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Entscheidung 10 UF 174/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 14.01.2011
Aktenzeichen 10 UF 174/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. August 2010 wie folgt abgeändert.

Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des verstorbenen Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung …, …, zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 5,9331 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto … bei der Deutsche Rentenversicherung M…, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Mai 2003, übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird 1.370,68 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Durch Urteil vom 29.7.2004, rechtskräftig seit dem 7.9.2004, hat das Amtsgericht auf den am 14.6.2003 zugestellten Antrag des Ehemannes hin die am 30.10.1971 geschlossene Ehe des früheren Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden sowie das Verfahren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs abgetrennt und ausgesetzt. Am 20.2.2009 ist der Antragsteller verstorben. Mit Schriftsatz vom 15.7.2010 hat die Verfahrensbevollmächtigte angezeigt, dass eine Nachlasspflegschaft besteht, weil Erben nach Ausschlagung des überschuldeten Nachlasses nicht vorhanden sind.

Mit Beschluss vom 11.8.2010 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin durchgeführt sowie angeordnet, dass der Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 2. unterbleibt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1., die sich insbesondere darauf beruft, dass dem Versorgungsausgleich die neue Auskunft vom 25.8.2010 zugrunde zu legen sei.

II.

Auf das durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29.7.2004 vom Verbund abgetrennte und ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren ist nach Wiederaufnahme des Verfahrens das seit dem 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden (Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, §§ 48 ff VersAusglG). Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht (§§ 228,Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet, weil der Durchführung des Versorgungsausgleichs die geänderte Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. für den verstorbenen Ehemann zugrunde zu legen ist. Ferner hat das Amtsgericht § 18 Abs. 2 VersAusglG im Hinblick auf Anrechte der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht richtig angewendet.

1.

Nach dem Tod des ausgleichsverpflichteten Antragstellers ist der Versorgungsausgleich nach Maßgabe der Vorschrift des § 31 VersAusglG durchzuführen.

Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber noch vor der Entscheidung über den - abgetrennten - Versorgungsausgleich, so erlischt sein Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs, da hierfür kein Bedürfnis mehr besteht. Dagegen findet zugunsten des überlebenden Ehegatten grundsätzlich noch ein Versorgungsausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG statt, da das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich mit dem Tod des anderen Ehegatten nicht erlischt. Allerdings hängt der Anspruch des Überlebenden auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Gunsten davon ab, dass er insgesamt ausgleichsberechtigt wäre. Denn er soll durch den Tod seines Ehegatten beim Wertausgleich nicht besser gestellt werden. Ihm steht deshalb nur das zu, was er bei „normaler“ Durchführung des Wertausgleichs unter lebenden Ehegatten erhalten hätte (vgl. Johannsen/ Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 31 VersAusglG, Rn. 3). Dementsprechend ergibt sich aus § 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG das Erfordernis einer Gesamtsaldierung der Anrechte des Überlebenden und derjenigen des Verstorbenen (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 31 VersAusglG, Rn. 3). In die Gesamtbilanz sind alle ausgleichsreifen Anrechte einzustellen. Dabei ist regelmäßig der korrespondierende Kapitalwert (§ 47 VersAusglG) sämtlicher Anrechte als Hilfswert heranzuziehen (vgl. Kaiser/Schnitzler/Friederici/Götsche, BGB Familienrecht, Sonderdruck, 2. Aufl., § 31 VersAusglG, Rn. 22).

2.

Hiervon ausgehend sind auf der Grundlage der Auskünfte der weiteren Beteiligten vom 3.2. und 25.8.2010 die folgenden in der Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) vom 1.10.1971 bis zum 31.5.2003 von beiden Eheleuten erworbenen Anrechte im Rahmen der Gesamtbilanz zu berücksichtigen:

Auf Seiten der Ehefrau:
- gesetzliche Rentenversicherung: 0,1833 Entgeltpunkte
Ausgleichswert: 0,0917 Entgeltpunkte, korrespondierender Kapitalwert: 522,68 €
- gesetzliche Rentenversicherung (Ost): 20,8850 Entgeltpunkte (Ost)
Ausgleichswert: 10,4425 Entgeltpunkte (Ost), korrespondierender Kapitalwert: 49.812,27 €

Auf Seiten des verstorbenen Ehemannes:
- gesetzliche Rentenversicherung (Ost): 32,9703 Entgeltpunkte (Ost)
Ausgleichswert: 16,4852 Entgeltpunkte (Ost), korrespondierender Kapitalwert: 78.636,85 €.

Hinsichtlich der einzelnen Anrechte bzw. der Differenz ihrer Ausgleichswerte liegt keine Geringfügigkeit vor bzw. das Anrecht der Antragstellerin, dem Entgeltpunkte zugrunde liegen, ist trotz § 18 Abs. 2 VersAusglG in die Gesamtbilanz des Versorgungsausgleichs einzustellen.

