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Abgaben nach dem Abwasserabgabengesetz


Metadaten

Gericht VG Potsdam 8. Kammer Entscheidungsdatum 26.10.2011
Aktenzeichen VG 8 K 3130/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 9 Abs 5 AbwAG, § 3 AbwV, Anhang 1 Teil C Satz 1 und 4 AbwV, § 7a WHG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Ermäßigung des Abgabesatzes einer Abwasserabgabe für die Einleitstelle des Klärwerks ... .

Die Klägerin betreibt das kommunale Klärwerk ..., eine Abwasserbehandlungsanlage der Größenklasse 5 nach der Abwasserverordnung - AbwV -, auf Grund eines Zulassungsbescheides des Beklagten vom 31. Juli 1996. In dem Zulassungsbescheid wurde unter Punkt 3.1.2.2 der Überwachungswert für den Schadstoffparameter Stickstoff anorganisch gesamt (= Nges) am Ablauf des Klärwerks auf 18 mg/l festgesetzt; eine Alternative in Form einer Schadstoffeliminationsvorgabe wurde nicht festgesetzt.

Erläuternd führt der Zulassungsbescheid zu dem Überwachungswert für Nges aus, dass sich der genannte Überwachungswert auf das Abwasser im Ablauf des Klärwerks beziehe und nicht durch Verdünnung oder Vermischung erreicht werden dürfe. Der Überwachungswert sei einzuhalten; er gelte auch dann als eingehalten, wenn die Ergebnisse der letzten fünf im Rahmen der staatlichen Überwachung durchgeführten Überprüfungen in vier Fällen diesen Wert nicht überschritten und kein Ergebnis diesen Wert um mehr als 100 vom Hundert übersteige. - Dieser Überwachungswert für Nges wurde durch den 1. Änderungsbescheid zum Zulassungsbescheid vom 20. Dezember 1999 inhaltlich nicht geändert.

Mit Bescheid vom 11. November 2004 zog der Beklagte die Klägerin für die o. g. Einleitstelle zu einer Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 812.433,01 € für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2003 heran. Der Veranlagung lagen neben dem Zulassungsbescheid vom 31. Juli 1996 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 20. Dezember 1999 sechs amtliche Überprüfungen aus dem Jahr 2003 zu Grunde. Für den Schadstoffparameter Nges wurden hierbei am 4. März 2003 13,6 mg/l und am 26. November 2003 13,7 mg/l gemessen. Unter Zugrundelegung dieser Werte wurde im Bescheid die Abwasserabgabe für den Schadstoffparameter Nges auf 357.398,94 € festgesetzt. Ausdrücklich enthält der Bescheid die Feststellung, dass eine Ermäßigung für diesen Teil der Abwasserabgabe um 50 vom Hundert für den Schadstoff Nges nicht gewährt werde, da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG nicht vorlägen.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Anwaltschreiben vom 9. Dezember 2004 Widerspruch ein. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids mit Blick auf den in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgesetzten Grenzwert für den Parameter Nges. Sie habe nachgewiesen, dass die Schadstofffracht Nges um über 70 % reduziert worden sei. Die Einlegung des Widerspruchs erfolge fristwahrend mit der Anregung, vor der weiteren Durchführung in einem Gespräch den bisherigen Stand der Sach- und Rechtsfragen abzuklären.

Noch im Februar 2005 zahlte die Klägerin auf den Abwasserabgabenbescheid vom 11. November 2004 einen Teilbetrag von 633.433,01 €. Es kam im Vorverfahren aber zu keinen weiteren Gesprächen. Allerdings ruhte das Widerspruchsverfahren, weil in einer Reihe von Parallelverfahren die gleiche Rechtsfrage streitig war.

