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Entscheidung 4 Sa 470/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 4. Kammer Entscheidungsdatum 19.06.2013
Aktenzeichen 4 Sa 470/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Für die Frage, ob eine Dienstvereinbarung, soweit ein Wirksamkeitshemmnis für einen Teil der Dienstvereinbarung besteht, insgesamt oder nur teilweise nicht in Kraft treten soll, kommt es maßgeblich auf den Willen der Parteien an.

2. Eine Dienstvereinbarung tritt insgesamt nicht in Kraft, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien der Dienstvereinbarung ohne den aufgrund des Wirksamkeitshemmnisses nicht in Kraft getretenen Teil eine Geltung der Dienstvereinbarung nicht gewollt hätten.

3. Soweit das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Teilnichtigkeit von Betriebsvereinbarungen ausgeführt hat, es komme für die isolierte Weitergeltung auf einen möglicherweise entgegenstehenden Willen der Betriebsparteien regelmäßig nicht an, wenn sich der verbleibende Teil einer Betriebsvereinbarung als eine weiterhin sinnvolle und anwendbare Regelung darstellt (vgl. BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12; BAG 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 - AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 3), steht dies dem nicht entgegen. Die Weitergeltung von Teilen tariflicher oder betrieblicher Normen trotz möglicherweise entgegenstehenden Willens der Vertragsschließenden beruht auf dem Ziel, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit der durch die Normen geschaffenen Ordnung diese soweit aufrechtzuerhalten, wie sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre Ordnungsfunktion noch entfalten kann (vgl. BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12; BAG 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 - AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 3). Soweit jedoch bereits das Inkrafttreten in Frage steht, fehlt es an einer schon geschaffenen und in Vollzug gesetzten Ordnung, die im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit aufrechterhalten bleiben soll.

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Januar 2013 - 34 Ca 17042/12- unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 283,98 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen.

II.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 92 % und die Beklagte 8 % zu tragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen und um die Frage, ob die AVR.DWBO auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.01.1998 als Krankenschwester beschäftigt. Die Beklagte ist eine Diakoniestation im Bereich des D. W. Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO). Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält ua. folgende Regelungen:

Inhalt und Beginn des Arbeitsverhältnisses

Auf das Arbeitsverhältnis werden die Rahmenbedingungen der D.-Pflege R. gGmbH in der jeweils geltenden Fassung angewandt, die der Mitarbeiterin ausgehändigt worden ist.

Zahltag

Die Vergütung für den laufenden Monat ist bis spätestens zum 30. eines jeden Monats auf ein von der Mitarbeiterin eingerichtetes Girokonto im Inland zu zahlen.

Ausschlussfrist

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsparteien binnen einer Frist von sechs Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

Die Beklagte wendete auf ihre Einrichtung die Sonderregelung für Diakoniestationen dieses Bereiches (im Folgenden: SR-Diak.Stat.) an, die in vielen Bereichen schlechtere Bedingungen als die AVR.DWBO vorsehen. Dies beruht auf einer Ausnahmegenehmigung des Diakonischen Rates vom 13.4.2011 zumindest bis zum 31.12.2011.

Mit Rundschreiben 08/2010 vom 29.11.2010 teilt der Diakonische Rat ua. folgendes mit:

I. Beschlüsse

1. Ablösung der SR-Diak.Stat. durch Einführung des Tarifsystems der AVR DWBO

Die Sonderregelung für Diakoniestationen im Bereich des DWBO (SR-Diak.Stat.) wird mit Wirkung ab 01.07.2011 mit den nachfolgenden Maßgaben der Regelungen zu 2. bis 4. aufgehoben und durch der Regelungen der AVR DWBO nebst Anlagen, Sicherung- und ATZ-Ordnung und Ordnung für Bildschirmarbeitsplätze ersetzt.

2. Übergangsregelungen in der SR-Diak.Stat.

Zum 01.01.2011 erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bislang nach der SR-Diak.Stat. eingruppiert sind, eine allgemeine lineare Erhöhung der Vergütungstabellenwerte der Anlage 1 (einschließlich der Stunden- und Überstundenvergütung) um 2,75 %.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Rundschreibens 08/2010 wird auf Bl. 61 – 65 d. A. verwiesen.

