Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer | Entscheidungsdatum | 18.04.2012 | |
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Aktenzeichen | 23 Sa 110/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 155 Abs 4 S 9 SGB 5, § 164 Abs 2 SGB 5, § 164 Abs 3 SGB 5, § 164 Abs 4 SGB 5 |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.12.2011 - 16 Ca 8354/11 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Der am …..1963 geborene Kläger stand seit dem 15.8.2000 zur Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis als Fachinformatiker. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug 3.700,00 Euro. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 MTV ist das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit nur aus einem in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Grund kündbar.
Die Beklagte, eine geöffnete Betriebskrankenkasse mit Sitz in Stuttgart und weiteren Geschäftsstellen in Berlin und Hamburg, ist zum 1.4.2004 aus einem Zusammenschluss der BKK B. und der BKK H. entstanden. Nach Anzeige ihrer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vom 7.4.2011 verfügte das Bundesversicherungsamt (BVA) mit Bescheid vom 4.5.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ihre Schließung zum 30.6.2011. Die Beklagte informierte den Kläger hiervon mit Schreiben vom 6.5.2011, das ihm 13.5.2011 zugegangen ist. Sie teilte ihm mit, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung gemäß §§ 153, 155 Abs. 4 Satz 9 und 164 Abs. 4 SGB V zum 30.6.2011 endet. Nach Widerspruch des Hauptpersonalrates vom 17.5.2011 kündigte sie ihm vorsorglich mit einem weiteren, am 25.5.2011 ausgehändigten Schreiben vom 19.5.2011 betriebsbedingt zum 30.6.2011, hilfsweise zum 30.9.2011. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit der am 1.6.2011 eingegangenen Klage. Da in dem Bereich Informationstechnologie/First Level Support, in dem er beschäftigt war, wegen Abwicklungsarbeiten noch Bedarf an seiner Arbeitsleistung bestand, schlossen er am 22.6.2011 einen vom 1.7.2011 bis zum 30.6.2012 befristeten Arbeitsvertrag mit der „C. BKK Körperschaft des öffentliche Rechts in Abwicklung.“ In seiner Präambel ist festgehalten, dass die Arbeitgeberin nicht die Rechtsnachfolgerin der C. BKK, sondern als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit den Abwicklungsarbeiten betraut ist.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sein Arbeitsverhältnis nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V in unmittelbarer Folge des Schließungsbescheides geendet hat. Die Regelung sei mit Art. 3 und 12 GG nicht vereinbar. Sie komme für ordentlich kündbare Arbeitnehmer ohnehin nicht zur Anwendung. Die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ergebe sich auch nicht aus dem behaupteten Verlust der Rechtsfähigkeit seiner Arbeitgeberin. Sie bestehe gemäß § 155 AGB V solange fort, wie es der Zweck der Abwicklung erfordere. Die ausgesprochene Kündigung sei wegen des fortbestehenden Beschäftigungsbedarfs und mangels Sozialauswahl nicht sozial gerechtfertigt. Sie sei zudem mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates unwirksam.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass das Arbeitsverhältnis unmittelbar aufgrund gesetzlicher Anordnung mit der Schließung zum 30.6.2011 geendet habe. Die Vereinbarung der befristeten Beschäftigung ab dem 1.7.2011 ändere daran nichts. Der Beendigungsautomatismus erfasse sowohl die ordentlich kündbaren als auch die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer. Er sei nicht von Unterbringungsbemühungen und ihrem Erfolg abhängig. Das sei folgerichtig, weil sie mit der Schließung ihre Rechtspersönlichkeit verloren habe und damit den Arbeitnehmern der Arbeitgeber abhanden gekommen sei. Die Regelung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei nicht verfassungswidrig. Selbst wenn ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG vorliegen würde, sei er zur Sicherung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes geeignet, erforderlich und angemessen. Art. 9 Abs. 3 GG sei nicht verletzt, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter verkürzten Fristen und ohne Rücksicht auf den Ausschluss ordentlicher Unkündbarkeit möglich und hinzunehmen sei. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht vor. Andernfalls hätte er lediglich einen Anspruch des benachteiligten Arbeitnehmers auf Gleichstellung oder Schadensersatz, nicht aber die Unwirksamkeit der Beendigungsregelung zur Folge. Jedenfalls sei die wegen der vollständigen Betriebsstilllegung ausgesprochene Kündigung wirksam, zu der der zuständige Hauptpersonalrat gehört worden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8.12.2011 der Klage in vollem Umfang entsprochen und festgestellt,
1. dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen in den §§ 153, 155 Abs. 4 Satz 9 und 164 Abs. 4 SGB V mit Ablauf des 30.6.2011 aufgelöst worden ist;
2. dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungserklärung vom 19.5.2011 weder zum 30.6.2011 noch zum 30.9.2011 aufgelöst wird;
3. dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.6.2011 hinaus fortbesteht.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte als parteifähig angesehen, weil es sich bei der vorliegenden Bestandstreitigkeit um ein typisches Abwicklungsgeschäft der C. BKK im Sinne des § 155 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 SGB V handele. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei weder kraft Gesetzes noch aufgrund der Kündigung beendet worden. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die nicht beim Landesverband oder einer anderen Betriebskrankenkasse weiterbeschäftigt, aber über den Tag der Schließung hinaus mit Abwicklungsarbeiten betraut werden, nicht kraft Gesetzes enden. Andernfalls läge ein unangemessener Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers vor. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber mit der Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nur die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern erfassen wollen, deren Weiterbeschäftigung nicht möglich sein sollte. Dieses Ergebnis entspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die Kostenlast für die mithaftenden Kassen zu begrenzen, da die durch Abwicklungsarbeiten verursachten Personalkosten auch über den Schließungszeitpunkt hinaus anfallen und die anderen Kassen ohnehin belasten. Die Kündigung vom 15.5.2011 habe das Arbeitsverhältnis nicht beenden können. Da über den 30.6.2011 hinaus noch Bedarf an seiner Weiterbeschäftigung bestanden habe, lägen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung vor.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 13.1.2012 zugestellte Urteil am 17.1.2012 Berufung eingelegt und sie am 2.3.2012 begründet. Sie führt aus, dass das angefochtene Urteil auf einer falschen Anwendung materiellen Rechts beruht. Sie bleibt dabei, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen des mit der Schließung verbundenen Arbeitgeberwegfalls, jedenfalls aber nach §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V zum 30.6.2011 ipso jure sein Ende gefunden habe. Ein etwaiger Eingriff in seine Grundrechte sei aus verfassungsgemäßen Gründen gerechtfertigt. Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung stehe der Beendigung auch dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer mit der Betriebskrankenkasse in Abwicklung ein befristetes Arbeitsverhältnis eingeht, weil er gegen die Befristung mit der Befristungskontrollklage vorgehen könne. Andernfalls könnte es bei einer Vereinbarung des befristeten Arbeitsverhältnisses mit einem zeitlichen Abstand zum Beendigungstermin zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit kommen, die der Gesetzgeber mit § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V gerade habe vermeiden wollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Dezember 2011 - 16 Ca 8354/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er äußert Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung, die sich zu einem erheblichen Teil mit Entscheidungen anderer Gerichte befasse, aber nicht mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetze. Seines Erachtens schließe die Tatsache, dass § 164 Abs. 4 SGB V dem Schutz der Gesundheitssysteme und der Versichertengemeinschaft dienen soll, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm nicht aus und zwar nicht nur für den Fall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Abwicklungsgesellschaft. Der