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LWK-2-Franktur, Bandscheibenvorfall, ursächlicher Zusammenhang


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 09.06.2011
Aktenzeichen L 3 U 599/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 8 SGB 7

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2006.

Der 1947 geborene Kläger war seit 1974 als Paketzusteller beschäftigt. Bei ihm ist seit 2002 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 u. a. wegen „Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, rezidivierendes Cervikal- und Lumbalsyndrom, Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich“ anerkannt (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales B vom 18. Dezember 2002).

Am 17. Februar 2006 um 10:30 Uhr rutschte er bei Eisglätte während der Entladetätigkeit aus und fiel auf den Rücken (Angaben im H-Arzt-Bericht des Chirurgen F vom selben Tag). Er begab sich sofort in ärztliche Behandlung, wo er über einen Ruhe-Belastungsschmerz im unteren Lendenwirbelsäulenbereich bei intakter Motorik und Sensorik klagte. Es fand sich eine Weichteilschwellung im Basisbereich des 5. Mittelfußknochens links. Anhand der Röntgenaufnahmen wurde der Verdacht auf einen dislozierten Basisausriss des V. Mittelfußknochens geäußert und eine Lendenwirbelsäulen-Becken-Prellung diagnostiziert. Auf Veranlassung des H-Arztes stellte der Kläger sich noch am selben Tag bei dem Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. T im V Klinikum S vor. Dort wurde zunächst eine dorsale Unterschenkelgipsschiene links angelegt. Es bestand Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfalltag. Inzwischen befindet sich der Kläger im Vorruhestand.

Am 20. Februar 2006 stellte sich der Kläger dort erneut zur Vorbereitung der stationären Aufnahme für eine operative Versorgung der dislozierten Fraktur an der Basis des Os metatarsale links vor. Er klagte dabei über anhaltende Rückenschmerzen. Festgestellt wurde ein deutlicher Druckschmerz in Höhe des 2. Lendenwirbelkörpers (LWK). Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule (LWS) zeigten eine Deckplatteneinsenkung und Keilbildung der Vorderkante LWK 2, deren Alter unklar war. Ein frischer Anteil bei vorbestehender Osteochondrose wurde für möglich gehalten. Es fanden sich weiterhin deutliche degenerative Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylosis deformans insbesondere der unteren Brustwirbelsäulen(BWS)-Segmente sowie L5/S1. Eine Computertomographie (CT) des 2. LWK vom selben Tag wies eine vordere obere Kantenabsprengung bei vermutlich vorbestehender zentraler Eindellung der Deckplatte des 2. LWK nach. Hinweise für eine traumatische Bandscheibenhernierung oder eine Mitbeteilung der Hinterkante fanden sich nicht. Auch die CT ergab eine Spondylosis deformans sowie Spondylarthrosen der untersuchten Region. Am 24. Februar 2006 wurde eine offene Reposition der Mehrfragment-Fraktur an der linken Metatarsale durchgeführt.

Die Beklagte nahm die Ermittlungen auf und holte zunächst ein Vorerkrankungsverzeichnis der Deutschen BKK vom 07. März 2006 sowie eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. V vom 03. April 2006 ein. Am 20. Juni 2006 stellte sich der Kläger zur Kontrolle bei Dr. T vor, wo der Kläger über anhaltende Beschwerden im unteren Bereich der LWS mit Ausstrahlung in den rechten Beckenkamm berichtete. Eine Röntgenuntersuchung vom selben Tag ergab eine knöcherne Konsolidierung der LWK-2-Vorderkantenfraktur. Dr. T ging davon aus, dass die jetzigen lumbalgischen Beschwerden in Höhe LWK 4/5 bei Spondylosis deformans unfallfremd seien. Diesbezüglich liege auch der Befund einer Magnetresonanztomographie (MRT) vom 23. Januar 2004 vor, in welchem eine degenerativ bedingte Spinalkanalstenose bei L4/5 beidseits mit foraminaler Einengung festgestellt werde. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich bis Ende Juni 2006 an. Die Behandlung zu Lasten der Beklagten wurde am 23. Juni 2006 beendet.

