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Entscheidung 26 Sa 147/14, 26 Sa 170/14


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 19.06.2014
Aktenzeichen 26 Sa 147/14, 26 Sa 170/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an eine Belastungsanalyse vor Anordnung von Bereitschafsdienst.

2. Die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich selbst dann nicht als volle Arbeitszeit zu behandeln, wenn der Arbeitgeber bei der Anordnung dieser Dienste gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen haben sollte oder die Anordnung erfolgte, obwohl es an der tariflich vorgesehenen Belastungsanalyse gefehlt hätte (vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 55 - NZA 2014, 264 mwN.; für das Fehlen einer Opt-out-Regelung auch BAG 24. März 2011 - 6 AZR 684/09 - AP Nr. 40 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arzt = ZTR 2011, 423, Rn. 28).

3. Selbst die rechtswidrige Anordnung von Bereitschaftsdienst hat nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie reguläre Arbeit zu behandeln ist. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leistet, bleibt Bereitschaftsdienst und wird nicht von selbst zu voller Arbeitsleistung mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch (vgl. BAG 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2 b der Gründe; 4. August 1988 - 6 AZR 48/86 - ZTR 1989, 147; 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - DB 2004, 138, zu B II 2 b der Gründe).

4. Der Arbeitnehmer kann die Leistung von gesetzwidrigen wie von vertragswidrigen Bereitschaftsdiensten verweigern und ggf. einen Annahmeverzug des Arbeitgebers herbeiführen. Als Sanktionen kommen die Straf- und Bußgeldvorschriften des ArbZG in Betracht (vgl. BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 503/02 - AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: DRK = EzA § 611 BGB 2002 Arbeitsbereitschaft Nr. 1, Rn. 62).

5. Bei der Zuweisung zu Belastungsstufen handelt es sich um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (so auch Dannenberg in: Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L § 43 Nr. 5 Rn. 25).

6. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen, ob der entsprechende Arbeitsanfall durch Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes abgedeckt werden soll (vgl. BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 15/99 - AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 61 = NZA 2000, 1243, Rn. 40).

7. Eine weitere Vergütung für die während der Bereitschaftsdienste geleistete Arbeit kommt in Betracht, wenn während der Bereitschaftsdienstzeiten in solchem Umfang Arbeit geleistet wird, dass eine volle Arbeitsleistung oder jedenfalls ein krasses Missverhältnis iSv. § 138 BGB zwischen der Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes und der hierfür gezahlten Vergütung angenommen werden kann (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 796/09 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Kirchendienst = NZA 2011, 698, Rn. 40).

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 7. November 2013 – 4 Ca 97/13 – teilweise abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als das Arbeitsgericht ihr stattgegeben hat. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht mit der Klage Vollzeitvergütung für Zeiten geltend, für die die Beklagte Bereitschaftsdienst angeordnet hat bzw. anordnet.

Er ist bei der Beklagten als Krankenpfleger in einer Rettungsstelle tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Anwendungstarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur im S.-Krankenhaus T. vom 19. Januar 2011 (MTV Sana T.) Anwendung. Das ist in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden. Der MTV Sana T. nimmt ua. einen Konzernmanteltarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der S.-Kliniken (K-MTV) in Bezug, in dem es unter § 25 (Bereitschaftsdienst/Rufbereitschaft) heißt:

„(1) Der Beschäftigte ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst).

Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mehr als 50 vH. beträg.

(8) Zum Zwecke der Entgeltberechnung wird nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet:

 Bereit-
schafts-
dienst-
Stufe

 Arbeitsleistung
innerhalb des
Bereitschaftsdienstes

 Bewertung
als
Arbeitszeit

 I     

 0 vH. bis 25 vH.

 45 vH.

 II    

 mehr als 25 vH. bis 40 vH.

 55 vH.

 III   

 mehr als 40 vH. bis 49 vH.

 65 vH.

Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes, die als Arbeitszeit gewertet wird, werden die individuellen Stundenentgelte gemäß § 2 E-TV M/W/I Sana gezahlt.

