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Entscheidung 6 Sa 1490/12, 6 Sa 1598/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer Entscheidungsdatum 11.01.2013
Aktenzeichen 6 Sa 1490/12, 6 Sa 1598/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6 Abs 5 ArbZG, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.06.2012 – 41 Ca 19060/11 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage über einen Betrag von 10.357,37 € brutto nebst Zinsen hinaus abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.083,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 888,44 € seit dem 23.12.2011 und auf weitere 195,34 € seit dem 28.04.2012 zu zahlen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil insoweit geändert, wie diese wahlweise zur Gewährung von mehr als 77,96 bezahlten freien Tagen verurteilt worden ist, und die Klage auch insoweit abgewiesen.

3. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 19.331,28 € die Klägerin zu 67,56 % und die Beklagte zu 32,44 % zu tragen, während die die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 14.300,67 € der Klägerin zu 72,43 % und der Beklagten zu 27,57 % auferlegt werden.

5. Die Revision wird für die Beklagte in vollem Umfang und für die Klägerin insoweit zugelassen, wie ihre Klage wegen Verjährung der erhobenen Forderung auf Ausgleich von Nachtarbeit abgewiesen worden ist.

Tatbestand

Die Klägerin steht aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 02.01.1997 (Abl. Bl. 7 – 9 GA) als Stewardess in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin.

Die Beklagte ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft der DBA. GmbH. Sie erbringt Serviceleistungen für Zugreisende in den von ihrer Muttergesellschaft betriebenen Nachtreise- und Autozügen. Die Beklagte wendet sämtliche von ihr geschlossenen Tarifverträge ohne Rücksicht auf eine Gewerkschaftszugehörigkeit auf die Arbeitsverhältnisse aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an. Für die Zeit ab 01.03.2012 besteht eine „Tarifvereinbarung 2012 über die Höhe der Nachtzuschläge und zur Entgeltrunde“ (Abl. Bl. 251 – 254 GA).

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ausgleich für Nachtarbeit in der Zeit vom 01.07.2002 bis 29.02.2012 und Vergütung von nicht gewährten Pausenzeiten in der Zeit vom 01.01.2008 bis 29.02.2012 in Höhe von insgesamt 15.331,28 € brutto.

Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Antrags der Klägerin auf Feststellung eines Ausgleichsanspruchs ab 01.12.2011 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 3.890,13 € brutto nebst Rechtshängigkeitszinsen ab dem 23.12.2011 zu zahlen oder der Klägerin 78 bezahlte freie Tage zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe für diese Zeit keine dem Ausgleichsanspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG entgegenstehende tarifvertragliche Regelung. Für die Zeit vor dem 01.01.2010 ergebe sich dies aus der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – und des LAG Berlin-Brandenburg vom 19.08.2011 – 10 Sa 1450/11. Aber auch für die Folgezeit lasse sich dem nunmehr anwendbaren Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmer/innen des Geschäftsbereichs Service im Zug/West (ErgTV SiZ/West) keine kompensatorische Regelung entnehmen.

Für die Ermittlung des Anspruchsumfangs seien für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.11.2011 die von der Klägerin akzeptierten Angaben der Beklagten zugrunde zu legen, zu denen nach ihrer unwidersprochenen Darstellung noch weitere 186,5 Stunden in der Zeit vom 29.11.2011 bis 29.02.2012 hinzu kämen. Pausenzeiten seien nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine Weisung vorgetragen habe, auch in diesen Zeiten eine Arbeitsleistung zu erbringen.

Der finanzielle Ausgleich belaufe sich nach den Erwägungen des LAG Berlin-Brandenburg im herangezogenen Urteil vom 19.08.2011 auf 25 % der Bruttostundenvergütung. Daraus errechne sich für die Zeit ab 01.01.2008 der zugesprochene Betrag von 3.890,13 € brutto. Der Freizeitausgleich betrage bei 2.496,95 Nachtarbeitsstunden und einer Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag 78 Tage.

Einem Anspruch für die Zeit vor dem 01.01.2008 stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die dreijährige Verjährungsfrist habe nicht erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.05.2011 begonnen. Es habe sich um keine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage gehandelt.

