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2009 den Beklagten zu verpflichten, die im Zinsbescheid vom 24.10.2006 festgesetzten Zinsen insoweit zu erlassen, als der gesetzliche Zinssatz für Aussetzungszinsen den auf dem Festgeldkonto gewährten Zins in Höhe von 2,49 Prozent übersteigt,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe in seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass es unschlüssig sei, wenn die Klägerin Rechte aus der Verpfändungsvereinbarung herleite, die nicht mit ihr, sondern mit der V. geschlossen worden sei. Ferner könne dahinstehen, ob die Verfügung vom 29.10.2004 eine mit dem Einspruch anfechtbare Ablehnungsverfügung gewesen sei, da jedenfalls weder seitens der V. noch seitens der Klägerin auf eine Aufhebung der gewährten Aussetzung der Vollziehung und eine Tilgung der rückständigen Steuerbeträge hingewirkt worden sei.

Nach Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 10.08.2011 hat die Klägerin um Vertagung gebeten, da sich der Klägervertreter zu 2. am Terminstag im Urlaub befinde. Diesen Antrag hat das Gericht zurückgewiesen, da die Vertretung durch ein anderes Sozietätsmitglied möglich sei. Mit Schriftsatz vom 14.07.2011 hat die Klägerin ihren Antrag erneuert. Zwar sei die Klägervertreterin zu 1. mandatiert, jedoch bestehe allein zu dem Klägervertreter zu 2. die Vertrauensbeziehung. Auch diesen Antrag hat das Gericht mit Verfügung vom 25.07.2011 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 27.07.2011 hat die Klägerin erneut die Vertagung beantragt, da nicht die Klägervertreterin zu 1., sondern allein der Klägervertreter zu 2. bevollmächtigt sei. Sie verweist auf den Klägervertreter zu 2. legitimierende Vollmachten vom 27.11.2006 für das Einspruchsverfahren und vom 01.08.2011 für das hiesige Klageverfahren. Die Verwendung von Briefbögen der Klägervertreterin zu 1. und die Unterzeichnung von Schriftsätzen „pro absente“ durch Mitglieder der Klägervertreterin zu 1. erklärten sich daraus, dass sich der Klägervertreter zu 2. des Kanzleiapparates der Klägervertreterin zu 1. bedient habe. In einer Verhandlung ohne ihren Vertreter sehe sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Vorlage der Vollmachten vom 01.08.2011 stelle keinen Widerruf einer der Klägervertreterin zu 1. erteilten Vollmacht dar, da sie die aufgrund der Vollmachten vom 27.11.2006 bestehende Rechtslage bestätigten.

Dem Gericht haben die Streitakten der Verfahren 7 K 7512/02 des FG Berlin sowie die Streitakten 7 K 7343/07, 7 K 7344/07 und 7 K 7106/09 und 2 Bände der vom Beklagten für die Klägerin geführten Verwaltungsvorgänge „AdV-Unt.“ unter der Steuernummer 29/225/03283 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

A. Das Gericht war nicht gehindert, in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden, obwohl für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Denn die Finanzgerichtsordnung setzt die Anwesenheit der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht zwingend voraus, worauf die Klägerin gemäß § 91 der Finanzgerichtsordnung - FGO - mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladungsverfügung hingewiesen worden ist.

B. Das Gericht war nicht verpflichtet, den für den 10.08.2011 anberaumten Verhandlungstermin gemäß § 155 FGO i. V. mit § 227 der Zivilprozessordnung – ZPO – aufzuheben oder zu verlegen. Die urlaubsbedingte Abwesenheit des Klägervertreters zu 2. ist kein erheblicher Grund i. S. des § 227 Abs. 1 ZPO.

