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Einbürgerungszusicherung; Ausschlussgrund; Sicherheitsbedenken; "Milli Görüs"; Unterstützungshandlung; Mitgliedschaft in der IGMG; Vorstandstätigkeit in Moscheevereinen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 10.02.2011
Aktenzeichen OVG 5 B 6.07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 113 Abs 5 S 2 VwGO, § 114 S 1 VwGO, § 38 Abs 1 VwVfG, § 10 RuStAG, § 11 S 1 Nr 1 RuStAG, § 40c RuStAG, § 8 aF RuStAG, § 9 aF RuStAG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein i… türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung. Er hält sich seit Oktober 1979 im Bundesgebiet auf und ist mit einer ehemals türkischen Staatsangehörigen verheiratet, die zusammen mit drei der vier gemeinsamen Kinder im November 2005 eingebürgert worden ist. In der Türkei besuchte der Kläger acht Jahre eine Schule. Im Bundesgebiet absolvierte er an einer Berufsschule im Schuljahr 1981/82 ein Berufsgrundbildungsjahr in Metalltechnik. Spätestens im Jahr 1999 nahm er eine Beschäftigung bei der Deutsche Post AG auf. Von Mai 1996 bis März 2000 gehörte der Kläger dem Vorstand des „E… Moschee e.V.“ an. Im März 2002 gründete er mit weiteren Personen den „I… Moschee e.V.“ und wurde zugleich zum ersten Vorsitzenden gewählt. Zudem ist er nach eigenem Bekunden seit 1988 Mitglied der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ (IGMG).

Auf einen ersten Antrag war dem Kläger am 4. Januar 1993 vom Bezirksamt Neukölln von Berlin eine bis zum 31. Januar 1995 befristete Einbürgerungszusicherung erteilt worden. Zu einer Einbürgerung kam es jedoch nicht, da er seinen Einbürgerungsantrag am 3. Januar 1994 unter Hinweis auf eine Erbschaft zurücknahm.

Am 11. Oktober 1999 beantragte der Kläger erneut seine Einbürgerung und unterzeichnete ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz, teilte dem Bezirksamt im April 2002 mit, dass nach vorläufiger Prüfung Erkenntnisse über den Kläger vorlägen, die möglicherweise sicherheitsrelevant seien. Nachdem das Bezirksamt das Verfahren an die für Einbürgerungen zuständige Abteilung der Senatsverwaltung für Inneres abgegeben hatte, hörte diese den Kläger im Dezember 2002 zu dessen Vorstandstätigkeit für den „E…Moschee e.V.“ an und stellte ihm dabei unter anderem Fragen zu dessen persönlichem Verhältnis zu Politik und Religion. In seiner Stellungnahme vom 27. Dezember 2002 teilte der Kläger mit, dass der Verein Mitglied des Dachverbandes „Islamische Föderation Berlin“ sei und als islamische Religionsgemeinschaft die Mitglieder in religiösen Angelegenheiten betreue. Religion spiele im Gegensatz zur Politik in seinem Leben eine zentrale Rolle. Den Einsatz von Gewalt - für welche Ziele auch immer - halte er grundsätzlich für äußerst fragwürdig. Im Oktober 2003 hörte die Senatsverwaltung den Kläger erneut an. Anlass war seine inzwischen bekannt gewordene Tätigkeit als erster Vorsitzender des „I… Moschee e.V.“. Der Kläger verwies in seiner Stellungnahme vom 20. November 2003 auf die religiöse Zielsetzung des Vereins, der ebenfalls dem Dachverband „Islamische Föderation Berlin“ angehöre.

Die Senatsverwaltung lehnte den Einbürgerungsantrag mit Bescheid vom 13. Januar 2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. vorliege, da der Kläger als Funktionär der Berliner Untergliederung der islamisch-extremistischen IGMG sowie durch seine innerhalb dieser Organisation als Vorstandsmitglied des „E… Moschee e.V.“ und des „I…Moschee e.V.“ ausgeübten Tätigkeiten Bestrebungen unterstützt habe oder unterstütze, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien.