(9) Die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes erfolgt durch die Betriebsparteien.“

Eine Betriebsvereinbarung über die Stufenzuweisung gibt es nicht.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die als Bereitschaftsdienst bezeichneten Arbeitszeiten in der Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2012 (insoweit vom Zahlungsantrag erfasst), aber auch die in der Folgezeit, seien wie Vollarbeitszeit zu vergüten. Bereitschaftsdienst habe nicht angeordnet werden dürfen. Er hat behauptet, im Durchschnitt aller Belegschaftsmitglieder in der Rettungsstelle habe die Arbeitsleistung über 50 vH. der Arbeitsleistung bei Vollarbeit gelegen. Seine eigene Arbeitsauslastung habe ausweislich der Belastungsdokumentation eine Arbeitsbelastung von 51,8 vH. während der Bereitschaftsdienste ausgemacht. Außerdem fehle es an der nach § 25 Abs. 9 K-MTV geforderten Regelung der Betriebspartner und an einer Opt-out-Regelung nach § 7 Abs. 2a ArbZG, wobei Letzteres nicht streitig ist. Die Einführung eines Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit führe zu vorübergehend nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit. Er (der Kläger) habe eine Opt-out-Vereinbarung nicht unterzeichnet, was unter den Parteien ebenfalls unstreitig ist.

Der Kläger hat beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.362,92 Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 8. August 2013 zu zahlen,
2.hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Zeiten, die er in der Bereitschaftszeit von Monat bis Freitag von 21:57 Uhr bis 7:30 Uhr und samstags sowie sonn- und feiertags von 19:30 Uhr bis 7:30 erbringt, als Vollarbeit zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei zutreffend in Bereitschaftsdienst-Stufe III eingeordnet worden. Selbst nach seiner Eigenanalyse habe keine über 50 vH. liegende Arbeitsbelastung bestanden. Im Rahmen der Ermittlung während der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2011 habe sich für den Kläger eine Aktivzeit von 47,46 vH. ergeben. Auch die Aktivzeit aller Belegschaftsmitglieder der Rettungsstelle zusammen genommen habe unter 50 vH., nämlich bei 46,52 vH. gelegen. Der Betriebsrat habe mitbestimmt, indem er die monatlichen Dienstpläne abgezeichnet bzw. der tatsächlich eingeteilten Arbeitszeit zugestimmt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage wegen eines Teilbetrages in Höhe von 9.173,88 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Nach dem Tarifvertrag könne Bereitschaftszeit bei erfahrungsgemäß über 50 vH. anfallender Arbeitsleistung nicht angeordnet werden. Außerdem hätten die Betriebspartner die Stufenzuordnung nicht vorgenommen. Dementsprechend seien keine Rechte und Pflichten der Belegschaftsmitglieder entstanden. Soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat es das mit einer fehlenden rechtzeitigen Geltendmachung hinsichtlich der Monate Januar bis April 2012 begründet. Den Hilfsantrag hat es unter Hinweis auf die Ausschlussfristen und auf die Stattgabe des Hauptantrags abgewiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Dezember 2013 zugestellte Urteil am 17. Januar 2014 Berufung eingelegt und diese mit einem am 17. Februar 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 18. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 13. Januar 2014 Berufung eingelegt. Die Begründung der Beklagten ist bei dem Landesarbeitsgericht – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. März 2014 – am 17. März 2014 eingegangen.

Der Kläger wiederholt zur Begründung seiner Berufung und zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Er habe auch die Ansprüche für die Monate Januar bis April 2012 rechtzeitig geltend gemacht. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Feststellungsantrag zulässig. Die Beklagte habe schon keine objektive Ermittlung der Arbeitsleistung für den Bereitschaftsdienst vorgenommen. Auch habe sie den Kläger nicht richtig eingestuft. Die Belastungsanalysen seien in der belastungsextensiven Zeit durchgeführt worden. Die Rettungsstelle sei urlauberbedingt im Sommer stärker ausgelastet. Die Belastungsanalyse müsse über zwölf Monate durchgeführt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Arbeitszeiterfassung der Belegschaftsmitglieder nicht fehlerhaft und liege über 51,8 vH. Im Übrigen seien keine alternativen Arbeitszeitmodelle iSd. § 25 Abs. 2 Satz 2 K-MTV geprüft worden. Auch fehle es an einer Regelung durch Betriebsvereinbarung. Die Genehmigung der Dienstpläne sei nicht ausreichend. Dem Dienstplan sei nicht zu entnehmen, in welche Stufe angeordnete Bereitschaftsdienste eingeordnet würden.