I. 1. Denn das Gericht ist überzeugt, dass neben dem Klägervertreter zu 2. auch die Klägervertreterin zu 1., der weitere auf steuerrechtliche Fragen spezialisierte Rechtsanwälte als Partner angehören, Bevollmächtigte der Klägerin ist. Denn die Klägervertreterin zu 1. hat die hiesige Klage namens der Klägerin erhoben, wie sich aus dem verwendeten Briefkopf, der Wortwahl „erheben wir namens und in Vollmacht der Klägerin Klage“ und der Unterzeichnung der Klageschrift durch einen Partner und eine angestellte Rechtsanwältin ergibt (BFH, Beschluss vom 31.01.2002 V B 51/99, juris). Dies deckt sich mit den Verhältnissen im ausgesetzten Verfahren 7 K 7344/07, in dem sich die Klägervertreterin zu 1. ausdrücklich als Prozessbevollmächtigte bezeichnet hat. Noch im Schriftsatz vom 14.07.2011 hat die Klägerin durch einen vom Klägervertreter zu 2. unterzeichneten Schriftsatz vorgetragen, dass die Klägervertreterin zu 1. mandatiert sei. Die Klägerin, der der wesentliche Schriftverkehr in dieser Angelegenheit abschriftlich übermittelt worden sein dürfte, hat vor dem 27.07.2011 trotz fast 4 Jahre währender gerichtlicher Verfahren keinen Anlass gesehen, die Aufnahme der Klägervertreterin zu 1. als ihre Prozessbevollmächtigte zu rügen. Vor diesem Hintergrund ist die abweichende Darstellung der Vertretungsverhältnisse nach dem 26.07.2011 unglaubhaft.

2. Unbeachtlich ist, dass keine vom gesetzlichen Vertreter der Klägerin unterzeichnete Vollmachtsurkunde für die Klägervertreterin zu 1. vorliegt. Denn bei der Klägervertreterin zu 1. handelt es sich um eine Partnerschaftsgesellschaft i. S. des § 3 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz - StBG - und § 62 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Für diese hat das Finanzgericht nach § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO den Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies spricht dafür, dass das erkennende Gericht den Mangel des Vollmachtsnachweises, der von der Erteilung der Vollmacht zu unterscheiden ist (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 62 Rz 41; Loose in Tipke/Kruse, FGO, § 62 Tz 17), bei einer Partnerschaftsgesellschaft i. S. des § 3 Nr. 2 StBG nicht zum Anlass nehmen muss, an deren Vollmacht zu zweifeln.

Letztlich kommt es darauf im Streitfall nicht an, da jedenfalls der Klägervertreter zu 2. die Klägervertreterin zu 1. zur Unterbevollmächtigten bestellt hat. Denn er hat als ihr gesetzlicher Vertreter die hier anhängige Klage erhoben, indem er unter Berufung auf eine Vollmacht der Klägerin für die Klägervertreterin zu 1. die Klageschrift unterzeichnet hat. Damit hätte er - wenn die Klägervertreterin zu 1. nicht schon bevollmächtigt gewesen wäre - als Bevollmächtigter der Klägerin der Klägervertreterin zu 1. konkludent ebenfalls Vollmacht erteilt. Diese Vollmachtserteilung hat er mit dem Schriftsatz vom 14.07.2011 bekräftigt. Zur Erteilung der Untervollmacht wäre der Klägervertreter zu 2. nach § 155 FGO i. V. mit § 81 ZPO ohne weiteres befugt gewesen. Ein Verbot der Unterbevollmächtigung ist der vorliegenden Vollmachtsurkunde nicht zu entnehmen. Es kann daher dahinstehen, ob eine solche Einschränkung nach § 155 FGO i. V. mit § 83 ZPO unbeachtlich wäre.

3. Die der Klägervertreterin zu 1. erteilte Vollmacht ist auch nicht widerrufen worden. Ein ausdrücklicher Widerruf liegt nicht vor. Auch der Umstand, dass die Klägerin nunmehr vorträgt, die Klägervertreterin zu 1. sei nicht bevollmächtigt worden, führt zu keinem abweichenden Ergebnis, da die Klägerin eine derartige Auslegung in ihrem von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe verfassten Schriftsatz vom 03.08.2011 ausdrücklich ausgeschlossen hat. Jedenfalls hätte ein Widerruf der Vollmacht für die Klägervertreterin zu 1. auch keinen Anlass für eine Vertagung gegeben (s. u. B. III.).