Dagegen hat der Kläger am 27. Januar 2004 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 21. März 2007 abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die begehrte Einbürgerungszusicherung beurteile sich nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 14. März 2005 - StAG -, weil der Kläger seinen Einbürgerungsantrag im Oktober 1999 und damit nach dem Anwendungsstichtag 15. März 1999 gestellt habe. Einer Einbürgerung stehe der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entgegen. Das Gericht sei davon überzeugt, dass es sich bei der IGMG um eine Organisation handele, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte. Die langjährige Vorstandstätigkeit des Klägers für die beiden Moscheevereine und seine Mitgliedschaft in der IGMG seien hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er die Bestrebungen der IGMG unterstützt habe bzw. unterstütze. Der Kläger habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe.

Mit seiner vom Verwaltungsgericht wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beanstandet, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen auf Verfassungsschutzberichten beruhten, die selbst keine nachvollziehbaren Begründungen für die angebliche Verfassungswidrigkeit der IGMG enthielten. Vielmehr sei seit Mitte der 1990er Jahre in der IGMG ein Reformkurs vorherrschend. Die beiden der IGMG zugerechneten Moscheevereine gehörten zu einem „Verbund autonomer lokaler religiöser Gemeinden“ und dienten von jeher nur der religiösen Grundversorgung ihrer Mitglieder sowie der Integration der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Eine Verbindung mit der IGMG bestehe nur insoweit, als in Verträgen die Leistungen der Zentrale in Kerpen für die religiöse Grundversorgung bereichsspezifisch geregelt seien. Er habe im Übrigen hinreichend dargelegt, dass er sich für eine verfassungsfreundliche Entwicklung aktiv einsetze. Schließlich dürfe ihm im Lichte der Religionsfreiheit seine Zugehörigkeit zur IGMG nicht zum Nachteil gereichen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. März 2007 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Inneres vom 13. Januar 2004 zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge hat der Senat abgelehnt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung noch auf eine Neubescheidung seines entsprechenden Antrages (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).

Rechtsgrundlage für die begehrte Einbürgerungszusicherung ist § 38 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 BlnVwVfG i.V.m. §§ 8 ff. StAG in der am 28. August 2007 in Kraft getretenen Fassung, die es durch das Änderungsgesetz vom 19. August 2007 erhalten hat (BGBl. I 1970). Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

Einem Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG steht in jedem Fall der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG in der nunmehr geltenden Fassung entgegen. Letztere ist hier zu Grunde zu legen, da die vor dem 28. August 2007 geltende Fassung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (§ 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F.) insoweit wortgleich ist und somit keine für den Kläger günstigere Regelung enthält.

Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

Die rechtlichen Anforderungen an den Ausschlussgrund sind durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. zusammenfassend Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 -, juris Rn. 14 ff.):

Danach sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Ausschlussgrundes politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Grundprinzipien der politischen Wertvorstellungen, auf denen die Bundesrepublik Deutschland beruht, zu beeinträchtigen. Auf eine objektive Eignung der Bestrebungen zur Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kommt es nicht an. Es reicht vielmehr aus, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die genannten Grundprinzipien zu beeinträchtigen. Ein Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise positiv auswirkt. Das muss für den Ausländer erkennbar sein und er muss zum Vorteil der genannten Bestrebungen handeln wollen.

Der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verlangt in Bezug auf die Person des Ausländers, der die Einbürgerung beantragt, lediglich das Vorliegen eines begründeten Unterstützungsverdachts und gewährleistet auf diese Weise einen vorverlagerten Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für die personenbezogene Annahme, dass der Ausländer verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, genügt danach bereits das Vorliegen konkreter Tatsachen, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine derartige Annahme begründen. Ein gesicherter Nachweis der verfassungsfeindlichen Bestrebungen und der Unterstützungshandlung ist demnach nicht erforderlich.