Der Kläger beantragt,

1.das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 7. November 2013 – 4 Ca 97/13 – teilweise abzuändern und
a)die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den bereits zugesprochenen Betrag hinaus 2.189,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. August 2013 zu zahlen,
b)hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Zeiten, die der Kläger in der Bereitschaftszeit von Montag bis Freitag von 21:57 Uhr bis 7:30 Uhr sowie Samstag, Sonn- und Feiertags von 19:30 Uhr bis 7:30 Uhr erbringt, als Vollarbeit zu vergüten.
2.die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1.das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 7. November 2013 – 4 Ca 97/13 – teilweise abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als das Arbeitsgericht ihr stattgegeben hat,
2.die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie wiederholt ebenfalls zur Begründung der eigenen Berufung und der Erwiderung auf die Berufung des Klägers unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Selbst wenn Mitbestimmungsrechte verletzt worden seien, wovon sie angesichts der umfassenden Einbindung des Betriebsrats nicht ausgehe, könne das nicht zur Begründung individualrechtlicher Ansprüche führen. Sie erläutert, warum die Aufzeichnungen des Klägers und einer weiteren Kollegin korrekturbedürftig gewesen seien. Ergänzend verweist sie auf frühere Auswertungen – zB. in der Zeit von Juni 2009 bis September 2009 – mit noch niedrigeren Belastungsanteilen. In dem genannten Zeitraum sei eine Aktivzeit von 42,59 vH. ermittelt worden, was der Kläger nicht bestreitet.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 17. Februar, 17. März, 27. April und 11. Juni 2014 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2014.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufungen sind zulässig. Sie sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da die Klage unbegründet ist.

Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die Zahlung des geltend gemachten Vollzeitarbeitsentgelts. Die Beklagte hat an den Kläger die ihm zustehenden Beträge gezahlt. In § 25 Abs. 8 K-MTV ist die Vergütung von Bereitschaftsdienst geregelt. Die erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen hat die Beklagte vertretbar ermittelt. Die sich hieraus ergebenden Vergütungsansprüche hat der Beklagte erfüllt. Weitergehende Ansprüche ergeben sich weder aus Arbeitszeitrecht noch aus einer angeblichen Verletzung von Mitbestimmungsrechten.

1. Der K-MTV findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Darüber besteht unter den Parteien in der Berufungsinstanz kein Streit mehr. Der Klägervertreter hat dies in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klargestellt.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung der während der Bereitschaftszeiten geleisteten Arbeit wie bei Vollarbeit.

a) Der von dem Kläger geleistete Bereitschaftsdienst ist keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (vgl. BAG 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2 a der Gründe mwN.). Damit unterscheidet sich dieser Dienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt. Dieser qualitative Unterschied rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit. Die Tarifvertragsparteien dürfen deshalb Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen. So wie Tarifverträge anerkanntermaßen für besondere Belastungen wie Akkord-, Nacht- oder Schichtarbeit bzw. die Arbeit an Sonn- und Feiertagen einen höheren Verdienst vorsehen, können sie bestimmen, dass Zeiten geringerer Inanspruchnahme der Arbeitsleistung zu einer niedrigeren Vergütung führen. Dies ist sachgerecht; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt hierin nicht (vgl. BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - DB 2004, 138, zu B II 2 b der Gründe). Der K-MTV unterscheidet vergütungsrechtlich zwischen der Vergütung von Vollarbeitszeit und Bereitschaftsdienst. In § 25 Abs. 8 K-MTV ist die Vergütung von Bereitschaftsdienst geregelt. Die sich hieraus ergebenden Vergütungsansprüche hat der Beklagte erfüllt. Dass die tarifliche Vergütung für geleisteten Bereitschaftsdienst insgesamt niedriger ist als das Entgelt für volle Arbeitszeit, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