II. Zu erheblichen Gründen i. S. des § 155 FGO i. V. mit § 227 Abs. 1 ZPO, die Anlass zu einer Aufhebung oder Verlegung eines Verhandlungstermins geben, kann auch die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten aufgrund eines langfristig geplanten, nicht verschiebbaren Urlaubs gehören. Das Gericht ist aber auch in diesem Fall nicht an der Durchführung des Termins gehindert, wenn die Prozessvollmacht - wie im Streitfall - einer Sozietät erteilt worden ist, und der Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann. Hinderungsgründe für eine Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Partner müssen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden. Insbesondere hat das Gericht keinen Anlass für die Annahme, dass der als Vertreter in Betracht kommenden Person keine hinreichende Einarbeitungszeit zur Verfügung stand oder dass wegen der besonderen Komplexität oder wegen bestimmter Eigentümlichkeiten des Verfahrens nur der mit dem Fall vertraute Partner die Belange der Klägerin angemessen vertreten konnte. Solche Besonderheiten müssen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden. Ohne einen solchen Vortrag darf das Gericht von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen und demgemäß das Vorliegen "erheblicher Gründe" für eine Terminsverlegung verneinen (BFH, Beschlüsse vom 26.10.1998 I B 3/98, BFH/NV 1999, 626; vom 08.01.2010 V B 99/09, BFH/NV 2010, 911 m. w. N.).

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass kein anderer in steuerrechtlichen Fragestellungen erfahrener Partner für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins zur Verfügung stand. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die als Sachbearbeiterin bezeichnete Rechtsanwältin … ebenfalls an der Terminswahrnehmung gehindert war. Bei Zustellung der Ladung standen ferner noch 5 Wochen zur Einarbeitung und Vorbereitung zur Verfügung. Schließlich weist der Streitfall keine Besonderheiten auf, die eine Vertretung nur durch den Klägervertreter zu 2. als geboten erscheinen lassen. An den Verhandlungen über die Bestellung der Sicherheitsleistung war er nach Aktenlage nicht persönlich beteiligt. Die Einzelheiten des die Umsatzsteuerfestsetzung betreffenden Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahrens sind für die hiesige Sachentscheidung unerheblich. Über den Inhalt des Telefongesprächs vom 12.10.2004 besteht kein Streit. Die streiterheblichen Sach- und Rechtsfragen weisen keine besondere Komplexität und Schwierigkeiten auf, die die durchschnittlicher Rechtsstreite über Fragen des Steuerverfahrensrechts übersteigen.

Schließlich ist nicht erkennbar, dass zwischen der Klägerin und dem Klägervertreter zu 2. ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, dass sich signifikant und schützenswert von dem unterscheidet, was regelmäßig zwischen dem Mandanten und dem sachbearbeitenden Mitglied einer Sozietät besteht. Nach Aktenlage ist nur erkennbar, dass der Klägervertreter zu 2. seit ca. 5 Jahren für die Klägerin in dieser Angelegenheit auftritt, was in Finanzgerichtsverfahren ein eher kurzer Zeitraum ist, da die Mandate ansonsten vielfach von Bevollmächtigten wahrgenommen werden, die über Jahre die laufenden steuerlichen Angelegenheiten der Rechtssuchenden bearbeiten. Weitere Umstände, die ein besonderes Vertrauensverhältnis begründen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt.