Am 26. Juli 2006 stellte sich der Kläger auf Veranlassung der Beklagten im Unfallkrankenhaus B(UKB) vor. In dem am 26. Juli 2006 erstellten Zwischenbericht gelangten Prof. Dr. E/Dr. D zu dem Schluss, nach knöchern verheilter stabiler Fraktur des 2. LWK bestehe ab dem 21. Juni 2006 Arbeitsfähigkeit. Eine Weiterbehandlung der LWS-Beschwerden solle zu Lasten der Krankenversicherung durchgeführt werden. MRT-Aufnahmen vom 21. Juli 2006 zeigten eine nicht mehr frische Impressionsfraktur der Deckplatte des 2. LWK ohne Hinterkantenbeteiligung. Im Segment L4/5 finde sich eine Protrusion mit Kontakt zu beiden abgehenden Nervenwurzeln L5 ebenso wie beidseits deutliche Spondylarthrosen, eine konsekutive relative Spinalkanalstenose und im Segment L5/S1 ein aktivierte mäßige Osteochondrose bei geringer Protrusion der deutlich höhengeminderten Bandscheibe und beidseitigen Spondylarthrosen.

Nachdem am 17. August 2006 im Bundeswehrkrankenhaus B eine Operation der Bandscheibe L4/5 durchgeführt worden war, vertrat der Kläger in einem Schreiben an die Beklagte vom 01. September 2006 die Auffassung, der operierte Bandscheibenvorfall sei Folge des Unfalls vom 17. Februar 2006.

Mit Bescheid vom 21. September 2006 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 17. Februar 2006 als Arbeitsunfall an. Die ab dem 21. Juni 2006 geklagten Beschwerden im Bereich der LWS und der Bandscheiben seien nicht Folgen des Arbeitsunfalls. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung würden insoweit nicht gewährt. Nach dem Bericht des Prof. Dr. E vom 26. Juli 2006 bestehe bei dem Kläger bereits seit vier bis fünf Jahren ein chronisches Bandscheibenleiden.

In seinem Widerspruch bestritt der Kläger, seit vier bis fünf Jahren an einem chronischen Bandscheibenleiden zu leiden. Er habe in der Vergangenheit lediglich gelegentlich Rückenschmerzen gehabt. Da Bandscheibenbeschwerden in der vorliegenden Form vor dem Unfall nicht bestanden hätten, müssten diese auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sein. Darüber hinaus seien auch die Beschwerden am linken Fuß nicht ausgeheilt. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. V vom 29. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2007 zurück. Rechtlich wesentliche Ursache für die über den 20. Juni 2006 hinaus bestehenden Beschwerden im Bereich der LWS seien nach ärztlicher Feststellung die erheblichen degenerativen Veränderungen in diesem Bereich.

Im Rahmen seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin vorgetragen, vor dem Unfall nicht unter chronischen Beschwerden im Bereich der LWS gelitten zu haben.

Das SG hat Beweis erhoben und den Orthopäden Dr. W-R mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. In seinem am 01. April 2008 nach einer Untersuchung des Klägers am selben Tag fertig gestellten Gutachten ist er zu dem Schluss gelangt, bei dem Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:

-Zustand nach folgenlos verheilter LWK-2-Fraktur mit geringer Verformung
-Anlagebedingter Morbus Scheuermann mit Schmorl´schen Knötchen im Bereich der unteren BWS
-Ausgeprägte degenerative Veränderungen der unteren BWS mit Spangen-osteophyten und Osteochondrosen
-Ausgeprägte Segmentarthrose der Etage L4/5 mit Zustand nach Nukleotomie und laminärer Fensterung beidseits
-Ausgeprägte Osteochondrose des Segmentes L5/S1 und rezidivierende Nervenwurzelreizerscheinungen L5 links
-Zustand nach Fraktur der Basis des Os metatarsale V links ohne messbare Funktionsstörungen
-Mittelgradiger Senk-Spreizfuß beidseits und beginnende Großzehengrundgelenksarthrose links.

Unstreitig sei es durch die Anprallverletzung mit dem linken Fuß zu einer Fraktur der 5. Mittelfußbasis gekommen, die fachgerecht operativ versorgt worden sei. Traumatische Residuen oder Verheilungsstörungen ließen sich auch unter Würdigung aller vorhandenen Bilddokumente und klinischen Untersuchungsprotokolle nicht nachweisen. Gründe für eine verminderte Belastungsfähigkeit des linken Fußes ließen sich nicht finden.