Die tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus Handlungen des Ausländers selbst ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer Organisation, soweit diese Ziele im Sinne der genannten Vorschrift verfolgt. Für die Einordnung dieser Organisation als verfassungsfeindlich ist ebenfalls das herabgesetzte Beweismaß des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausreichend. Das gilt auch für eine Organisation, die sich lediglich als religiöse Gemeinschaft versteht, tatsächlich jedoch - und sei es als Teil ihres religiösen Selbstverständnisses - auch weitergehende, verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Ein Eingriff in die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist damit nicht verbunden. Das Grundrecht der Glaubensfreiheit räumt Ausländern kein Recht ein, als Angehöriger einer bestimmten - wie hier der islamischen - Religion politische Ziele zu verfolgen oder unterstützen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Glaubensfreiheit erlaubt es nicht, die Grenzen, die die allgemeine Wertordnung des Grundgesetzes errichtet hat, zu überschreiten.

Zu dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass der Kläger Bestrebungen unterstützt, die im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Diese Anhaltspunkte ergeben sich aus seiner Mitgliedschaft in der IGMG sowie seinen Vorstandstätigkeiten für die beiden der IGMG zuzurechnenden Moscheevereine.

Die IGMG wurde im Jahr 1995 als Nachfolgeorganisation der AMGT („Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.“) gegründet (vgl. Verfassungsschutzbericht - im Folgenden VB - der Senatsverwaltung für Inneres 2005, 280; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008 - 13 S 2613/03 -, juris Rn. 53). Sie ist nach eigenen Angaben eine islamische Religionsgemeinschaft, die das Leben des Gläubigen in allen Phasen begleitet, wobei die religiösen, kulturellen und sozialen Dienstleistungen der IGMG je nach Aufgabenstellung vom Zentralverband, den Regionalverbänden und den Moscheegemeinden wahrgenommen werden. Den Angaben der IGMG zufolge zählt die in Kerpen ansässige Organisation europaweit 87.000 Mitglieder und umfasst auf lokaler Ebene 514 Moscheegemeinden, davon 323 in Deutschland (Internetseite der IGMG [17. Januar 2011]). Zu Letzteren gehören nach dem Bekunden des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch die beiden Moscheevereine, in denen er eine Vorstandstätigkeit ausgeübt hat bzw. noch ausübt.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung werden Aktivitäten von Mitgliedern und Funktionären der IGMG überwiegend als einbürgerungsschädlich an-gesehen (statt vieler Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 5 ZB 07.272 -, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 24. Mai 2005 - 7 A 10953/04.OVG -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008, a.a.O.). Der Verdacht, dass es sich bei der IGMG um eine Organisation handelt, die verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt, ergibt sich aus der von ihr in ihrer Gesamtheit angestrebten absoluten Vorherrschaft eines islamischen Rechtsverständnisses sowie der Scharia vor den nach den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates zustande gekommenen Rechtsnormen der Bundesrepublik (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008, a.a.O., juris Rn. 38).

Eine zentrale Bedeutung für diese Einschätzung kommt der engen Verbindung der IGMG mit der „Milli Görus“-Bewegung in der Türkei zu, die bereits in dem Begriff „Milli Görüs“ im Namen der IGMG zum Ausdruck kommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008, a.a.O., juris Rn. 41). Die „Milli Görüs“-Bewegung wurde Ende der 1960er Jahre von dem türkischen Politiker Necmettin Erbakan gegründet, der die Bewegung durch die politischen Schlüsselbegriffe „Milli Görüs“ („Nationale Weltsicht“) und „Adil Düzen“ („Gerechte Ordnung“) geprägt hat (vgl. Schiffauer, Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs - ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integra-tion, 2004, S. 70, 79; VB des Bundesministeriums des Innern 2009, S. 265). „Gerecht“ sind nach dem Geschichtsverständnis Erbakans die Ordnungen, die auf „göttlicher“ Ordnung gegründet, „nichtig“ hingegen jene, die von Menschen entworfen wurden. Das gegenwärtig in der westlichen Zivilisation dominierende „nichtige“ System müsse durch eine „gerechte Ordnung“ ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte, anstatt an von Menschen geschaffenen und damit „willkürlichen“ Regeln. Konsequenz dieser Sichtweise ist die Ablehnung westlicher Demokratien (vgl. VB des Bundesinnenministeriums des Innern 2009, S. 265), die insbesondere mit den individuellen Freiheitsrechten unvereinbar ist (vgl. Schiffauer, Gutachten im Verwaltungsstreitverfahren Yilmaz Sakin ./. Bürgermeister der Stadt Gladbeck, S. 7, 8).

