Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung 1998

Gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung 1998


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 15.12.2011
Aktenzeichen 9 K 5311/04 B ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger im Streitjahr 1998 als Gesellschafter aufgrund der Auflösung einer aus ihm und der Beigeladenen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (künftig: GbR) einen Betriebsaufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – in Höhe seines verbliebenen positiven Kapitalkontos erlitten hat.

Der Kläger war bis zum ... Mai 2005 (Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) hauptberuflich alleiniger Geschäftsführer eines großen Autohauses in Berlin. Er gründete zusammen mit der Beigeladenen im Jahre 1988 die o. g. GbR zum Zweck des Betriebs eines Heims für Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge in Berlin. Die Beigeladene hatte bereits einige Zeit zuvor unter ihrem Namen von der K. GbR, der damaligen Eigentümerin von drei Mietshäusern in der … Str. 25 – 27 in Berlin, diese Immobilien gemietet. Bestandteil des Mietvertrags war ein Zusatzvertrag, wonach die Mieterin (= Frau K.) Erneuerungs- sowie Instandsetzungsmaßnahmen i. S. von § 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB - vorzunehmen hatte, die sonst üblicherweise vom Hauseigentümer durchzuführen sind. Hintergrund dieser Zusatzvereinbarung war der Umstand, dass die Mietzahlungen nicht durch die Heimbewohner selbst, sondern von den zuständigen Bezirksämtern der Stadt Berlin, Abteilung Soziales, geleistet wurden. Die Beigeladene brachte die Mietverträge in das Vermögen der GbR mit ein.

Bei Gründung der GbR, die zunächst unter „… GbR“ firmierte, war zwischen den beiden Gesellschaftern vereinbart worden, dass die Beigeladene sich um das „laufende Geschäft“ und der Kläger sich um die „Beschaffung der finanziellen Mittel“ kümmern sollte. Die Beigeladene erhielt eine Vorwegvergütung für ihre leitende Tätigkeit in Höhe von anfangs 3 000,00 DM monatlich. Der Rest des Betriebsergebnisses wurde zwischen den beiden Gesellschaftern im Verhältnis 50 : 50 geteilt. Für die Gesellschafter wurden gesonderte Kapitalkonten geführt. Die GbR ermittelte ihre Betriebsergebnisse durch Bilanzierung.

In der schriftlichen Vereinbarung vom ... September 1988 heißt es u. a.:

§ 1 Frau G. und Herr A. schließen sich zusammen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

§ 3 Dauer der Gesellschaft

1. Die Gesellschaft beginnt am … August 1988 und läuft auf unbestimmte Zeit.

§ 5 Einlagen und Leistungen der Gesellschafter

1. Der Gesellschafter A. erbringt Bareinlagen bis zur Höhe von 150 000,00 DM in die Gesellschaft ein und sorgt für die Finanzierung anstehender Projekte. Einlagen über 150 000,00 DM können ohne Zustimmung des anderen Gesellschafters wieder entnommen werden. Weitere Leistungen, insbesondere der Einsatz der vollen Arbeitskraft, werden nicht erbracht.

2. Die Gesellschafterin G. stellt ihre volle Arbeitskraft dem gemeinsamen Betrieb zur Verfügung.

§ 7 Gewinn- und Verlustverteilung

1. Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft nehmen beide Gesellschafter zur Hälfte teil.

2. Für den Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft erhält Frau K. einen Vorweggewinn. Mit diesem Vorweggewinn sind alle Leistungen und Dienste des mithelfenden Ehegatten abgegolten. Der Vorweggewinn beträgt pro Monat 3 000,-- DM.

3. Die Gesellschafterin K. darf ihren Vorweggewinn entnehmen. Weitere Entnahmen dürfen nur im gegenseitigen Einvernehmen getätigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Entnahmen nicht den Vorjahresgewinn übersteigen dürfen. Entnahmen auf den laufenden Gewinn können somit erst im folgenden Geschäftsjahr erfolgen.