mit einer unmittelbar aus § 164 Abs. 4 SGB V folgenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehend Eingriff in Rechte aus Art. 12 GG sei nicht verhältnismäßig. Da die Personalkosten nur 5 % der Gesamtaufwendungen der Kasse ausmachen, könnten sie nur unwesentlich zu den durch die Abwicklung entstehenden Kosten beitragen, zumal die Beachtung arbeitsrechtlicher Standards Aufwendungen von deutliche unter 5 Millionen Euro erfordern würden. Dabei könne nicht außer Acht lassen werden, dass der durch § 164 Abs. 4 SGB V angeordnete Rechtsverlust offensichtlich bei denjenigen Arbeitnehmern nicht erforderlich ist, die bei der Abwicklung der Kasse noch auf Monate und Jahre weiterbeschäftigt werden. Zu Gunsten einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse könne nicht ins Gewicht fallen, dass sie „prekär“ und gleichsam ohnehin nichts mehr wert seien. Wenn der Gesetzgeber ein funktionierendes Gesamtsystem des Gesundheitsschutzes im Auge gehabt habe, so führe die Schließung der Kasse zu einer erwünschten Umverteilung der bei der Beklagten konzentrierten Risiken auf andere Kassen. Das berechtige aber noch nicht dazu, sämtliche elementare Schutzrechte der betroffenen Arbeitnehmer auf der Strecke zu lassen und sie schlicht auf die Straße zu setzen. Bei der geschlossenen Kasse und der Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung handele es sich um ein und dasselbe Rechtssubjekt, wobei die Körperschaft öffentlichen Rechts in Abwicklung für den Abwicklungszweck als fortbestehend fingiert werde. Abzuwickeln seien zahlreiche Versicherungsverhältnisse, wozu der überwiegende Teil der im Schließungszeitpunkt beschäftigten Arbeitnehmer benötigt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Auffassung des Arbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei nicht Kraft gesetzlicher Anordnung beendet worden, weil aufgrund verfassungskonformer Auslegung § 164 Abs. 4 SGB V nicht Arbeitnehmer erfasse, die wie der Kläger über den Tag der Schließung hinaus mit Abwicklungsarbeiten betraut werden, ist sie mit Ausführungen zum Verlust der Rechtspersönlichkeit der C. BKK und zur Auslegung der Rechtsnorm entgegen getreten, der gemäß alle Arbeitsverhältnisse spätestens zu dem festgesetzten Schließungstag enden. Dass sie sich dabei auch mit Entscheidungen anderer Gerichtsurteile auseinandersetzt, dient lediglich der weiteren Absicherung ihrer Rechtsauffassung.
II.
Die Berufung ist begründet. Entgegen der angefochtenen Entscheidung war nicht festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst worden ist und über den 30.6.2011 hinaus fortbesteht. Seine zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1 Die Beklagte ist mit der C. BKK identisch, die Trotz Schließung die ihr nach § 29 Abs. 1 SGB IV zukommende Rechtsfähigkeit nicht verloren hat und daher gemäß § 50 ZPO parteifähig ist. Bei Schließung einer Betriebskrankenkasse hat ihr Vorstand gemäß § 155 Abs. 1 und 2 SGB V die Geschäfte abzuwickeln. Bis die Geschäfte abgewickelt sind, gilt die Betriebskrankenkasse nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fortbestehend. Sie bleibt zu diesem Zweck handlungsfähig und damit auch rechtsfähig. Zur Geschäftsabwicklung gehören auch Streitigkeiten über die Frage der wirksamen Beendigung der mit ihr begründeten Arbeitsverhältnisse.
1.2 Das für die Klage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Für den Antrag zu 2 folgt es aus § 4 KSchG. Das für den Antrag zu 1 nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund der Beendigungsanordnung in § 164 Abs. 4 SGB V als beendet sieht. Der Kläger hat den Klageantrag zu 1 ausweislich seiner Begründung mit der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung begründet. Das gemäß § 256 erforderliche Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 3 ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch darauf stützt, dass dem Kläger mit ihrer Schließung zum 30.6.2011 der Arbeitgeber abhanden gekommen sein soll. Die Wirksamkeit der im Vertrag vom 22.6.2011 vereinbarten Befristung ist dagegen nicht Gegenstand der Feststellungsklage geworden. Weder hat der Kläger sie angreifen wollen noch ist die Beklagte mit der Befristung seinem Feststellungsantrag entgegen getreten.
2. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem 30.6.2011 beendet worden. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen legen vor.
2.1 Die Beklagte ist zum 30.6.2011 geschlossen worden. Der vorläufig vollstreckbare Schließungsbescheid der BVA ist nicht aufgehoben worden.
2.2 Der Prüfung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Bescheides gemäß der gesetzlichen Beendigungsanordnung steht nicht entgegen, dass die Parteien am 22.6.2011 einen vom 1.7.2011 bis zum 30.6.2012 befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Für den Fall mehrerer aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge hat das Bundsarbeitsgericht entscheiden, dass durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage stellen, die künftig für ihre Rechtsbeziehung allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben. (vgl. BAG Urteil vom 18.6.2008 - 7 AZR 214/07 - in AP Nr. 50 zu § 14 TzBfG; Urteil vom 14.2.2007 - 7 AZR 95/06 - in AP Nr. 28 zu § 612 a BGB). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein unbefristetes und ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sonst gleichem Inhalt nicht nebeneinander bestehen können. Vielmehr schließen beide einander aus (vgl. BAG Urteil vom 8.5.1985 - 7 AZR 191/84 - in AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Eine Wirksamkeitskontrolle der vorangegangenen Befristung ist jedoch möglich, wenn sie in dem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent vorbehalten worden ist (vgl. BAG Urteil vom 18.6.2008 - 7 AZR 214/07 - a.a.O.; Urteil vom 14.2.2007 - 7 AZR 95/06 -a.a.O.). Die Parteien haben im Termin vom 18.4.2012 unstreitig gestellt, dass eine Vorbehaltsvereinbarung im Zusammenhang mit dem Abschluss des befristeten Vertrages nicht zustande gekommen ist. Gleichwohl besteht kein Hindernis für die Prüfung, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.6.2011 sein Ende gefunden hat. Der Vertrag vom 22.6.2011 ist nach Erhebung der vorliegenden Klage abgeschlossen worden. Nach dem dort zum Ausdruck gekommenen Willen, wollten die Parteien gerade nicht mit dem befristeten Vertrag ihr bisheriges Arbeitsverhältnis auf eine neue, künftig allein maßgebende Rechtsgrundlage stellen. Das ergibt sich nicht nur aus der Erklärung der Beklagten im Termin vom 18.4.2012, der gemäß sie seinerzeit gesagt hat, das nach ihrer Auffassung mit dem befristeten Vertrag ein anders Arbeitsverhältnis zustande kommt. In der Präambel des Vertrages vom 22.6.2011 ist herausgestellt, dass die Arbeitgeberin nicht Rechtsnachfolgerin der C. BKK ist. Zwar trifft diese Auffassung nicht zu. Gleichwohl zeigt die Präambel, dass die Parteien von zwei unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angenommen haben. Für ihre künftigen Rechtsbeziehungen ist es zudem nicht unerheblich, ob das ursprüngliche Arbeitsverhältnis sein Ende gefunden hat. Gemäß dem Arbeitsvertrag vom 15.8.2000 ist sein Inhalt vollständig tarifvertraglichen Regelungen unterworfen. In dem Vertrag vom 22.6.2011 haben sie den Inhalt im Einzelnen geregelt. Gemäß der Präambel sollen durch jeweilige Bezugnahmen auf verschiedene Tarifverträge für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen in der Fassung vom 15.3.2010 lediglich tarifvertragsnahe Arbeitsbedingungen gewährleistet werden.
