Gericht | FG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 15.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 7 K 7303/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag gemäß § 24 a Einkommensteuergesetz -EStG-.
Die in den Jahren 1934 und 1938 geborenen Kläger erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Renten, Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsgeschäften. Der Kläger erzielte darüber hinaus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen.
Am ...2007 hatte der Beklagte eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005 vorgenommen und darin einen verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.603,00 Euro für den Kläger festgestellt.
Im Streitjahr erzielte der Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.941,00 Euro vor Verlustabzug und die Klägerin in Höhe von 1.387,00 Euro. Davon ausgehend erließ der Beklagte am ...2008 einen Einkommensteuerbescheid 2008, mit dem er die Einkommensteuer auf 14.224,00 Euro festsetzte. Im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte zog der Beklagte von den Einkünften des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.941,00 Euro den Verlustvortrag in Höhe von 2.603,00 Euro ab, so dass sich für den Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 338,00 Euro ergaben. Davon ausgehend ergab sich eine Summe der Einkünfte in Höhe von 70.814,00 Euro, von dem der Beklagte für den Kläger einen Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.018,00 Euro abzog, so dass sich für den Kläger ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 69.796,00 Euro ergab.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am ...2008 Einspruch ein, dem der Beklagte wegen eines nicht rechtshängig gewordenen Streitpunktes mit Bescheid vom ...2008 teilweise abhalf. Ausgehend von einem unveränderten Gesamtbetrag der Einkünfte und einem zu versteuernden Einkommen von 67.572,00 Euro setzte der Beklagte die Einkommensteuer nunmehr auf 13.636,00 Euro fest. Wegen der Einzelheiten der Berechnung nimmt das Gericht auf die Bescheidkopie (Bl. 13 ff. d. Gerichtsakte) Bezug. Die Kläger gaben zu erkennen, dass ihr Einspruch dadurch nicht erledigt sei, da nach ihrer Auffassung der Verlustabzug aus Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht auf der Ebene der Einkunftsermittlung, sondern wie bei anderen Verlustabzügen auf der Ebene der Einkommensermittlung erfolgen müsse.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 als unbegründet zurück, worauf die Kläger am 21.11.2008 bei Gericht Klage erhoben haben.
Die Kläger machen geltend, der Verlustabzug nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 müsse entsprechend der allgemeinen Regelung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG 2006 vom Gesamtbetrag der Einkünfte erfolgen. Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag nach § 24 a EStG 2006 sei daher für den Kläger die Summe der positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.941,00 Euro, also dass sich der Höchstbetrag von 1.824,00 Euro als Altersentlastungsbetrag für den Kläger ergebe.
Die Kläger beantragen,
abweichend vom Einkommensteuerbescheid 2006 vom 9.5.2008 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Altersentlastungsbetrags für den Kläger in Höhe von 1.824,00 Euro festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet. Aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 ergebe sich, dass Veräußerungsverluste aus Vorjahren bereits auf der Ebene der Einkunftsermittlung mit den positiven Einkünften des laufenden Jahres zu verrechnen seien. Dies erkläre sich daraus, dass hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufgrund der bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkungen ein besonderer Verrechnungskreis existiere.
Dem Gericht hat ein Hefter Einkommensteuervorgänge vorgelegen, der vom Beklagten für die Kläger unter der Steuernummer … geführt wird.
Der Streitwert in dem hier anhängigen Verfahren übersteigt den Betrag von 500 Euro nicht. Daher hat das Gericht sein ihm nach § 94 a FGO eingeräumtes Ermessen dahingehend ausgeübt, dass es ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Zudem haben sich die Beteiligten (ausdrücklich) übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt und gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Vollsenat keine Einwendungen erhoben.
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger werden durch den angefochtenen Bescheid nicht i. S. des § 100 Abs. 1 und 2 FGO in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat zu Recht die vorgetragenen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften bereits auf der Ebene der Einkunftsermittlung einkunftsmindernd bei den Einkünften aus § 23 EStG berücksichtigt und die um den Verlustvortrag von 2.603,00 Euro geminderten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Bemessung des Altersentlastungsbetrags i. S. des § 24 a EStG zugrunde gelegt.
Der Altersentlastungsbetrag bestimmt sich nach § 24 a Sätze 1 und 2 EStG nach der Summe des Arbeitslohns (ohne Versorgungsbezüge) und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit, Leibrenten i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG sowie Einkünften i. S. des § 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. b EStG sind. In die Bemessungsgrundlage des Altersentlastungsbetrags gehen daher auch die hier streitigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ein. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in diesem Sinne sind im Falle der Verlustverrechnung nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 die um die verrechneten Verluste geminderten positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG 2006 dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 Abs. 1 EStG nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden. Sie dürfen nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 mindern sie jedoch nach Maßgabe des § 10 d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenem Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG erzielt hat oder erzielt. Damit hatte der Gesetzgeber den Verlustabzug – anders als nach § 10 d Abs. 2 EStG 2006 – nicht auf der Ebene der Einkommensermittlung, sondern auf der Ebene der Ermittlung der Einkünfte verortet (Finanzgericht München, Urteil vom 13.8.2008 1 K 2045/06, EFG 2009, 243; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Auflage 2011, § 23 Rz. 97; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 23 Rz. 321; Blümich/Glenk, EStG, § 23 Rz. 238; a. A. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz. F 9).
Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass die Minderung der Einkünfte nach Maßgabe des § 10 d EStG erfolgt. Denn diese Verweisung bleibt nur insoweit von Bedeutung, als nicht § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 speziellere Regelungen für die privaten Veräußerungsgeschäfte enthält. Dies ist hinsichtlich der Verortung des Verlustabzugs der Fall, da § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 den Abzug im Rahmen der Einkunftsermittlung anordnet und nicht wie § 10 d Abs. 2 EStG 2006 im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (vom Gesamtbetrag der Einkünfte).
Davon geht offenbar auch der Bundesfinanzhof -BFH- aus, da er in seinem Urteil vom 11.1.2005 IX R 27/04 (Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 208, 565, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2005, 433) intensiv die Auswirkungen des Verlustrücktrags auf die Anwendung der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 erörtert, was außer Betracht bleiben müsste, wenn es sich – wie die Kläger vortragen – bei einem Verlustabzug für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften um einen Posten bei der Einkommensermittlung handeln würde.
Überdies hat sich der Gesetzgeber dieser Gesetzgebungstechnik auch bei einer Reihe anderer Einkünfte bedient, die Verlustabzugsbeschränkungen unterliegen (z. B. § 2 a Abs. 1 Satz 1 EStG 2006, § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG 2006 oder § 15 b Abs. 1 Satz 2 EStG 2006). Diese Differenzierung gegenüber den allgemeinen Regelungen des Verlustabzugs erscheint auch sinnvoll, da anderenfalls aus dem bereits zusammengezogenen Gesamtbetrag der Einkünfte die auf die jeweiligen abzugsberechtigenden Einkünfte entfallenden Anteile erneut herausermittelt werden müssten. Insbesondere wenn mehrere abzugsbeschränkte Einkünfte bei einem Steuerpflichtigen gleichzeitig anfallen, kann dies zu sehr unübersichtlichen und komplizierten Berechnungen führen. Ferner müssten auch die Abzugsposten i. S. des § 2 Abs. 3 EStG aufgeteilt und den einzelnen Einkunftsarten zugeordnet werden.
Die Vorgehensweise des Beklagten steht auch nicht im Widerspruch zum Gesetzeszweck des § 24 a EStG. Denn diese Vorschrift soll dafür sorgen, dass solche Einkünfte, die anders als andere Alterseinkünfte keiner ermäßigten Besteuerung unterliegen, ebenfalls eine altersbedingte Ermäßigung erfahren (Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 a Rz. 2). Damit im Einklang steht, dass nur solche Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in die Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag eingehen, die auch tatsächlich der Besteuerung unterliegen. Das ist bei Einkünften, die auf der Ebene der Einkunftsermittlung noch um Verluste aus Vorjahren gemindert werden, nicht der Fall.
Die abweichende Behandlung gegenüber negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten (z. B. aus Gewerbebetrieb oder Vermietung und Verpachtung) verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz i. S. des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz. Im Rahmen des EStG folgt aus dem Gleichheitssatz allerdings, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des EStG die Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und am Gebot der Folgerichtigkeit ausrichten muss (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG –BVerfGE– 126, 268, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2010, 1563 unter C. I. 2. a m. w. N.). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i. S. der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.
Eine solche differenzierende Behandlung zwischen Einkünften i. S. des § 23 Abs. 1 EStG und übrigen – voll ausgleichsfähigen – Einkünften ist gerechtfertigt, weil bei einem einkunftsartenübergreifenden Verlustabzug ein Abzug auf der Ebene der jeweiligen Einkünfte nicht in Betracht kommt, während er aus praktischen Gründen umgekehrt bei der Durchführung des Verlustabzugs nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2006 geboten ist. Im Übrigen ist aufgrund der unterschiedlichen Struktur der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gegenüber anderen Einkünften eine unterschiedliche Regelung des Verlustausgleichs gerechtfertigt (BFH, Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl. II 2007, 259; vgl. auch Finanzgericht München, Urteil vom 22.1.2009 5 K 3018/08, juris, Nichtzulassungsbeschwerde dagegen als unbegründet zurückgewiesen durch BFH, Beschluss vom 31.8.2009 IX B 41/09, n. v., Verfassungsbeschwerde dagegen nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG, Beschluss vom 26.7.2010 2 BvR 2582/09, n. v.).
Schließlich gehen davon, dass Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften auf der Ebene der Einkunftsermittlung mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden, nicht nur negative Auswirkungen für die Steuerpflichtigen aus. Im Rahmen der Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG sind die Steuerpflichtigen besser gestellt als beim Verlustabzug nach § 10 d Abs. 2 EStG, weil sich die zumutbare Belastung nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte bemisst. Gleiches gilt auch in außersteuerlichen Bereichen, da z. B. § 21 Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – BAföG – für die Bemessung des Einkommens nur die positiven Einkünfte zugrunde legt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. FGO die Revision zugelassen, da sich der BFH zu der hier streitige Rechtsfrage ausdrücklich noch nicht geäußert hat.