Die in den CT- und Röntgenaufnahmen vom 20. Februar 2006 erkennbaren Strukturveränderungen im Bereich des 2. LWK seien ebenfalls als traumatisch einzustufen. Eine Begleitläsion der Bandscheibe selber sei in diesem Bereich nicht eingetreten. Die LWK-2-Fraktur sei folgenlos ausgeheilt und habe keine relevanten Veränderungen hinterlassen. Die Deformierung des Wirbelkörpers im Sinne einer vorderen Abflachung sei als äußerst geringgradig einzustufen. Eine Auswirkung auf die Wirbelkörperstatik sei nicht ersichtlich. Neurologische Ausfallerscheinungen betreffend das Segment L 1 bis 3 hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Allerdings habe zum Zeitpunkt des Unfalls bereits ein deutlich vorgeschädigtes Achsorgan vorgelegen, die MRT-Aufnahmen von 2004 objektivierten dies. Die Residuen des Morbus Scheuermann im Bereich der unteren BWS seien auch in den aktuellen Röntgenaufnahmen erkennbar. Zudem seien bereits 2004 die unteren LWS-Abschnitte deutlich degenerativ verändert gewesen und hätten eine knöchern bedingte Spinalkanalstenose des Segmentes L4/5 ebenso wie korrespondierende Spondylarthrosen aufgewiesen. Entscheidungserheblich sei weiterhin, dass die CT-Aufnahmen drei Tage nach dem Unfall zwar traumatische Veränderungen am LWK 2 ausgewiesen hätten, jedoch keinerlei verletzungsbedingte Korrelate auf der unteren LWS. Traumatische Veränderungen an den Wirbelkörperdeckplatten oder den Bandscheiben der unteren LWS hätten sich nicht nachweisen lassen. Dies bedeute, dass das Unfallereignis selber keine richtunggebende Verschlimmerung der vorbestehenden Veränderungen an der unteren LWS habe bewirken können, da es an einem entsprechenden bildmorphologischen traumabedingten Korrelat fehle. Dies werde von den nachfolgenden MRT-Aufnahmen bestätigt. Die Argumentation, dass es durch den Sturz zu einer richtunggebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens an der Bandscheibe L4/5 gekommen sei, lasse sich nicht belegen. Auch habe die LWK-2-Fraktur keinerlei Einfluss auf die Beschwerdeentwicklung im Bereich der unteren LWS gehabt. Die Symptome, welche sich auf die oberen LWS-Abschnitte bezogen hätten, seien von Anfang an geringgradiger ausgeprägt gewesen. Das auch heute noch bestehende Beschwerdebild beziehe sich ausschließlich auf die untere LWS, die durch den Unfall nicht primär betroffen worden sei. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass im Vordergrund der morphologischen Veränderungen die knöchernen Abnutzungen des Segmentes L 4/5 stünden. Die Auswirkungen auf den Spinalkanal und den Nervenrezessus seien bereits im Jahre 2004 beschrieben worden und erkennbar gewesen. Die Bandscheibe selber sei auf diesem Segment nachrangig geschädigt worden. Die histologische Untersuchung im Bkrankenhaus habe außerdem deutliche degenerative Schäden nachgewiesen. Schließlich könne eine Bandscheibenschädigung nur dann als traumatisch angesehen werden, wenn zuvor die umliegenden Gewebe primär betroffen seien (Kriterium der minimalen Begleitläsion). Ein derartiges Verletzungsmuster sei hier zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen. Letztlich seien Nervenwurzelreizerscheinungen erst 10 Tage nach dem Unfallgeschehen eingetreten. Würde man unterstellen, dass es durch den Unfall zu einer Schädigung der Bandscheibe L4/5 gekommen wäre, so hätte sich innerhalb der ersten 24 Stunden ein entsprechendes neurologischen Krankheitsbild entwickeln müssen.

Unfallbedingt sei es demzufolge nur zu Brüchen im linken Mittelfuß und des 2. LWK gekommen. Dem Gutachten waren ein MDK-Gutachten vom 20. März 2007 sowie der MRT-Befund vom 26. Januar 2004 beigefügt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 08. Juli 2008 ist der Sachverständige bei seiner Beurteilung verblieben.

Das SG hat die Klage durch Gerichtbescheid vom 02. September 2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 20. Juni 2006 hinaus, da ab dem 21. Juni 2006 keine Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens mehr nachweisbar seien, insbesondere seien die über den 20. Juni 2006 hinaus bestehenden Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Bandscheiben nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2006. Zur weiteren Begründung hat es sich auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Dr. W-R gestützt.

Mit seiner hiergegen vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren fort. Insbesondere der operierte Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 sei Folge des Arbeitsunfalls. Das Gutachten des Dr. W-R sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

1.den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. September 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 abzuändern,
2.festzustellen, dass die ab dem 21. Juni 2006 beklagten Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Bandscheiben insbesondere bei L 4/5 eine Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2006 sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Dass die anhaltenden Beschwerden des Klägers nicht unfallbedingt seien, ergebe sich auch aus den in der Schwerbehindertenakte des Klägers befindlichen Unterlagen aus den Jahren 2000 bis 2002. Insbesondere lasse sich den Unterlagen bereits im Jahre 2001 ein Bandscheibenvorfall bei L4/5 entnehmen. In einem Bericht vom 14. Januar 2002 habe der damals behandelnde Arzt Dr. F angegeben, beim Kläger ein LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall L4/5 diagnostiziert zu haben und auf einen MRT-Befund vom 09. Oktober 2001 verwiesen.