2.3 Nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt für die Betriebskrankenkassen § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend mit der Maßgabe, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann.
2.3.1 § 164 Abs. 2 SGB V regelt Versorgungsansprüche von Versorgungsempfängern und ihren Hinterbliebenen. Absatz 3 Satz 1 und 2 betrifft Dienstordnungsangestellte. Nach Absatz 3 Satz 3 ist den übrigen Beschäftigten bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Jede Innungskrankenkasse ist nach Absatz 3 Satz 4 verpflichtet, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen Anstellungen nach Satz 3 anzubieten. § 164 Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimmt, dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung enden.
2.3.2 Die grundlegende Regelung ist § 164 Abs. 3 Satz 3 und 4 sowie Absatz 4 SGB V. Demnach enden mit dem Tag der Schließung die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten. Die Arbeitsverhältnisse der Untergebrachten enden aufgrund der Unterbringung bei dem Landesverband oder einer anderen Kasse. Für die bis zur Schließung noch nicht untergebrachten oder auf sonstige Weise ausgeschiedenen Arbeitnehmer kommt Absatz 4 Satz 1 zur Anwendung. Nach dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang kommt es für die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse nicht darauf an, ob ihnen überhaupt eine Stellung angeboten worden ist, ob sie zumutbar war und ob das Angebot mit Grund abgelehnt wurde. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob bei der geschlossenen Kasse wegen anfallender Abwicklungsarbeiten über den Tag der Schließung hinaus noch ein Bedarf an der Beschäftigung einzelner Arbeitnehmer besteht. Die Beendigung der Vertragverhältnisse wird von derartigen Unständen nicht abhängig gemacht. Sie knüpft allein und bedingungslos daran an, dass der Beschäftigte zum Tag der Schließung nicht untergebracht worden ist. Die Bezugnahme auf Absatz 3 macht die Beendigung nach Absatz 4 nicht davon abhängig, dass nicht nur die Unterbringung unterblieben ist, sondern auch die in Absatz 3 für die Unterbringung enthaltenen Maßgaben eingehalten worden sind. Aus der Formulierung in Absatz 3 Satz 3 und 4, der gemäß eine angemessene Stellung anzubieten ist und jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, Anstellungen anzubieten, folgt, dass die betroffenen Beschäftigten einen Anspruch auf ein derartiges Angebot haben. Das Gesetz gibt keine Frist für die Erfüllung des Anspruchs und für die Annahme der Angebote vor. Demnach kann ein zumutbares Angebot noch nach dem Tag der Schließung abgegeben und ein vor dem Tag der Schleißung abgegebenes Angebot noch nach dem Tag der Schließung angenommen werden. Gleichwohl ordnet Absatz 4 Satz 1 ohne Differenzierung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tag der Schließung an.
2.3.3 § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V bringt § 164 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe auf die Betriebskrankenkassen zu Anwendung, dass Absatz 3 Satz 3 nur für ordentlich unkündbare Beschäftigte gilt. Damit wird die Verpflichtung des Landesverbandes und der Betriebskrankenkassen zum Angebot einer zumutbaren Stellung auf diesen Personenkreis beschränkt. Für die Anwendung des in Bezug genommenen Absatzes 4 sieht § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V keine Maßgabe vor. Damit beleibt es bei der Grundregel, dass alle noch bestehenden Vertragverhältnisse mit dem Tag der Schließung enden.
2.4 Die Beendigungsregelung gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 und 4 SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2.4.1 Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Er schützt den Einzelnen mit der Garantie der freien Wahl des Arbeitsplatzes, zu der auch der Wille zu seiner Beibehaltung gehört, gegen staatliche Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Mit der Wahlfreiheit ist jedoch keine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Direkte staatliche Eingriffe in bestehende Arbeitsverhältnisse sind möglich. Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG gilt auch für die Arbeitsplatzwahl. Auch sie unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, die an der Bedeutung der Wahlfreiheit gemessen nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist (vgl. BVerfG Urteil vom 24.4.1991 - 1 BvR 1341/90 - in AP Nr. 70 zu Art. 12 GG). Die Beendigungsregelung greift zwar in die Wahlfreiheit ein, genügt aber den dafür notwendigen Anforderungen.