Die wichtigsten organisatorischen Träger der „Milli Görüs“-Bewegung in der Türkei sind die von Erbakan dominierten politischen Parteien. „Milli Görüs“ bezeichnet die Programmatik der von Erbakan geführten Religiösen Heilspartei (MSP), die 1980 verboten wurde. Die ebenfalls von Erbakan geführte MSP-Nachfolgepartei Refah-Partisi (RP, Wohlfahrtspartei) wurde Anfang 1998 wegen ihrer Bestrebungen gegen die laizistische Staatsordnung in der Türkei verboten. Kurz zuvor war als Nachfolgepartei die Tugendpartei (Fazilet Partisi) gegründet worden, die wiederum im Jahr 2001 aufgelöst wurde. Danach spaltete sich die Bewegung in die Glückseligkeitspartei (SP, Saadet Partisi) unter Erbakan einerseits und die Gerechtigkeits- und Aufbaupartei (AKP) unter der Führung von Erdogan andererseits. Während die SP in der Türkei praktisch keine politische Bedeutung mehr hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008, a.a.O., juris Rn. 40), stellt die AKP mit Erdogan den türkischen Ministerpräsidenten.

In Deutschland und Europa wird die „Milli-Görüs“-Bewegung von der IGMG repräsentiert und bietet damit ein Forum für die außerhalb der Türkei lebenden Anhänger Erbakans (vgl. VB des Bundesministeriums des Innern 2009, S. 267). Noch im Juli 2002 war im Internet ein Videomitschnitt von Erbakan zu sehen, in dem er einen Systemwechsel nicht allein für die Türkei, sondern auch für Deutschland forderte und in dem es wörtlich heißt: „Du willst dich von diesen Sorgen befreien? Um dich von diesen Sorgen befreien zu können, muss aus der Staatsordnung in Deutschland eine gerechte Ordnung werden. Bevor hier keine gerechte Ordnung herrscht, wirst du nicht zu deinem Recht kommen. Alles hängt letztlich davon ab, ob aus der hiesigen Staatsordnung eine gerechte Ordnung wird.“ (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 281). Erbakan hatte schon in den 1980er Jahren Angehörige der RP zum Aufbau der „Milli Görüs“-Bewegung nach Deutschland gesandt. Dadurch entstand zwischen der politischen Bewegung in der Türkei und der 1985 in Deutschland gegründeten AMGT eine enge Verbindung, die auch nach der Gründung der IGMG im Jahr 1995 anhielt. Denn in den neuen Vorständen waren dieselben Personen vertreten, die zuvor den Vorstand der AMGT gebildet hatten (vgl. VB des Landes Nordrhein-Westfalen 2003, S. 225). Ein Neffe Erbakans war längere Zeit Vorsitzender der IGMG in Deutschland; er betrachtete es als seine Aufgabe, die „Milli Görüs“-Bewegung in Europa zu verankern (vgl. Schiffauer, Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs - ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, 2004, S. 85). Die starke emotionale Bindung an Erbakan als Gründer der „Milli Görüs“-Bewegung wird auf IGMG-Großveranstaltungen deutlich. Erbakan nimmt zwar inzwischen nicht mehr persönlich teil, er wird allerdings live zugeschaltet oder überbringt seine Grüße in Videobotschaften. Diese Auftritte Erbakans sorgen unter der IGMG-Anhängerschaft für große Begeisterung (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 144, unter Bezugnahme auf „die tageszeitung“ vom 7. Mai 2004). Der intensive ideologische und persönliche Austausch zwischen IGMG und SP wird deutlich an der Teilnahme hoher Funktionäre der SP an Veranstaltungen der IGMG (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009, S. 29). Schließlich gehört es zum „Besuchsprogramm“ von IGMG-Ange-hörigen, bei einem Aufenthalt in der Türkei Erbakan und/oder Funktionäre der SP aufzusuchen. Darüber hinaus sind Funktionäre der IGMG in Ämter der islamistischen Parteien Erbakans in Ankara gewählt worden (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 282).