Mit Bescheid vom 24. November 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Grundlage für den Erlass des Bescheides seien die Vorschriften der §§ 1, 3, 4, 6, 9 und 10 AbwAG sowie die Anlage zu § 3 AbwAG. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG ermäßige sich für den jeweiligen Schadstoffparameter der reguläre Abgabesatz nach Abs. 4 um die Hälfte der Schadeinheiten, die nicht vermieden würden, obwohl der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 AbwAG mindestens den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderung nach § 7a WHG entspreche und die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderung nach § 7a WHG im Veranlagungszeitraum eingehalten würden. Diese Voraussetzungen lägen für die benannte Einleitstelle nicht vor. Anhang 1 Teil C Abs. 1 Satz 1 AbwV, der einen Schwellenwert von 13 mg/l für Nges bestimme, stehe in keinem Alternativverhältnis zu Satz 4 des Anhangs 1 Teil C Abs. 1 AbwV. Vielmehr handele es sich um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Zulassungsbehörde obliege eine Ermessensentscheidung im jeweiligen Einzelfall, ob eine Ausnahme von der Regel vorgenommen werden könne. Es bestehe nicht schon deshalb eine Ermessensbindung zu Gunsten des Anlagenbetreibers, weil er Investitionen zur Einhaltung des Überwachungswertes tätigen müsse. Eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin bei Zugrundelegung des Überwachungswertes von 13 mg/l liege im Ergebnis nicht vor.

Zur weiteren Begründung nahm der Widerspruchsbescheid auf den Vortrag des Beklagten zum Verfahren 7 L 94/08 und 7 K 155/08 beim Verwaltungsgericht Cottbus Bezug.

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2009 Klage erhoben.

Sie trägt zur Begründung vor, sie habe einen Anspruch auf Ermäßigung des Abgabenbetrages nach § 9 Abs. 5 AbwAG für den Parameter Nges. Die Versagung der Halbierung des Betrags sei rechtswidrig. Maßgeblich für die Berechnung der Schadeinheiten sei der Inhalt des Bescheides, der den Überwachungswert festgelegt habe. Dies sei im Falle der Kläranlage ... ein Wert von 18 mg/l Nges bei gleichzeitigem Nachweis einer Gesamtstickstofffrachtminderung von mindestens 70 %. Das Klärwerk ... habe in dem Veranlagungsjahr 2003 eine Stickstofffrachtminderung von ca. 85 % erzielt und liege somit um ca. 15 % über der geforderten Mindestreinigungsleistung zum Parameter Nges. Damit seien die Anforderungen der wasserbehördlichen Erlaubnis sowie die Anforderung nach § 3 AbwV und nach dem Anhang 1 Teil C Abs. 1 Satz 1 AbwV erfüllt. Die im Anhang aufgeführten Alternativen „Einhaltung eines Überwachungswertes von 13 mg/l Nges“ oder „Einhaltung eines Überwachungswertes bis 25 mg/l Nges bei Verminderung der Gesamtstickstofffracht um mindestens 70 %“ spiegelten gleichermaßen den Stand der Technik hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen im Sinne von § 7a WHG (a.F.) wider. Die Reinigungsleistung einer Kläranlage werde durch die abgebauten und zurückgehaltenen Schadstofffrachten ausgedrückt und nicht durch punktuelle (meist nur sechsmalige) behördliche Beprobungen. Dies entspreche dem Standard in der Europäischen Union bei der Evaluierung der gewässerpolitischen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie. In einem ähnlich gelagerten Fall des Klärwerks Düsseldorf habe das Oberverwaltungsgericht Münster die Meinung vertreten, dass die Behörde bei der Festsetzung eines Erlaubniswertes eine Ermessensentscheidung zu treffen habe, unabhängig davon, ob zwischen den beiden Alternativen von Anhang 1 Teil C Abs. 1 AbwV ein Regel-Ausnahme-Verhältnis bestehe oder nicht. Diese Prüfung habe jedoch bei der Erteilung der wasserbehördlichen Erlaubnis stattzufinden und nicht bei der Berechnung der Abwasserabgabe, bei der die wasserbehördliche Erlaubnis lediglich die Berechnungsgrundlage darstelle. Wenn, wie im vorliegenden Fall, in der wasserbehördlichen Erlaubnis ein höherer Überwachungswert festgesetzt worden sei, der wegen der erreichten Gesamtstickstoffminderung gleichwohl dem Stand der Technik entspreche, dann sei dieser Wert auch die Berechnungsbasis für die Abwasserabgabe. Insofern seien die Ausführungen der Beteiligten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Cottbus zur wasserbehördlichen Erlaubnis für die Kläranlage Waßmannsdorf nicht von Belang, denn in jenem Verfahren sei es nur um die Festsetzung eines Überwachungswertes von 13 mg/l Nges in einem Nachtrag zur wasserbehördlichen Erlaubnis gegangen, nicht aber um die Abwasserabgabenfestsetzung selbst. Im Übrigen sei es keineswegs unstreitig, dass die Einhaltung eines Überwachungswertes von 13 mg/l Nges bereits im Veranlagungsjahr 2003 verhältnismäßig gewesen sei. Richtig sei nur, dass es ihr in einigen Veranlagungsjahren gelungen sei, den Überwachungswert von 13 mg/l Nges in der amtlichen Überwachung einzuhalten. Hieraus könne nicht der Schluss gezogen werden, dieser Wert könne immer ohne zusätzliche bauliche und technische Veränderungen eingehalten werden; schließlich sei die Anlage ursprünglich auf einen Wert von 18 mg/l Nges ausgelegt gewesen und entsprechend gebaut worden.

