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Berufungsfrist - Wiedereinsetzung - Verwerfung als unzulässig - Verschulden


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 12.06.2013
Aktenzeichen L 3 U 4/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 66 SGG, § 67 SGG, § 158 SGG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hat mit der am 17. Juni 2010 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26. März 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09. Juni 2010 und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer höheren Verletztenrente begehrt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2012 als unbegründet abgewiesen. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Urteil ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 04. Dezember 2012 zugestellt worden. Der Kläger hat mit am 07. Januar 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt. Die Vorsitzende des mit der vorliegenden Sache befassten 3. Senats des LSG hat den Kläger mit Verfügung vom 14. Januar 2013 auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben, Tatsachen darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, derentwegen er ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen ist. Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2013 vorgetragen, sich für die extrem späte Erstellung und Abgabe seiner Berufungsschrift entschuldigen zu wollen. Auch jetzt habe er Probleme, etwas zu Papier zu erbringen. Seit 2009 (Hüftendoprothese) leide er an Dauerschmerzen, die nur noch mit Hilfe von Betäubungsmitteln kurzfristig erträglich seien. Hinzu komme eine schwere Depression. Die Psychopharmaka, die er über die Zeit bekommen habe, führten zu einem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, extremen Konzentrationsdefiziten, Apathie, Essstörungen, Suizidgedanken und vermehrten, längeren Krankenhausaufenthalten. Inzwischen sei er seit 2011 EU-Rentner mit 70 %-iger Schwerbehinderung und kaum noch fähig, sich auf wichtige Dinge, die länger als 20 Minuten dauerten, zu konzentrieren. Auch dieses Schreiben habe ihn viel Kraft und Zeit gekostet.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 03. November 1989 eine höhere Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Berufung für verfristet.

Der Kläger ist mit Schreiben des Berichterstatters vom 06. Mai 2013 auf die Absicht des Senats hingewiesen worden, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die gefertigten Auszüge aus den Schwerbehindertenakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist erst nach Ablauf der nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einen Monat betragenden Berufungsfrist eingelegt worden. Hieraus folgt die Befugnis des Senats, die Berufung gemäß § 158 SGG – jedenfalls nach der hier durchgeführten Anhörung des Klägers (vgl. zum Anhörungserfordernis Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 158 Rn. 8) - durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufungsfrist ist versäumt. Grundsätzlich beträgt die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG einen Monat nach Zustellung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Diese Frist gilt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann nicht, wenn – anders als hier - die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist.

Hiervon ausgehend begann die Monatsfrist gemäß § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tag nach der per Postzustellungsurkunde auf den 04. Dezember 2012 bewirkten Zustellung, mithin am 05. Dezember 2012 zu laufen. Sie endete gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 SGG mit Ablauf desjenigen Tages, welcher seiner Zahl nach dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, mithin am Freitag, dem 04. Januar 2013. Demgegenüber ist die Berufungsschrift erst am Montag, dem 07. Januar 2013 beim LSG eingegangen. Für eine Verlängerung der Frist gemäß § 67 Abs. 3 SGG liegt schon deshalb nichts vor, weil das Fristende weder auf einen Sonntag noch einen gesetzlichen Feiertag noch auf einen Sonnabend fiel.

Es liegt auch nichts für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, welche nach § 67 SGG voraussetzt, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (Abs. 1), dass die versäumte Rechtshandlung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (Abs. 2 S. 1 und S. 3) und die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden (Abs. 2 S. 2).

Vorliegend kann schon deshalb keine Wiedereinsetzung gewährt werden, weil der Kläger trotz Hinweises der Vorsitzenden nicht glaubhaft gemacht hat, die Berufungsfrist unverschuldet versäumt zu haben. Verschulden bedeutet das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dies bedeutet, dass der Beteiligte zum Ausschluss des Verschuldens diejenige Sorgfalt walten lassen muss, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (etwa Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 67 Rn. 3). Zur Glaubhaftmachung genügt die Herbeiführung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (Keller, a.a.O., Rn. 10d).

Dies zugrunde gelegt hat der Kläger in seinem Schreiben vom 29. Januar 2013 nichts dargetan, was für eine Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens genügen könnte. So erscheint es gemäß dem dortigen Vorbringen zwar nicht ausgeschlossen, dass jemand, der unter Dauerschmerzen leidet und deswegen hoch dosiert Schmerzmittel einnehmen muss und wegen einer Depression auf Psychopharmaka angewiesen ist, an Konzentrationsstörungen und Gedächtnisverlusten leiden kann. Dass eben dies auch im konkreten Fall zur Zeit des Ablaufs der Berufungsfrist der Grund für die Fristversäumung war, hat der Kläger ebenso wenig wie etwa einen in die Berufungsfrist fallenden stationären Krankenhausaufenthalt dargelegt, obwohl ihm mit Verfügung der Vorsitzenden vom 14. Januar 2013 Gelegenheit zur Begründung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsantrags gegeben worden ist. Der Kläger hat auch keine Atteste ihn behandelnder Ärzte vorgelegt, denen zufolge er medikamentenbedingt außerstande war, die Berufungsfrist einzuhalten. Dass der Kläger trotz der beklagten langjährigen Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme nach wie vor grundsätzlich in der Lage ist, seine wohlverstandenen rechtlichen Interessen zeitgerecht zu wahren, dokumentieren etwa seine deutlich in der Klagefrist liegende Klageerhebung beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) am 17. Juni 2010, sein rechtzeitig vor der Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren eingereichter Antrag auf Fahrkostenerstattung sowie, dass er die oben genannte Verfügung der Vorsitzenden vom 14. Januar 2013 zügig, jedenfalls deutlich in der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist mit am 04. Februar 2013 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 29. Januar 2013 beantwortete. Schließlich ergibt auch ein Blick in die beigezogenen Krankenunterlagen keinen Schluss darauf, dass der Kläger wegen konkret beim Ablauf der Berufungsfrist bestandener Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme außer Stande war, die Berufungsfrist einzuhalten. So wurde er jedenfalls noch ausweislich des Reha-Entlassungsberichts des M Reha-Zentrums S vom 22. Februar 2010 ohne wesentliche Einschränkungen in der geistig-psychischen Belastbarkeit aus der stationären Rehabilitationsmaßnahme entlassen. Auch ein Arztbrief des Klinikums F – Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie – vom 28. Juni 2011 über einen stationären Krankenhausaufenthalt vom 20. Juni bis zum 04. Juli 2011 lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Kläger rund anderthalb Jahre später wegen Konzentrations- und Gedächtnisdefiziten außer Stande war, gesetzliche Fristen einzuhalten. Hierfür reicht es auch nicht aus, dass dem Kläger wegen physischer und psychischer Problem einschließlich eines bei ihm bestehenden Schlaf-Apnoe-Syndroms ausgeprägte Tagesmüdigkeit bescheinigt wurde. Bei alldem wäre es dem Kläger gerade im Bewusstsein der von ihm behaupteten Konzentrationsprobleme zuzumuten gewesen, Vorkehrungen gegen die Versäumung von gesetzlichen Frist wie die Führung eines Kalenders zu treffen, wofür indes weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.