Als Sprachrohr der „Milli Görüs“-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung „Milli Gazete“ ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Bestandteilen der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der „Milli Gazete“ erhältlich, in deren Berichterstattung neben der „Milli Görüs“-Bewegung auch die IGMG und deren Veranstaltungen breiten Raumen einnehmen. Damit ist „Milli Gazete“ neben der Publikation „IGMG Perspektif“ (vormals „IGMG-Perspektive“) und der zentralen IGMG-Homepage eine wichtige Informationsquelle für die Anhänger der Organisation (vgl. VB des Bundesministeriums des Innern 2009, S. 268) und insofern auch der IGMG zuzurechnen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008, a.a.O., juris Rn. 42). Die personelle und strukturelle Verflechtung zwischen der IGMG und „Milli Gazete“ zeigt sich insbesondere darin, dass ehemalige herausgehobene Funktionäre der AGMT und IGMG als Verantwortliche der Europaausgabe der „Milli Gazete“ fungiert haben (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 146, 282). „Milli Gazete“ lässt keinen Zweifel an der Bindung zur „Milli Görüs“-Bewegung. In ihrer Ausgabe vom 14. Januar 2003 betont sie, stets unerschrockene Verteidigerin der Anliegen von „Milli Görüs“ gewesen zu sein („Milli Gazete“ vom 14. Januar 2003, S. 13, VB des Bundesministeriums des Innern 2003, S. 198). Sie sieht sich selbst als Kanal, um der Nation die Rettungskonzepte von „Milli Görüs“ zu überbringen („Milli Gazete“ vom 27. Juni 2006, S. 4, VB des Bundesministeriums des Innern 2006, S. 245). Die damit verbundene Ablehnung eines säkularen Rechtssystems wird beispielhaft in ihrer Ausgabe vom 7. August 2001 deutlich: „Ein religiöser Muslim ist gleichzeitig ein Verfechter der Scharia. Der Staat, die Medien und die Gerichtsbarkeit haben nicht das Recht, sich einzumischen…“ („Milli Gazete“ vom 7. August 2001, S. 2, VB des Bundesministeriums des Innern 2001, S. 219). In ihrer Ausgabe vom 27. Juli 2004 heißt es: „Doch alle Präsidenten, Könige und orientalischen Herrscher dieser Welt verfügen nicht über ein Einspruchsrecht gegen einen einzigen Vers im Buch Gottes. Denn wenn man im sozialen, politischen und individuellen Leben ein anderes System als das System Gottes will, kommt es im gesellschaftlichen Gefüge zu einem Erdbeben.“ („Milli Gazete“ vom 27. Juli 2004, S. 12, VB des Bundesministeriums des Innern 2004, S. 214). Politische Bekundungen von Erbakan werden ebenfalls über „Milli Gazete“ verbreitet. So äußerte dieser auf einer SP-Veranstaltung in Istanbul in Bezug auf vorausgegangene Wahlen, dass die Menschheit heute mit dem „Demokratie-Spiel“ hereingelegt werde. Die Demokratie sei kein Regime mehr, in dem sich das Volk selbst regiere, sondern sie werde zu einem Regime, das das Volk für seine Zwecke instrumentalisiere („Milli Gazete“ vom 15. Oktober 2007, S. 1 und 8, VB des Bundesministeriums des Innern 2007, S. 197). Die enge Verbindung zwischen IGMG, „Milli Gazete“ und Erbakan zeigen die Reaktionen auf den Tod der Ehefrau Erbakans am 23. Oktober 2005. Die „Milli Gazete“ vom 26. Oktober 2005 war gefüllt mit Traueranzeigen, u.a. von der IGMG-Zentrale und den IGMG-Regionalverbänden, darunter eine Anzeige des Berliner IGMG-Ge-bietsvorsitzenden Mehmet Gül. An der Trauerfeier in Istanbul nahm u.a. auch der IGMG-Vorsitzende Osman Döring (genannt Yavuz Celik Karahan) teil (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 146).