Der Senat hat den Reha-Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik L vom 02. Oktober 2006, eine Gesamtleistungsauskunft der Deutschen BKK – West für den Zeitraum ab Februar 2006, eine Patienteninformation nach § 305 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin und einen Befundbericht von dem Chirurgen A vom 06. März 2009 eingeholt. Außerdem hat der Senat die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und Auszüge hieraus in den Rechtsstreit eingeführt. Des Weiteren hat der Senat den OP-Kurzbericht vom 17. August 2006 und den Pathologiebefund vom 21./23. August 2006 beigezogen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Handchirurgie Dr. K mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem am 02. Januar 2010 nach einer Untersuchung des Klägers am 08. September 2010 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:

-Zustand nach osteosynthetisch versorgter Metatarsale-V-Basisfraktur links; Zustand nach Materialentfernung Metatarsale-V-Basis
-LKW-2-Fraktur (stabil, ohne Beteiligung der Hinterkante); Keildeformierung LWK 2 mit deutlicher ventraler Spangenbildung, Osteochondrose und Spondylarthrose
-Zustand nach Exzision der Bandscheibe mit Radikulokompression L4/5 beidseits sowie Exzision der Wirbelbögen und angrenzenden Strukturen L4 links sowie Entfernung eines freien Sequesters Bandscheibe L4/5 und intraligamentärer Fensterung L4/5 beidseits unter mikrochirurgischer Technik vom 17. August 2006 bei Bandscheibenprolaps L4/5; Postnukleotomiesyndrom
-Osteochondrose und Spondylarthrose LWS und im Bereich des Übergangs zur BWS
-Protrusion L4/5 mit konsekutiver relativer Spinalkanalstenose im diesem Bereich und Spondylarthrose beidseits
-Protrusion L5/S1
-Schultergelenksarthrose und Impingementsyndrom beidseits
-Metatarsalgie beidseits bei Senk-Spreizfuß
-rezidivierendes Zervikal- und Lumbalsyndrom.

Die Metatarsale-V-Basisfraktur links, die LWK-2-Fraktur sowie bedingt auch das Lumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik bei absoluter Spinalkanalstenose und Bandscheinvorfall L4/5 mit Sequesterbildung seien mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt. Das Lumbal- bzw. Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Exzision der Bandscheibe und der Wirbelbögen sowie Sequesterentfernung L4/5 und intraligamentärer Fensterung beidseits sei zu einem geringen Anteil auf das Unfallereignis zurückzuführen. Wesentliche Ursache für die daraus resultierenden Gesundheitsstörungen seien jedoch die vorbestehende degenerative Veränderung der unteren LWS im Sinne einer Osteochondrose und Spondylarthrose sowie das Vorliegen einer degenerativ bedingten Spinalkanalstenose L4/5 beidseits mit foraminaler Enge. Im Rahmen des Unfallereignisses sei es nicht nur zu einer Fraktur des LWK 2 gekommen, sondern auch zu einer weiteren Schädigung der allerdings degenerativ vorgeschädigten LWS. Es sei bekannt, dass bei Vorliegen solcher Vorschäden das am meisten vorgeschädigte Segment bei einem Unfallereignis weiter verletzt bzw. geschädigt werde. Bei dem vorliegenden Unfallereignis sei es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer Schädigung der Etage L4/5 gekommen, die im weiteren Verlauf hinsichtlich der klinischen Symptome von dem radiologisch ersichtlichen Akutereignis überdeckt worden sei. Das Unfallereignis sei der letzte Auslöser eines völligen „Zusammenbruchs“ der bereits vorgeschädigten Etage L4/5 gewesen. Die Metatarsale-V-Fraktur sei annähernd folgenlos ausgeheilt. Die jetzt aufgetreten Beschwerden im Sinne einer beidseitigen Metatarsalgie bei Vorliegen eines degenerativ bedingten Senk-Spreizfußes seien zu einem hohen Prozentsatz unfallunabhängig. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS seien bisher nicht ausgeheilt. Eine Ausheilung werde hinsichtlich der LWK-2-Fraktur auch nicht eintreten, da es sich um eine typische Keildeformierung des LWK 2 nach stattgehabter Fraktur handele. Diese könne unweigerlich aufgrund der veränderten Statik zu einer Beschwerdesymptomatik führen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt klage der Kläger über Beschwerden im Sinne eines chronifizierten Lumbalsyndroms, welches einerseits auf die Deformierung und damit zusammenhängende veränderte Statik bei Zustand nach LWK-2-Fraktur und andererseits auf das Postnukleotomiesyndrom zurückzuführen sei. Dem Gutachten waren Unterlagen des Klägers, unter anderem ein Arztbrief des Prof. Dr. G über eine CT-gestützte Infiltrationstherapie vom 07. November 2002 (Indikation: Protrusion des Diskus L4/L5, Prolaps des Diskus L5/S1) und ein EMG-Befund vom 21. Oktober 2002, beigefügt.