b) Die Beklagte konnte angesichts der Ergebnisse der im Wege der Selbstaufzeichnungen durchgeführten Belastungsanalysen davon ausgehen, dass in den umstrittenen Zeiträumen die Zeit ohne Arbeitsleistung nicht über 50 vH. der Arbeitszeit liegen werde.

aa) Nach § 25 Abs. 1 K-MTV setzt die Anordnung des Bereitschaftsdienstes voraus, dass die Zeit ohne Arbeitsleistung erfahrungsgemäß mehr als 50 vH. beträgt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Prognose davon ausgegangen ist, dass innerhalb des Bereitschaftsdienstes in der Rettungsstelle die Zeit ohne Arbeitsleistung mehr als 50 vH. betragen werde. Sie hatte zuletzt eine Arbeitszeitdokumentation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rettungsstelle in der Zeit von Oktober bis Dezember 2011 durchführen lassen, die nach ihren Berechnungen Aktivzeiten von durchschnittlich 46,52 vH. ergeben haben. Sie hat auch ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum Korrekturen an den Eigenermittlungen des Klägers und einer Kollegin erforderlich waren. Der Kläger ist dem nicht weiter entgegen getreten. Außerdem liegen die Ergebnisse auf einer Linie mit denen der vorangegangenen Untersuchungen aus den Vorjahren. Soweit der Kläger rügt, die Untersuchungen seien nur in den weniger arbeitsintensiven Wintermonaten durchgeführt worden und daher nicht repräsentativ, ist das durch die Ergebnisse der Untersuchung in den Monaten Juni 2009 bis September 2009 widerlegt.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte den Zeitraum der Arbeitszeitdokumentationen weder falsch noch zu kurz gewählt. Es handelte sich nicht um die erstmalige Anordnung von Bereitschaftsdienst in der Rettungsstelle. Die Beklagte hatte bereits in den Jahren 2007/2008 und 2009 Erfassungen unter Beteiligung der Klägerin durchgeführt, die jeweils Aktivzeiten von unter 50 vH. ergeben haben, in den Sommermonaten des Jahres 2009 (Juni bis September) eine Aktivzeit sogar nur von 42,59 vH. Der insoweit für den geltend gemachten Zahlungsanspruch darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht vorgetragen, woraus sich angesichts dieser Ergebnisse (und zwar auch für die Sommermonate, dh. der nach Darstellung des Klägers arbeitsintensiveren Zeit) noch eine höhere Arbeitsbelastung im Streitzeitraum ergeben sollte (so bereits LAG Berlin-Brandenburg 6. Juni 2014 – 8 Sa 84/14, zu II 2 der Gründe).

bb) Unabhängig davon führte auch eine von der Prognose später abweichende tatsächliche Belastung während der Bereitschaftsdienste hier nicht zu deren Unwirksamkeit. Selbst der vom Kläger genannte Betrag liegt noch unter 52 vH., was angesichts der geringen Varianz kein Indiz für eine fehlerhafte Prognose darstellt.

c) Ein Anspruch auf eine Vollzeitvergütung lässt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen § 7 Abs. 2a ArbZG (Opt-out-Regelung) herleiten. Selbst gegen Arbeitszeitrecht verstoßender oder ohne Belastungsanalyse angeordneter Bereitschaftsdienst führte nicht zu einem Anspruch des Klägers auf eine Vollzeitvergütung. Gleiches gölte bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 2 Satz 2 K-MTV.