Aus der Sicht der IGMG ist die Teilhabe an politischen Gestaltungsrechten einer der Wege zur Verwirklichung der Ziele der „Milli Görüs“-Bewegung. Dementsprechend wurden die IGMG-Mitglieder über Anzeigen in der „Milli Gazete“ und über die vereinseigene Homepage aufgerufen, die Staatsangehörigkeit ihrer Gastgeberländer anzunehmen (vgl. VB Baden-Württemberg 2003, S. 84).

Zwar deuten die jüngeren Verfassungsschutzberichte auf Reformansätze in der IGMG hin. So sollen sich seit geraumer Zeit einige Führungskräfte der jüngeren Generation um eine größere Eigenständigkeit der Organisation bzw. eine Loslösung von der „Milli Görüs“-Bewegung bemühen (vgl. VB des Bundesministeriums des Innern 2008, S. 254). Die so genannten Reformer fordern insbesondere eine Neuausrichtung auf die veränderten Bedürfnisse vor allem der Anhänger der zweiten und dritten Generation in Europa, die einen Ausbau des religiösen und sozialen Angebots wünschen und mehr Mitbestimmung in der IGMG durchsetzen wollen (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009, S. 172). Das lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die IGMG als Gesamtorganisation sich von der Ideologie Erbakans vollständig gelöst und die Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele aufgegeben hat. Den so genannten Reformern in der IGMG stehen mehrheitlich traditionalistisch eingestellte Anhänger Erbakans entgegen, die erwarten, dass die Organisation dessen Forderungen nachkommt (vgl. VB des Bundesministeriums des Innern 2008, S. 254; VB der Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009, S 172). Zur Verwirklichung dieser Forderungen ist die IGMG unverändert hierarchisch strukturiert und erfährt auf diese Weise ihre anhaltende Prägung als Trägerin der „Milli Görüs“-Bewegung (vgl. VB des Bundesministeriums des Innern 2009, S. 274). Auch die Autorität Erbakans im Leitungszentrum in Europa steht außer Frage. Das zeigt sich insbesondere daran, dass die Führungsspitze in Deutschland auf die Zustimmung Erbakans angewiesen ist, um bei den Anhängern als legitim zu gelten (vgl. Schiffauer, Gutachten im Verwaltungsstreitverfahren Yilmaz Sakin ./. Bürgermeister der Stadt Gladbeck, S. 48). Der politische Einfluss Erbakans und seiner „Milli-Görüs“-Ideologie auf die IGMG ist demzufolge keineswegs gebrochen. Eine Emanzipation von Erbakan und insbesondere von dem Programm der „Adil Düzen“ würde die Gefahr einer Spaltung der Organisation nach sich ziehen (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009, S. 172; Schiffauer, Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs - ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, 2004, S. 91). Angesichts dessen kann entgegen dem Klägervorbringen von einem seit den 1990er Jahren vorherrschenden Reformkurs in der IGMG keine Rede sein. Vielmehr hat eine glaubhafte programmatische Neuausrichtung der IGMG, mit der die alten, verfassungsfeindlichen Ziele als überwunden angesehen werden könnten, bisher nicht stattgefunden (vgl. VB der Senatsverwaltung für Inneres und Sport 2009, S. 172). Eine solche würde voraussetzen, dass sich die IGMG als Gesamtorganisation unmissverständlich und dauerhaft von der (verfassungsfeindlichen) Ideologie Erbakans distanziert. Derartiges hat die IGMG erkennbar noch nicht geleistet.