2.4.1.1 Die Sicherung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist gemäß dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 GG ein beachtliches Gemeinwohlinteresse, dass einen Eingriff in die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen kann (vgl. BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR706/08 - in BVerfGE 123, 86). Dem dient die Beendigungsregelung. Mit der Beendigung der Arbeitsverhältnisse sollen die Kosten der Abwicklung einer wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit geschlossenen Kasse begrenzt und möglichst gering gehalten werden. Dies geschieht in Beachtung des Interesses der Versicherten, die Beiträge zur Krankenversicherung erträglich zu halten, und des Interesses der in § 155 Abs. 4 SGB V vorgesehenen Haftungsgemeinschaft der übrigen Kassen, finanziell nicht überfordert zu werden.
2.4.1.2 Zur Erreichung des Ziels ist die Beendigungsregelung geeignet. Mit der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Tag der Schließung werden Kosten durch Verzögerungen bei Einleitung der ansonsten von dem Arbeitgeber zu veranlassenden Entlassungen oder bei ihrer Durchführung vermieden. Die Kasse wird in die Lage versetzt, sich frei von Unwägbarkeiten und finanzieller Risiken der Entlassungen auf die Abwicklung gemäß § 155 Abs. 1 und 2 SGB V auszurichten und personell auszustatten.
2.4.1.3 Die Beendigungsregelung ist zur Erreichung des Ziels auch erforderlich, weil mildere Mittel zur gleich wirksamen Förderung des angestrebten Ziels nicht zur Verfügung stehen. Die Kündigungen oder Abschluss von Aufhebungsverträgen würden wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes sowie der damit einhergehenden zeitlichen Verzögerungen weitere Kosten verursachen und im Hinblick auf die damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten eine zügige Abwicklung zur Lasten der Versicherten und der Haftungsgemeinschaft erschweren.
2.4.1.4 Die Regelung ist auch angemessen. Zwar führt die Regelung der §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 SGB V zu einer Belastung des Klägers, der ohne Einhaltung seiner tariflichen Kündigungsfrist das der Sicherung seiner Existenz dienende Arbeitsverhältnis verliert, ohne gesetzlichen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen und ohne die Schließungsentscheidung überprüfen zu können. Allerdings geht es auch nicht um eine willkürliche Schließung. Die Voraussetzungen einer Schließung sind gesetzlich vorgegeben. Um sie nach § 153 Abs. 1 Nummer 3 SGB V anordnen zu können, muss die dauerhafter Leistungsunfähigkeit festgestellt werden. Die Arbeitsverhältnisse enden demnach nicht ohne Prüfung und Feststellung der dafür erforderlichen Notwendigkeit. So hat sich das BVA nach der Begründung ihres Bescheides vom 4. Mai 2011 erst zur Schleißung entschlossen, nachdem bisherige Sanierungsversuche trotz der Finanzhilfen aus dem BKK-System gescheitert waren, trotz weiterer Hilfen eine Sanierung nicht mehr möglich und bis Ende 2011 ein Anwachsen der Verschuldung auf rund 98, 2 Millionen zu erwarten war. Damit wird erkennbar, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auch unabhängig von der angeordneten Schließung keinen dauerhaften Bestand haben konnte, sondern vor seiner Beendigung stand.
