Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Beschwerde; Konzert; Verbot; Gefahr; öffentliche Sicherheit; Gefahrenprognose;...

Beschwerde; Konzert; Verbot; Gefahr; öffentliche Sicherheit; Gefahrenprognose; Verstoß gegen Strafvorschriften; rechtsextremes Milieu; Hooligans; Wechselwirkung zwischen Musikband und Publikum; "Kehrtwende" nicht feststellbar; Verhältnismäßigkeit; Auflagen; Effektivität; Meinungsfreiheit; Kunstfreiheit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 27.09.2013
Aktenzeichen OVG 1 S 245.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 3 GG, § 13 Abs 1 OBG BB, § 86a StGB, § 130 StGB

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Streitwert wird für beide Rechtsstufen auf jeweils auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller, ein Mitglied der Musikband „Kategorie C - Hungrige Wölfe“, wendet sich gegen das unter Anordnung sofortiger Vollziehung ausgesprochene Verbot, am 28. September 2013 eine Konzertveranstaltung dieser Band auf einem Privatgrundstück in F... durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der auf § 13 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) gestützte Bescheid erweise sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig. Es bestünden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei dem geplanten Konzert mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls aufgrund des Verhaltens der Konzertbesucher Rechtsverletzungen drohten. Die Konzerte der Band würden regelmäßig von Personen besucht, die dem radikalen Fußballmilieu und dem rechtsradikalen Milieu angehörten; zudem stehe das Grundstück im Eigentum des Vorsitzenden des Landesverbands der Partei „Die Rechte“. Wie auch bei früheren Konzerten der Band sei mit Straftaten nach § 86 a und § 130 StGB zu rechnen. Die behauptete nunmehrige Kehrtwende der Band im Umgang mit Straftaten auf ihren Konzerten sei (noch) nicht geeignet, den in der Vergangenheit auf früheren Konzerten gewachsenen Verursachungszusammenhang zwischen Bandauftritten und Straftaten von Mitgliedern der verfestigten Fangemeinde aus dem betreffenden Milieu zu unterbinden. Die zu erwartenden Straftaten könnten durch Auflagen nicht wirksam verhindert werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Sein Beschwerdevorbringen, das für die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts maßgeblich ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung des angegriffenen Beschlusses indes nicht. Im Einzelnen:

1. Die Ordnungsverfügung erweist sich voraussichtlich als formell rechtmäßig. Insbesondere leidet sie nicht unter dem vom Antragsteller behaupteten Anhörungsmangel. Der Bescheid vom 25. September 2013, der aufgrund eines offenkundigen Versehens mit dem Datum „23. September 2013“ bezeichnet ist, lässt seinem Inhalt nach erkennen, dass er die im Rahmen der Anhörung am 24. September 2013 erhobenen Einwendungen des Antragstellers berücksichtigt hat, indem er - etwa auf Seite 5 - ausdrücklich hierauf Bezug nimmt; auf die Heilungsmöglichkeiten nach § 45 Abs. 1 VwVfG kommt es deshalb hier nicht an.

2. Ebenso bestehen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine durchgreifenden Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung.

a) Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sind, dass die geplante Durchführung des Konzerts eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 13 Abs. 1 OBG begründet, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Verletzung von Strafvorschriften (insb. § 86 a, § 130 StGB) zu rechnen ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist diese Gefahrenprognose nicht auf bloße Vermutungen, sondern auf hinreichende Tatsachenfeststellungen gestützt.

So lässt sich der Erkenntnismitteilung des Polizeipräsidiums Brandenburg, Landeskriminalamt, vom 30. August 2013 entnehmen, dass die Musik der Band „Kategorie C - Hungrige Wölfe“ einen wesentlichen identitätsbildenden Faktor der gewaltbereiten Fußballszene darstellt. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden werden die Konzerte der Band regelmäßig von Personen besucht, die dem rechtsradikalen Milieu und dem radikalen Fußballmilieu angehören. Durch verschiedene Videos ist belegt, dass die Besucher der Konzerte dabei gegen Strafgesetze verstoßen haben (vgl. hierzu OVG Bremen, Beschluss vom 26. November 2011 - 1 B 309/11 - juris Rn. 9, dort auch die einschlägigen Internet-Fundstellen).

Weiter heißt es in der vorgenannten Erkenntnismitteilung: „Bei den Auftritten der Band besteht zu ihren Fans eine gefestigte und enge Bindung hinsichtlich ihrer Verhaltensweisen. Die Gruppe verfügt über eine gefestigte Fankultur. Ihre Anhän-ger touren mit der Band durch Deutschland bzw. Europa. Im Gegenzug dafür werden von den Fans das Anstimmen bestimmter Lieder bzw. Sprechchöre und sonstige einstudierte bzw. ritualisierte Meinungskundgebungen u.a. auch mit strafbaren Inhalten erwartet. Das beruht darauf, dass die einzelnen Darbietungen sich aus Teilen zusammensetzen, die von der Band vorgetragen werden und eine Gegenreaktion von Seiten des Publikums nach sich ziehen und zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen. In der Folge der Interaktion zwischen der Musikgruppe und Teilen des Publikums kommt es dann wiederholt auch zu strafbaren Handlungen.“

