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Entscheidung 7 U 167/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 23.06.2010
Aktenzeichen 7 U 167/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1.9.2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung ihrerseits in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihr Gesellschaftszweck war die Herstellung und Bewirtschaftung einer Wohnanlage in …. Nach dem Verkauf der gesellschaftseigenen Immobilie am 26.10.2007 befindet sich die Klägerin gemäß dem Umlaufbeschluss ihrer Gesellschafter vom 30.3.2007 in Liquidation.

Die Beklagten sind Gesellschafter der Klägerin.

Die Klägerin hat die Beklagten auf der Grundlage der als Anlage K 11 vorgelegten „Liquidationsbilanz“ vom 21.11.2007 zum 27.10.2007 auf Zahlung eines Fehlbetragsausgleichs nach § 735 BGB in Höhe von 159.143,30 € in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 159.143,30 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Rechtsauffassung vertreten, sie hätten weder dem Grunde noch der Höhe nach für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch einzustehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den Akteninhalt verwiesen.

Mit dem am 1.9.2009 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Das Landgericht hat einen Anspruch nach § 735 BGB als gegeben erachtet. Das Gesellschaftsvermögen der Klägerin reiche nicht zur Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten aus. Die Klägerin habe eine ordnungsgemäße Schlussabrechnung vorgelegt, die von ihren Gesellschaftern mit dem Umlaufbeschluss vom 12.9.2008 beschlossen worden sei. Die Beklagten hafteten insbesondere auch für den Ausfall von Mitgesellschaftern, die voraussichtlich nicht zum Ausgleich der Verbindlichkeiten der Klägerin beitragen könnten.

Die Beklagten seien auf Grund des Umlaufbeschlusses der Gesellschafter der Klägerin vom 12.9.2008 grundsätzlich gehindert, Einwendungen hinsichtlich einzelner Positionen in der Schlussrechnung geltend zu machen.

Im Übrigen griffen die Einwendungen der Beklagten gegen die Richtigkeit der Schlussabrechnung nicht durch. Für die beanstandete Berücksichtigung einer Summe von Gesellschafterdarlehen in Höhe von 4.220.077,27 € gebe es einen Darlehensforderungen begründenden Gesellschafterbeschluss.

Schließlich könnten die Beklagten der Klageforderung auch nicht die Verpfändung des Kaufpreiserlöses aus dem Verkauf des gesellschaftseigenen Grundstücks an die kreditgebende Bank entgegenhalten.

Die Beklagten hafteten demnach für den festgestellten Fehlbetrag in Höhe der zwischenzeitlich unstreitigen Beteiligungsquote von 1,2109 %.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten Berufung wollen die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Die Beklagten beanstanden unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag die Annahme einer Haftung für einen Fehlbetrag der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach.

Das Landgericht sei zur Begründung der Haftung der Beklagten zu Unrecht von einem wirksamen Schuldbeitritt der Beklagten zu den Darlehensverträgen der Klägerin mit der kreditgewährenden Bank (BHH AG) ausgegangen. Dieser Schuldbeitritt der Beklagten sei nicht wirksam, weil sie bei seiner Vornahme von der hierzu bevollmächtigten vormaligen Geschäftsbesorgerin der Klägerin vertreten worden seien. Die Geschäftsbesorgerin habe jedoch mit der Vertretung der Beklagten bei Vornahme der Beitrittserklärungen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Der Klägerin komme auch kein Einwendungsausschluss zulasten der Beklagten zugute, da zwar im Gesellschaftsvertrag, nicht jedoch im Darlehensvertrag mit der BHH AG eine einschlägige Grundverpflichtung der Beklagten zu einer Schuldübernahme gegeben sei.

Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass sich die … AG auch auf Grund einer Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB nicht auf den Schuldbeitritt der Beklagten berufen könne, da sie um die Fehlerhaftigkeit des der Beteiligung der Beklagten zugrundeliegenden Prospektes wusste. In diesem Zusammenhang regen die Beklagten eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO mit Blick auf ein dies prüfendes Verfahren vor dem Kammergericht an.

Die Beklagten beanstanden weiterhin die Rechtsausführungen des Landgerichts zur Mithaftung für den Ausfall von Mitgesellschaftern und zur Verwendung der Kaufpreisforderung das früher bewirtschaftete Grundstück betreffend.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des vom 1.9.2009 verkündeten Urteil des Landgerichts Cottbus abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in zweiter Instanz wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 28.4.2010 haben die Klägerin die Schriftsätze vom 28.4.2010 und vom 10.5.2010 und die Beklagten den Schriftsatz vom 10.5.2010 zu den Akten gereicht.

II.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet.

Sie richtet sich gegen die Beklagten als gemeinsame Inhaber der Beteiligung an der Klägerin gemäß der Beitrittsvereinbarung vom 4./7.12.1992 (Anlage K 2, Bl. 28 d.A.).

