Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 31.07.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 S 95.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 60 VwGO, § 1 AktenE/InfZG BB, § 2 Abs 1 AktenE/InfZG BB, § 3 AktenE/InfZG BB, § 6 Abs 1 S 7 AktenE/InfZG BB, § 6 Abs 2 S 2 AktenE/InfZG BB |
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Oktober 2011 ist insoweit wirkungslos.
Im Übrigen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Oktober 2011 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Akteneinsicht in die Unterlagen über die Ausgaben für Repräsentation und Öffentlichkeitsarbeit der Jahre 2006 bis 2011 (Essenseinladungen im Namen des Ministerpräsidenten, die nicht durch den Ministerpräsidenten persönlich erfolgen, z.B. protokollarische Empfänge, Ehrenamtsempfänge oder Pressegespräche) unter Schwärzung rein privater Daten zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5000 EUR festgesetzt.
Soweit das Verfahren durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt und daher entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen ist, ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
Im Übrigen ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Oktober 2011 zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
1. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er hinreichend glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen zu sein (§ 60 Abs. 1 und 2 VwGO). Er hat vorgetragen, dass die bis dahin stets sorgfältig arbeitende Angestellte seines Prozessbevollmächtigten mit der Eintragung einer Vorfrist und des Fristablaufs beauftragt worden sei. Bei der Angestellten handele es sich um eine seit Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeitende zuverlässige Bürokraft, die bisher noch keine Frist übersehen oder versäumt habe.
Mit diesem Vorbringen ist eine unverschuldete Fristversäumung hinreichend dargetan. Ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten liegt nicht vor, da dieser die Notierung einer Vorfrist und einer Frist schriftlich auf dem per Fax zugegangenen Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2011 verfügt hat. Er kann, ohne dass ihm ein Verschulden zum Vorwurf gemacht werden könnte, die Berechnung der üblichen Fristen – hier der Beschwerdefrist nach § 147 Abs. 1 VwGO – in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und keine rechtlichen Schwierigkeiten bereiten, gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal überlassen (vgl. BVerwG NJW 1992, 852). Einer eigenverantwortlichen Überprüfung der Fristnotierung durch den Prozessbevollmächtigten bedurfte es daher nicht.
2. Nach summarischer Prüfung steht dem Antragsteller ein Anspruch auf Akteneinsicht in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.
Soweit der Antragsgegner den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits deshalb für unzulässig hält, weil der Antragsteller weder zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Verwaltungsgericht noch bei der Einreichung der Beschwerde einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Antragsgegner hat in dem durch Bescheid vom 25. November 2011 abgeschlossenen Verwaltungsverfahren den am 31. August 2011 auf dem Briefkopf der A…S… AG gestellten Antrag zutreffend dem Antragsteller zugeordnet. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Nachhinein aus dem (zweiten) Antrag des Antragstellers vom 7. Dezember 2011 sowie dem daraufhin ergangenen Bescheid vom 13. Dezember 2011.
a. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 1 des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG). Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist vorliegend eröffnet. Der Antragsgegner zählt grundsätzlich zu den anspruchsverpflichteten Behörden des Landes (§ 2 Abs. 1 AIG i.V.m. § 8 Abs. 1 Landesorganisationsgesetz - LOG). Dies gilt unabhängig davon, ob die Organisation und Durchführung der im Namen des Antragsgegners durchgeführten Veranstaltungen dem Regierungshandeln zuzuordnen ist. Denn nach der von dem Bundesverwaltungsgericht bestätigten Rechtsprechung des Senats zu der parallelen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) erfasst die Vorschrift alle staatlichen Stellen, die öffentliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung zuzuordnen sind. Damit unterfällt auch der Bereich des Regierungshandelns dem Anwendungsbereich des Gesetzes (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 – 7 C 3.11 sowie 7 C 4.11 – juris; Urteile des Senats vom 5. Oktober 2010 – OVG 12 B 6.10 und OVG 12 B 13.10 – juris).
Bei den Unterlagen über die Ausgaben für Repräsentation und Öffentlichkeitsarbeit (Essenseinladungen im Namen des Ministerpräsidenten, die nicht durch den Ministerpräsidenten persönlich erfolgen, z.B. protokollarische Empfänge, Ehrenamtsempfänge oder Pressegespräche) handelt es sich auch um Akten im Sinne von § 3 AIG, die amtlichen Zwecken dienen.
b. Soweit der Antragsgegner die Akteneinsicht aus Gründen des Geheimhaltungsinteresses Dritter, die an den protokollarischen Empfängen, Ehrenamtsempfängen und Pressegesprächen des Antragsgegners teilgenommen haben, verweigert, lässt er außer Acht, dass der Antragsteller sowohl erstinstanzlich als auch im Beschwerdeverfahren Akteneinsicht in die Spesenabrechnungen nur unter Schwärzung der rein privaten Daten beantragt hat. Die Berufung auf Geheimhaltungsinteressen Dritter ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, da der Antragsgegner mit seinen Bescheiden vom 25. November 2011 und 13. Dezember 2011 das Akteneinsichtsbegehren des Antragstellers im Übrigen zutreffend erfasst und Akteneinsicht sowohl hinsichtlich der Abrechnungsunterlagen über von ihm gegebene Essen als auch hinsichtlich der Reisekostenabrechnungen nur unter (teilweise) erfolgender Schwärzung privater Daten gewährt hat. Dem ist der Antragsteller, der das Verfahren insoweit für erledigt erklärt hat, nicht entgegen getreten.