Die Klägerin beantragt,

den Abwasserabgabenbescheid des Landesumweltamtes Brandenburg für das Veranlagungsjahr 2003 für die Einleitstelle der Kläranlage ... vom 11. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2009 aufzuheben, soweit die Klägerin zu einer Abwasserabgabe für Stickstoff, anorganisch gesamt (Nges), herangezogen worden ist, die 178.699,47 € übersteigt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, Satz 1 und Satz 4 von Anlage 1 Teil C Abs. 1 AbwV stünden in einem Stufenverhältnis zueinander. Nur wenn im Einzelfall die Einhaltung der Vorgaben des Satzes 1 unverhältnismäßig sei, sei Satz 4 anwendbar. Nur dann entsprächen dessen Vorgaben im Einzelfall dem Stand der Technik. Werde Anhang 1 Teil C Abs. 1 Satz 1 und 4 AbwV als Ermessensregelung aufgefasst, sei das Ermessen für die Anwendung von Satz 4 gleichsam durch das Erfordernis der Unverhältnismäßigkeit der Anwendung des Satzes 1 begrenzt.

Die Kläranlage der Klägerin sei bereits im Jahr 2003 in der Lage gewesen, die Konzentrationswerte von 13 mg/l Nges einzuhalten. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin auf etwaige Probleme durch betriebsorganisatorische Maßnahmen/Optimierungen so reagieren könne, dass im Sinne des § 6 Abs. 1 AbwV von fünf Überwachungswerten vier unterhalb des Grenzwertes lägen. Selbst bei unterstelltem Investitionsbedarf sei nicht ersichtlich, dass der Bedarf als unzumutbar eingestuft werden müsse. Für den zu erwartenden Investitionsbedarf hätte schon damals rechtzeitig Vorsorge getroffen werden können. Vergleichbare andere Kläranlagen im Land Brandenburg hätten keine relevanten Probleme gehabt, den Überwachungswert von 13 mg/l für Nges einzuhalten. Der Umstand, dass die Einleiterlaubnis im Veranlagungsjahr 2003 einen höheren Überwachungswert für Nges enthalten habe, stehe dem nicht entgegen. Die Überwachungswerte seien damals noch nicht entsprechend der 5. Änderung der Abwasserverordnung angepasst worden und spiegelten deshalb noch nicht den damals maßgeblichen Stand der Technik in Gestalt einer Anforderung von 13 mg/l für Nges wider.

Ferner verweist der Beklagte auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 24. Juli 2006 sowie den 3. Nachtrag zum Zulassungsbescheid vom 4. August 2005, wonach ab 1. Januar 2006 ein Überwachungswert für Nges von 13,0 mg/l festgesetzt worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Sach- und Streitstand, wie er sich aus der Gerichtsakte und dem vorgelegten Verwaltungsvorgang ergibt, verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Bescheid vom 11. November 2004 ist nur insoweit angefochten worden, als der Beklagte zu dem Schadstoffparameter Nges keine Ermäßigung der Abwasserabgabe um die Hälfte vorgenommen hat. Die Versagung begegnet keinen Bedenken, denn die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Abwasserabgabe nach § 9 Abs. 5 Satz 1 des Abwasserabgabengesetzes - AbwAG - in der Fassung des Gesetzes zur Umstellung der umweltrechtlichen Vorschriften auf den Euro vom 9. September 2002 (BGBl. I, 2331) sind nicht erfüllt gewesen.

Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG in der damaligen Fassung ermäßigt sich der Abgabesatz nach Absatz 4 um die Hälfte für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 AbwAG, also der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Betriebszulassung für die Kläranlage, oder die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG mindestens den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht (1.) und die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten werden (2.).

1. Vorliegend entsprach der in der Betriebszulassung vom 31. Juli 1996 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 20. Dezember 1999 festgelegte Nges-Wert von 18 mg/l für den Veranlagungszeitraum 2003 nicht den damals von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG -.

§ 7a WHG in der damals geltenden Neufassung vom 19. August 2002 (BGBl. I, 3245) legte fest, dass eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser nur dann erteilt werden darf, wenn die Schadstofffracht des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist. Die Bundesregierung legt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Anforderungen fest, die dem Stand der Technik entsprechen (§ 7a Abs. 1 Satz 3 WHG). Diese Verordnung war für den Veranlagungszeitraum des Jahres 2003 die Abwasserverordnung in der Fassung der 5. Änderungsverordnung (BGBl. I 2002, 4057). In Anhang I unter C bestimmt sie diejenigen Anforderungen, die nach dem Stand der Technik an das Abwasser für die Einleitstellen je nach Größenklasse der Abwasserbehandlungsanlage und Schadstoffparameter zu erfüllen sind. Nach Satz 1 wird an das Abwasser für die Einleitungsstellen von Klärwerken der Größenordnung 5 (BSB5 – roh > 6000 kg/ Tag) als Anforderung zum Parameter Nges gestellt, dass 13 mg/l nicht überschritten wird. Nach Satz 4 kann in der wasserrechtlichen Zulassung für Nges eine höhere Konzentration bis zu 25 mg/l zugelassen werden, wenn die Verminderung der Gesamtstickstofffracht mindestens 70 Prozent beträgt.

Daran gemessen lässt sich feststellen, dass die Betriebszulassung vom 31. Juli 1996 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 20. Dezember 1999 entgegen dem Vortrag der Klägerin weder einen Überwachungswert von 13 mg/l noch eine Verminderung der Gesamtstickstofffracht von mindestens 70 Prozent festgelegt hat. Wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten vollständigen Fassung der Betriebszulassung ergibt, wurde für Nges allein auf die Einhaltung des Überwachungswertes von 18 mg/l abgestellt (s. Punkt 3.1.2.2. unter lfd. Nr. 4 der Betriebszulassung). Insofern entsprach die wasserrechtliche Erlaubnis weder den geltenden Anforderungen der Technik nach Satz 1 noch nach Satz 4 des Anhangs I Teil C Absatz 1 AbwV.

2. Die Kläranlage ... hat aber auch nicht die durch § 7a WHG in Verbindung mit der Abwasserverordnung für Nges geltenden Anforderungen im Veranlagungsjahr 2003 eingehalten. Im Jahr 2003 wurden nämlich in zwei von sechs amtlichen Beprobungen der Einleitstellen Werte von 13,6 und 13,7 mg/l für Nges gemessen. Nach der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV gilt der nach der AbwV festgesetzte Wert nur dann als eingehalten, wenn die Ergebnisse der fünf letzten amtlichen Abwasseruntersuchungen in mindestens vier Fällen diesen Wert nicht überschritten haben. So liegt es hier gerade nicht; wie der Bescheid vom 11. November 2004 unter II. 2. tabellarisch und von der Klägerin unwidersprochen verdeutlicht.