Gegen dieses ihr am 26.07.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.08.2012 eingelegte und am 18.09.2012 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, dass bereits ab dem 01.01.2010 eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung für Nachtarbeit bestanden habe, wie sich diversen Vorschriften des ErgTV SiZ/West entnehmen lasse. Dies sei durch die Tarifvereinbarung 2012 bestätigt worden, indem dort festgelegt worden sei, dass die bisherige Pausenanrechnung in der Zeit von 20 bis 6 Uhr unverändert bestehen bleibe. Zumindest stelle die Umsatzbeteiligung an den Bett- und Liegekarten nach dem ErgTV SiZ/West eine stillschweigende Ausgleichsregelung dar.

Die Höhe der Nachtarbeitszuschläge belaufe sich auf höchstens 10 %. Daraus ergebe sich für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.030,61 € brutto bzw. auf Gewährung von 20,66 bezahlten freien Tagen. Für die Zeit vom 29.11. bis 31.12.2011 hätten sich ausweislich ihrer erstinstanzlich als Anlage B 5 eingereichten Stundenaufstellung (Bl. 75 – 83 GA) unter Berücksichtigung von Pausen keine weiteren Nachtarbeitsstunden ergeben. Dementsprechend sei die Klägerin vom 01.01. bis 29.02.2012 gemäß ihrer Auflistung in Anlage BK 7 (Bl. 281 GA) auf lediglich 92,25 Nachtarbeitsstunden gekommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils auch insoweit abzuweisen, wie sie zur Zahlung von mehr als 1.030,61 € brutto nebst Zinsen oder wahlweise zur Gewährung von mehr als 20,66 bezahlten freien Tagen verurteilt worden sei.

Die Klägerin, die ihrerseits gegen das ihr am 02.08.2012 zugestellte Urteil am 21.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 09.10.2012 begründet hat, beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 11.441,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2011 zu zahlen oder ihr wahlweise weitere 179 bezahlte freie Tage zu gewähren, und
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beanstandet, dass dem Arbeitsgericht ein Rechenfehler unterlaufen sei und dass es bei der Berechnung nicht den jeweils aktuellen Stundenlohn zu Grunde gelegt habe. Sie verweist darauf, unter Beweisantritt vorgetragen zu haben, dass ihr eine Gruppenleiterin im Januar 2012 erneut erklärt habe, dass der Aufenthaltsort der Mitarbeiter den Fahrgästen auch während der Pausen bekannt zu geben sei. Entsprechend sei sie wie in den vergangenen Jahren auch am 07.02.2012 während eines Mitarbeiterseminars belehrt worden.

Verjährung sei nicht eingetreten. Hinsichtlich der Frage, ob eine tarifvertragliche Regelung für einen Ausgleich von Nachtarbeit existiert habe, sei die Rechtslage unübersichtlich und zweifelhaft gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Beide Berufungen sind nur in geringem Umfang begründet.

1.1 Die Klägerin hat gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG Anspruch auf Ausgleich für geleistete Nachtarbeitsstunden in der Zeit von Dezember 2007 bis Februar 2012.

1.1.1 Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung bestand während dieser Zeit nicht. Für die Zeit bis Dezember 2009 steht dies aufgrund eines Urteils des BAG vom 18.05.2011 (10 AZR 369/10 – AP ArbZG § 6 Nr. 11) außer Streit. Daran hat sich auch in der Folgezeit durch den ErgTV SiZ/West nichts geändert, von dessen Anwendbarkeit aufgrund der über die Bezugnahme in § 11 Abs. 1 Anstellungsvertrag hinausgehenden einvernehmlichen Vertragspraxis der Parteien auszugehen war.

1.1.1.1 Während stationär Beschäftigte gemäß § 3 Nr. 3.9.1 ErgTV SiZ/West für Nachtarbeit einen 15%igen Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde von 22 bis 6 Uhr erhalten, findet sich für Mitarbeiter im Fahrdienst keine entsprechende Regelung.