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Leistung eines Nachschusses nach § 735 Satz 1 BGB in Anspruch. Dieser Anspruch ist jedoch zurzeit nicht fällig.

Der Nachschussanspruch nach § 735 BGB wird nach Abschluss der Liquidation der Gesellschaft und der einvernehmlichen Feststellung der Schlussabrechnung durch die Gesellschafter fällig (Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., Rn. 2; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. zum BGB, § 735, Rn. 5).

An der einvernehmlichen Feststellung der Schlussabrechnung durch die Gesellschafter fehlt es bislang.

Die Beklagten müssen sich nicht den sogenannten Umlaufbeschluss vom 12.9.2008 (Anlage K 10, Bl. 271 f. d.A.) entgegenhalten lassen.

Zwar erlaubt § 17 Abs. 5 der Satzung der Klägerin (nachfolgend GV) die Beschlussfassung der Gesellschafter – außer in der Gesellschafterversammlung – auch durch schriftliche Abstimmung. Zur Wirksamkeit solcher schriftlichen Beschlüsse genügt die in der Satzung oder im Gesetz vorgeschriebene Mehrheit. Die schriftliche Abstimmung wird von der Geschäftsführung/dem Geschäftsbesorger durchgeführt. Über das Ergebnis einer schriftlichen Abstimmung sind alle Gesellschafter zu unterrichten.

Hier könnte sich aus der Bezugnahme auf die schriftliche Beschlussfassung und das hierzu erstellte Protokoll vom 29.9.2008 (Bl. 271 d.A.) ergeben, dass die vorstehend zitierten Formalien einer schriftlichen Beschlussfassung gewahrt wurden. Es fehlt gleichwohl an der für die Fälligkeit eines Nachschussanspruches gebotenen einvernehmlichen Beschlussfassung. Der Umlaufbeschluss vom 12.9.2008 mit dem Gegenstand der Genehmigung der Liquidationsbilanz zum 27.11.2007 als Schlussbilanz ist nichtig.

Der Senat schließt sich im Ergebnis der Entscheidung des 19. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 12.11.2009 zu Az.: 19 U 25/09 an, auf die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.4.2010 hingewiesen worden ist.

Das Kammergericht hat in den Gründen der zitierten Entscheidung vorrangig darauf abgestellt, dass der in dem dort anhängigen Rechtsstreit gefasste Umlaufbeschluss bereits nicht wirksam zustande gekommen sei, weil er nicht einstimmig gefasst worden sei. Ebenso fehle es an einer hinreichend bestimmten Ermächtigung in der Satzung der dortigen Klägerin, von dem gesetzlich vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen. Aus den vom Kammergericht in diesem Zusammenhang angeführten Bestimmungen aus dem Gesellschaftsvertrag der dortigen Klägerin wird ersichtlich, dass deren Satzung in Aufbau und Inhalt der der Klägerin in diesem Rechtsstreit entspricht.

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, hat der Senat Zweifel daran, dass die einschlägigen Satzungsbestimmungen der Klägerin in diesem Rechtsstreit, die den vom Landgericht erörterten Satzungsbestimmungen entsprechen, tatsächlich nicht hinreichend bestimmt seien, um eine Durchbrechung des sonst maßgeblichen Einstimmigkeitsgebots zu rechtfertigen.

Mit dem Kammergericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der Feststellung der Schlussbilanz der Klägerin um ein Grundlagengeschäft handelt, das grundsätzlich dem Einstimmigkeitsprinzip unterfällt. Hier könnte entgegen der Wahrnehmung des Kammergerichts allerdings eine hinreichende Ermächtigung in § 17 Nr. 3 Satz 1 GV zu sehen sein.

So hat auch das Kammergericht in den Gründen der angeführten Entscheidung ausgeführt, dem Wortlaut nach würde für die in Rede stehende Beschlussfassung die Auffangklausel von § 17 Nr. 3 Satz 1 GV eingreifen. Dies entspreche aber nicht einer interessengerechten - objek-tiven - Auslegung des Gesellschaftsvertrages. In diesem Zusammenhang verweist das Kammergericht auf die schwerwiegenden zusätzlichen Belastungen der Gesellschafter aus der Einforderung eines Nachschusses nach § 735 BGB, die zu vergleichbaren Ansprüchen an die Legitimationsgrundlage einer Mehrheitsentscheidung über nachträgliche Beitragserhöhungen führe.

Der Senat kann von einer Stellungnahme zu der Rechtsfrage nach dem wirksamen Zustandekommen des sogenannten Umlaufbeschlusses vom 12.9.2008 jedoch absehen. Die hier in Rede stehende Beschlussfassung der Gesellschafter der Klägerin ist jedenfalls aus materiellen Gründen nichtig. Insofern folgt der Senat den hilfsweisen Erwägungen des Kammergerichts in dessen Entscheidung vom 12.11.2009.