III. Ein erheblicher, die Aufhebung des auf den 10.08.2011 bestimmten Verhandlungstermins gebietender Grund i. S. des § 155 FGO i. V. mit § 227 ZPO wäre auch nicht gegeben, wenn die Klägerin die Vollmacht für die Klägervertreterin zu 1. mit ihren nach dem 26.07.2011 eingereichten Schriftsätzen widerrufen hätte. Denn der Widerruf einer Vollmacht für einen Bevollmächtigten vor der mündlichen Verhandlung stellt nur dann einen Grund für eine Vertagung dar, wenn er nicht durch die Prozesspartei verschuldet oder jedenfalls aus schutzwürdigen Gründen erforderlich ist (BFH, Beschluss vom 22.04.2005 III B 121/04, BFH/NV 2005, 1373). Im Streitfall wäre der Widerruf der Prozessvollmacht für die Klägervertreterin zu 1. nicht schutzwürdig, da die Klägerin - wie unter B. II. dargelegt - keine stichhaltigen Gründe vorgetragen hat, warum eine weitere Vertretung durch die Klägervertreterin zu 1. für sie nicht zumutbar sein sollte.

C. Die Klage ist zulässig.

I. Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 29.12.2006 keinen Antrag auf Teilerlass durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt abgelehnt hat. Denn der Beklagte hat den zuvor gestellten Antrag auf Teilerlass als Einwendung im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen aufgefasst und nicht als erneutes zu bescheidendes Begehren. Darauf weist insbesondere hin, dass der Beklagte die Klägerin um Rücknahme des eingelegten Einspruchs ersucht und keine erneute Rechtsbehelfsbelehrung „Einspruch“ beigefügt hat. Diese Ablehnung ist vielmehr erst mit der Einspruchsentscheidung vom 31.05.2007 erfolgt.

II. Gegen die Ablehnung des Teilerlasses durch die Einspruchsentscheidung konnte die Klägerin nicht unmittelbar Klage erheben, weil es insoweit an der Durchführung des Vorverfahrens (§ 44 FGO) fehlte. Dem steht die Einkleidung in die Einspruchsentscheidung nicht entgegen. Denn der Finanzverwaltung ist es verwehrt, durch eine solche verfahrensrechtliche Handhabung den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen durch das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ohne dessen Mitwirkung zu verkürzen. Eine Klage gegen Einspruchsentscheidungen, die eine eigenständige Beschwer für den Steuerpflichtigen enthalten, kommt nur in Betracht, soweit eine bereits bestehende Regelung verbösert oder um unselbständige Nebenbestimmungen ergänzt wird.

III. Schließlich gehen die Beteiligten zu Recht davon aus, dass es sich bei der Entscheidung nach § 237 Abs. 4 AO analog zu der Regelung des § 163 AO um ein gesondertes Billigkeitsverfahren handelt, das außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zinsfestsetzung als solche zu behandeln ist (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.07.2009 3 K 378/09, juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BFH, Beschluss vom 29.09.2010 XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194). Die letztgenannten Verfahren betrafen einen Antrag auf Zinsverzicht nach § 237 Abs. 4 AO, nachdem die Zinsbescheide bestandskräftig geworden waren.

D. Die Klage ist unbegründet.

I. Die Klägerin wird durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes nicht i. S. des § 101 FGO in ihren Rechten verletzt. Die Ermessensausübung des Beklagten lässt i. S. des § 102 FGO keinen Ermessensfehler erkennen. Der Beklagte hat den Verzicht auf Aussetzungszinsen zu Recht abgelehnt.

II. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem angefochtenen Bescheid nicht um einen Haftungsbescheid i. S. des § 191 Abs. 1 AO, ebenso wenig bei den Umsatzsteuer-Voranmeldungen, deren Vollziehung ausgesetzt war.

Denn die Klägerin hat durch die Umsatzsteuer-Voranmeldungen, soweit sie die streitig gewesene Abzugsteuer betrafen, Steueranmeldungen i. S. der §§ 150 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 1 Satz 1 AO abgegeben, mit denen sie keine Haftungsschulden, sondern Steuerentrichtungsschulden angemeldet hat (BFH, Urteile vom 28.01.2004 I R 73/02, Sammlungen der Entscheidungen des BFH - BFHE - 205, 174, BStBl II 2005, 550; vom 07.11.2007 I R 19/04, BFHE 219, 300, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2008, 228; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 237 Rz 7; Rüsken in Koch, AO, 10. Auflage 2009, § 167 Rz 5; Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz – EStG -, 30. Auflage 2011, § 41 a Rz 6 m. w. N.).

III. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO sieht vor, dass dann, wenn ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen eine Steueranmeldung endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist. Dementsprechend stellt die Festsetzung der Zinsen auch bei der vorliegenden Konstellation eine gebundene Entscheidung dar. Lediglich der nach § 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO mögliche Verzicht auf Zinsen ist als Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO eine Ermessensentscheidung (BFH, Urteil vom 31.03.2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602).

IV. 1. Dementsprechend kommt ein Verzicht auf Aussetzungszinsen aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nur in Betracht, wenn die Erhebung der Zinsen im Einzelfall mit Rücksicht auf den § 237 AO zugrunde liegenden Zweck nicht mehr zu rechtfertigen ist bzw. den gesetzlichen Wertungen zuwider läuft (BFH, Urteil vom 31.03.2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602 m. w. N.).

Sinn und Zweck der in § 237 AO geregelten Verzinsung ausgesetzter Beträge ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht „an sich“ dem Steuergläubiger zusteht. Ferner soll auch der Zinsnachteil des Steuergläubigers ausgeglichen werden, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung erhält, (BFH, Urteil vom 31.03.2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602 m. w. N.; Beschluss vom 29.09.2010 XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194).

2. Dabei ist es unerheblich, dass das als Sicherheit dienende Festgeldkonto nicht in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 6 Prozent verzinst wurde. Der Beklagte weist in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht darauf hin, dass es grundsätzlich unbeachtlich ist, ob mögliche Zinsvorteile tatsächlich gezogen wurden. Denn es handelt sich insoweit um eine Regelung, die den Zinsvorteil bewusst typisiert (BFH, Urteil vom 23.10.2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl 2004, 39 a. E.; Beschluss vom 29.09.2010 XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194; Urteil vom 05.05.2011 V R 39/10, juris). Ferner lässt der Vortrag der Klägerin den Zinsnachteil des Steuergläubigers unberücksichtigt, der in Person der steuerberechtigten Gebietskörperschaften Bund und Land Berlin – wie allgemein bekannt ist – während der streiterheblichen Jahre 1999 – 2006 durchgängig Fremdmittel aufnahm, deren Verzinsung im Durchschnitt den Zinssatz von 2,49 Prozent deutlich überstiegen hat.

Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass es sich bei den auf dem Festgeldkonto befindlichen Mitteln nicht um Geld der Klägerin handelte, sondern um Geld der V., das diese offenbar ganz bewusst weder in die Sphäre der Klägerin, noch in die des Beklagten übergehen lassen wollte.

3. Zu Recht wendet der Beklagte auch ein, dass der Gesetzgeber die Erhebung von Aussetzungszinsen nicht daran geknüpft hat, ob und ggf. in welcher Weise der Steuerpflichtige für die ausgesetzten Abgaben Sicherheit geleistet hat. Dies spricht dafür, dass die Tatsache, dass Sicherheiten geleistet wurden, die Zinserhebung nicht als sachlich unbillig erscheinen lässt (FG Hamburg, Urteil vom 13.10.2006 4 K 24/06, juris). Ferner wird die Höhe des von den Steuergläubigern erlittenen Zinsnachteils nicht davon beeinflusst, ob die Aussetzung der Vollziehung unter Sicherheitsleistung gewährt wird.

