Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 13.11.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 M 80.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 60 Abs 1 VwGO, § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 121 ZPO, § 15a Abs 3 BAföG |
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Sprachsemester nach § 15a Abs. 3 Satz 1 BAföG zu gewähren ist.
2. Für das Studium der Sprache "Spanisch im Lehramt" scheidet die Gewährung eines Sprachsemesters ungeachtet des Umstands, dass es auch dem Erwerb von Sprachkenntnissen dient, in dem diese "grundlegend erweitert" werden, dann nicht aus, wenn das Studium (Grund-) Kenntnisse der spanischen Sprache auf dem Niveau B2 nach dem europäischen Referenzrahmen voraussetzt.
Der Klägerin wird unter Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 10. Oktober 2013 Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist gewährt.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 26. August 2013 wird geändert. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihr Rechtsanwalt beigeordnet.
Der Klägerin war gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren. Sie hat sie unverschuldet versäumt, weil sie nicht damit rechnen musste, dass die am 9. September 2013 gefertigte und am selben Tag der PIN AG übergebene Sendung erst vier Tage später, nämlich am 13. September 2013 und damit einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist (vgl. den Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2013) bei Gericht eingehen würde. Denn ein Beteiligter darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Geht eine Sendung verloren oder wird sie verspätet ausgeliefert, darf ihm dies nicht als Verschulden angerechnet werden. Weitere Vorkehrungen muss der Beteiligte nicht ergreifen. Insbesondere ist er nicht gehalten, Schriftsätze zusätzlich zu der rechtzeitigen Aufgabe zur Post auch per Telefax an das Gericht zu übersenden (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12 -, Rn. 7 bei juris). Das gilt entsprechend bei Übergabe eines Schriftstücks an die PIN AG.
Die demnach zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 und § 121 der Zivilprozessordnung - ZPO - einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen unter Verlängerung der Förderungshöchstdauer für den Studiengang der Sprache Spanisch mit dem Abschluss Bachelor Lehramt. Rechtsgrundlage ist insoweit § 15a Abs. 3 BAföG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift verlängert sich die Förderungshöchstdauer für jede Sprache um ein Semester, wenn ein Studiengang Sprachkenntnisse über die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch oder Latein hinaus voraussetzt und diese Kenntnisse von dem Auszubildenden während des Besuchs der Hochschule erworben werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Der von der Klägerin absolvierte Studiengang „Spanisch im Lehramt“ setzt (Grund-) Kenntnisse in Spanisch voraus. Das ergibt sich aus § 16 Abs. 2 der Studienordnung vom 8. Juli 2004. Nach Satz 1 dieser Vorschrift müssen die Studierenden für die Aufnahme des Fachstudiums „in der Regel“ über ausreichende Sprachkenntnisse in Spanisch (nach den europäischen Richtlinien ist das Niveau B2 erforderlich) verfügen. Nach Satz 2 werden Studierenden, die diese Kenntnisse im Eingangssprachtest nicht nachweisen können, Propädeutika (Vorstudienmodule) gegen Entgelt angeboten. Von der Möglichkeit nach Satz 2 hat die Klägerin Gebrauch gemacht. Sie hat damit die von dem Studiengang vorausgesetzten (Grund-) Kenntnisse in Spanisch während des Hochschulbesuchs erworben.
Die insoweit vorausgesetzten Sprachkenntnisse rechtfertigen auch ihrem Umfang nach ohne weiteres die Verlängerung der Förderungshöchstdauer um ein volles Semester im Sinne des § 15a Abs. 3 BAföG. Das Niveau „B2“ nach dem europäischen Referenzrahmen ist die vierte von insgesamt sechs Stufen. Neben den beiden Stufen der „elementaren Sprachverwendung“ A1 und A2 erfassen die Stufen B1 und B2 die „selbstständige Sprachverwendung“, wobei die Stufe B2 einem „guten Mittelmaß“ entspricht. Dieses setzt voraus, dass der oder die Betreffende die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen kann und im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen versteht. Weiter muss er oder sie sich so spontan und fließend verständigen können, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne große Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist und der oder die Betreffende muss sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben können (vgl. ).
Dem halten der Beklagte und auch das Verwaltungsgericht zu Unrecht entgegen, das Erlernen der Sprache Spanisch sei gerade Gegenstand des Studiums selbst und könne daher nicht (zugleich) eine Voraussetzung für das Studium sein. Dieser auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Mai 1992 - 2 VG 2787/92 - (FamRZ 1993, S. 371, 374) zurückgehende Gedanke ist zwar nachvollziehbar und es trifft auch zu, dass vorliegend Gegenstand des Studiums der Klägerin auch der Spracherwerb ist, wie sich aus § 1 Abs. 3 der Studienordnung ergibt. Denn danach werden im Bachelorstudium die vorhandenen sprachpraktischen Kenntnisse „grundlegend erweitert“. Dieser Gedanke ist aber auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht übertragbar, weil er die dargelegten, für das Studium der Klägerin vorausgesetzten erheblichen Grundkenntnisse in Spanisch nicht berücksichtigt.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet demnach im Verfahren der ersten Instanz hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).