1.1.1.2 Soweit § 3 Nr. 3.2 Satz 3 lit. c ErgTV SiZ/West für das gewerbliche Fahrpersonal vorsieht, dass bei Ermittlung der Länge der Dienstschicht Arbeitszeiten zwischen 20 und 6 Uhr nicht mitzurechnen sind, führt dies zum Teil auch zu einer Begünstigung von Arbeitnehmern, die keine Nachtarbeit leisten. Dies spricht dafür, dass damit nicht die besonderen Belastungen von Nachtarbeit ausgeglichen werden sollten. Zudem fiele ein Ausgleich durch eine sich aus dieser Regelung ergebende Begünstigung bei gleich langen Schichten desto geringer aus, je mehr Nachtarbeitsstunden anfallen (Berechnungsbeispiele in LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.10.2012 – 25 Sa 950/12 und 1010/12 – zu I 3 c bb (2) (a) (cc) der Gründe).

1.1.1.3 Systematik und Tarifgeschichte bieten ebenfalls keine Anhaltspunkte für einen stillschweigenden Ausgleich von Nachtarbeit. Insbesondere ist darin, dass die Pausenanrechnung von der stufenweisen Einführung von Nachtarbeitszuschlägen durch die Tarifvereinbarung 2012 unberührt bleiben soll, nicht zum Ausdruck gelangt, dass dieser bislang eine Ausgleichsfunktion hatte zukommen sollen, zumal die Tarifvereinbarung 2012 von anderen Parteien als der ErgTV SiZ/West getroffen worden ist. Eher ist daraus zu schließen, dass die Parteien der Tarifvereinbarung 2012 der Pausenanrechnung gerade keine Ausgleichsfunktion für Nachtarbeit beigemessen haben.

1.1.1.4 Auch der Regelung über eine Beteiligung der Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr am Bruttoumsatz aus dem Verkauf von Speisen und Getränken und am Endpreis der benutzten Bett- und Liegekarten gemäß § 3 Nr. 15.3 ErgTV SiZ/West lässt sich keine stillschweigende Ausgleichsregelung entnehmen. Damit sollten ersichtlich nur die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zur Erzielung von Umsätzen im Tagservice und im Nachtreiseverkehr ausgeglichen werden (LAG Hamburg, Urteil vom 10.10.2012 – H 6 Sa 35/12 – zu II 3 c cc (1) der Gründe).

1.1.2 Als angemessener Ausgleich ist es anzusehen, der Klägerin wahlweise einen Zuschlag von 25 % des Tarifentgelts zu zahlen oder ihr für jeweils 32 zwischen 23 und 6 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag zu gewähren. Dafür spricht, dass dauerhaft während der Nacht zu leistende Arbeit gesundheitsbelastender ist als solche an einzelnen Tagen oder Wochen und auch die Teilhabe am sozialen Leben dadurch deutlich stärker beeinträchtigt wird (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.08.2011 – 10 Sa 1450/11 – zu II.2.3 der Gründe). Dem Umstand, dass die Beklagte aufgrund ihres Betriebszwecks Nachtarbeit nicht zu vermeiden vermag, wäre lediglich dadurch Rechnung zu tragen, die Ausgleichsleistung nicht noch höher zu bemessen, was die Klägerin aber auch nicht verlangt hat. Für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht, dass die Beklagte mit der Gewerkschaft NGG in der Tarifvereinbarung 2012 für die Zeit ab 01.01.2014 ebenfalls einen Ausgleich in dieser Höhe festgelegt und damit offenbar als angemessen erachtet hat (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.10.2012 – 18 Sa 1021/12 – zu II 2 a bb (4) der Gründe).

1.1.3 Im Dezember 2007 leistete die Klägerin unstreitig 22 Nachtarbeitsstunden. In den Jahren 2008 und 2010 kam sie ebenfalls unstreitig auf 628,25, 646,75 und 651,98 Stunden. 2011 waren es nach Darstellung der Beklagten mindestens 401,47 Stunden und im Januar und Februar 2012 mindestens 92,25 Stunden. Soweit die Klägerin in der Zeit vom 29.11. bis 31.12.2011 weitere 70 Stunden und im Januar und Februar 2012 weitere (116,5 ./. 92,25 =) 24,25 Stunden geleistet haben will, ist sie der Darstellung der Beklagten über den zeitlichen Umfang ihrer Nachtarbeitsstunden für diese Zeiträume in den Anlagen B 5 und BK 7 nicht substantiiert unter Beweisantritt entgegengetreten.