Die Beendigung traf den Kläger nicht ohne Ankündigung. Ihr Termin und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen waren ihm seit dem 13.5.2011 mit Zugang der Unterrichtung über den Schließungsbescheid bekannt. Zwar werden mit der sich daraus ergebenden Zeitspanne von knapp 7 Wochen die gesetzlichen Kündigungsfristen deutlich unterschritten. Die Schließungsfrist von 8 Wochen nach § 153 Abs. 2 SGB V ist ebenfalls nicht eingehalten. Sie ist allerdings auch erst mit Wirkung zum 1.1.2012 durch Art. 1 Nr. 59 c GKV-VStG vom 22.12.2011 eingeführt worden. Andererseits ist eine Frist von knapp 7 Wochen auch nicht so unbedeutend für das Bedürfnis, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzustellen, dass deswegen ein unangemessener Eingriff in den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutz bestehender Arbeitsverhältnisse vorliegen würde.
Der Eingriff ist auch nicht deswegen unangemessen, weil zum Beendigungstermin noch ein Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers für die Abwicklungsarbeiten bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und im Hinblick auf die sich aus § 242 BGB ergebenden Rücksichtsnahmepflicht des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. Wiedereinstellung zuerkannt, wenn sich zwischen dem Ausspruch einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt (vgl. BAG Urteil vom 28.6.2000 - 7 AZR 904/98 - in AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung). Zwar hat die Beklagte keine Kündigung ausgesprochen, sondern ein Dritter die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Schließungsanordnung getroffen. Gleichwohl war bereits vor dem Schließungszeitpunkt die Wetterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger gegeben. Die Interessenlage ist auch nicht anders als bei einer betriebsbedingten Kündigung, so dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zuzugestehen wäre. Gleichwohl führt das nicht zur Unangemessenheit der Beendigungsregelung. Eine Weiterbeschäftigung wäre nur befristet und der Abwicklung angepasst möglich. Ohne die Beendigungsregelung wäre die Beklagte hierzu auf einen nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglichen Änderungsvertrag, eine Änderungskündigung oder eine Beendigungskündigung verwiesen. Das würde wiederum dem mit der Beendigungsregelung verfolgten Ziel der Kostenersparnis und Planungssicherheit zuwiderlaufen.
Die Überlegungen des Klägers zur Gewichtung der Personalkosten und ihrem Umfang unter Zugrundelegung arbeitsrechtlicher Standards bei der Beendigung können nicht verfangen. Es ist zu berücksichtigen, das die Haftungsgemeinschaft der Krankenkassen ausweislich der Begründung des Schließungsbescheides schon zuvor erhebliche Mittel zur Rettung der Beklagten aufgewandt hat. Unabhängig davon, dass die Beklagte die Kostenberechnung des Klägers bestritten hat, kann nicht außer Acht gelassen werden, dass ohne die Beendigungsregelung die kalkulierten Kosten durch Verzögerungen bei Einleitung und Durchführung der dann erforderlichen Entlassungen weiter steigen werden.
2.5 Eine Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern von Gesellschaften des Privatrechts, deren Arbeitsverhältnisse bei Auflösung der Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen enden, sondern gekündigt werden müssten, ist durch das im Gemeinwohl liegende Interesse an einem bezahlbaren Krankenversicherungsschutz und dem besondere Haftungssystem der Betriebskrankenkassen gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG liegt damit nicht vor. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 G wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber Beschäftigten, die gemäß §§ 164 Abs. 3, 171d Abs. 1 Satz 5 SGB V einen Anspruch auf Unterbringung haben, führt allenfalls zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung, nicht aber zur Unwirksamkeit der Regelung.
2.6 Art. 9 Abs. 3 GG hindert den Gesetzgeber nicht, in den Bestand von Arbeitsverhältnisses unter Abkürzung von Fristen einzugreifen.
3. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 SGB V mit dem 30.6.2011 beendet worden ist, konnte die Klage auch mit ihrem gegen die Kündigung vom 19.5.2011 gerichteten Antrag und mit ihrem allgemeinen Feststellungsantrag zu 3. keinen Erfolg haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung der §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 und 4 SGB V und ihrer Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zugelassen worden.