aa) Die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich selbst dann nicht als volle Arbeitszeit zu behandeln, wenn der Arbeitgeber bei der Anordnung dieser Dienste gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen haben sollte oder die Anordnung erfolgte, obwohl es an der tariflich vorgesehenen Belastungsanalyse gefehlt hätte (vgl. BAG 16. Oktober 2013 – 10 AZR 9/13 – Rn. 55 - NZA 2014, 264 mwN.; für das Fehlen einer Opt-out-Regelung auch BAG 24. März 2011 – 6 AZR 684/09 – AP Nr. 40 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arzt = ZTR 2011, 423, Rn. 28).

bb) Selbst die rechtswidrige Anordnung von Bereitschaftsdienst hat nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie reguläre Arbeit zu behandeln ist. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leistet, bleibt Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch (vgl. BAG 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2 b der Gründe; 4. August 1988 - 6 AZR 48/86 - ZTR 1989, 147; 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - DB 2004, 138, zu B II 2 b der Gründe).

Aus mit § 25 K-MTV vergleichbaren Vorschriften über die Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdienst wird nicht nur abgeleitet, dass der tatsächliche Arbeitsleistungsanteil für sich gesehen rechtlich unerheblich ist und allenfalls indirekt als Indiz für den zu erwartenden Arbeitsleistungsanteil bedeutsam werden kann, sondern auch, dass der zu erwartende Arbeitsleistungsanteil nicht die Frage betrifft, ob Bereitschaftsdienst vorliegt, sondern nur die Frage, ob er angeordnet werden darf (vgl. BAG 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP BAT § 17 Nr. 12). Nach dieser Rechtsprechung bleibt Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen, gleichwohl Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung. Diese Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Bereitschaftsdienst hat der Senat Sechste Senat (4. Dezember 1986 - 6 AZR 123/84 - EzBAT BAT SR 2c Bereitschaftsdienst Nr. 1) bei der Unterscheidung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst fortgeführt. Er hat angenommen, dass dem Arbeitsanfall bei der Begriffsabgrenzung keine Bedeutung zukommt und dass die zu erwartende oder erfahrungsgemäß anfallende Arbeitsbelastung allein bei der Frage, ob Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst angeordnet werden darf, beachtet werden muss. Deshalb sei trotz der Unzulässigkeit der Anordnung von Rufbereitschaft eine Umdeutung in Bereitschaftsdienst ausgeschlossen. Im Urteil vom 25. April 2007 (6 AZR 799/06 - BAGE 122, 225, Rn. 16) hat der Sechste Senat unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 4. Dezember 1986 angenommen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich in Ausübung seines Weisungsrechts bestimmen darf, welche Art von Leistungen der Arbeitnehmer zu erbringen hat, also berechtigt ist, Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Überstunden anzuordnen (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 796/09 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Kirchendienst = NZA 2011, 698, Rn. 38).

Der Arbeitnehmer kann die Leistung von gesetzwidrigen wie von vertragswidrigen Bereitschaftsdiensten verweigern und ggf. einen Annahmeverzug des Arbeitgebers herbeiführen. Als Sanktionen kommen die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 22 f. ArbZG in Betracht; hinzuweisen ist schließlich auf die Durchführungsbestimmungen der §§ 16 f. ArbZG. Deshalb ist die von dem Kläger begehrte Vergütung auch nicht zur Durchsetzung des Arbeitszeitrechts erforderlich (vgl. BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 503/02 - AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: DRK = EzA § 611 BGB 2002 Arbeitsbereitschaft Nr. 1, Rn. 62).

d) Auch aus einem Unterbleiben der nach § 25 Abs. 9 K-MTV vorgesehenen Beteiligung des Betriebsrats bei der Zuordnung zu den Stufen des § 25 Abs. 8 K-MTV ergibt sich der durch den Kläger geltend gemachte Anspruch nicht.