Die Beklagte vertritt unter Verweis auf eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. V vom 29. März 2010 die Auffassung, das Gutachten sei widersprüchlich und nicht verwertbar.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2010 hält der Sachverständige seine Beurteilung aufrecht. Er führt unter anderem aus, die bereits vor dem Unfallereignis vorliegenden strukturellen Veränderungen der Etage L4/5 seien durch das Unfallereignis richtunggebend verschlimmert worden. Ein Bandscheibensequester habe vor dem Unfallereignis nicht vorgelegen. Bei einem Sturzereignis auf den Rücken, gerade bei Vorliegen degenerativer Veränderungen der LWS, liege nicht nur das Punctum maximum der Schädigung in der Etage, welche die knöcherne Verletzungsfolge aufweise, sondern durchaus auch in den unmittelbar darüber bzw. darunter liegenden Etagen. Aufgrund der Tatsache vorliegender degenerativer Veränderungen sei die Wirbelsäulenstatik sicherlich vor dem Unfallereignis pathologisch verändert gewesen. Diese Tatsache erhöhe gleichzeitig die Möglichkeit einer Schädigung von Etagen nicht nur der knöchernen Strukturen, sondern gerade auch der Zwischenwirbelbereiche, also der Bandscheibenstrukturen.

Die Beklagte kann sich diesen Ausführungen nicht anschließen und nimmt Bezug auf eine Stellungnahme des Dr. V vom 12. Juli 2010.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. W-R vom 13. September 2010 eingeholt. Die von Dr. K formulierte Auffassung, es sei bekannt, dass beim Vorliegen von Vorschäden das am meisten vorgeschädigte Segment dann bei einem Unfallereignis weiter verletzt bzw. geschädigt werde, entbehre jeglicher medizinischen Grundlage. Hierfür gebe es keinen Beleg. Man könne auch umgekehrt argumentieren, dass die Verknöcherungsprozesse im Zuge einer langjährigen Degeneration zu einer Abstützung der geschädigten Etage L4/5 geführt hätten. Ein üblicherweise nicht als adäquat einzustufender äußerer Reiz könne auf einer vorgeschädigten Wirbelsäulenetage eine erhöhte Schmerzhaftigkeit auslösen, keinesfalls bedeute dies aber, dass dies mit strukturellen Zusatzschäden verbunden sei. Dr. K betone zwar immer wieder, es sei zu einer unfallbedingten Verschlimmerung des degenerativen Vorschadens gekommen, erkläre jedoch nicht, welche Veränderung hiermit gemeint sei. Er gehe mit keinem Wort darauf ein, dass eine direkte strukturelle Traumafolge des Segmentes L4/5 in den diagnostischen Verfahren nicht belegt worden sei. Bereits in dem MRT-Aufnahmen vom 23. Januar 2004 habe die Etage L 4/5 den exakt gleichen Befund aufgewiesen, wie er im Juli 2006 aufgedeckt worden sei: Protrusion, hochgradige Osteochondrose, Recessustenose. Demnach sei weder an den knöchernen Deckplatten, dem Bandscheibenfach selber, den knöchernen Nervenaustrittsöffnungen noch vor allem an der Bandscheibe ein traumatischer Einfluss zu objektivieren.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Die über die bereits als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen in Form einer stabil verheilten Fraktur des 2. LWK, einer ebenfalls verheilten Metatarsale-V-Basisfraktur sowie einer abgeklungenen LWS-Becken-Prellung hinausgehenden Gesundheitsstörungen „Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Bandscheiben, insbesondere bei L 4/5“ sind nicht als Unfallfolgen festzustellen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG).