Unter dem 16.08.2011 schloss die Beklagte mit ihrer Mitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung ab, nach deren Inhalt die Arbeitnehmer der Beklagten wieder in den Bereich der regulär geltenden AVR.DWBO geführt werden sollten. Die in ihrem Grundtext fünfseitige Dienstvereinbarung enthält neben einer Präambel und mehreren auf die Präambel folgenden Paragraphen unter der Ziffer I. Vereinbarungen zur Sicherung der Leistungsangebote gemäß § 17 AVR.DWBO, unter II. Regelungen für die Mitarbeiter, die nicht unter die Regelungen des § 17 AVR.DWBO fallen und unter III. weitergehende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung und endet alsdann mit einem Paragraphen 6 und den dort enthaltenen Schlussbestimmungen.

In § 2 der Präambel der Dienstvereinbarung ist folgendes geregelt:

Auf die Dienstverhältnisse werden ab dem 1.7.2011 die Arbeitsvertragsrichtlinien des D. W. der Ev. Kirche in Deutschland in der Fassung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des D. W. Berlin Brandenburg schlesische Oberlausitz sowie diese ergänzenden oder ersetzenden Regelungen in der jeweils geltenden Fassung angewendet, soweit arbeitsvertraglich nicht eine günstigere Regelung vereinbart wurde.

Abweichend von der vorstehenden Regelung wird im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung des Diakonischen Rates vom 13.4.2011 vereinbart, dass über den 30.6.2011 hinaus die in den AVR.DWBO enthaltene Sonderregelung für Diakoniestationen weiter angewendet werden, längstens jedoch bis zum 31.12.2011.

Für den Fall, dass die Ausnahmegenehmigung des Diakonischen Rates nicht über den 31.12.2011 verlängert wird, finden spätestens ab dem 1.1.2012, die auf Grundlage des ARRG durch die Arbeitsrechtliche Kommission oder des Schlichtungsausschusses beschlossenen, die Sonderregelungen Diakoniestationen ersetzenden/ablösenden kollektivrechtlichen Regelungen Anwendung.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Dienstvereinbarung wird auf Bl. 14 – 19 d. A. verwiesen.

Die Zustimmung der arbeitsrechtlichen Kommission zur Dienstvereinbarung vom 16.08.2011 wurde nicht erteilt.

Auf den Antrag der Beklagten, die Ausnahmegenehmigung zur Anwendung der SR-Diak.Stat. bis zum 31.12.2012 zu verlängern, teilte der Diakonische Rat mit Schreiben vom 13.6.2012 der Beklagten ua. folgendes mit:

„..

„in vorbezeichneter Angelegenheit hat der Diakonische Rat in seiner Sitzung am 06.06.2012 folgenden Beschluss gefasst:

„Der Diakonische Rat nimmt zur Kenntnis, dass die D.-Pflege R. zur Vollanwendung der AVR.DWBO gelangen und im Zusammenhang mit der Sanierung eine schrittweise Umstellung anstrebt. Für die Dauer der Gespräche zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitervertretung wird der Status Quo bis zunächst Ende 2012 akzeptiert“

Hinsichtlich des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 45 d. A. verwiesen.

Mit der der Beklagten am 15.11.12 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Januar bis Oktober 2012 in Höhe von insgesamt 965,99 EUR brutto. Ein Teil der Klageforderung in Höhe von monatlich 47,33 EUR brutto ergibt sich aus der Erhöhung der Entgelttabellen der SR.Diak.-Stat. zum 1.1.2011. Der übrige Teil ergibt sich aus dem Entgeltsystem der AVR.DWBO unter Berücksichtigung von § 17a AVR.DWBO. Hinsichtlich der Berechnung der Klageforderung wird auf Bl. 8 – 10 d. A. verwiesen. Weiter begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 01.01.2012 die AVR.DWBO anzuwenden.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass lediglich der Teil „I. Vereinbarung zur Sicherung der Leistungsangebote gem. § 17 AVR-DWBO“ der Genehmigung der arbeitsrechtlichen Kommission bedurft hätte und dass der genehmigungsfreie Teil der Dienstvereinbarung wirksam geworden sei. Die Dienstvereinbarung sei insoweit teilbar. Entsprechend könne sie sich § 2 der Präambel der Dienstvereinbarung stützen, wonach auf die Dienstverhältnisse ab dem 01.07.2011 bzw. spätestens dem 01.01.2012 die AVR.DWBO in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden seien.