1.1.4 Der Ausgleich für Nachtarbeit der Klägerin von Dezember 2007 bis Februar 2012 beläuft sich sonach auf

Zeitraum

Nachtarbeitsstunden

Stundenentgelt

Gesamtbetrag

Dezember 2007

22    

7,14   

157,08

01.01. – 31.08.08

365,25

7,52   

2.746,68

01.09. – 31.12.08

315     

7,86   

2.475,90

01.01. – 31.12.09

646,75

7,86   

5.083,46

01.01. – 31.12.10

651,98

8,14   

5.307,12

01.01. – 28.02.11

21,12 

8,14   

171,92

01.03. – 31.12.11

380,35

8,34   

3.172,12

01.01. – 29.02.12

92,25 

8,47   

781,36

Summe 

2.494,70

        

19.895,64

 19.895,64 x 25 % =

 4.973,91

erstinstanzlich zugesprochen

3.890,13

        

1.083,78 €

2.494,70 : 32 = 77,96 bezahlte freie Tage.

1.2 Ansprüche der Klägerin auf Nachtarbeitszuschläge bzw. bezahlte freie Tage für die Zeit bis November 2007 sind verjährt, weshalb die Beklagte gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt war, insoweit die Leistung zu verweigern.

1.2.1 Die Verjährungsfrist für diese Ansprüche betrug gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des jeweiligen Jahres, in dem sie entstanden waren und die Klägerin von den sie begründenden Umständen Kenntnis erlangt hatte. Da dies bereits jeweils sofort der Fall gewesen war, konnte die Erhebung der Klage am 22.12.2011 die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr für die Zeit vor Dezember 2007 hemmen.

1.2.2 Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen erfordert in der Regel nicht, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen auch zutreffende rechtliche Schlüsse zieht. Denn er hat die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. Nur ausnahmsweise dann, wenn die Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft ist, sodass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag, kann der Verjährungsbeginn wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein, weil es dann an der Zumutbarkeit einer Klagerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlt (BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 30/98 – NJW 1999, 2041 zu II 1 der Gründe). So verhielt es sich hier nicht.

1.2.3 Dass Nachtarbeit in Geld oder bezahlter Freizeit auszugleichen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Arbeitszeitgesetz. Dass die im Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angewandten Tarifverträge für Fahrpersonal keine ausdrücklichen Ausgleichsregelungen enthielten, war ebenfalls bekannt. Damit hätte es jedem Nachtarbeit leistenden Mitarbeiter im Fahrdienst ohne weiteres freigestanden, seinen Ausgleichsanspruch gerichtlich zu verfolgen. Dass sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt hat, aufgrund diverser Regelungen sei von einem stillschweigend erfolgten Ausgleich auszugehen und die von einem Kollegen der Klägerin Mitte 2008 erhobene Klage zunächst in den unteren Instanzen erfolglos geblieben ist, hatte nicht zu einer unübersichtlichen Rechtslage geführt. Insbesondere hatte es keine zuvor gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben (zu diesem Aspekt BAG, Urteil vom 24.10.2001 – 5 AZR 32/00 – AP BGB § 823 Schutzgesetz Nr. 27 zu B I 3 a aa (2) der Gründe) und konnte sich das BAG in seinem den angesprochenen Prozess eines Kollegen der Klägerin zu dessen Gunsten abschließenden Urteil vom 18.05.2011 auf ganze drei Absätze beschränken, um die Ansicht der Beklagten zur damaligen Tariflage zu widerlegen. Die Klage dieses Mitarbeiters war im Übrigen Beleg dafür, dass spätestens zu dieser Zeit eine gerichtliche Geltendmachung von Ausgleichsleistungen für Nachtarbeit zumutbar war.

1.3 Eine Vergütung für Arbeitsbereitschaft während der vorgesehenen Pausen gemäß § 612 Abs. 1 BGB konnte der Klägerin nicht zugesprochen werden.