Zwar ist diese in Höhe von 0,0917 Entgeltpunkten auszugleichende Anwartschaft der Antragsgegnerin für sich genommen geringfügig, denn der korrespondierende Kapitalwert, §§ 18 Abs. 3, 5 VersAusglG, beträgt 522,68 € und liegt damit unter dem hier bezogen auf das Ende der Ehezeit, am 31.5.2003, maßgebenden Grenzwert von 2.856 €. Obwohl nach dem Willen des Gesetzgebers in einem solchen Fall der Ausgleich unterbleiben soll, hält der Senat in Übereinstimmung mit der weiteren Beteiligten zu 1. bei Ausübung des ihm gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zustehenden Ermessens die Durchführung des Versorgungsausgleichs für geboten. Denn die Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG würde im vorliegenden Fall, selbst wenn der Antragsteller zwischenzeitlich nicht verstorben wäre, dessen Zweck verfehlen. Die Vorschrift soll dem Versorgungsträger den Aufwand ersparen, für wertmäßig geringe Anrechte den Versorgungsausgleich umzusetzen sowie dadurch Kleinstrenten zu begründen und verwalten zu müssen. Vorliegend wäre jedoch ein weiteres bei der weiteren Beteiligten zu 1 bestehendes nicht geringfügiges Anrecht der Antragsgegnerin auszugleichen. Der Ausgleich eines geringfügigen Anrechts zusammen mit einem nicht geringfügigen Anrecht beim gleichen Versicherungsträger der gesetzlichen Rentenanwartschaften bedingt aber keinen nennenswerten Mehraufwand. Zudem werden die Entgeltpunkte West und Ost künftig in eine einheitliche Rente münden. Sie werden nur wegen ihrer fehlenden Gleichartigkeit (§ 120 f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) in den Auskünften gesondert aufgeführt. Eine getrennte Betrachtung im Rahmen von § 18 VersAusglG ist deshalb im Regelfall nicht angebracht (vgl. hierzu z.B. OLG München, Beschluss vom 20.12.2010 - 12 UF 1715/10 und vom 9.12.2010 - 12 UF 1625/10, jeweils juris; OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2010 - 23 UF 212/10 und vom 14.06.2010 - 23 UF 239/10, jeweils juris; OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010 - 10 UF 282/08, juris; OLG Jena, NJW 2010, 3310). Von diesen grundsätzlichen Überlegungen abgesehen würde eine Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG hier aber auch deshalb den genannten Zweck verfehlen, da das wertmäßig geringfügige Anrecht der Antragsgegnerin lediglich eine Rechnungsposition im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtsaldierung ist und tatsächlich keine Übertragung von Anrechten zugunsten des verstorbenen Antragstellers erfolgt.

Unter Berücksichtigung der korrespondierenden Kapitalwerte sind somit folgende Ausgleichswerte in die Gesamtbilanz des Versorgungsausgleichs nach § 31 Abs. 2 VersAusglG einzustellen:

Antragsgegnerin:

49.812,27 € + 522,68 € = 50.334,95 €

Antragsteller:

78.636,85 €

Die überlebende geschiedene Antragsgegnerin ist damit ausgleichsberechtigt, da der verstorbene Antragsteller die höheren Anrechte in der Ehezeit erworben hat. Der Ausgleich ist in Höhe der Differenz der korrespondierenden Kapitalwerte durchzuführen Diese beläuft sich vorliegend auf (78.636,85 € - 50.334,95 € =) 28.301,90 €. Zugunsten der Antragsgegnerin sind folglich aus der Versorgung des verstorbenen Antragstellers Anrechte zu übertragen, die einem Kapitalwert in Höhe von 28.301,90 € entsprechen.

Hinsichtlich der Durchführung dieses Ausgleichs folgt der Senat dem Vorschlag der weiteren Beteiligten zu 1. in ihrem Schriftsatz vom 20.8.2010. Danach sind in Anlehnung an die bis zum 31.8.2009 geltende Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG Entgeltpunkte (Ost) zu übertragen. Der auszugleichende Kapitalwert ist folglich in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen. Hierbei sind die Anzahl an Entgeltpunkten (Ost) zu errechnen, die sich ergeben würden, wenn der auszugleichende Kapitalwert als Beitrag zum Ende der Ehezeit in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden wäre. Für die Umrechnung ist der Faktor zur Umrechnung von Beiträgen in Entgeltpunkte (Ost) aus der Bekanntmachung der Umrechnungsfaktoren für den Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung maßgebend. Am Ende der Ehezeit (31.5.2003) belief sich der Umrechnungsfaktor (Ost) von Beiträgen in Entgeltpunkte auf 0,0002096371 (vgl. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 30. Aufl., Seite 33). Damit errechnen sich hier

28.301,90 € x 0,0002096371 = 5,9331 Entgeltpunkte (Ost),

die zugunsten der Antragsgegnerin und zulasten der Anrechte des verstorbenen Antragstellers zu übertragen sind.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 81 Abs. 1 FamFG, 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird wegen abweichender Rechtsansichten zur Frage des Ausgleichs eines geringfügigen Anrechts, wenn ein weiteres Anrecht beim gleichen Versorgungsträger der gesetzlichen Rentenanwartschaften vorliegt, zugelassen, § 70 Abs. 1, Is FamFG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Rechtsbeschwerde dient der Fortbildung des Rechts und sichert die Einheit der Rechtsprechung.