Zumindest sei die Klage aber insoweit begründet, als sich der Anspruch aus der Erhöhung der Entgelttabellen der SR.Diak.-Stat. zum 1.1.2011 ergebe. Die Klägerin hat behauptet, sie habe ihre Ansprüche auf Entgelt aus der Erhöhung der Entgelttabellen der SR.Diak.-Stat. zum 1.1.2011. mit Schreiben vom Februar 2011 gegenüber der Beklagte geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 965,99 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
2.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf das Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2012 die Arbeitsvertragsrichtlinien der Ev. Kirche der EKD in der Fassung der Beschlüsse des D. W. der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (AVR.DWBO) anzuwenden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Dienstvereinbarung aufgrund der fehlenden Zustimmung der arbeitsrechtlichen Kommission insgesamt nicht in Kraft getreten sei. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Erhöhung der Entgelttabellen der SR.Diak.-Stat. zum 1.1.2011 berufen. Ausweislich des Rundschreibens gelte die Erhöhung nur, wenn die Anwendung der SR.Diak.-Stat. zum 1.7.2011 aufgehoben wurde. Sie hat insoweit auch auf das Schreiben des Diakonische Rats vom 13.6.2012 verwiesen und die Auffassung vertreten, hierdurch sei die Ausnahmegenehmigung zur Anwendung der SR.Diak.-Stat. bis zum 31.12.2012 verlängert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.1.2013 abgewiesen. Den Antrag zu 2. hat das Arbeitsgericht als unzulässig angesehen, weil dieser auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens gerichtet sei. Der Antrag zu 1. sei unbegründet, da die Dienstvereinbarung vom 16.8.2011 nicht in einem wirksamen und einen unwirksamen Teil aufspaltbar und deswegen mangels Genehmigung der arbeitsrechtlichen Kommission insgesamt nicht in Kraft getreten sei.

Gegen das ihr am 14.2.2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit beim Landesarbeitsgericht am 12.3.2013 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 9.4.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie ist der Auffassung, der Antrag zu 2. sei als Elementarfeststellungsklage zulässig. Die Klage sei auch insgesamt begründet. Die Dienstvereinbarung vom 16.8.2011 sei in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufspaltbar; die Dienstvereinbarung enthalte in § 2 eine Anspruchsgrundlage, die die Parteien der Dienstvereinbarung als eigene in sich geschlossene und dann wohl rechtsgültige Dienstvereinbarung ohne weiteres hätten verabschieden können. Die Dienstvereinbarung habe sicherstellen sollen, dass einerseits jedenfalls nach dem Auslaufen der Ausnahmegenehmigung der SR-Diak.Stat. das Recht der AVR.DWBO Anwendung findet und andererseits die Überführung auch wirtschaftlich tragbar ist. Nachdem zum 1.1.2012 nach der zweiten Schlichtung gemäß dem Rundschreiben 02/2012 vom 23.1.2012 eine für Diakoniestationen um 6 % niedrigere Entgelttabelle zur Anwendung kommen solle, sei – jedenfalls aus Sicht der Mitarbeitervertretung – die Überführung in die AVR.DWBO auch ohne Notlagenregelungen nach Anlage 17 möglich gewesen. Des Weiteren ergebe sich die Teilbarkeit bereits aus der Salvatorischen Klausel der Dienstvereinbarung sowie der vereinbarten Nachwirkung in Ziff. III.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.1.2013 – 34 Ca 17042/12 – aufzuheben und nach den Schlussanträgen der I. Instanz zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Vertiefung ihres Rechtsvorbringens.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat nur teilweise Erfolg.

A. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. b. statthafte Berufung der Klägerin ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG). Sie ist damit zulässig.

B. Die Berufung ist nur teilweise begründet.

I. Die Berufung ist hinsichtlich des Antrags zu 1. in Höhe eines Betrags von 283,98 EUR brutto begründet.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fand aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die bei der Beklagten geltenden Rahmenbedingungen die SR-Diak.Stat. Anwendung.