§ 8 Kündigung eines Gesellschafters

1. Im Falle der Kündigung scheidet der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus und der verbleibende Gesellschafter ist berechtigt, das Unternehmen der Gesellschaft mit Vermögen und Schulden unter Ausschluß der Liquidation zu übernehmen und fortzuführen, gegen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an den Ausscheidenden.

2. Bei der Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens sind Vermögensgegenstände und Schulden mit ihren steuerlichen Werten anzusetzen. ….“

Ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 1988 erbrachte der Kläger im Gründungsjahr der Gesellschaft Einlagen in einer Gesamthöhe von 198 590,01 DM.

Frau K. kündigte unter dem …. Februar 1998 die Mietverträge ohne Zustimmung des Klägers vor Ablauf der regulären Laufzeit zum 31. März 1998. Daraufhin antwortete die K. GbR mit Schreiben vom 26. Februar 1998:

„… die o. g. Kündigungen haben wir erhalten und möchten Ihnen folgendes mitteilen: …… Aus diesen Gründen würden wir auch vorzeitig eine Beendigung der Mietverhältnisse mit Ihnen begrüßen. ….. „

Frau K. schrieb am ... März 1998 zurück: „ …. Nach unserem Gespräch am ...3.98 schließe ich mich Ihrer Meinung an und bitte Sie wie vorgeschlagen, die Aufhebungsverträge der …str. 25, 26 u. 27 in Berlin zum 31.3.98 zu unterzeichnen. Wie ich Ihnen schon bei unserem Gespräch mitgeteilt habe, bin ich leider nicht in der Lage, die Renovierung der Häuser durchführen zu lassen. Die Forderung von Ihnen, 750 000,00 DM zu zahlen, ist mir leider nicht möglich. ……“

Ebenfalls noch im März 1998 kündigte die Beigeladene das Gesellschaftsverhältnis gegenüber dem Kläger mit Wirkung zum 31. März 1998, womit dieser sich einverstanden erklärte. Eine schriftliche Auflösungsvereinbarung wurde nach Aktenlage nicht geschlossen.

Herr K., der damalige Ehemann von Frau K., führte das Vermietungsgeschäft der GbR in der Folgezeit insoweit fort als er mit der K. GbR für die Zeit ab 1. April 1998 einen neuen Mietvertrag über die Anmietung der drei Mietshäusern abschloss und in diesem Mietvertrag die bislang mit der GbR vereinbarte Instandhaltungsverpflichtung ebenfalls übernahm.

Die K. GbR beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über den Umfang des Erneuerungsbedarfs in den drei Miethäusern und machte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten, Rechtsanwalt H. aus Berlin, vom ... Juli 1998 eine Gesamtforderung in Höhe von 1 530 620,00 DM geltend. Per Schuldanerkenntnis vom ... September 1998 verpflichtete sich Frau K. zur Zahlung von 1 100 000,00 DM bis zum 1. Januar 1999.

Nach Aktenlage überwies Frau K. – die Beigeladene – am 01. Oktober 1998 vom Konto Nr.: … der … Bank einen Teilbetrag in Höhe von 120 000,00 DM, am ... November 1998 einen weiteren von 50 000,00 DM (Kontostand am 30. September 1998: + 202 598,56 DM). Die erbrachte Mietkaution in Höhe von 240 000,00 DM diente im Wege der Umbuchung als weitere Teiltilgungsleistung. Den Gesamtbetrag von 410 000 DM machte die GbR in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung bis zum 31. März 1998 als sonstigen betrieblichen Aufwand geltend. Den als weiteren Aufwand behandelten Restbetrag in Höhe von 690 000,00 DM stellte die GbR als „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ in ihre Schlussbilanz auf den 31. März 1998 ein. Darin wies sie als verbliebene Aktiva nur noch eine Umsatzsteuerforderung in Höhe von 33 140,54 DM sowie „sonstige Vermögensgegenstände“ im Werte von 9 264,00 DM aus.

Die GbR erklärte in ihrer unter Mitwirkung von Steuerberater S. aus Berlin erstellten Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Streitjahr 1998 vom 30. August 2000 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1 118 894,00 DM. Eine Auseinandersetzungsbilanz i. S. von § 730 BGB wurde von der GbR nicht aufgestellt und lag dem Beklagten dementsprechend im Rahmen des Einkünftefeststellungsverfahren 1998 und auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vor. Der Beklagte folgte zunächst den Angaben in der Feststellungserklärung und erließ am 6. November 2000 einen entsprechenden Feststellungsbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO -) erging.

In Anlagen zur Bilanz per 31. Dezember 1997 bzw. per 31. März 1998 stellte die GbR die Entwicklung der Kapitalkonten der Gesellschafter wie folgt dar:

        

  Gesamt

  K.   

  A.   

                                

 Stand am 1.1.1997:

  589 410,99 DM

  ./. 292 512,12 DM

  881 923,11 DM

 Gewinn 1997

  128 897,31 DM

  82 448,66 DM

  46 448,65 DM

        

 (einschließlich Vorweg-

                
        

  gewinn von 36 000 DM)

                

 Einlagen

  25 523,00 DM

  25 523,00 DM

  0,00 DM

 ./. Entnahmen

  190 627,00 DM

  190 627,00 DM

  0,00 DM

 Stand am 31.12.1997

  553 204,30 DM

  ./. 375 167,46 DM

  928 371,76 DM

 Gewinn 1998

  ./. 1 118 893,86 DM

  ./. 554 946,93 DM

  ./. 563 946,93 DM

        

  (Vorweggewinn:

                
        

  9000 DM)

                
                                

 Einlagen

  39 429,49 DM

  39 429,49 DM

  0,00 DM

 ./. Entnahmen

  124 335,39 DM

  124 335,39 DM

  0,00 DM

 Stand am 31.03.1998

  ./. 650 595,46 DM

  ./. 1 015 020,29 DM

  364 424,83 DM

In den Vorjahren entwickelte sich das Kapitalkonto der Beigeladenen wie folgt:

 31.12.1993

  ./. 174 661,95 DM

 31.12.1994:

  ./. 100 848,34 DM

 31.12.1995:

  ./. 188 838,26 DM

 31.12.1996:

  ./. 292 512,12 DM

Im Zeitraum ... März bis ... Dezember 2003 führte der Beklagte bei der GbR eine Außenprüfung betr. die Jahre 1997 und 1998 durch (vgl. Bericht vom ... Januar 2004). Der Außenprüfer vertrat dabei die Ansicht, dass die Passivierung der Verbindlichkeit in Höhe von 690 000 DM zu Unrecht erfolgt sei, weil eine solche Schuld zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines entsprechenden Erlasses von Seiten der Forderungsinhaberin nicht mehr bestanden habe. Die Tatsache des Schuldenerlasses ergebe sich daraus, dass die fragliche Forderung seitens der K. GbR nach Umbuchung der Mietkaution nie mehr eingefordert worden sei. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen des offenen Restbetrages seien ebenfalls unterblieben. Die drei Mietobjekte seien ohne jede Änderung oder Einschränkung auch weiterhin als Wohnheim durch den Betriebsnachfolger, Herrn K., genutzt worden. Die vertraglich mit Frau K. vereinbarten Instandhaltungsmaßnahmen seien bis heute (= Stand: 2004) nicht durchgeführt worden. Mittlerweile seien die betreffenden Grundstücke von der K. GbR weiterveräußert worden. Ein entsprechender Wertverlust auf der Eigentümerseite sei nicht erkennbar und ein Ausgleich hierfür auch nicht verlangt worden (Tz. 11 des o. g. Berichts). Da der Erlass der Schuld nicht in einem inneren Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs durch die GbR stehe, handele es sich insoweit auch nicht um einen tarifbegünstigten Betriebsaufgabegewinn i. S. von § 16 Abs. 3 i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1997, 509).

Zum Thema „Aufgabegewinn“ heißt es unter Tz. 14 des Berichts:

„Ein Aufgabegewinn ist bisher nicht ermittelt worden. Es wurde keine entsprechende Aufgabebilanz aufgestellt.