c. Soweit der Antragsgegner den Anspruch auf Akteneinsicht wegen des aus seiner Sicht bestehenden unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwands nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AIG ablehnt, hat er dies bereits nicht hinreichend substantiiert. Dies ist jedoch erforderlich, weil der Verweigerungsgrund mit Blick auf den Grundsatz des freien Zugangs zu amtlichen Informationen eng auszulegen ist (vgl. Schoch, a.a.O., § 7 Rn. 69 f.). Da der Antragsgegner – wie oben dargestellt – nicht verpflichtet ist, in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem Geheimhaltungsinteresse Dritter vorzunehmen, sondern gegebenenfalls in den Spesenabrechnungen enthaltene private Daten schwärzen kann, sind Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auch nicht ersichtlich.
3. Soweit dem Antragsteller danach ein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht, liegt auch ein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vor.
Dem Antragsteller ist ein weiteres Abwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar, da dies – wie von ihm dargelegt – den Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglicherweise faktisch leerlaufen lassen würde. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hängt maßgeblich von der Aktualität der Berichterstattung ab, weshalb die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2010 – OVG 10 S 32.10 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bewertung des Informationsanliegens grundsätzlich der Presse obliegt. Diese muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht, wobei zu respektieren ist, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen Verdacht hin recherchiert und es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 – NJW 2001, 503, juris Rn. 29 f.; VerfG Bbg, Beschluss vom 21. April 2005 – 56/04 -, LKV 2005, 401, juris Rn. 40; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2010, a.a.O., Rn. 7).
Es geht dem Antragsteller vorliegend um die Beschaffung von Informationen, die im Zusammenhang mit der Verwendung öffentlicher Mittel durch den Antragsgegner stehen. Er gibt an, zu diesem Thema zu recherchieren und über – nicht näher offen gelegte – Hinweise zu Vermischungen von privaten und dienstlichen Interessen zu verfügen. Insoweit legt er einen Presseartikel vom 1. November 2011 vor, in dem er über Spesenabrechnungen des Ministers a.D. S… berichtet. Der Antragsteller hat damit das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hinreichend glaubhaft gemacht.
4. Soweit der Antragsteller darüber hinaus im Wege der Antragsänderung die Auskunft begehrt, wohin die Unterlagen für die Jahre 2004 und 2005 gegeben worden seien, ist sein Antrag unzulässig, da er nicht zuvor einen entsprechenden Antrag bei dem Antragsgegner gestellt hat. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des durch übereinstimmende Erklärung der Beteiligten erledigten Teils des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, da dieser den Antragsteller insoweit mit den inhaltlich übereinstimmenden Bescheiden vom 25. November 2011 und 13. Dezember 2011 klaglos gestellt hat. Hinzu kommt, dass § 6 Abs. 1 Satz 7 AIG ein subjektives Recht auf Bescheidung eines Antrags auf Akteneinsicht innerhalb eines Monats enthält. Der Antragsteller kann danach im Normalfall verlangen, dass die Monatsfrist für den Informationszugang eingehalten wird (zu der parallelen Regelung des § 7 IFG vgl. Schoch, IFG, § 7 Rn. 111). Ist dies im Einzelfall aus Gründen, die aus dem Informationsbegehren als solchem – nicht etwa der Arbeitsbelastung der Behörde – herrühren (vgl. dazu Schoch, a.a.O., Rn. 106), nicht möglich, besteht nach § 6 Abs. 1 Satz 7 Halbsatz 2 AIG ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenbescheides. Die auskunftspflichtige Stelle hat demnach im Falle der Verzögerung des Informationszugangs die Pflicht, dies dem Antragsteller mitzuteilen und auch zu begründen (vgl. Schoch, a.a.O., Rn. 107). Dem ist der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 29. September 2011 nicht ordnungsgemäß nachgekommen. In diesem wird dem Antragsteller lediglich mitgeteilt, dass sich der Antrag noch in der Prüfung befinde und man sich im Anschluss daran unverzüglich mit ihm in Verbindung setzen werde. Daraus wird weder ersichtlich, auf welchen Gründen die Verzögerung beruht, noch wird ein konkreter Entscheidungszeitpunkt in Aussicht gestellt. Dem Antragsteller dürfte daher bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses auch aus diesem Grund ein Anordnungsgrund zur Seite gestanden haben.
Soweit der Antragsteller mit seinem geänderten Antrag auf Auskunft über den Verbleib der Unterlagen aus den Jahren 2004 und 2005 unterlegen ist, handelt es sich um ein lediglich geringfügiges Unterliegen im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, das keine verhältnismäßige Teilung der Kosten erfordert.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG