Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 20.01.2012 | |
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Aktenzeichen | 12 W 22/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 27.04.2011 gegen den Beschluss I der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.04.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Beschwerdewert: 2.000,00 €.
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen ärztlicher Behandlungsfehler. Nach Abgabe des gegen die Beklagten gerichteten Mahnverfahrens an das Landgericht, reichte die Klägerin unter dem 29.12.2009 eine Anspruchsbegründung ein, die den Antragsteller im Passivrubrum als Beklagten zu 1. aufführte. Die Klägerin gab einleitend an, dass das Verfahren gegen den Beklagten zu 1. beim Landgericht Berlin zum Az.: 13 O 294/09 geführt werde und beantragte, das „hiesige“ Verfahren an das Landgericht Berlin zu verweisen und mit dem Verfahren - 13 O 294/09 - zu verbinden, beim Kammergericht Berlin sei gleichlaufend beantragt worden, das Landgericht Berlin als das zuständige Gericht zu bestimmen. Im Übrigen bat die Klägerin um baldige Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, um die sodann angekündigten Anträge zu stellen.
Das Landgericht bestimmte mit Verfügung vom 03.03.2010 zunächst die Durchführung das schriftliche Vorverfahren, verbunden mit der Aufforderung sich - falls eine Klage beabsichtigt sei - durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, durch diesen binnen zwei Wochen Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen sowie binnen drei weiteren Wochen auf die Klage zu erwidern. Diese Verfügung wurde dem Antragsteller unter dem 12.03.2010 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 19.03.2010 meldete sich der Vertreter des Antragstellers, der diesen auch in dem Verfahren - 13 O 294/09 - vor dem Landgericht Berlin vertritt und wies darauf hin, dass der Antrag der Klägerin auf Bestimmung des zuständigen Gerichtes durch das Kammergericht zurückgewiesen worden sei. Gleichzeitig wurde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit erhoben.
Daraufhin erklärte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 08.04.2010 klarstellend, dass die Klage gegen den Antragsteller nur vor dem Landgericht Berlin und nicht vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) erhoben sei.
Mit Verfügung vom 21.05.2010 wies das Landgericht die Klägerin darauf hin, dass die Klage gegen den Antragsteller wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei und zurückgenommen werden müsse. Dieser Ansicht widersprach die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.06.2010 und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.02.2011, zu dem auch der Antragsteller geladen worden war.
Auf seinen Antrag vom 06.04.2011 hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.04.2011 den Antragsteller aus dem Rechtsstreit entlassen und seine Kosten der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Anspruchsbegründung vom 28.12.2009 hätte sich auch gegen den Antragsteller gerichtet und ihn betreffenden Sachvortrag und Anträge beinhaltet. Die Klägerin habe außerdem beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zu verweisen und mit dem dortigen Rechtsstreit zu verbinden. Deshalb sei das Gericht davon ausgegangen, dass auch der Antragsteller am Rechtsstreit beteiligt sein solle und habe die Zustellung sowie die Ladung zum Termin veranlasst. Die Klägerin habe daher die Kosten des Antragstellers zu tragen, weil sie durch die Gestaltung der Anspruchsbegründung die Zustellung sowie weitere prozessleitende Maßnahmen veranlasst habe. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht die dem Antragsteller entstandenen Kosten auferlegt.
Der Antragsteller ist nicht Partei des Rechtsstreits geworden. Allein die Zustellung der Anspruchsbegründung an den Antragsteller konnte diesen nicht zur Partei des Rechtsstreits machen. Eine Prozesshandlung ist grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Maßgebend ist die objektive Deutung aus Sicht des Empfängers (Gericht und Gegenpartei). Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH NJW-RR 2008, 582 m.w.N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger Anlagen zu berücksichtigen (BGH a.a.O.). Aus Empfängersicht stellte sich die Anspruchsbegründung vom 28.12.2009 nicht als subjektive Klageerweiterung dar. Wenn auch der Antragsteller im Rubrum als „Beklagter zu 1.“ aufgeführt war, hatte die Klägerin klargestellt, dass der Rechtstreit gegen ihn beim Landgericht Berlin geführt werde und die Verbindung der Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) und dem Landgericht Berlin beantragt. Offensichtlich in Erwartung, dass ein solcher Beschluss ergehen würde, wurden sodann die im Termin zur mündlichen Verhandlung zu stellenden Anträge gegen sämtliche Beklagten angekündigt und zur Sache, auch den Antragsteller betreffend, vorgetragen. Die verständige Würdigung des Inhalts der Anspruchsbegründung ließ erkennen, dass eine Klageerweiterung gegen den Antragsteller nicht beabsichtigt war.
Gleichwohl hat die Klägerin die durch die Beteiligung des Antragstellers am Rechtsstreit entstandenen notwendigen Kosten zu tragen. Der Empfänger einer irrtümlichen Zustellung ist grundsätzlich nicht schutzlos. Eine Scheinpartei kann sich bis zur Klarstellung, dass sie nicht verklagt ist, an dem Rechtsstreit beteiligten; ihr entstehende Kosten sind dem Kläger aufzuerlegen, der diese Kosten veranlasst hat (BGH NJW-RR 1995, 764; OLG Köln OLGZ 1989, 237, 238 f; OLG Hamm MDR 1991, 1201; OLG Düsseldorf MDR 1986, 504; OLG München MDR 1984, 946; OLG Frankfurt MDR 1985, 676 f.).
Das ist auch vorliegend der Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin es zu vertreten hat, dass der Antragsteller durch Zustellung der Anspruchsbegründung an dem Verfahren beteiligt wurde. Im Rahmen der prozessualen Kostenerstattungspflicht ist der Gesichtspunkt des Verschuldens grundsätzlich unbeachtlich, es gilt das Veranlassungsprinzip. Der Grund der Kostenerstattungspflicht liegt in der Veranlassung einer erfolglosen Prozessführung (OLG Köln MDR 1971, 585; OLG Hamm MDR 1991, 1201).
Die Klägerin hat die Zustellung der Anspruchsbegründung an den Antragsteller in diesem Sinne dadurch veranlasst, dass sie ihn im Rubrum als Beklagten zu 1) aufgeführt, ihn betreffende Anträge angekündigt und in Bezug auf ihn zur Sache vorgetragen hat, so dass das Landgericht irrtümlich zunächst der Auffassung war, das Verfahren richte sich auch gegen den Antragsteller. Ob dieser Irrtum vermeidbar war, ändert nichts daran, dass die Klägerin ihn durch den Inhalt ihrer Anspruchsbegründung hervorgerufen und damit die Zustellung an den Antragsteller veranlasst hat. Darauf, ob der Klägerin insoweit ein Vorwurf gemacht werden kann, kommt es dagegen nicht an, denn ein Verschulden ist gerade nicht Voraussetzung für die Kostentragungspflicht.
Dem Antragsteller kann auch nicht vorgeworfen werden, er habe sich ohne Anlass am Rechtsstreit beteiligt. Hat ein Dritter sich ohne Anlass in den Prozess hineingedrängt, so entfällt eine Kostentragungspflicht des Klägers (OLG Köln OLGZ 1989, 237; OLG Düsseldorf MDR 1986, 504). Entscheidend ist, ob unter den gegebenen Umständen ein verständiger Laie Anlass hatte, im Prozess aufzutreten (OLG Nürnberg MDR 1997, 320). Das ist hier der Fall. Nach dem Inhalt der dem Antragsteller zugestellten Verfügung des Landgerichts vom 03.03.2010 hatte der Antragsteller Anlass, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen und durch diesen vorsorglich die Verteidigungsabsicht erklären zu lassen und geltend zu machen, dass die Zustellung der Anspruchsbegründung an ihn irrtümlich erfolgte. Im Hinblick auf den gerichtlichen Hinweis, dass er den Prozess vor dem Landgericht nicht allein führen könne, insbesondere nicht selbst Anträge stellen oder Einwendungen erheben können und eigenes Vorbringen nicht zu berücksichtigen sei und daher ein Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt werden müsse, musste der Antragsteller nicht davon ausgehen, er könne auch selbst, ohne anwaltliche Unterstützung, geltend machen, das die Zustellung an ihn irrtümlich erfolgte.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass dem Antragsteller lediglich die notwendigen Kosten der Geltendmachung seiner irrtümlichen Beteiligung am Rechtsstreit zu erstatten sind. Durch den Schriftsatz der Klägerin vom 08.04.2010 dürfte für den Antragsteller klargestellt worden sein, dass sich das Verfahren nicht gegen ihn richtete.
Die Kostenentscheidung erging gemäß § 97 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1, 2 ZPO bestehen nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles ergeht und die deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die auch im Übrigen zu grundsätzlichen Rechtsfragen nicht von höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung abweicht.