Frau K. hat nach den Feststellungen des Prüfers mit der Entnahme des VW-Transporters einen Aufgabegewinn erzielt. Der Entnahmewert wird mit 4 000,00 DM geschätzt. In der Schlussbilanz war das Fahrzeug nicht mehr enthalten.

Da die Gesellschaft von beiden Beteiligten aufgelöst wurde und keine Vereinbarungen über Übernahmen von Gesellschaftsanteilen oder der Fortbestand des Betriebes vereinbart war und auch keine Übertragungen vollzogen wurden, ist auch kein Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG festzustellen. Ein Ausgleich der Kapitalkonten hat ebenfalls nicht stattgefunden. Abfindungen wurden nicht gezahlt. Damit führt diese Form der Auseinandersetzung im Innenverhältnis zu keinerlei steuerlich relevanten Vorgängen (vgl. auch R 139 (4), BFH 10.03.1998 – BStBl II 1999, 269).

Im Übrigen wurden auch keine gemeinen Werte übertragen, weil den Wirtschaftsgütern kein Wert mehr zugemessen werden konnte. Nach der vorliegenden Buchführung wurden nach dem 31.03.1998 mit den vorhandenen Mitteln auf dem Bankkonto und den Barmitteln aus der Kasse noch vorhandene Schulden getilgt oder nachträgliche Betriebsausgaben bis zum Juli 1999 beglichen. Selbst die nachträglichen Betriebseinnahmen sind lt. vorgelegter Buchführung noch vollständig erfasst gewesen. Diesbezüglich hat eine einwandfreie Abgrenzung zum Nachfolgeunternehmen stattgefunden.“

In einem Aktenvermerk des Außenprüfers vom ... Februar 2003 heißt es außerdem u. a. : „……. Frau K. teilte dazu vorab mit, dass die Auflösung [der GbR] damals betrieben wurde durch die Kündigung des Mietvertrages für das Objekt. Sie wollte die GbR auch nicht fortführen, da sie selbst das Unternehmen immer selbständig betrieben hat und der Herr A. nur an den Gewinnen beteiligt war. Ein Auflösungsvertrag gibt es nicht.

Herr A. und Herr K. haben sich jeweils unabhängig voneinander beim Vermieter um einen neuen Mietvertrag zur alleinigen Fortführung des Unternehmens bemüht. Nur der Herr K. hat aber den Zuschlag erhalten.

Frau K. brauchte ihr negatives Kapital nicht gegenüber dem Herrn A. auszugleichen. Bis heute sind von Herrn A. keine Forderungen an die ehemalige Beteiligte gestellt worden. Als Begründung gab Frau K. positive Gefühle ihr gegenüber an. Ein Kontakt besteht aber seither nicht mehr. ……“

Daraufhin erließ der Beklagte am ... Mai 2004 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkünftefeststellungsbescheid, mit dem er die Einkünfte der GbR aus Gewerbebetrieb unter Hinweis auf die Feststellungen der Außenprüfung laut deren Bericht vom ... Januar 2004 auf ./. 417 768,50 DM d. h. ohne Berücksichtigung u. a. des Aufwands von 690 000 DM feststellte. Die negativen Einkünfte wurden dabei entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel nach Berücksichtigung eines Vorweggewinns von 9000 DM zugunsten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte dem Kläger sowie der Beigeladenen zugerechnet. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Gegen den geänderten Feststellungsbescheid legte die GbR fristgerecht Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom ... Juni 2004 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Im Rahmen seiner Klage macht der Kläger als ehemaliger Gesellschafter der GbR im Wesentlichen geltend, es bestehe zwischen den Beteiligten zwar mittlerweile Einigkeit darüber, dass die GbR per ... März 1998 einen Gewinn in Höhe von 690 000,00 DM aufgrund des Erlasses der restlichen Renovierungsverpflichtungen seitens der K. GbR erzielt habe. Der Beklagte habe daraus in dem angefochtenen Änderungsbescheid aber nicht die richtigen Konsequenzen für die Einkünftezuordnung zwischen den beiden ehemaligen Gesellschaftern gezogen.

Die Auflösung der GbR per 31. März 1998 und der Umstand, dass die Beigeladene damals erklärt habe, sie sei finanziell nicht imstande, eine Kapitaleinlage in Höhe von 364 424,83 DM zu leisten, bewirke, dass bei ihm, dem Kläger, folgender Betriebsaufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 EStG entstanden sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 3/01, BStBl II 2003, 112):

 Kapitalkonto per 31. 3. 1998:

  364 424,83 DM

 (Anlage zur Bilanz per 31.03.1998)

        

 ./. Wert der Aktiva der GbR per 31.3.1998:

  42 404,54 DM

 + hälftiger Gewinn aufgrund des Schuldenerlasses

  345 000,00 DM

 Aufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 EStG

  667 020,29 DM

Das vom Beklagten in der vorgerichtlichen Korrespondenz angezogene Urteil des BFH vom 10. März 1998 VIII R 76/96, BStBl II 1999, 269 sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil es sich hier um den Fall der (vollständigen) Auflösung einer GbR und nicht um das Ausscheiden bloß eines der beiden Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft handele.

Die Behauptung des Beklagten, er, der Kläger, habe auf die ihm zustehende Ausgleichsforderung im Zusammenhang mit seinem Kapitalkonto verzichtet, sei unzutreffend (Hinweis auf seine schriftliche Erklärung vom ... November 2004). Die weitere Behauptung, er habe der Beigeladenen über Jahre hinweg gestattet, über deren Gewinnanteil hinaus zu entnehmen, sei angesichts der zwischen ihnen getroffenen Entnahmebegrenzungsvereinbarung vom ... September 1994 (Hinweis auf Protokoll der Gesellschafterversammlung vom ... September 1994) ebenfalls unzutreffend. Die außerdem vom Beklagten aufgestellte Behauptung, er habe sein positives Kapitalkonto zugunsten der Beigeladenen verwendet, widerspreche der vom BFH in dessen Urteil vom 19. Januar 1993 VIII R 128/94, BStBl II 1993, 594 geäußerten Rechtsauffassung.

Der Umstand, dass die GbR anlässlich ihrer Auflösung keine Aufgabe- oder Auseinandersetzungsbilanz aufgestellt habe, bedeute nicht, dass er, der Kläger, auf seine Ausgleichsforderung verzichtet habe. Vielmehr sei ihm die Schlussbilanz der GbR erst während der Außenprüfung überreicht worden. Er habe daher vorher nicht die Möglichkeit gehabt, den Fehler der Nichtaufstellung zu korrigieren. Bereits während der Schlussbesprechung sei seitens den nunmehr für ihn tätigen Steuerberaters der Hinweis erfolgt, dass die Gewinnerhöhung durch den Außenprüfer angesichts der Einkommens- und Vermögenlosigkeit der Beigeladenen zu einem entsprechenden Betriebsaufgabeverlust bei ihm, dem Kläger, führen werde.

Der Kläger beantragt,

die gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung 1998 unter Änderung des Feststellungsbescheids vom ... Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Juni 2004 dahin gehend durchzuführen, dass zusätzlich ein Aufgabeverlust aus Gewerbebetrieb aufgrund seiner Beteiligung an der K. K. & A. GbR mit einem Betrag in Höhe von 341 042.05 EUR (= 667 020,29 DM) festgestellt wird.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass vorliegend mangels einer entsprechenden Kaufpreiszahlungsverpflichtung seitens des Herrn K. als Erwerber des restlichen Gesellschaftsvermögens der GbR eine unentgeltliche Unternehmensübertragung i. S. von § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i. V. m. § 6 Abs. 3 EStG stattgefunden habe mit der Folge, dass kein Betriebsaufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 EStG in der Person des Klägers entstanden sei (Hinweis auf BFH-Urteile in BStBl II 1999, 269 und vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BStBl II 1990, 780 sowie BFH-Beschluss vom 3. Juni 1997 VIII B 73/96, BFH/NV 1997, 838). Das vom Kläger angezogene BFH-Urteil in BStBl II 2003,112 sei hingegen unanwendbar, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf einen anderen Mitunternehmer gehe.

Die Behauptung des Klägers, er habe von der Fortführung des Unternehmens in der Person des Herrn K. keine Kenntnis gehabt, sei unzutreffend. Vielmehr habe sich der Kläger zunächst darum bemüht, das Unternehmen in eigener Person als Einzelunternehmer fortzuführen, und Kontakte mit der K. GbR aufgenommen, um selbst Mieter der betreffenden Mietobjekte zu werden. Diese Bemühungen seien jedoch ebenso wie seine Bemühungen gegenüber den Bezirksämtern, Zahlungen für die Unterbringung der Asylbewerber unmittelbar von diesen Behörden zu erhalten, erfolglos geblieben.

Überdies habe der Kläger der Beigeladenen während des gesamten Bestehens der GbR gestattet, über den ihr zustehenden Gewinnanteil hinaus Beträge in Höhe von mehreren hunderttausend DM zu entnehmen. Er habe sein positives Kapitalkonto letztendlich zu Gunsten des negativen Kapitalkontos der Beigeladenen verwendet mit der Folge, dass in seiner Person kein Betriebsaufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 EStG entstanden sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93, BStBl II 1998,180). Deshalb habe die GbR ja auch auf die Aufstellung einer Aufgabe- oder Auseinandersetzungsbilanz verzichtet. Das BFH-Urteil in BStBl II 1993, 594 betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt.

Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung vier Bände Steuerakten betr. die K. & A. GbR (StNr.: ….) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkünftefeststellungsbescheid vom ... Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Juni 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Der Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines „Aufgabeverlustes“ in der Person des Klägers aufgrund des „Wegfalls“ seines positiven Kapitalkontos im Zeitpunkt der Auflösung der GbR i. S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG verneint, weil der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger Grund und Höhe eines gesellschafterinternen Ausgleichsanspruchs nach § 735 BGB gegenüber der Beigeladenen auf Ausgleich des Fehlbetrages auf derem Kapitalkonto nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats dargetan und nachgewiesen hat.

a.) Nach der Rechtsprechung des BFH erleidet der Gesellschafter einer Personengesellschaft im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft wegen einer Betriebsaufgabe i. S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG ggf. einen Aufgabeverlust aus dem „Wegfall“ seines positiven Kapitalkontos (vgl. dazu BFH-Urteil in BStBl II 1993, 594; Wacker, in: Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 16 Rz. 391).

b. ) Im vorliegenden Fall hat die GbR per 31. März 1998 ihren Betrieb vollständig eingestellt und die noch vorhanden Wirtschaftsgüter zeitnah restlos veräußert. Sie hat damit im Sinne der BFH-Rechtsprechung von ihrem Wahlrecht zwischen einer tarifbegünstigten Betriebsaufgabe und einer nichtbegünstigten allmählichen Betriebsabwicklung zugunsten der ersteren Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht (vgl. zu den Einzelheiten: Wacker, a.a.O., § 16 Rz. 184 ff. mit zahlr. Nachweisen).

c.) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist im vorliegenden Fall keine unentgeltliche Betriebsübertragung oder Übertragung von Mitunternehmeranteilen an einem Betrieb i. S. von § 7 Abs. 1 EStDV i. V. m. § 6 Abs. 3 EStG gegeben, weil die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht von der GbR auf Herrn K. unentgeltlich übergegangen sind und auch keine rechtsgeschäftliche Übertragung von Mitunternehmeranteilen stattgefunden hat. Nach Aktenlage gibt es keine diesbezügliche mündliche oder schriftliche Vereinbarung zwischen der GbR und/oder dem Kläger und der Beigeladenen auf der einen Seite und Herrn K. auf der anderen Seite. Stattdessen wurde der zwischen der Beigeladenen und der K. GbR abgeschlossene Mietvertrag als „wesentliche Betriebsgrundlage“ der GbR durch Aufhebungsvertrag per 31. März 1998 gänzlich aufgehoben und abgewickelt (einschließlich Verwertung der gezahlten Mietkaution sowie Zahlung von Schadensersatz für die unterlassenen Renovierungsarbeiten). Herr K. musste infolgedessen mit der K. GbR per 1. April 1998 einen ganz neuen Mietvertrag über die drei Objekte abschließen. Die GbR hatte auch keine eigenen Geschäftsräume, die von Herrn K. übernommen wurden. Die übrigen, der GbR gehörenden Wirtschaftsgüter mit relativ geringem Buchwert sind zeitnah im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe entweder in das Privatvermögen der Gesellschafter (z. B. Pkw im Wert von 4 000,00 DM) in das Privatvermögen der Beigeladenen) überführt oder von der GbR veräußert worden (vgl. Tz. 14 des Berichts über die durchgeführte Außenprüfung).

d.) Nach BFH in BStBl II 1993, 594 ist der Verlust, den der Gesellschafter einer Personengesellschaft aus dem „Wegfall“ seines positiven Kapitalkontos erzielt, einkommensteuerrechtlich im Jahr der Betriebsaufgabe zu erfassen.

e.) Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat jedoch Grund und Höhe eines gesellschafterinternen Ausgleichsanspruchs nach § 735 BGB gegenüber der Beigeladenen nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats dargetan oder gar bewiesen mit der Folge, dass in dem streitgegenständlichen Einkünftefeststellungsbescheid für das Jahr 1998 kein diesbezüglicher Betriebsaufgabeverlust i. S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG bei ihm anzusetzen ist.

aa.) Es ist zwischen den Prozessbeteiligten unstreitig, dass die GbR per 31. März 1998 aufgrund der Kündigungserklärung seitens der Beigeladenen i. S. von § 723 Abs. 1 i. V. m. § 729 BGB gegenüber der Eigentümerin der Liegenschaften, der K. GbR, i. V. m. Beschluss Nr. 2 der Gesellschafterversammlung der GbR vom ... September 1994 aufgelöst worden ist. Denn der Kläger hat von seinem Recht nach § 8 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages vom ... September 1988, das Unternehmen als Einzelunternehmer im Wege der Anwachsung des Gesellschaftanteils der Beigeladenen fortzuführen, keinen Gebrauch gemacht.

bb.) Für die Auseinandersetzung unter den BGB-Gesellschaftern nach Auflösung der Gesellschaft gelten die §§ 730 bis 735 BGB. Die Durchführung der Abwicklung der Gesellschaft obliegt allen bisherigen Gesellschaftern gemeinsam, da die nach dem Gesellschaftsvertrag einem Gesellschafter allein zustehende Geschäftsführungsbefugnis mit der Auflösung der GbR erlischt (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB). Bei einer Weigerung des einen Gesellschafters an der Mitwirkung kann der andere Klage auf Auseinandersetzung erheben (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., § 730 Rz. 4 m. w. N.).

Die Aufgaben der Gesellschafter als Abwickler sind zunächst darauf gerichtet, die schwebenden Geschäfte zu beenden und die zur Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens bis zu dessen Abwicklung erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 730 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nach Rückgabe der zur Benutzung überlassenen, nicht mehr benötigten Gegenstände an die Gesellschafter (§ 732 BGB) sind die Gesellschaftsschulden zu tilgen sowie Rückstellungen für noch nicht fällige oder streitige Verbindlichkeiten zu bilden (§ 733 Abs. 1), wobei das Gesellschaftsvermögen, soweit erforderlich, zu liquidieren ist (§ 733 Abs. 3), um letztendlich zur Erstattung der den Gesellschaftern gebührenden Einlagen bzw. ihres Wertes in Geld (§ 733 Abs. 2 BGB) im Rahmen der Schlussabrechnung zu gelangen (vgl. dazu Habermeier, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 730 Rz. 4).

§ 735 BGB statuiert – ebenso wie § 739 BGB für den Fall des ausscheidenden Gesellschafters (vgl. dazu BGH-Urteil vom 3. Mai 1999 II ZR 32/98, Der Betrieb – DB – 1999,1313) - eine sog. „Fehlbetragshaftung“ desjenigen Gesellschafters, dessen Kapitalkonto im Zeitpunkt der Auflösung der GbR negativ ist. Das negative Kapitalkonto stellt keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft dar, sondern bringt nur den wirtschaftlichen Wert seiner (negativen) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in Form einer buchmäßigen Rechnungsziffer zum Ausdruck; es zeigt also bei Auflösung oder Auseinandersetzung der Gesellschaft durch Ausscheiden eines Gesellschafters an, in welcher Höhe der betreffende Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern ggf. ausgleichspflichtig ist (so BGH, a.a.O.).

Der Anspruch auf Ausgleich des Fehlbetrages aufgrund des negativen Kapitalkontos gemäß § 735 BGB steht an sich der GbR als solcher zu. Ist aber das Gesellschaftsvermögen bereits abgewickelt und wird der Fehlbetragsausgleich lediglich zum Ausgleich unter den Gesellschaftern benötigt, so bejaht die Rechtsprechung und die h. M. im Schrifttum einen unmittelbaren, im Klagewege durchsetzbaren Anspruch zwischen den Gesellschaftern und verzichtet bei Überschaubarkeit der Verhältnisse auch auf die Aufstellung einer besonderen Schlussabrechnung (vgl. dazu BGH-Urteil vom 21. November 2005 II ZR 17/04, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2006, 577; OLG Köln, Urteil vom 16. September 1998 2 U 25/98, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht – NZG – 1999, 152; Habermeier, a.a. O., § 735 Rz. 4; Sprau, a.a.O., § 730 Rz. 4).

Der Anspruch nach § 735 BGB kann von den Gesellschaftern auch individualvertraglich abbedungen werden (vgl. Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 16 Rz. 106). Im vorliegenden Fall enthält der Gesellschaftsvertrag der GbR aber keine entsprechende Klausel (vgl. § 8 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags, der für den Fall der Kündigung eines Gesellschafters die Verpflichtung für den verbleibenden Gesellschafter vorsieht, dem Ausscheidenden das „Auseinandersetzungsguthaben“ auszuzahlen).

Auf der anderen Seite gibt es nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach Auflösung der GbR gegenüber der Beigeladenen zu irgendeinem Zeitpunkt mündlich oder schriftlich einen Anspruch auf Fehlbetragshaftung i. S. von § 735 BGB geltend gemacht hat. Im Gegenteil: Die Beigeladene hat sogar anlässlich der vom Beklagten durchgeführten Außenprüfung gemäß einem vom Außenprüfer am ... Februar 2003 gefertigten Aktenvermerk explizit erklärt, dass der Kläger diesbezüglich „bis heute“ keine Forderungen an sie gestellt habe.

Angesichts dieser Umstände sowie des Umstandes, dass der Kläger über Jahre hinweg das Fortbestehen eines extrem negativen Kapitalkontos auf Seiten der Beigeladenen geduldet hat, obwohl ihm nicht verborgen geblieben ist, dass die Beigeladene aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage sein würde, die Fehlbeträge in einem überschaubaren Zeitraum auszugleichen, hat der Kläger nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats dargetan und bewiesen, dass er den ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch nach § 735 BGB jemals tatsächlich gegenüber der Beigeladenen erhoben hat. Vielmehr sprechen alle Umstände des Sachverhalts – anders als beim Sachverhalt, der dem BFH-Beschluss vom 24. März 1993 IV B 79/92, BFH/NV 1993, 658 zugrunde gelegen hat - für einen konkludenten Verzicht des Klägers gegenüber der Beigeladenen auf diesen Ausgleichsanspruch bereits im Zeitpunkt der Auflösung der GbR. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom .. November 2004 gegenüber seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten aufgestellte, gegenteilige Behauptung ist daher als bloße Schutzbehauptung unmaßgeblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.