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Entscheidung 5 K 5253/09


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 13.04.2010
Aktenzeichen 5 K 5253/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Abrechnungsbescheid vom 7.11.2007 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.8.2009 dahingehend geändert, dass eine Umsatzsteuerschuld 2001 von 0,00 € festgestellt wird.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin machte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Quartal 2001 einen Vorsteuerabzug in Höhe von 115.328 DM (58.966,68 €) aus einer Rechnung der X-GbR vom 13.11.2001 geltend und legte eine Abtretungsanzeige vom 7.1./14.1.2002 zugunsten der X-GbR vor. Die Abtretungsanzeige war nur von dem Geschäftsführer A der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin, der Y-GmbH, unterschrieben, obgleich die GmbH nur durch die Geschäftsführer A und B gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten werden konnte. Der abgetretene Betrag von 58.966,68 € wurde am 1.3.2002 an den Zessionar ausgezahlt.

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte den Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 13.11.2001 mangels hinreichender Bezeichnung des Leistungsgegenstands und setzte die Umsatzsteuer 2001 geändert auf -78,23 € fest. Der Umsatzsteuerbescheid 2001 ist nach Rücknahme der unter dem Aktenzeichen 5 K 5252/09 anhängigen Klage bestandskräftig geworden. Auf Antrag der Klägerin erließ der Beklagte am 7.11.2007 einen Abrechnungsbescheid, der eine Forderung gegen die Klägerin in Höhe von 58.720,34 € auswies. Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin die Unwirksamkeit der Abtretungserklärung geltend, da diese nur von einem der beiden Geschäftsführer der persönlich haftenden Y-GmbH unterschrieben sei. Nachdem der Beklagte den ausgezahlten Betrag von 58.966,68 € ohne Erfolg von der X-GbR zurückgefordert hatte, wies er den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er vertrat unter Hinweis auf § 37 Abs. 2 Satz 3 Abgabenordnung (AO) die Auffassung, dass die Inanspruchnahme der Klägerin als Zedentin neben der – erfolglosen – Inanspruchnahme der Zessionarin zulässig sei.

Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, der Rückforderungsanspruch des Beklagten möge zwar verfahrensrechtlich begründet sein, materiell-rechtlich sei er jedoch nicht begründet. Der Beklagte habe sein Ermessen insofern fehlerhaft ausgeübt, als er vor ihrer – der Klägerin – Inanspruchnahme nicht den Ausgang des Klageverfahrens der X-GbR gegen den Rückforderungsbescheid abgewartet habe.

Die Klägerin beantragt,

den Abrechnungsbescheid vom 7.11.2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.8.2009 dahingehend zu ändern, dass eine Umsatzsteuerschuld 2001 von 0,00 € festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, zwischen Zessionar und Zedent bestehe eine gleichrangige Gesamtschuldnerschaft mit der Folge, dass die Klägerin nicht nur nachrangig in Anspruch genommen werden dürfe. Aber selbst wenn dem so wäre, hätte er – der Beklagte – sein Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt, da - wie in der Einspruchsentscheidung ausgeführt - zunächst die X-GbR in Anspruch genommen worden und diesbezügliche Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band Vertragsakten und jeweils eine Heftung Rechtsbehelfsverfahren Umsatzsteuer 2001, Umsatzsteuer 2002 und Abrechnungsbescheid vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuer für 2001 gegen die Klägerin.

Gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betrifft. Obwohl der Abrechnungsbescheid lediglich die Frage der rechtmäßigen Steuererhebung betrifft, gehört zu seinem Regelungsgegenstand auch die vorrangige Frage, ob überhaupt und welche Zahlungsverpflichtungen wirksam begründet worden sind (Klein/Rüsken AO § 218 Rz. 13).

Durch den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 25.7.2005 wurde ein Anspruch gegenüber der Klägerin in Höhe von 58.720,34 € wirksam begründet. Dies ist zwischen den Beteiligten nach Rücknahme der Klage zum Aktenzeichen 5 K 5252/09 unstreitig. Gleichwohl ist die Klägerin nicht zur Rückzahlung dieses Betrages verpflichtet, wovon der Beklagte aber rechtsfehlerhaft in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid ausgegangen ist.

