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Nutzungsuntersagung; Hundezwinger; Unterlassungsgebot; Beitreibung von Zwangsgeld; Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung; verspätete Befolgung des Unterlassungsgebots; keine Wiederholungsgefahr; Erreichen des Vollstreckungsziels; Beugemaßnahme; Feststellungsklage; Vollstreckungsgegenklage


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 19.05.2011
Aktenzeichen OVG 10 B 7.10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 20 Abs 3 S 2 VwVG BB, § 25 Abs 3 VwVG BB, § 43 VwGO, § 173 VwGO, § 767 ZPO

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. März 2007 wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beitreibung der mit Bescheiden vom 10. September 2001 und 29. November 2001 festgesetzten Zwangsgelder unzulässig ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Beitreibung von Zwangsgeldern aus zwei (rechtskräftigen) Zwangsgeldfestsetzungsbescheiden.

Der Kläger unterhielt auf seinem Grundstück K… in Wandlitz einen Hundezwinger mit Huskies. Mit Bescheid vom 4. Januar 2001 untersagte ihm der Beklagte die Nutzung dieses Zwingers, ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 DM an. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage (7 K 1213/01). Während des Klageverfahrens setzte der Beklagte unter dem 10. September 2001 das zuvor angedrohte Zwangsgeld von 5.000 DM fest und drohte zugleich ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 8.000 DM an, „um die verfügte Nutzungsuntersagung mit Nachdruck … durchzusetzen“. Mit Bescheid vom 29. November 2001 setzte er das angedrohte Zwangsgeld von 8.000 DM fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld über 8.000 DM an. Gegen beide Zwangsgeldfestsetzungsbescheide legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein und erhob anschließend Klage (7 K 2599/01 und 7 K 238/02).

Mit Urteilen vom 16. Oktober 2002 wies das Verwaltungsgericht die drei Klagen ab. Nach Eintritt der Rechtskraft gab der Kläger kurz vor Weihnachten 2002 die Nutzung des Hundezwingers auf und baute diesen im Januar 2003 weitgehend ab. Zugleich errichtete er auf dem Grundstück an anderer Stelle mit niedrigeren Bauelementen einen neuen Hundezwinger.

Im Dezember 2002 beauftragte der Beklagte die Gerichtsvollzieherverteilerstelle am Wohnort des Klägers mit der Beitreibung diverser Forderungen, darunter die festgesetzten Zwangsgelder in Höhe von 5.000 DM und 8.000 DM. Nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch beantragte er im Februar 2003 beim Amtsgericht Schwabach die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Unter dem 12. Februar 2003 erklärte sich der Kläger zur Begleichung diverser Gebührenforderungen bereit und wies darauf hin, dass es sich bei der betriebenen Zwangsvollstreckung im Übrigen um eine Erzwingungsvollstreckung handele und diese einzustellen sei, weil er die Nutzung der streitigen baulichen Anlage aufgegeben habe. Der Beklagte lehnte eine Einstellung der Vollstreckung ab, weil der Kläger die Hundezwingeranlage nur örtlich versetzt habe und weiter nutze.

Am 3. Mai 2003 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus den Bescheiden vom 10. September und 29. November 2001 für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, er habe der Verfügung, die Grundlage der Zwangsvollstreckung sei, Folge geleistet und die Nutzung der darin bezeichneten Anlage aufgegeben, was durch deren weitgehende Demontage dokumentiert werde. Der neu errichtete Hundezwinger sei nicht Gegenstand der Nutzungsuntersagung, sondern an anderer Stelle des Grundstücks in einer Entfernung von mindestens 37 m aus überwiegend neuen, niedrigeren Elementen in anderer Form errichtet worden. Er sei genehmigungsfrei und stelle jedenfalls nicht mehr dieselbe Anlage dar. Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die rechtswidrige Nutzung des Hundezwingers sei nicht eingestellt worden, weil der Kläger die Anlage lediglich versetzt habe. Tatbestandlich stelle die Unterlassungsverfügung auf die Untersagung der Nutzung einer baulichen (Zwinger-)Anlage, bestehend aus miteinander verbundenen Zaunelementen, auf dem Wohngrundstück des Klägers ab.

Den zugleich mit der Klage gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2003 zurückgewiesen (7 L 286/03); die dagegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom 24. März 2004 - 3 B 147/03 -).

Mit Urteil vom 20. März 2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, wobei dahinstehen könne, ob sie gemäß § 767 ZPO i.V.m. § 173 VwGO als Vollstreckungsabwehrklage oder als Feststellungklage nach § 43 VwGO statthaft sei. Sie sei jedoch unbegründet. Denn bei einem Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot sei für die weitere Vollstreckung entscheidend und hinreichend, dass der Kläger zuvor nach der jeweiligen Zwangsgeldandrohung während einer Zeit, in welcher das Gebot gegolten habe, gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe. Der Beugecharakter des Zwangsgeldes erfordere bei sofort wirksamen Unterlassungsgeboten regelmäßig seine weitere Durchsetzung und nur das Bewusstsein, dass jede Zuwiderhandlung die Festsetzung nach sich ziehe, erhalte der Zwangsgeldandrohung ihren Charakter als Beugemittel. Für diese Auffassung spreche auch, dass § 20 Abs. 3 Satz 2 VwVGBbg, der eine Spezialvorschrift zum Unterbleiben der Beitreibung eines Zwangsgeldes enthalte, nur auf nachgeholte Handlungen oder Duldungen, nicht jedoch auf die eigenständige Alternative des Unterlassens Bezug nehme.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung möchte der Kläger erreichen, dass das erstinstanzliche Urteil geändert und die Zwangsvollstreckung aus den Zwangsgeldbescheiden vom 10. September und 29. November 2001 für unzulässig erklärt wird. Er hält die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung für unverhältnismäßig und beruft sich darauf, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Beugemittel seien und nicht als Strafe oder Abschreckungsinstrument dienten. Im Hinblick auf § 20 Abs. 3 Satz 2 VwVGBbg sei nicht ersichtlich, warum zwischen Handlungen und Duldungen einerseits und Unterlassungen andererseits unterschieden werde. Eine solche Unterscheidung sei sach- und gleichheitswidrig, zumal auch die Duldung ein Fall der Unterlassung sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Zwangsvollstreckung aus den Zwangsgeldbescheiden des Beklagten vom 10. September 2001 in Höhe von 5.000 DM und vom 29. November 2001 in Höhe von 8.000 DM unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. März 2007 für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat das angefochtene Urteil im Berufungszulassungsverfahren verteidigt und sich zur Berufung nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakte, die Gerichtsakten zu den Verfahren 7 K 2396/00, 7 K 1213/01, 7 K 2599/01, 7 K 238/02 und 7 L 286/03 sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner, 2 Halbhefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben und - soweit erforderlich - Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht begründete Berufung des Klägers hat Erfolg.

1. Die Klage ist als Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Der vom Kläger favorisierten Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO steht entgegen, dass nach § 173 Satz 1 VwGO die Zivilprozessordnung nur entsprechend anzuwenden ist, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält. Aus diesem Grund ist die Vollstreckungsgegen- oder Vollstreckungsabwehrklage, die die Vollstreckung unanfechtbarer Verwaltungsakte betrifft, dann ausgeschlossen, wenn eine Klage nach § 42 oder - wie hier - § 43 VwGO zulässig ist (ganz h.M., vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1967 - BVerwG VII C 69.65 -, BVerwGE 27, 141, juris Rn. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. April 1976 - II A 242/74 -, DÖV 1976, 673, 675; Hessischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 1988 - 4 TH 3493/86 -, NVwZ-RR 1989, 507, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 1992 - 5 S 2520/91 -, NVwZ 1993, 72, juris Rn. 27; VG Freiburg, Urteil vom 10. März 1988 - 3 K 258/87 -, NVwZ-RR 1989, 514; VG Kassel, Urteil vom 11. August 2000 - 6 E 3057/99 -, juris Rn. 19; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 42 Rn. 82; Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 167 Rn. 59; Sadler, VwVG/VwZG, 7. Aufl. 2009, § 5 VwVG Rn. 19; App/Wettlaufer, Praxishandbuch Verwaltungsvollstreckungsrecht, 5. Aufl. 2011, § 40 Rn. 19; Lemke in: Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2009, § 18 VwVG Rn. 32; Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, 1, 7 f.). Im Übrigen bedarf es vorliegend auch nicht der Vollstreckungsabwehrklage, die als prozessuale Gestaltungsklage einem Vollstreckungstitel seine Vollstreckbarkeit nehmen soll, weil sich eine etwaige Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung bereits aus dem einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetz ergibt (vgl. Lemke, a.a.O., Rn. 33; Schenke/Baumeister, a.a.O., S. 9).

Das Rechtsschutzbegehren des Klägers lässt sich auch als Feststellungsantrag auslegen, weil er deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der vom Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckung erreichen möchte. Mit dieser Auslegung ist die Klage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt ist, die in den Bescheiden vom 10. September und 29. November 2001 festgesetzten Zwangsgelder beizutreiben. Diese Frage stellt ein konkretes, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, weil der Beklagte sich des Rechts zur Beitreibung berühmt und bereits konkrete Vollstreckungsversuche eingeleitet hat. Dem Kläger ist es nicht zuzumuten, die Zwangsvollstreckung zunächst zu dulden und sich auf eine nachträgliche Rechtmäßigkeitsprüfung und einen etwaigen Rückzahlungsanspruch verweisen zu lassen, so dass er vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Schließlich steht auch der Grundsatz der Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, weil davon auszugehen ist, dass der Beklagte auch einem nicht vollstreckbaren Feststellungsurteil Folge leisten wird und eine Umgehung der insbesondere für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Sonderregelungen nicht zu besorgen ist (vgl. zur einschränkenden Auslegung des § 43 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1970 - BVerwG VI C 8.69 -, BVerwGE 36, 179, juris Rn. 12; Urteil vom 29. April 1997 - BVerwG 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2534, juris Rn. 25 m.w.N.). Die Klage ist somit als Klage auf Feststellung, dass die Beitreibung der festgesetzten Zwangsgelder unzulässig ist, zulässig (ähnlich OVG Saarland, Urteil vom 27. November 2001 - 2 R 9/00 -, NVwZ-RR 2003, 87, juris Rn. 27 i.V.m. Rn. 15, 19; zur Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 1992, a.a.O., Rn. 27; VG Kassel, Urteil vom 11. August 2000, a.a.O., Rn. 18; im Ansatz auch Lemke, a.a.O., § 18 VwVG Rn. 30, der jedoch die vorbeugende Unterlassungsklage für vorrangig hält; für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des titulierten Anspruchs OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. April 1976, a.a.O., S. 675; Schenke/Baumeister, a.a.O., S. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 167 Rn. 19 b).

2. Die Klage ist auch begründet. Die Beitreibung der festgesetzten Zwangsgelder ist nicht (mehr) zulässig, weil der Kläger die Nutzung des Hundezwingers dauerhaft eingestellt hat (a) und daher der mit der Zwangsvollstreckung erstrebte Zweck erreicht ist (b).

a) Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Kläger die im Bescheid vom 4. Januar 2001 verfügte Nutzungsuntersagung mittlerweile befolgt. Dem steht nicht entgegen, dass er an anderer Stelle auf dem Grundstück einen neuen Hundezwinger errichtet hat. Denn die Nutzungsuntersagung vom 4. Januar 2001 ist anlagebezogen und betrifft (allein) den im Bescheid genau beschriebenen und damals genutzten Hundezwinger. Untersagt wurde dem Kläger nicht das Halten von Hunden auf seinem Grundstück und/oder das Errichten irgendeines Geheges für die Tiere, sondern die Nutzung einer konkreten Anlage, die als bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 BbgBO qualifiziert wurde. Die Nutzung dieser Anlage hat der Kläger im Dezember 2002 dauerhaft eingestellt, wie der Abbau der Zaunelemente im Januar 2003 dokumentiert. Eine Wiederaufnahme der untersagten Nutzung erscheint angesichts der Demontage ausgeschlossen.

b) Mit der dauerhaften Einstellung der untersagten Nutzung hat der Kläger die Untersagungsverfügung befolgt, so dass kein Anlass mehr besteht für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dies ergibt sich schon aus § 25 Abs. 3 VwVGBbg, wonach der Vollzug einzustellen ist, sobald sein Zweck erreicht ist. Der Zweck eines auf Dauer gerichteten Unterlassungsgebots ist jedenfalls dann erreicht, wenn der Pflichtige die untersagte Handlung tatsächlich unterlässt und keine Wiederholungsgefahr mehr besteht (vgl. HessVGH, Beschluss vom 12. April 1995 - 3 TH 2470/94 -, NVwZ-RR 1996, 361, juris Rn. 36 und Beschluss vom 2. September 2004 - 6 TG 1549/04 -, ESVGH 55, 65, juris Rn. 8; Sadler, a.a.O., § 15 VwVG Rn. 56; Lemke, a.a.O., § 15 VwVG Rn. 17). So liegt der Fall hier.

Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, bei einem Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot sei für die weitere Vollstreckung entscheidend und hinreichend, dass der Pflichtige nach der jeweiligen Zwangsgeldandrohung während einer Zeit, in welcher das Unterlassungsgebot gelte, gegen dieses verstoßen habe (so auch OVG Bremen, Urteil vom 25. Juni 1970 - I A 6/68, II BA 33/69 -, DVBl. 1971, 282 und Beschluss vom 30. Dezember 1994 - 1 B 109/94 -, juris Rn. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Dezember 1988 - 7 A 2555/87 -, NVwZ-RR 1990, 17, 18 und Beschluss vom 18. Juli 1996 - 4 E 461/95 -, NVwZ-RR 1997, 764, juris Rn. 6; unter Hinweis auf eine gesetzliche Neuregelung auch Beschluss vom 2. Juni 2010 - 13 B 191/10 -, DVBl. 2010, 1254, juris Rn. 10 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. März 1996 - 2 L 60/95 -, DÖV 1996, 926, juris Rn. 27 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 27. November 2001, a.a.O., Rn. 29 f.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2004 - 3 B 147/03 -, BA S. 3; Lemke, a.a.O., § 15 VwVG Rn. 19; App/Wettlaufer, a.a.O., § 37 Rn. 27), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beitreibung eines (festgesetzten) Zwangsgelds stellt eine Maßnahme zur Beugung eines entgegenstehenden Willens des Pflichtigen dar, die diesen dazu bewegen soll, die Verhaltenspflicht zu erfüllen, die sich aus dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt ergibt. Sie ist - auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - nur so lange zulässig, als ein solcher entgegenstehender Wille vorliegt. Ist dies nicht der Fall, weil der Pflichtige dem Verhaltensgebot nachkommt, besteht keine Notwendigkeit mehr für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dies gilt auch, wenn es um die Durchsetzung eines Unterlassungsgebots geht, dieses Gebot befolgt wird und ein weiterer Verstoß nicht zu erwarten ist (so auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 1990 - 4 L 78/89 -, BRS 50 Nr. 217, juris Rn. 11 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Februar 1994 - 5 S 1411/93 -, NVwZ-RR 1994, 620, juris Rn. 5; ähnlich Beschluss vom 12. März 1996 - 1 S 2856/95 -, DÖV 1996, 792, juris Rn. 16; Hessischer VGH, Beschluss vom 12. April 1995, a.a.O., Rn. 36 und Beschluss vom 2. September 2004, a.a.O., Rn. 8; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. April 1995 - 8 B 10780/95 -, juris Rn. 3; Sadler, a.a.O., § 15 VwVG Rn. 56 ff.; Dünchheim, NVwZ 1996, 117, 121; vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Juni 1996 - 3 M 3/96 -, NVwZ-RR 1997, 762, juris Rn. 17, allerdings zu einer Sonderregelung im dortigen Vollstreckungsrecht; in der Tendenz ebenso - wenngleich offen lassend - OVG Berlin, Beschluss vom 4. November 1998 - OVG 3 S 15.98 -, NVwZ-RR 1999, 411, 412). Die nachträgliche Beitreibung des Zwangsgelds hätte hier den Charakter einer Straf- oder Ordnungsmaßnahme. Anders als etwa die Zivilprozessordnung, die neben dem Zwangsgeld zur Durchsetzung nicht vertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO) auch das Ordnungsgeld zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen (§ 890 ZPO) kennt (vgl. hierzu auch OVG Berlin, a.a.O., S. 412), sieht das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (hier des Landes Brandenburg) nur einheitlich das Zwangsmittel des Zwangsgeldes vor. Dieses stellt eine Beugemaßnahme ohne repressiven Charakter dar (vgl. zum historischen Hintergrund für eine strenge Trennung zwischen präventiven Beugemitteln und repressiven Ahndungsmitteln Dünchheim, a.a.O., S. 118 f.).

Soweit die Gegenmeinung geltend macht, die späte Befolgung eines Unterlassungsgebots sei kein Fall der Zweckerreichung, weil eine ununterbrochene Beachtung der ausgesprochenen Verpflichtung geschuldet gewesen sei (OVG Saarland, Urteil vom 27. November 2001, a.a.O., Rn. 29; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juni 2010, a.a.O., Rn. 13), vermag dies die Zulässigkeit nachträglicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht zu begründen. Denn auch nach diesem Verständnis könnte durch die Beitreibung des festgesetzten Zwangsgeldes der gewünschte Zweck nicht mehr erreicht werden. Dieser wäre vielmehr endgültig verfehlt, so dass auch hier die Zwangsgeldbeitreibung im Ergebnis Sanktions- und nicht Beugecharakter hätte. Zudem steht diese Auffassung im Widerspruch dazu, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen zu jedem Zeitpunkt des Vollstreckungsverfahrens und damit auch zum Zeitpunkt der Beitreibung eines Zwangsgeldes vorliegen müssen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 1996, a.a.O., Rn. 16).

Nicht überzeugend erscheint schließlich die Argumentation, ohne die Möglichkeit nachträglicher Zwangsgeldbeitreibung sei das Zwangsgeld zur Erzwingung von Unterlassungen ein „sehr stumpfes Schwert“ (App/Wettlaufer, a.a.O., § 37 Rn. 27), die Beugefunktion des Zwangsgeldes gebiete seine weitere Durchsetzung, weil die Zwangsgeldandrohung nur dann geeignet sei, den zur Einwirkung auf den Pflichtigen notwendigen Druck auszuüben, wenn diesem bewusst sei, dass jede Zuwiderhandlung ohne weiteres die Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgeldes nach sich ziehe (Lemke, a.a.O., § 15 VwVG Rn. 19; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Dezember 1988, a.a.O., S. 18 und Beschluss vom 18. Juli 1996, a.a.O., Rn. 8; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. März 1996, a.a.O., Rn. 28 f.; OVG Saarland, Urteil vom 27. November 2001, a.a.O., Rn. 30). Soweit befürchtet werden mag, dass der Pflichtige sich allein durch die Bekundung, nunmehr das Unterlassungsgebot befolgen zu wollen, der Zwangsgeldbeitreibung entziehen könnte, kann dem durch eine strenge Prüfung einer etwaigen Wiederholungsgefahr begegnet werden. Im Übrigen ist es nicht einleuchtend, warum in Fällen, in denen der Pflichtige bereits vor einer Beitreibung des Zwangsgeldes dem Unterlassungsgebot Folge geleistet hat und damit die Androhung sowie ggf. die nachfolgende Festsetzung des Zwangsgeldes offensichtlich ausreichenden Druck zur Willensbeugung erzeugt haben, dieser Druck noch einer zusätzlichen Verstärkung durch eine nachträgliche Zwangsgeldbeitreibung bedürfen und andernfalls die Eignung der - bereits erfolgreichen - Zwangsgeldandrohung in Frage stehen sollte. Will die Behörde eine Unterlassungsverfügung sofort durchsetzen und reagiert der Pflichtige auf Zwangsgeldandrohung und -festsetzung nicht, ist es der Behörde unbenommen, zügig das festgesetzte Zwangsgeld beizutreiben. Unterlässt sie dies oder entscheidet sie sich - wie hier der Beklagte - zunächst für die Androhung und Festsetzung weiterer Zwangsgelder und leistet der Pflichtige dann zu einem späteren Zeitpunkt dem Gebot endgültig und ohne die Gefahr eines erneuten Verstoßes Folge, bleibt kein Raum mehr für eine nachträgliche Beitreibung des Zwangsgeldes.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 3 VwVGBbg. Danach wird das festgesetzte Zwangsgeld im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, wenn der Betroffene es nicht fristgemäß zahlt. Die Beitreibung unterbleibt jedoch, wenn der Betroffene die gebotene Handlung ausführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann daraus, dass in dieser Vorschrift nur das Befolgen von Handlungs- und Duldungs-, nicht aber von Unterlassungsgeboten ausdrücklich geregelt ist, nicht geschlossen werden, dass für Unterlassungsgebote abweichende Grundsätze gelten sollen (wie hier für eine entsprechende Vorschrift im dortigen Landesrecht OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. April 1995, a.a.O., Rn. 3). Die Regelung in § 20 Abs. 3 Satz 2 VwVGBbg ist ebenso wie § 25 Abs. 3 VwVGBbg Ausdruck des allgemein das Verwaltungsvollstreckungsrecht beherrschenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Danach sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur dann und in dem Umfang zulässig, wie sie zur Erreichung des mit der Zwangsvollstreckung verfolgten Ziels notwendig sind. Für Zwangsmittel zur Durchsetzung eines bestimmten Gebots ist jedoch grundsätzlich kein Raum mehr, wenn und sobald dem Gebot Folge geleistet worden ist. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob dem Pflichtigen eine Handlung, Duldung oder Unterlassung auferlegt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.