2. Entsprechend dem Rundschreiben 08/2010 vom 29.11.2010 wurden durch Beschluss des Diakonischen Rats um 01.01.2011 die Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat um 2,75 % erhöht. Dies ergibt bei der Klägerin einen Mehrbetrag von 47,33 EUR brutto monatlich.

a. Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt die Erhöhung des Vergütungstabellenwerts nicht nur für diejenigen Beschäftigten, die ab dem 1.7.2011 wieder dem Anwendungsbereich der AVR.DWBO unterfallen. Dies ergibt eine sachgerechte Auslegung des Beschluss des Diakonischen Rats entsprechend des mit Rundschreiben 08/2010 mitgeteilten Inhalts.

Durch den Beschluss soll insgesamt die Sonderregelung für Diakoniestationen im Bereich des DWBO (SR-Diak.Stat.) mit Wirkung ab 01.07.2011 aufgehoben werden. Im Rahmen dessen sollte der Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat um 2,75 % bereits zum 1.1.2011 erhöht werden. Die entsprechende Erhöhung dient ersichtlich dazu, den Beschäftigten unter dem Anwendungsbereich der SR-Diak.Stat bereits vor Anwendung der AVR.DWBO und der damit verbundenen Lohnerhöhung bereits ab 1.1.2011 zumindest eine Teillohnerhöhung zu gewähren. Es ist nicht ersichtlich, dass diejenigen Mitarbeiter, die auch nach dem 1.7.2011 dem Anwendungsbereich der SR-Diak.Stat. unterliegen, nicht dem aktuellen Stand der SR-Diak.Stat zum 1.1.2011 unterfallen sollen. Auch die Tatsache, dass die Erhöhung der Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat mit der Einführung der AVR.DWBO zum 1.7.2011 verknüpft wurde, spricht nicht dafür. Durch den Beschluss sollten die Beschäftigten in zweifacher Hinsicht profitieren. Zum einen sollte – als wichtigster Punkt – eine Anwendung der AVR.DWBO erreicht werden; bis zu der Einführung sollten die Beschäftigten aber zumindest einen kleineren Vorteil durch die Erhöhung der Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat erhalten. Daraus kann gerade nicht gefolgert werden, dass diejenigen Mitarbeiter, bei denen die Anwendung der AVR.DWBO erst noch später erreicht wird, nicht einmal von Erhöhung der Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat, also der für diese geltenden Regelung profitieren sollen. Der Sinn und Zweck der Regelung, zumindest einen Teilausgleich bis zur Einführung der AVR.DWBO zu schaffen, gilt erst recht für diejenigen Mitarbeiter, bei denen die AVR.DWBO erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden. Bringt die Beklagte aufgrund der Ausnahmegenehmigung die SR-Diak.Stat. bei sich zur Anwendung, sind Veränderungen der SR-Diak.Stat. auch zu berücksichtigen.

b. Die Klägerin hatte demnach aufgrund der Erhöhung der Vergütungstabellenwerte der SR-Diak.Stat um 2,75 % einen Anspruch auf 47,33 EUR brutto mehr pro Monat für die streitgegenständlichen Monate Januar – Oktober 2012.

c. Für die Monate Januar 2012 – April 2012 ist der Anspruch indes aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel verfallen. Die Klägerin hatte zwar behauptet, die Ansprüche aufgrund der Erhöhung der Vergütungstabellenwerte mit Schreiben vom Februar 2011 geltend gemacht zu machen. Sie ist aber für diese Behauptung trotz Bestreiten seitens der Beklagten beweisfällig geblieben. Für die Monate Mai – Oktober 2012 ist die Geltendmachungsfrist von 6 Monaten seit Fälligkeit durch Zustellung der Klageschrift am 15.11.2012 gewahrt. Daraus ergibt sich ein Anspruch von 283,98 EUR brutto (6 Monate x 47,33 EUR brutto).

II. Soweit die Klägerin ihren Zahlungsantrag auf die Anwendbarkeit der AVR.DWBO stützt, ist die Klage unbegründet. Die AVR.DWBO fanden auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung.

1. Die Parteien haben eine Anwendung der AVR.DWBO nicht einzelvertraglich vereinbart. Auf das Arbeitsverhältnis werden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Rahmenbedingungen der Beklagten in der jeweils geltenden Fassung angewandt.

2. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 2 der Präambel der Dienstvereinbarung. Die Dienstvereinbarung ist wegen der fehlenden Zustimmung der arbeitsrechtlichen Kommission nicht in Kraft getreten.

a. Allerdings unterlag – entgegen der Ansicht der Beklagten – nur der Abschnitt „I. Vereinbarungen zur Sicherung der Leistungsangebote gemäß § 17 AVR.DWBO“ dem Zustimmungserfordernis nach § 9 Abs. 2 ARRG iVm. § 17 Abs. 10 AVR.DWBO. § 17 Abs. 10 AVR.DWBO bestimmt, dass „die Dienstvereinbarung“ nach Maßgabe der gliedkirchlich-diakonischen Arbeitsrechtsregelung Antrag i.S.d. § 9 Abs. 2 ARRG.EKBO ist. Aus der Überschrift und dem Regelungsgehalt des § 17 AVR.DWBO ergibt sich, dass nur Dienstvereinbarungen zur Sicherung der Leistungsangebote gemeint sind. Entsprechende Regelungen enthält allein der Abschnitt „I. Vereinbarungen zur Sicherung der Leistungsangebote gemäß § 17 AVR.DWBO“. Für die weiteren Regelungen der Dienstvereinbarung ergibt sich kein Zustimmungserfordernis aus dem ARRG.

b. Die Dienstvereinbarung ist aber dennoch in Gänze nicht in Kraft getreten, da nach dem aus der Dienstvereinbarung erkennbaren Willen der Vertragsparteien eine Gesamtregelung getroffen werden sollte.

aa. Für die Frage, ob eine Dienstvereinbarung, soweit ein Wirksamkeitshemmnis besteht, insgesamt oder nur teilweise nicht in Kraft treten soll, kommt es maßgeblich auf den Willen der Parteien an. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB, der auch auf Dienstvereinbarungen anwendbar ist (vgl. für Betriebsvereinbarungen BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12; BAG 22.07.2003 - 1 ABR 28/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 108 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 4) hat die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Ebenso tritt eine Dienstvereinbarung insgesamt nicht in Kraft, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien der Dienstvereinbarung ohne den aufgrund des Wirksamkeitshemmnisses nicht in Kraft getretenen Teil eine Geltung der Dienstvereinbarung nicht gewollt hätten. Soweit das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Teilnichtigkeit von Betriebsvereinbarungen ausgeführt hat, es komme für die isolierte Weitergeltung auf einen möglicherweise entgegenstehenden Willen der Betriebsparteien regelmäßig nicht an, wenn sich der verbleibende Teil einer Betriebsvereinbarung als eine weiterhin sinnvolle und anwendbare Regelung darstellt (vgl. BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12; BAG 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 - AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 3), steht dies dem nicht entgegen. Die Weitergeltung von Teilen tariflicher oder betrieblicher Normen trotz möglicherweise entgegenstehenden Willens der Vertragsschließenden beruht auf dem Ziel, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit der durch die Normen geschaffenen Ordnung diese soweit aufrechtzuerhalten, wie sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre Ordnungsfunktion noch entfalten kann (vgl. BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12; BAG 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 - AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 3). Soweit jedoch bereits das Inkrafttreten in Frage steht, fehlt es an einer schon geschaffenen und in Vollzug gesetzten Ordnung, die im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit aufrechterhalten bleiben soll.

bb. Nach dem erkennbaren Willen der Partner der Dienstvereinbarung sollte diese nur einheitlich in Kraft treten.

(1) Die Einführung der AVR.DWBO auf der einen und die Vereinbarung zur Sicherung der Leistungsangebote gem. § 17 AVR-DWBO auf der anderen Seite bilden einen Kompromiss, der den wirtschaftlichen Interessen der Mitarbeiter auf der einen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten auf der anderen Seite Rechnung tragen soll. Dies entspricht auch dem klägerischen Vortrag. Eine isolierte Einführung der AVR.DWBO ohne die flankierenden Regelungen zur Sicherung der Leistungsangebote gem. § 17 AVR-DWBO war nicht gewollt.

(2) Dieser Wille hat auch seinen Niederschlag in dem Wortlaut, der – nicht wirksam gewordenen – Dienstvereinbarung gefunden.