Der Einwand des Klägers, die in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichte seien keine tragfähige Grundlage für den Nachweis verfassungsfeindlicher Bestrebungen der IGMG, geht ins Leere. Dass die Beobachtungen der Nachrichtendienste ausreichende Anknüpfungstatsachen für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen liefern können, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Urteil vom 2. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 28 ff; Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 1 WB 86.97 -, juris Rn. 9). Soweit der Kläger beanstandet, der in den Verfassungsschutzberichten erhobene Vorwurf einer Verfassungsfeindlichkeit beruhe lediglich auf pauschalen Zurechnungen und vereinzelten Vorkommnissen, trifft dies vorliegend im Hinblick auf die umfangreichen Darlegungen in den zahlreichen Verfassungsschutzberichten, die im Übrigen vom Kläger nicht substantiiert bestritten worden sind, offensichtlich nicht zu.

Es bestehen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der IGMG im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG seit vielen Jahren unterstützt. Bereits seine seit 1988 bestehende Mitgliedschaft in der Organisation stellt einen gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung dar. Die in dem Beitritt manifestierte Zugehörigkeit zu der Organisation lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass sich der Kläger mit den Zielen der „Milli-Görüs“-Bewegung identifiziert hat und ihm damit die Verfassungsfeindlichkeit dieser Bestrebungen nicht verborgen geblieben sein kann, zumal auch Schiffauer darauf verweist, dass die Organisation zumindest bis in die Mitte der 1990er Jahre ihre Geschlossenheit stets betont (vgl. derselbe, Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs - ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, a.a.O., S. 78) und an dem Programm einer Islamisierung von Staat und Gesellschaft uneingeschränkt festgehalten hat (vgl. derselbe, Gutachten im Verwaltungsstreitverfahren Yilmaz Sakin ./. Bürgermeister der Stadt Gladbeck, S. 28). Die schon in der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommende Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen wird nicht durch den Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung in Frage gestellt, dass die Organisation erst seit dem Ende der 1990er Jahre in den Verfassungsschutzberichten erwähnt worden sei. Die verzögerte öffentliche Wahrnehmung ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung ändert nichts daran, dass diese von Anfang an bestanden hat und von den Mitgliedern der Organisation mitgetragen worden ist. Spätestens mit der Übernahme eines Vorstandsamtes in einem Moscheeverein im Mai 1996 hat der Kläger zudem eine Funktionärstätigkeit in der Organisation übernommen, die er - wenn auch mit einer Unterbrechung von 2000 bis 2002 - bis zum heutigen Tag ausübt. In dieser hervorgehobenen Stellung des Klägers innerhalb der Organisation liegt ein weiterer Umstand, der bei objektiver und vernünftiger Sicht auf eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen hinweist und einen entsprechenden Verdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG begründet. Der Einwand des Klägers, die Moscheevereine seien nur vertraglich mit der IGMG-Zentrale in Kerpen verbunden und dienten von jeher nur der religiösen Grundversorgung ihrer Mitglieder sowie der Integration von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, vermag diesen Verdacht nicht zu entkräften. Zum einen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Zugehörigkeit der Moscheevereine zur IGMG eingeräumt und eine Verbindung bekundet, die über eine bloße vertragliche Beziehung hinausgeht. Zum anderen war und ist die Vorstandstätigkeit des Klägers in den Moscheevereinen auch mit Blick auf die vertraglichen Leistungen, die von den Moscheevereinen für die IGMG erbracht werden, objektiv vorteilhaft. Denn sie gewährleistet die Steuerung der religiösen Grundversorgung der Mitglieder durch die IGMG, trägt damit zur Begründung und Verfestigung von Beziehungen zwischen der IGMG und den Mitgliedern bei und wertet die verfassungsfeindliche Organisation als solche in der öffentlichen Wahrnehmung auf. Dass dem Kläger die positive Wirkung seiner Vorstandstätigkeit für die IGMG nicht verborgen geblieben sein kann, liegt im Hinblick auf seine seit 1988 bestehende Mitgliedschaft in der Organisation auf der Hand.