Die Rückforderung der an die Zessionarin ausgezahlten Vorsteuererstattung richtet sich nach § 37 Abs. 2 AO. Ist danach eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist – hier der Beklagte – gegen den Leistungsempfänger – hier die X-GbR – einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung richtet sich der Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO auch gegen den Abtretenden – hier die Klägerin. Mit der Anfügung des Satzes 3 in § 37 Abs. 2 AO durch das Jahressteuergesetz 1996 sind Zessionar und Zedent zu Gesamtschuldnern gemäß § 44 AO bestimmt worden. Die Finanzbehörde hat also ein Auswahlermessen dahingehend auszuüben und spätestens in der Einspruchsentscheidung zu begründen, wen sie in Anspruch nimmt. Streitig ist allerdings, ob die Finanzbehörde dabei grundsätzlich zunächst den Zessionar in Anspruch nehmen muss. Nach der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (Urteil vom 2.3.2007 18 K 4115/06, EFG 2000, 403), lässt sich dies weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung oder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz entnehmen. Demgegenüber bejaht die überwiegende Auffassung in der Literatur eine nur nachrangige Inanspruchnahme des Zedenten und begründet dies mit der Rechtsprechung des BFH zur früheren Rechtslage (vor 1996), wonach allein der Zessionar Leistungsempfänger sei, weil die Finanzbehörde nur an diesen habe zahlen wollen und auch gezahlt habe. Da der Zedent somit nicht Leistungsempfänger sei, könne der Rückforderungsanspruch grundsätzlich (nur) gegenüber dem Zessionar geltend gemacht werden (Klein/Brockmeyer/Ratschow AO § 37 Rz. 30, 31; Schmieszek in Beermann/Gosch AO § 37 Rz. 81; Drüen in Tipke/Kruse AO § 37 Tz. 118, jeweils unter Hinweis auf Rechtsprechung des BFH). Etwas anderes soll allerdings dann gelten, wenn der Leistungsempfänger zahlungsunfähig ist oder sich aus der Rückforderung beim Leistungsempfänger nachteilige Folgen für den Abtretenden ergeben (Drüen in Tipke/Kruse a.a.O. Tz. 119 unter Hinweis auf BR-Drucks. 304/95). Die Rechtsprechung ist demgegenüber uneinheitlich. Einerseits bejaht der BFH im Urteil vom 19.8.2008 (VII R 36/07, BStBl II 2009, 90, 94) den Vorrang der Inanspruchnahme des Zessionars auch nach der neuen Gesetzeslage (ebenso Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 25.11.2005 II 258/04, EFG 2006, 462; Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.2.2005 2 K 739/01, EFG 2005, 1574), andererseits stellt er im Urteil vom 17.3.2009 (VII R 38/08, BStBl II 2009, 953) fest, dass das Finanzamt im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung beim Zedenten berechtigt ist, diese gegenüber dem Zessionar geltend zu machen, ohne dies jedoch näher zu begründen. Dies spricht gegen die grundsätzliche Nachrangigkeit der Inanspruchnahme des Zedenten, vielmehr sogar für dessen vorrangige Inanspruchnahme.

Die Frage danach, ob der Zedent überhaupt oder jedenfalls bei einer Uneinbringlichkeit der Forderung beim Zessionar – die der Beklagte für den vorliegenden Fall behauptet – in Anspruch genommen werden darf, kann im vorliegenden Fall letztendlich unbeantwortet bleiben. Denn die Unzulässigkeit der Rückforderung des an die X-GbR ausgezahlten Betrages gegenüber der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass die Abtretung unstreitig formell unwirksam war. Dieser Rechtsmangel betrifft somit sowohl das Verhältnis Zedent – Finanzamt als auch das Verhältnis Finanzamt – Zessionar. Dies führt – auch bezogen auf den Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO – dazu, dass nur der Zessionar die Leistung empfangen hat, weil die Finanzbehörde wegen der Unwirksamkeit der Abtretung an den vermeintlichen Zessionar nicht mit befreiender Wirkung hat leisten können. Die Rückzahlung kann sie deshalb nur von dem Zessionaar verlangen (Schmieszek in Beermann/Gosch a.a.O. Rz. 79; Klein/Brockmeyer/Ratschow a.a.O. Rz. 31, 26; Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.2.2005 2 K 739/01, EFG 2005, 1574).

Dem steht auch § 46 Abs. 5 AO nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen Abs. 4 der Vorschrift nichtig ist. Danach wird das Finanzamt zwar zwecks Erleichterung der Bearbeitung von Erstattungsanträgen von der Überprüfung der Wirksamkeit der Abtretung entbunden, so dass es grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Zessionar leisten kann, wenn es positiv weiß, dass die Abtretungsanzeige nicht der vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen unwirksam ist. Der Schutzgedanke dieser Vorschrift gilt indes nicht gegenüber dem Zessionar, sondern ist auf das Verhältnis Finanzamt – Zedent beschränkt (so auch BFH, Urteil vom 6.12.1988 VII R 206/86, BStBl II 1989, 223). § 46 Abs. 5 AO begründet lediglich eine Einrede der Finanzbehörde „gegen“ den Zedenten (Klein/Ratschow a.a.O. § 46 Rz. 24), d. h. gegen eine Forderung des Zedenten, den an den vermeintlichen Zessionar bereits ausgezahlten Betrag (nochmals) an ihn auszuzahlen. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um die umgekehrte Konstellation, nämlich die Rückforderung eines an den vermeintlichen Zessionar ausgezahlten Betrages. Diese Konstellation erfasst der Schutzzweck des § 46 Abs. 5 AO nicht.

Zu berücksichtigen ist im Streitfall außerdem, dass der Beklagte eine Prüfung der formellen Wirksamkeit der Abtretung unterlassen hat, obgleich dies ohne großen Aufwand möglich gewesen wäre. Ob die Abtretungsanzeige formell wirksam ist, insbesondere ob der Zedent bei der Abtretungserklärung wirksam vertreten war, gehört zu den essentiellen Voraussetzungen der Abtretung, deren Überprüfung durch das Finanzamt auch in einem Massenverfahren wie dem Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren zumutbar ist. Verzichtete man hierauf, würde dies auch den Sinn und Zweck der nach § 46 Abs. 3 AO formalisierten Erklärung konterkarieren. Unterläßt daher das Finanzamt – wie im Streitfall der Beklagte – die Prüfung der formellen Wirksamkeitserfordernisse, so kann er sich nicht auf die Schutzfunktion des § 46 Abs. 5 AO berufen (so auch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29.1.2008 1 K 98/04, EFG 2008, 750; für die Pflicht zur Überprüfung des Mindestinhalts der Abtretung auch Klein/Ratschow a.a.O. § 46 Rz. 24).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §151 Abs.1 und 3 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozeßordnung.

Die Revision war angesichts der uneinheitlichen Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Inanspruchnahme des Zedenten generell und im Falle der unwirksamen Abtretung im Besonderen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.