Bereits in Absatz 2 und 3 der Präambel (Bl. 14 d. A.) nehmen die Parteien der Dienstvereinbarung einerseits auf die beabsichtigte Einführung der AVR.DWBO und andererseits auf die schwierige Wettbewerbssituation Bezug und formulieren, dass „unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Rahmenbedingungen…sich die Einrichtung und die MAV über den Inhalt der nachfolgenden Dienstvereinbarung einig geworden (sind)“. Entsprechend haben die Parteien dann zeitgleich mit der Einführung der AVR.DWBO durch § 2 der Präambel die Vereinbarung zur Sicherung der Leistungsentgelte getroffen. Die entsprechende Verknüpfung wird auch unter § 5 der Dienstvereinbarung hergestellt. Zwar ist allein für § 2 der Präambel eine Nachwirkung vereinbart. Gleichzeitig wurde aber statuiert, dass sich die Parteien wegen der wirtschaftlichen Notlage einig sind, dass die Dienstvereinbarung durch eine Dienstvereinbarung gem. Anlage 17 AVR DWBO mit Ablauf des 30.9.2011 abgelöst werden soll. Die erkennbare Verknüpfung zwischen Einführung der AVR.DWBO einerseits und die aufgrund der wirtschaftlichen Notlage erforderlichen Maßnahmen nach § 17 AVR.DWBO andererseits wird auch nicht durch die allgemein gehaltene Salvatorische Klausel in § 6 der Dienstvereinbarung in Frage gestellt. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass zum 1.1.2012 nach der zweiten Schlichtung gemäß dem Rundschreiben 02/2012 vom 23.1.2012 eine für Diakoniestationen um 6 % niedrigere Entgelttabelle zur Anwendung kommen soll, kann dies bei der Ermittlung des Willens der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 16.8.2011 als zukünftigen ungewisses Ereignis keine Rolle spielen.

c. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass selbst bei Wirksamwerden des § 2 der Präambel der Dienstvereinbarung zumindest für das Jahr 2012 eine Ablösung der SR-Diak.Stat. durch die AVR.DWBO nicht stattgefunden haben dürfte. Nach § 2 Abs. 3 finden für den Fall, dass die Ausnahmegenehmigung des Diakonischen Rates nicht über den 31.12.2011 verlängert wird, ab dem 1.1.2012, die auf Grundlage des ARRG durch die Arbeitsrechtliche Kommission oder des Schlichtungsausschusses beschlossenen, die Sonderregelungen Diakoniestationen ersetzenden/ablösenden kollektivrechtlichen Regelungen Anwendung. Vorliegend dürfte jedoch in dem Schreiben des Diakonische Rats vom 13.6.2012 eine entsprechenden Ausnahmegenehmigung über den 31.12.2011 hinaus liegen.

3. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer Gesamtzusage. Die Beklagte wollte sich ersichtlich nur unter den Voraussetzungen der Dienstvereinbarung binden.

II. Die Berufung war auch zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags zu 2. richtet.

1. Der Antrag ist allerdings zulässig. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage (st. Rechtsprechung ua. BAG 15.03.2006 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 31 mwN).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Inhalt des Arbeitsvertrags der Klägerin bestimmt sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nach den Rahmenbedingungen Beklagten. Dass die AVR.DWBO Inhalt der Rahmenbedingen der Beklagten geworden sind, hat die Klägerin nicht dargelegt. Die Dienstvereinbarung vom 16.8.2011 ist nicht in Kraft getreten. Andere Rechtsgrundlagen für die Geltung der AVR.DWBO hat die Klägerin nicht vorgetragen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO und soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist auf § 97 Abs. 1 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Die Kammer hat bei der Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt, dabei waren allein Umstände des Einzelfalles maßgebend.

[ Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss vom 19.7.2013 wurde in den Entscheidungstext eingearbeitet und lautet:

Beschluss

Der Tenor zu Ziff. I des Urteils vom 19. Juni 2013 wird wie folgt berichtigt:

„Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Januar 2013 - 34 Ca 17042/12- unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 283,98 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen.“

Gründe

Bei der Angabe des Zinszeitpunkts handelt es sich, wie sich aus der Verfahrensakte ergibt, um einen Schreibfehler iSd. § 319 Abs. 1 ZPO.