Da der Kläger die IGMG schon zu einer Zeit unterstützt hat, als diese unzweifelhaft als eine homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen ist, die in ihrer Gesamtheit die absolute Vorherrschaft eines islamischen Rechtsverständnisses und der Scharia angestrebt hat, kann es vorliegend nur noch um die Frage gehen, ob sich der Kläger seither von diesen verfassungsfeindlichen Werten und Zielen der „Milli Görüs“-Bewegung abgewandt hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 22). Eine derartige Abwendung hat der Kläger nach Überzeugung des Senats indes nicht glaubhaft gemacht. Zwar erfordert eine Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang weder ein „Abschwören“ noch zwingend einen Austritt aus der IGMG; hinreichend wäre vielmehr bereits ein glaubhaftes Bekenntnis zu einem etwaigen einbürgerungsrechtlich unbedenklichen Reformflügel innerhalb der IGMG. Jedoch fehlt es an jeglichen Äußerungen oder Handlungen des Klägers, mit denen er sich eindeutig von den verfassungsfeindlichen Strömungen innerhalb der IGMG distanziert und sich zu Gunsten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung positioniert hätte. Seine pauschale, durch nichts belegte Erklärung, sich für eine verfassungsfreundliche Entwicklung aktiv einsetzen, reicht hierfür ebenso wenig aus wie sein Bekenntnis, ein religiöser, im Übrigen aber unpolitischer Mensch zu sein.

Schließlich kann der Kläger auch keine Einbürgerungszusicherung nach §§ 8, 9 StAG verlangen. Das gilt auch, soweit die vor dem 28. August 2007 geltende Rechtslage für den Kläger günstiger war, da § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nach seinem Wortlaut seinerzeit nur einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG entgegenstand, nicht aber grundsätzlich eine im Ermessen der Behörde stehende Einbürgerung nach §§ 8, 9 StAG a.F. hinderte.

Die vorliegend wegen der zwischenzeitlich erfolgten Einbürgerung der Ehefrau des Klägers zu beachtende Regelung in § 9 Abs. 1 StAG a.F., nach der Ehegatten Deutscher unter bestimmten Voraussetzungen eingebürgert werden sollen, steht unter dem Vorbehalt, dass der Einbürgerung keine erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Da zu den erheblichen Belangen auch der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört, ist § 9 Abs. 1 StAG a.F. jedenfalls bei solchen Einbürgerungsbewerbern nicht anwendbar, die den Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. durch gegenwärtige Unterstützungshandlungen erfüllen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - 5 B 00.1819 -, juris Rn. 31; VG Stuttgart, Urteil vom 21. Juli 2008 - 11 K 1941/08 -, juris Rn. 43). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Kläger durch seine fortbestehende Mitgliedschaft in der IGMG sowie seine anhaltende Vorstandstätigkeit in einem der Organisation zuzurechnenden Moscheeverein die verfassungsfeindlichen Bestrebungen nach wie vor unterstützt, so dass eine „Soll-Einbürgerung“ nach § 9 StAG a.F. ausscheidet.

Die somit durch § 9 StAG a.F. nicht gebundene Ermessensentscheidung des Beklagten nach § 8 StAG a.F. weist auch keine Ermessensfehler auf, die zu einem Anspruch auf Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO führen könnten. Denn die Erwägung des Beklagten, dass angesichts des vorliegenden Ausschlussgrundes ein öffentliches Interesse für die Einbürgerung nicht ersichtlich sei, ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.