Die hiermit beschriebene Wechselwirkung zwischen Band und Konzertbesuchern wird durch den Auftritt der Musikgruppe erst veranlasst und zumindest von einzelnen Besuchern zu strafbaren Handlungen genutzt. Dass es sich bei dem Publikum der Band zu einem nennenswerten Teil um Hooligans und Rechtsextremisten handelt, wird durch die Ausführungen des Verfassungsschutzberichts Brandenburg 2011, Seite 111, bestätigt. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Veranstaltungsort um ein Grundstück des Rechtsextremisten handelt, das im Land Brandenburg eine der letzten Alternativen für rechtsextreme Veranstaltungen auf privatem Gelände darstellt (vgl. Verfassungsschutzberichte Brandenburg 2011, Seite 122, und 2012, Seite 128).

b) Diese Gefahrenprognose wird nicht durch die von der Beschwerde angeführten Umstände, auf die der Antragsteller seine abweichende Einschätzung stützt, widerlegt. So führt der Umstand, dass sich die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ seit Ende 2012 für ihre Konzerte eine „Hausordnung“ gegeben hat, mit deren Hilfe Straftaten anlässlich ihrer Konzerte verhindert werden sollen, nicht dazu, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnte. Auch die Einreichung einer Liederliste, auf der die besonders anstößigen, weil nahe der Volksverhetzung liegenden Stücke („Hoch auf dem gelben Wagen“, „U-Bahn-Song“, “Nobelpreislied“) nicht enthalten sind, vermag die Gefahrenprognose nicht außer Kraft zu setzen. Denn es ist nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellbar, dass die Band die behauptete „Kehrtwende“ im Umgang mit ihrem Publikum vollzogen hat, zumal sich die Konzertbesucher weiterhin aus demselben geschilderten rechtsextremen und gewaltbereiten Milieu rekrutieren werden. Zudem lässt auch der Umstand Zweifel aufkommen, dass auch noch in den Jahren 2012 und 2013 weiterhin ein Teil der Konzerte der Band unter konspirativen Umständen organisiert worden ist. Damit wird deutlich, dass sich die Band bislang nicht endgültig und nachhaltig von den früheren Verhaltensweisen distanziert hat. Das wäre aber zumindest erforderlich, um eine „Kehrtwende“ von langjährig eingeübten Ritualen, wie sie in der Erkenntnismitteilung des Landeskriminalamtes vom 30. August 2013 beschrieben sind, überzeugend darzustellen.

Vor diesem Hintergrund steht dem Konzertverbot der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die vom Antragsteller selbst angeregten Auflagen geeignet wären, die zu befürchtende Verletzung von Strafvorschriften mit der erforderlichen Effektivität zu verhindern. Die in Rede stehenden Auflagen mögen allenfalls geeignet sein, bereits eingetretene Strafverstöße wirksam zu verfolgen, nicht aber von vornherein zu unterbinden. § 13 Abs. 1 OBG dient indes nicht der Strafverfolgung, sondern der präventiven Verhinderung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 10. August 2012 - 3 M 663/12 - Seite 4 des Beschlussabdrucks).

c) Anderes ergibt sich schließlich nicht im Lichte der vom Antragsteller angeführten Grundrechte; das Verbot erweist sich auch insoweit als verhältnismäßig. Im Hinblick auf das vom Antragsteller angeführte Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) erscheint es schon zweifelhaft, ob dieses Grundrecht in Ansehung der ausdrücklichen Selbstdarstellung der Band als „apolitisch“ (vgl. Seite 2 der Beschwerdeschrift) im vorliegenden Zusammenhang überhaupt betroffen ist, weil es der Band nach eigenem Bekunden nicht auf eine Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung ankommt (vgl. hierzu OVG Bremen, Beschluss vom 26. November 2011 - 1 B 309/11 - juris Rn. 2). Ungeachtet dessen findet die Meinungsfreiheit ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen auch die hier in Rede stehenden Vorschriften der Strafgesetzbuches gehören.

Für die vom Antragsteller darüber hinaus gerügte Verletzung der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ist nach dem Maßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nichts ersichtlich. Die Kunstfreiheit schützt zwar neben der eigentlichen künstlerischen Tätigkeit (sog. „Werkbereich“) auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte, den sog. „Wirkbereich“ (vgl. BVerfGE 67, 213, 224). Gleichwohl stellen die zu befürchtenden Straftaten nach § 86 a und § 130 StGB, insbesondere die Verwendung von Parolen und Grußformeln verfassungswidriger Organisationen wie des sog. „Hitler-Grußes“, eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates dar, die auch im Lichte der Kunstfreiheit nicht hingenommen werden muss (vgl. OVG Magdeburg, a.a.O., Seite 4 des Beschlussabdrucks).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Von einer Reduzierung des Auffangwerts sieht der Senat im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache ab; die Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).