Unabhängig von der Eindeutigkeit der gesellschaftsvertraglichen Regelung zu dem Verzicht auf Einstimmigkeit bei Grundlagengeschäften einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts reicht diese gegebenenfalls nicht in allen Fällen aus, um eine Mehrheitsentscheidung zu legitimieren. Diese unterliegt vielmehr auf einer zweiten Stufe der inhaltlichen Wirksamkeitsprüfung. Zu prüfen ist hier, ob hier bei – unterstellter – Zulassung der betreffenden Mehrheitsentscheidung im Gesellschaftsvertrag ein unzulässiger Eingriff in schlechthin unverzichtbare oder in „relativ unentziehbare“, das heißt nur mit – gegebenenfalls antizipierter – Zustimmung des einzelnen Gesellschafters oder aus wichtigem Grund entziehbare Mitgliedschaftsrechte vorliegt. Hinsichtlich der zweiten Gruppe von Mitgliedschaftsrechten kommt es darauf an, ob die Gesellschaftermehrheit die inhaltlichen Grenzen der ihr erteilten Ermächtigung eingehalten und sie sich nicht etwa treupflichtwidrig über beachtenswerte Belange der Minderheit hinweggesetzt hat. Dieser Einwand gegen eine an sich zulässige Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist von der Minderheit darzulegen und zu beweisen (2. Zivilsenat des BGH, Urteil vom 15.1.2007, II ZR 245/05).

Hier ergibt sich die Treuwidrigkeit der Beschlussfassung gemäß Umlaufbeschluss vom 12.9.2008 gegenüber den Beklagten daraus, dass die zur Abstimmung gestellte Schlussrechnung Rückstellungen für den Ausfall von Nachschussforderungen gegenüber Mitgesellschaftern ausweist.

Bei der Berechnung des von den Beklagten eingeforderten Nachschusses kann die von der Klägerin mit 20 % angegebene Ausfallquote mit Ansprüchen auf Nachschuss gegenüber Mitgesellschaftern nicht anspruchserhöhend in Ansatz gebracht werden.

Nach § 735 Satz 1 BGB sind die Beklagten zur Zahlung eines Nachschusses nur entsprechend dem Verhältnis verpflichtet, nach dem sie den Verlust zu tragen haben. Nichts anderes ergibt sich aus § 4 Abs. 9 GV.

Die Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 BGB greift erst dann ein, wenn von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden kann. Diese Feststellung kann gegenwärtig nicht getroffen werden, da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe sie mit Nachschussforderungen konkret ausgefallen ist. Zweck der Liquidation ist es gerade, das Vermögen der Gesellschaft, zu dem auch Nachschussansprüche gegen Mitgesellschafter gehören, zunächst zur Schuldentilgung zu verwerten.

Die Klägerin kann zur Rechtfertigung der zur Abstimmung gestellten Schlussbilanz auch nicht darauf verweisen, dass diese antizipierte Ausfälle mit Nachschussansprüchen entsprechend bilanzieren müsse. Diese Bilanzierungsnotwendigkeit mag aus handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht geboten sein. Sie reicht jedoch nicht zur Begründung einer anteiligen Ausfallhaftung der Beklagten nach § 735 Satz 2 BGB aus.

Ebenso ist der Einwand der Klägerin nicht durchgreifend, dass ohne die Praktizierung der Berücksichtigung vermuteter Ausfälle mit Nachschussansprüchen gegenüber einem Teil der Gesellschafter im Rahmen der Schlussbilanz das Liquidationsverfahren zeitlich erheblich gestreckt werden könne. Dies mag so sein. Dennoch kann unter diesem Gesichtspunkt keine pauschalierte Ausfallhaftung der leistungsfähigen Mitgesellschafter in Anspruch genommen werden, jedenfalls nicht im Rahmen einer – unterstellt – an sich satzungsgemäß zulässigen Mehrheitsentscheidung der Mitgesellschafter. Ob anderes dann gelten würde, wenn die von der Klägerin praktizierte Aufstellung der Schlussbilanz im Gesellschaftsvertrag vorgesehen worden wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.

In Ansehung der bereits aus den vorstehend ausgeführten Gründen nichtigen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12.9.2008 zur Feststellung der Liquidationsbilanz als Schlussbilanz kann der Senat offen lassen, ob sich die Mehrheit der Gesellschafter mit der Beschlussfassung auch über die Interessen der Beklagten insoweit hinweggesetzt hat, als diese Pflichtwidrigkeiten der alleinigen oder Hauptgläubigerin der Klägerin, der …, behauptet haben, die sie im Falle einer Nichtgeltendmachung des Nachschussanspruches durch die Klägerin und der unmittelbaren Inanspruchnahme durch die Gläubigerin dieser entgegenhalten könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Grund zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereichten nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG auf 159.143,30 € festgesetzt.