4. Die Klägerin kann auch nicht einwenden, aufgrund der Verpfändungsvereinbarung sei das Ermessen des Beklagten auf einen Teilverzicht der Aussetzungszinsen vorgeprägt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht Partei des Verpfändungsvertrags war. Da sie die streitig gewesene Umsatzsteuer nicht als Haftungsschuldnerin schuldete, kann sie sich nicht auf die Rechtsprechung berufen, nach der der Haftungsschuldner seiner Inhaftungnahme die Einwendungen des Steuerschuldners entgegenhalten kann (vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1997 VII R 30/97, BFHE 185, 105, BStBl II 1998, 319). Selbst wenn diese Rechtsprechung entsprechend auf Entrichtungsschuldner anwendbar sein sollte, wäre der Klägerin entgegenzuhalten, dass die Beteiligten der Verpfändungsvereinbarung in Ziffer 1. b ausdrücklich davon ausgehen, dass hinsichtlich der gerichtlich verfügten Aussetzung der Vollziehung 0,5 Prozent Aussetzungszinsen im Unterliegensfall zu zahlen sind. Anhaltspunkte dafür, dass für die Aussetzungszinsen aufgrund der behördlich gewährten Aussetzung der Vollziehung etwas anderes gelten sollte, bestehen nicht.

5. Schließlich spricht auch nicht für einen Verzicht nach § 237 Abs. 4 AO, dass der Beklagte es am 29.10.2004 abgelehnt hat, die Verpfändungsvereinbarung aufzuheben, ebenso wie die parallel gewährte Aussetzung der Vollziehung. Denn das Bedürfnis, die durch die Aussetzung der Vollziehung verursachten Liquiditätsvorteile und –nachteile auszugleichen, besteht unabhängig von dem Verursachungsbeitrag der Beteiligten. Dementsprechend ist anerkannt, dass der Vorteilsausgleich grundsätzlich auch dann seinen Sinn behält, wenn staatliche Stellen für deren Entstehung und Höhe (mit-)verantwortlich sind (BFH, Urteil vom 20.01.1997 V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716; Beschlüsse vom 20.06.2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705; vom 29.09.2010 XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194).

Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass weder die Klägerin noch die V. das am 12.10.2004 telefonisch geäußerte Ansinnen weiter verfolgt haben. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung zum Erlass von Säumniszuschlägen, dass der Umstand, dass die Finanzbehörden während eines Rechtsbehelfsverfahrens zu Unrecht die Aussetzung der Vollziehung verwehrt haben, nur dann zu einem Teilerlass der Säumniszuschläge führen kann, wenn der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden alles getan hat, um die Aussetzung der Vollziehung zu erreichen und diese, obwohl an sich möglich und geboten, von der Finanzbehörde abgelehnt wurde oder wenn aufgrund gesetzlicher Regelungen ein solches Begehren aussichtslos war (BFH, Urteile vom 21.02.1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498; vom 20.05.2010 V R 42/08, BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955). Im Ergebnis soll dann der Steuerpflichtige so gestellt werden, als wäre ihm – wie seinerzeit geboten – Aussetzung der Vollziehung gewährt worden.

Übertragen auf den Streitfall heißt dies, dass die Klägerin alles Gebotene gegenüber den Finanzbehörden hätte unternehmen müssen, um die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung und die Freigabe der verpfändeten Beträge zu erreichen. Daran fehlt es jedoch, da nicht einmal die Klägerin, die Adressatin der Aussetzung der Vollziehung war, sondern nur die V., die die Sicherheiten gestellt hatte, bei der Finanzbehörde vorstellig geworden war. Auch die V. hat keinen förmlichen Antrag auf Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung oder Freigabe der Sicherheit gestellt, sondern hat es auf das Schreiben vom 29.10.2004 bei ihrem telefonischen Vorstoß vom 12.10.2004 bewenden lassen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Schriftsatz vom 29.10.2004 um einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt oder um eine bloße informatorische Meinungsäußerung handelt.

E. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Klägerin ihr Begehren mit Schriftsatz vom 03.08.2011 eingeschränkt hat, aus der analogen Anwendung des § 136 Abs. 2 FGO, im Übrigen aus § 135 Abs. 1 FGO.

F. Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil es bisher höchstrichterlich ungeklärt ist, unter welchen Umständen die Erhebung von Aussetzungszinsen sachlich unbillig ist, wenn ein Antrag auf Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung erfolglos geblieben ist.