Unstreitig hat der Kläger am 17. Februar 2006 einen Arbeitsunfall erlitten, als er beim Entladevorgang auf der eisglatten Straße ausrutschte, mit dem Rücken auf einen Eishügel fiel und gleichzeitig mit dem linken Fuß gegen die metallene Laderampe des Zustellfahrzeugs stieß (vgl. die Schilderung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W-R am 01. April 2008). Hierbei erlitt er ebenfalls unstreitig eine Deckplattenimpressionsfraktur des 2. LWK, eine Metatarsale-V-Basisfraktur links sowie eine LWS-Becken-Prellung. Wegen dieser unfallbedingten Gesundheitsstörungen und deren Behandlung hat der Kläger bereits Leistungen der Beklagten in Form von Heilbehandlung und Verletztengeld bis zum 20. Juni 2006 erhalten. Die Prellungen und die Frakturen sind jedoch stabil und weitgehend folgenlos ausgeheilt, darüber hinausgehende Gesundheitserstschäden sind bei dem Unfall nicht entstanden. Dies ergibt sich – wie schon das SG aufgezeigt hat – aus dem nachvollziehbaren, ausführlichen und fachgerechten Gutachten des Orthopäden Dr. W-R vom 01. April 2008 nebst der ergänzenden Stellungnahmen vom 08. Juli 2008 und 13. September 2010. Danach ist es bei dem Unfall zu keinen strukturellen Verletzungen der LWS außerhalb des LWK 2 gekommen.

Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Arbeitsunfalls muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, z. B. bei einem Sprunggelenksbruch, der zu einer Versteifung führt, oder direkt, z. B. bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungs-amt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; stRspr vgl. u. a. Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 sowie vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig" oder „annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 69 zu § 542 a. F. RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 1.5.2). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 75; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – a. a. O.).

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Es gilt der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 2.3.4.3).

Ausgangsbasis für die Feststellung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnistandes müssen die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich sein (vgl. u. a. Fritze, Ärztliche Begutachtung, 6. Aufl. 2001, Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl. 2010; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.; Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 2004; Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. Aufl. 2009). Außerdem sind, soweit sie vorliegen und einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen sowie andere aktuelle Veröffentlichungen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R - a. a. O.). Die verschiedenen Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen.

Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R - a. a. O.; BSG in SozR Nr. 33 zu § 128 SGG). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand stellt die wissenschaftliche Grundlage dar, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind (vgl. BSG in SozR Nr. 61 zu § 542 RVO). Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das objektivierte individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a. a. O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. BSG in SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; Urteil vom 07. September 2004 - B 2 U 34/03 R – und vom 02. April 2009 -, jeweils in Juris). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei dem Kläger im weiteren zeitlichen Verlauf nach dem Arbeitsunfall diagnostizierten Erkrankungen - (operierter) Bandscheibenvorfall L 4/5 und Postnukleotomiesyndrom - auf den Arbeitsunfall bzw. die Deckplattenimpressionsfraktur des 2. LWK zurückzuführen sind.

Bei dem Kläger bestanden bereits vor dem Arbeitsunfall vom 17. Februar 2006 gravierende degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, wegen welcher er auch immer wieder Beschwerden hatte und behandelt wurde.

Bereits in einem Befundbericht des damals behandelnden Orthopäden S vom 28. August 2000 für das Landesamt für Gesundheit und Soziales B wurde von einem chronischen Lumbalsyndrom und einer eingeschränkten Beweglichkeit berichtet. In einem weiteren Befundbericht für das Landesamt für Gesundheit und Soziales des Internisten Dr. S vom 01. September 2000 wurden Wirbelsäulenbeschwerden wegen einer Spondylosis der HWS und LWS mit Radikulitis angegeben. Der Chirurg F berichtete unter dem 14. Januar 2002 gegenüber dem Landesamt für Gesundheit und Soziales von rezidivierenden Schmerzattacken im unteren LWS-Bereich mit Ausstrahlung betont in das rechte Bein und stellte die Diagnose „LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall L4-5“. Ein MRT-Befund der LWS vom 09. Oktober 2001 zeigte degenerative Veränderungen der gesamten LWS und insbesondere bei L 4/5 eine deutliche Kompression der Liquorsäule bei dorsaler flacher, breitbasiger, ausgeprägter Protrusio/Prolabierung und ausgeprägter Hypertrophie der Ligamenta flava bei Spondylarthrosis, zusätzlich Enge der Neuroforamina beidseits, deutliche Sekundärstenose des Spinalkanals. Dr. S berichtete in einem weiteren Befundbericht vom 11. September 2002 u. a. von einem Klopfschmerz der gesamten Wirbelsäule. Anlässlich einer Begutachtung für das Landesamt für Gesundheit und Soziales B am 06. Dezember 2002 beklagte der Kläger ständige Rückenschmerzen mit Taubheitsgefühl im linken Oberschenkel und beim Laufen stechende Schmerzen im rechten Fuß. Es bestand eine Funktionsbehinderung im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Der MRT-Befund der LWS vom 26. Januar 2004 bestätigte die bereits 2001 gesehenen degenerativen Veränderungen. Im Segment L4/5 führten die hypertrophierten Ligamenta flava und die Hypertrophie der Facettengelenke zu einer bipediculären und sagittalen Verschmälerung des Spinalkanals. Die signalgeminderte Bandscheibe überragte medial gering die Wirbelkörperzirkumferenz und pelottierte die Durasackvorderfläche.