1.3.1 Dass die Beklagte aufgrund des in § 3 Nr. 3.2 ErgTV SiZ/West geregelten Pausenabzugs je nach Länge der Dienstschicht ohnehin zur Vergütung von Pausenzeiten verpflichtet war, hätte einer Pflicht zur zusätzlichen Vergütung für arbeitszeitwidrig angeordnete Arbeitsbereitschaft während dieser Zeiten nicht entgegengestanden.

1.3.2 Dafür genügten allerdings die von der Klägerin geschilderten Umstände, unter denen es dazu kommen konnte, dass sie während ihrer Pausen von Reisenden angesprochen wurde, angesichts dessen nicht, dass ihr der Aufenthaltsort im Zug freigestellt war. Wenn es ihr als nicht vertretbar erschien, einen Fahrgast unter Hinweis auf ihre Pause durch den Zug zu einem anderen Mitarbeiter zu schicken, beruhte dies auf einem eigenen Entschluss.

1.3.3 Soweit die Klägerin bereits erstinstanzlich eine Gruppenleiterin dafür benannt hat, diese habe sie im Januar 2012 erneut darauf hingewiesen, den Fahrgästen auch ihren Aufenthaltsort während der Pausen bekannt zu geben, entsprach ihr diesbezüglicher Beweisantritt mangels Angabe, wann dies zuvor bereits geschehen sein soll, schon in zeitlicher Hinsicht nur für Februar 2012 den Anforderungen des § 373 ZPO. Auch insoweit war aber nicht erkennbar, für welche konkreten Pausenzeiten die Klägerin Vergütung begehrt hat, da sie es bei ihrer ursprünglichen Angabe von insgesamt 116,5 Nachtarbeitsstunden für Januar und Februar 2012 belassen hat, ohne sich mit den Angaben der Beklagten in Anlage BK 7 zu deren Berufungsbegründung auseinanderzusetzen.

1.3.4 Aus diesen Gründen brauchte auch der Behauptung der Klägerin nicht nachgegangen zu werden, die Mitarbeiter seien auf einem Seminar am 07.02.2012 erneut dahingehend belehrt worden, auch während der Pausen durch ein Hinweisschild ihren Aufenthaltsort bekanntzugeben. Zudem wäre einer solchen erkennbar der gesetzlich vorgeschriebenen Pausenregelung widersprechenden Äußerung eines nicht weisungsberechtigten Referenten ohnehin nicht blindlings Folge zu leisten gewesen.

1.4 Rechtshängigkeitszinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 187 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG für den zum Gegenstand der zweiten Klagerweiterung gemachten Teilbetrag erst ab dem 28.04.2012 zu.

2. Nebenentscheidungen

2.1 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei erschien es angemessen, für den zum Gegenstand übereinstimmender Erledigungserklärungen gemachten Feststellungsantrag, der gemäß § 3 Ts. 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG im Ergebnis wie vom Arbeitsgericht mit 4.000 € bewertet werden konnte, dieselbe Quote wie für den Zahlungsantrag festzulegen. Diese belief sich in erster Instanz für die Beklagte auf (4.973,91 : 15.331,28 =) 32,44 %. In der Berufungsinstanz verringerte sich diese Quote mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 1.030,61 € nicht angegriffen hat, auf [(4.973,91 ./. 1.030,61) : (15.331,28 – 1.030,61) =] 27,57 %.

2.2 Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

[Hinweis: Der Berichtigungsbeschluss wurde in den Tenor eingearbeitet

Beschluss vom 21.01.2013

Obiges Urteil wird wegen eines Eingabefehlers bei der Berechnung der erstinstanzlichen Kostenquote und wegen eines Übertragungsfehlers bei der Abfassung der Zulassungsentscheidung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wie folgt berichtigt:

4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 19.331,28 € die Klägerin zu 67,56 % und die Beklagte zu 32,44 % zu tragen, während die die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 14.300,67 € der Klägerin zu 72,43 % und der Beklagten zu 27,57 % auferlegt werden.

5. Die Revision wird für die Beklagte in vollem Umfang und für die Klägerin insoweit zugelassen, wie ihre Klage wegen Verjährung der erhobenen Forderung auf Ausgleich von Nachtarbeit abgewiesen worden ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. ]