Unabhängig von der Einhaltung des Überwachungswertes von 13 mg/l musste der Beklagte auch nicht alternativ eine Bestimmung des Standes der Technik nach Satz 4 des Anhang 1 Teil C AbwV ermessensfehlerfrei in Betracht ziehen, wie die Klägerin meint. Wortlaut und die Systematik der Regelungen zum Stand der Technik sprechen gegen eine solche Annahme. Wie die Formulierung „kann“ zeigt, darf die Behörde - entweder im Sinne einer Befugnis oder eines eingeräumten Ermessens - in Abweichung von den eindeutig vorgegebenen Überwachungswerten für die Anforderungen an Schmutzwasser nach Satz 1 im Einzelfall für die wasserrechtliche Zulassung absehen. Damit stellt Satz 1 eine Regelanforderung dar, von der nur aufgrund besonderer Behördenentscheidung im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren und nur unter besonderen Umständen nach Satz 4 abgewichen werden kann (s. OVG Münster, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 20 A 315/06 -; zit. nach juris). Dieses Stufenverhältnis wird auch unter Einbeziehung der zugrundeliegenden Regelungen nach § 7a Abs. 5 Satz 2 WHG in Verbindung mit Anhang 2 zu § 7a Abs. 5 WHG deutlich: Danach sind bei der Bestimmung des Standes der Technik die im Anhang aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Hierbei ist insbesondere die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen zu berücksichtigen. Bei der wasserrechtlichen Zulassung kann diese Verhältnismäßigkeit im Rahmen des nach Anhang 1 C unter Satz 4 vorgesehenen Ermessens herbeigeführt werden, ohne indessen ein weitergehendes Ermessen zu eröffnen (OVG Münster, a. a. O; ebenso im Anschluss daran VG Cottbus, Urteil vom 2. Juni 2010 - 7 K 155/08 - S. 10 des E.A.).

Schließlich kann der Umstand, dass die damals gültige wasserrechtliche Betriebszulassung vom 31. Juli 1996 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 20. Dezember 1999 noch einen Grenzwert von 18 mg/l für Nges vorsah, nicht dahin umgedeutet werden, dass hierdurch zugleich der Stand der Technik für den Ermäßigungstatbestand nach § 9 Abs. 5 AbwAG festgelegt worden wäre. Gedanklich ist auf den Unterschied zwischen der wasserrechtlichen Zulassung einerseits und den abwasserabgabenrechtlichen Folgen andererseits zu verweisen. Die wasserrechtliche Erlaubnis betrifft zunächst allein die Rechtmäßigkeit der Einleitung von Abwässern und hat sodann tatbestandliche Wirkung für die Ermittlung der Schädlichkeit des Abwassers nach § 4 Abs. 1 AbwAG. Die Ermäßigung einer Abgabe knüpft hingegen daran an, dass der Inhalt dieser Erlaubnis seinerseits den Anforderungen der Abwasserverordnung entspricht. Dies war aber im Veranlagungsjahr bezüglich des Überwachungswertes zu Nges von 13 mg/l gerade nicht der Fall. Wie der Beklagte ausführt, war der Überwachungswert noch nicht an die verschärfte Anforderung der am 1. August 2002 in Kraft getretenen 5. Änderungsverordnung angepasst worden.

Der Vortrag der Klägerin, das Festhalten an dem nach Anhang 1 AbwV festgelegten Überwachungswert von 13 mg/l sei unverhältnismäßig, überzeugt ebenfalls nicht, denn nach ihren eigenen Angaben hat die Klägerin diesen Wert in einigen Jahren eingehalten, m. a. W.: die Kläranlage ... war auch schon im Jahr 2003, technisch betrachtet, nicht weit davon entfernt, den geltenden Wert für Nges einzuhalten. Hierfür sprachen ebenfalls die nur geringfügigen Überschreitungen im Jahr 2003 selbst. Zur konkreten Frage, wie hoch der Aufwand zur Ertüchtigung der Anlage gewesen wäre, um im Jahr 2003 den Grenzwert für Nges einzuhalten, hat die Klägerin selbst nichts vorgetragen und ist auch nichts anderweitig ersichtlich gewesen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nach § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die zentrale Frage des Rechtsstreits zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 4 des Anhang I Teil C Absatz 1 AbwV zur Bestimmung des Stands der Technik im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 WHG bezüglich des Schadstoffparameters Nges stellt sich auch nach dem geltenden Recht für eine unbestimmte Anzahl von Kläranlagen der Größenklasse 4 und 5.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird auf 178.699,47 € festgesetzt. Dies entspricht dem Betrag aus dem insoweit angefochtenen Festsetzungsbescheid (§ 52 Abs. 3 GKG).