Wesentliche Änderungen gegenüber diesen dokumentierten strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere des Segmentes L 4/5, nach dem Unfallereignis sind durch bildgebende Befunde nicht nachgewiesen. Röntgenaufnahmen der LWS von 20. Februar 2006 erbrachten degenerative Veränderungen der gesamten LWS, auf der Etage L4/5 i. S. v. Osteochondrose und beginnenden Deckplattensklerosierungen. Das MRT vom 21. Juli 2006 erbrachte laut dem Befund vom 23. Juli 2006 bei L4/5 eine zirkuläre, rechts betonte Protrusion mit Kontakt zu beiden abgehenden Nervenwurzeln L5, beidseits deutliche Spondylarthrosen sowie eine konsekutive Spinalkanalstenose. Die im Gefolge der Operation vom 17. August 2006 durchgeführte Histologie zeigte ausgeprägte degenerative Veränderungen des entnommenen Bandscheibengewebes.

Nach den medizinischen Feststellungen, wie sie insbesondere in dem Gutachten von Dr. W-R vom 01. April 2008 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 08. Juli 2008 und 13. September 2010 getroffen worden sind, ist der Bandscheibenvorfall bei L 4/5 nicht wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 17. Februar 2006 zurückzuführen. Es bestehen keine Bedenken, der wohlbegründeten Auffassung des Sachverständigen zu folgen. Das Sozialgericht ist dem Sachverständigen gefolgt und hat seine Entscheidung ausführlich und überzeugend begründet. Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen, denn sie sind mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie in der unfallmedizinischen Literatur veröffentlicht sind, nicht zu vereinbaren (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Kap. 8.3.2.6.2). Danach entstehen traumatische Bandscheibenschäden meistens mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleitverletzung des Wirbelkörperbruchs. Ein Wirbelkörperbruch im Bereich der LWK 4 oder 5 ist nach den vorliegenden Befunden jedoch ausgeschlossen. Nach der Unfallliteratur ist weiter zu beachten, dass traumatische Bandscheibenvorfälle aus anatomischen Gründen stets mit begleitenden minimalen knöchernen oder Bandverletzungen einhergehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 8.3.2.6.3). Denn vor einer unfallbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssen die die Bandscheiben sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenzen normaler Bewegung mit Durchtrennen der Bänder treten Bandscheibenschäden ein. Diese Ausführungen gelten nicht nur für Bandscheibenvorfälle, sondern für jegliche Bandscheibenschäden. Die genannten Veränderungen sind bei dem Kläger jedoch ebenfalls nicht gesichert. Es sind weder Bandverletzungen noch Risse im Faserring noch eine Fraktur der Deckplatten, die bei einer Kompressionsbelastung eintritt, gesichert. Es ist auch nicht zu einer richtunggebenden Verschlimmerung des vorbestehenden und bereits Beschwerden verursachenden Gesundheitsschadens durch den Arbeitsunfall gekommen. Zwar mag der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis beschwerdefrei gewesen sein, bereits in der Vergangenheit war es jedoch rezidivierend zu gravierenden behandlungsbedürftigen Beschwerden gekommen. Eine strukturelle Schädigung durch den Arbeitsunfall im Segment L 4/5 ist nicht nachgewiesen. Die bildgebenden Befunde geben keinerlei Hinweis darauf, dass sich der röntgenologische Befund nach dem Unfallereignis gravierend von dem vor dem Unfallereignis unterschied. Insofern scheidet auch eine richtunggebende Verschlimmerung aus. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Ereignis höchstens zu einer „Reaktivierung“ der Beschwerden geführt hat, die auch durch jedes andere Ereignis im Alltag hätte herbeigeführt werden können.

Soweit der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. K in seinem Gutachten vom 02. Januar 2010 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2010 wohl letztlich die Auffassung vertreten will, es habe eine richtunggebende Verschlimmerung stattgefunden, weil vor dem Unfall kein Bandscheibensequester vorgelegen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Gutachten ist wenig nachvollziehbar und – wie die Beklagte richtig aufgezeigt hat – hinsichtlich der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs wenig konsistent. Ob ein Sequester tatsächlich erst nach dem Arbeitunfall vorlag, lässt sich gar nicht feststellen, denn im MRT war dieser offenbar nicht erkennbar. Eine Operation hat vor dem 17. August 2006 jedoch nicht stattgefunden. Auf welche Weise eine stabile leichtgradige Deckplattenimpressionsfraktur des LWK 2 Auswirkungen auf die Bandscheibe L 4/5 haben sollte, erklärt Dr. K nicht; insbesondere hat er eine Veränderung der Wirbelsäulenstatik aufgrund der LWK-2-Fraktur an keiner Stelle dargelegt. Auch in den aktenkundigen weiteren medizinischen Unterlagen findet sich kein Hinweis auf eine veränderte Wirbelsäulenstatik. Allein der Hinweis auf eigene Erfahrung ohne Untermauerung durch valide wissenschaftliche Befunde genügt den Beweisanforderungen gerade nicht.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 09. Juni 2011 beantragt hat, den Sachverständigen Dr. K zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden, war dieser Antrag abzulehnen. Unabhängig von der nach § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, steht den Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (BVerfG vom 03. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273; vgl. auch BSG vom 12. Dezember 2006 - B 13 R 427/06 B -, zitiert nach Juris; BGH vom 07. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 - NJW 1998, 162, 163, alle m. w. N.). Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen nicht formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr. 1; BVerwG NJW 1996, 2318), z. B. auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Einwendungen in diesem Sinn sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Die formulierten Fragen müssen weiter sachdienlich sein. Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 116 Rdnr. 5; Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 411 Rdnr. 5a); andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BGH NJW 1998, 162, 163).

Der Antrag auf Befragung eines Sachverständigen muss jedoch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden, damit der Sachverständige geladen und eine Vertagung vermieden werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 118 Rdnr. 12e m. w. N.). Darüber hinaus muss der Antrag bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten, d. h. zu Protokoll erklärt werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 118 Rdnr. 12e m. w. N.). bei einem verspäteten Antrag ist zu prüfen, ob die Ladung des Sachverständigen evtl. vom Amts wegen nach § 411 Abs. 3 ZPO zu erfolgen hat.

Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen K zur Erläuterung seines Gutachtens ist verspätet gestellt worden. Die letzte gutachterliche Stellungnahme des Dr. K vom 19. Juni 2010 ist bereits am 23. Juni 2010, diejenige des Dr. W-R vom 13. September 2010 am 24. September 2010 an die Beteiligten versandt worden. Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 09. Juni 2011, aus der erkennbar war, dass Dr. K nicht von Amts wegen zum Termin geladen worden war, ist dem Bevollmächtigten des Klägers laut dem Empfangsbekenntnis schon rund 2,5 Monate vor dem Termin, am 29. März 2011, zugestellt worden. Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen ist jedoch erst während der mündlichen Verhandlung und somit verspätet gestellt worden. Der Sachverständige war darüber hinaus auch nicht vom Amts wegen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO zu einem – weiteren – Termin zu laden. Zwar weist das Gutachten des Dr. K vom 02. Januar 2010 einige Unklarheiten insbesondere im Rahmen der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs auf. Diesbezüglich ist der Sachverständige jedoch mit gerichtlichem Schreiben vom 07. April 2010 zur Abgabe einer schriftlichen ergänzenden Stellungnahme durch den Senat aufgefordert worden, die er unter dem 19. Juni 2010 erstellt hat. Welche weiteren konkreten erläuterungsbedürftigen Punkte hiernach noch verblieben sein sollen, hat der Kläger nicht dargestellt und erschließt sich dem Senat auch nicht. Allein dass der Senat dem Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme hinsichtlich der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs nicht zu folgen vermag, gibt zu einer weiteren Befragung keinen Anlass.

Soweit der Kläger darüber hinaus im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09. Juni 2011 außerdem zum Beweis dafür, dass die Ausführungen im Gutachten des Dr. K zutreffend seien, die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt hat, war dem nicht nachzukommen. Beim Auftreten von Widersprüchen zwischen mehreren Gutachten ist es ureigenste richterliche Aufgabe, aufzuklären, von welchen unterschiedlichen tatsächlichen Grundlagen und Wertungen die Gutachten ausgehen und auf die Auflösung der Widersprüche hinzuweisen. Lassen sich die Widersprüche nicht ausräumen, gehört es ebenfalls zur richterlichen Aufgabe, im Rahmen der abschließenden Beweiswürdigung festzustellen, welche Sachverständigenaussage überzeugender ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 128 Rdnr. 7e m. w. N.). Das Gericht ist insbesondere befugt – wie hier – sich deshalb für eines der Gutachten zu entscheiden, weil es im Gegensatz zu dem anderen Gutachten mit den aus der Fachliteratur ersichtlichen allgemeinen Erfahrungssätzen übereinstimmt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 128 Rdnrn. 7e und 11 m. w. N.).

Die Berufung war nach alldem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.