aa) Es kann bereits eine Nichtbeteiligung des Betriebsrats bei der Stufenzuordnung nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass dem Betriebsrat die Analyseergebnisse – aus denen sich die Einordnung ergab – vorgelegt worden sind. Außerdem hat sie unwidersprochen vorgetragen, dass der Betriebsrat Einwendungen nicht erhoben hat, insbesondere auch nicht gegen die Dienstpläne, die aber nur dann korrekt gewesen sein können, wenn die Arbeitszeiten teilweise als Bereitschaftszeiten dargestellt worden sind. Dem Betriebsrat muss also die Zuordnung bekannt gewesen sein, ohne dass er hiergegen erkennbar Einwendungen vorgebracht hätte. Ein fehlendes Einverständnis des Betriebsrats können die Belegschaftsmitglieder der Wirksamkeit der Maßnahme dann nicht mehr entgegen halten.

bb) Allerdings handelt es sich bei der Zuweisung zu Belastungsstufen um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (so auch Dannenberg in: Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L § 43 Nr. 5 Rn. 25). Auch bei einer Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts ließen sich daraus aber keine Ansprüche auf die mit der Klage geltend gemachten Beträge rechtfertigen. Daraus könnte sich allenfalls ergeben, dass eine Einordnung in die Bereitschaftsdienststufe unwirksam wäre. Die Beklagte hat den Kläger aber bereits nach der höchsten Stufe eingestuft. Soweit es um Frage der Mitbeurteilung, also einer „Richtigkeitskontrolle“ im Einzelfall ginge, könnten sich daraus ohnehin keine Ansprüche auf eine höhere als die tariflich vorgesehene Vergütung ergeben (vgl. BAG 20. Februar 2008 - 4 AZR 53/07 - ZTR 2008, 607, Rn. 46).

e) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung wegen eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die Einführung eines Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit führt allerdings zu vorübergehenden, nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit. Der Betriebsrat hat danach auch mitzubestimmen, ob der entsprechende Arbeitsanfall durch Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes abgedeckt werden soll (vgl. BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 15/99 - AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 61 = NZA 2000, 1243, Rn. 40). Schon aus den oben unter 4a) dargelegten Gesichtspunkten kann sich der Kläger hier aber nicht auf eine angeblich unterbliebene Zustimmung des Betriebsrats berufen. Der Betriebsrat hat jedenfalls durch die praktische Handhabung sein Einverständnis dokumentiert. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung hilft dem Kläger hier schon vor diesem Hintergrund nicht weiter.

f) Auch andere Anspruchsgrundlagen für eine höhere Vergütung sind nicht ersichtlich (vgl. dazu BAG vom 28. Februar 2004 – 5 AZR 530/02 – NZA 2004, 656).

g) Allerdings käme eine weitere Vergütung für die vom Kläger während der Bereitschaftsdienste geleistete Arbeit in Betracht, wenn dieser während der Bereitschaftsdienstzeiten in solchem Umfang Arbeit geleistet hätte, dass eine volle Arbeitsleistung oder jedenfalls ein krasses Missverhältnis iSv. § 138 BGB zwischen der Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes und der hierfür gezahlten Vergütung angenommen werden könnte (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 796/09 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Kirchendienst = NZA 2011, 698, Rn. 40). Ein solches krasses Missverhältnis liegt hier jedoch nicht vor. Selbst wenn man vom Vortrag des Klägers ausgeht, hat er für knapp 52 vH. der Vollarbeitsleistung 65 vH. der Vollarbeitsvergütung erhalten.

3. Mangels eines Anspruchs auf die Hauptforderung stehen dem Kläger auch die begehrten Zinsen nicht zu.

III. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ihm steht nach dem unter II. Ausgeführten bereits keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung zu. Die Frage einer rechtzeitigen Geltendmachung ist daher nicht mehr von Belang.

Den Feststellungsantrag hat die Kammer so verstanden, dass mit ihm die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung der Bereitschaftszeiten wie Vollarbeitszeit für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 - also nach dem durch den Zahlungsantrag erfassten Zeitraum - begehrt wird. Damit ist er als Inzidentfeststellungsantrag zulässig. Nach der Berufungsbegründung ist er auch für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellt worden. Er ist aber aus den Gründen zu II. unbegründet. Der Kläger hat für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 keine andere Begründung vorgetragen als für die Zeit davor.

IV. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der seiner eigenen erfolglosen Berufung zu tragen.

V. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.